LAG Hessen
Az.: 21 Sa 715/12
Urteil vom 28.01.2013
Leitsatz (vom Verfasser – nicht amtlich): Veröffentlicht ein Arbeitnehmer in einer öffentlichen Facebook-Gruppe nachfolgende Äußerungen zu einem Informationsschreiben seines Arbeitgebers:„ich kotze gleich…… so asoziale Gesellschafter gibt´s wohl kaum ein 2tes Mal: (Wieviele Lügen, sowie Gehälter bei Neulingen, welche vor dem Gesetz als „Sittenwidrig“ gelten, soll es noch geben :-(„, so rechtfertigt dieses Verhalten noch keine fristlose oder fristgerechte Kündigung des Arbeitnehmers, wenn der Arbeitnehmer bereits eine sehr lange Zeit bei dem Arbeitgeber beschäftigt war (im Fall 28 Jahre) und sonst keine arbeitsvertraglichen Pflichtverletzungen begangen hat.
Nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichtes können grobe Beleidigungen des Arbeitgebers und/oder seiner Vertreter und Repräsentanten oder von Arbeitskollegen, die nach Form und Inhalt eine erhebliche Ehrverletzung für den Betroffenen bedeuten, einen gewichtigen Verstoß gegen die Pflicht zur Rücksichtnahme auf die berechtigten Interessen des Arbeitgebers darstellen und eine außerordentliche fristlose Kündigung rechtfertigen. Entsprechendes gilt für bewusst wahrheitswidrig aufgestellte Tatsachenbehauptungen, wenn sie den Tatbestand der üblen Nachrede verwirklichen. Der Arbeitnehmer kann sich dafür nicht auf sein Recht zur freien Meinungsäußerung (Art. 5 Abs. 1 GG) berufen. Dieses Grundrecht schützt weder Formalbeleidigungen und Schmähungen noch bewusst unwahre Tatsachenbehauptungen. Ebenso wird die Meinungsfreiheit durch das Recht der persönlichen Ehre gemäß Art. 5 Abs. 2 GG beschränkt und muss mit diesem in ein ausgeglichenes Verhältnis gebracht werden. Zwar können Arbeitnehmer unternehmensöffentlich Kritik am Arbeitgeber und den betrieblichen Verhältnissen üben und sich ggf. auch überspitzt oder polemisch äußern. Im groben Maß unsachliche Angriffe, die z.B. zur Untergrabung der Position eines Vorgesetzten führen können, muss der Arbeitgeber aber nicht hinnehmen.
1. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichtes Kassel vom 22. Mai 2012, Az: 2 Ca 249/11, wird zurückgewiesen.
2. Die Beklagte hat die Kosten der Berufung zu tragen.
3. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer Kündigung sowie über Vergütung aus Annahmeverzug.
Der 19xx geborene Kläger, der über einen Grad der Behinderung in Höhe von 50 verfügt, ist bei der Beklagten seit dem 01. September 1983 beschäftigt. Derzeitige Grundlage des Arbeitsverhältnisses ist der Arbeitsvertrag vom 07. Dezember 2006 (Bl. 16 – 19 d. A.). Der Kläger ist gegen ein durchschnittliches Bruttomonatsgehalt in Höhe von EUR 2.820,80 als Mediengestalter tätig.
Bei der Beklagten handelt es sich um einen Druckbetrieb, der regelmäßig mehr als fünf Vollzeitarbeitnehmer beschäftigt. Bei ihr besteht ein Betriebsrat. Seit dem 01. April 2006 ist die Beklagte nicht mehr tarifgebunden. Sie schloss in der Folge mit ca. 95 % aller Beschäftigten, zu denen auch der Kläger gehört, neue Arbeitsverträge. Anfang September 2011 informierte die Geschäftsleitung der Beklagten ihre Mitarbeiter über ihre angespannte wirtschaftliche Situation. Am 13. Oktober 2011 rief die Gewerkschaft ver.di zu einem Warnstreik im Betrieb der Beklagten auf, dem ca. 25 % der Belegschaft Folge leisteten. Noch am selben Tag verfasste die Geschäftsleitung der Beklagten ein Informationsschreiben mit dem Namen „DDM GL-Info 1/2011″, das ohne Willen und Wissen der Beklagten im A veröffentlicht wurde (Bl. 81 und 82 d. A.). In der Folge kam es am 25. und 26. Oktober 2011, am 09. November 2011 in der Zeit vom 29. November bis 03. Dezember 2011 sowie am 14. Dezember 2011 zu weiteren Streiks. Am 21. Oktober 2011 veröffentlichte der Kläger in dem A in der offenen Gruppe „Wir machen Druck“ folgende Stellungnahme (vgl. Bl. 29 d. A.):
„ich kotze gleich…… so asoziale Gesellschafter gibt´s wohl kaum ein 2tes Mal: (Wieviele Lügen, sowie Gehälter bei Neulingen, welche vor dem Gesetz als „Sittenwidrig“ gelten, soll es noch geben :-(„
Am 7. Dezember 2011 fand gegen 22:00 Uhr ein Gespräch zwischen dem Personalleiter der Beklagten, dem B sowie dem Kläger über dessen A-Eintrag statt. Auf Vorhalt der Äußerungen gab der Kläger zu, den betreffenden Eintrag verfasst zu haben. Der weitere Verlauf der Unterredung ist zwischen den Parteien streitig. Über das Gespräch fertigte der Personalleiter ein Protokoll (Bl. 86 der Akte). Unter dem Datum des 7. Dezember 2011 hörte die Beklagte den Betriebsrat zu der von ihr beabsichtigten außerordentlichen fristlosen, hilfsweise ordentlichen Kündigung des mit dem Kläger bestehenden Arbeitsverhältnisses an. Wegen der Einzelheiten dieser Anhörung wird auf Bl. 87 – 94 der Akte verwiesen. Am 9. Dezember 2011 erklärte der Betriebsrat seine Bedenken gegen die außerordentliche Kündigung und erhob Widerspruch gegen die beabsichtigte ordentliche Kündigung (Bl. 95 – 96 d. A.). Weiterhin hörte die Beklagte die bei ihr bestehende Schwerbehindertenvertretung an (Bl. 99 – 100 d. A.). Diese nahm unter dem Datum des 14. Dezember 2011 zu den beabsichtigten Kündigungen Stellung (Bl. 97 – 98 d. A.). Am 09. Dezember 2011 löschte der Kläger seinen Eintrag in A. Stattdessen veröffentlichte er in der Gruppe „Wir machen Druck“ folgende Stellungnahme (Bl. 30 d. A.):
„In einem Posting vor 6 Wochen habe ich eine heftige Überreaktion nicht sinngemäß und völlig lax in diese Gruppe geschrieben. Zumindest die DDM-Mitarbeiter wissen, dass wir seit Monaten arbeitstechnisch am Limit fahren. Die CTP-Mitarbeiter werden gerade wenn das Büro Feierabend hat nochmals zusätzlich gefordert. Zu diesem ausgepowert sein kommt der momentane heftige Arbeitskampf hinzu, in dessen Verlauf öfter hochgekochte Emotionen „ungefiltert“ weiter gegeben werden und für zusätzlichen Stress sorgen. Wenn dann noch, wie bei mir, private Extrembelastungen dazukommen, ist die Entgleisung wie vor 6 Wochen perfekt.
Ich wollte niemals jemanden persönlich angehen oder angreifen!
Wahrscheinlich kennt JEDER Situationen in denen man aufgeputscht von aufwühlenden Neuigkeiten nicht unbedingt den richtigen Ton trifft. So war es leider auch bei mir, als die Tastatur an diesem Morgen mit mir durchging. Darf zwar nicht sein, kenne ich so auch nicht von mir, aber zu dem Zeitpunkt war Beruf + privat der GAU !“
Am 09. und 12. Dezember 2011 wandte sich der Kläger per SMS an die beiden Geschäftsführer der Beklagten (Bl. 32 d. A.).
Am 13. Dezember 2011 plazierte der Kläger in A folgende Entschuldigung (Bl. 31 d. A.):
„(…) Auch wenn ich an niemanden mehr herankomme ist es mir sehr wichtig, mich 1000 x dafür bei allen betroffenen, bzw. getroffenen, zu entschuldigen!!!!!!!“
Auf den Antrag der Beklagten vom 7. Dezember 2011 erteilte das Integrationsamt unter dem Datum des 21. Dezember 2011 seine Zustimmung zu den beabsichtigten Kündigungen (Bl. 104 bis 111 d. A.). Unter dem Datum des 22. Dezember 2011 kündigte die Beklagte das mit dem Kläger bestehende Arbeitsverhältnis außerordentlich fristlos sowie vorsorglich ordentlich zum nächst zulässigen Termin (Bl. 26 d. A.).
Gegen diese Kündigungen hat sich der Kläger mit seiner am 28. Dezember 2011 beim Arbeitsgericht Kassel eingegangenen Klage gewandt, die der Beklagten am 04. Januar 2012 zugestellt worden ist.
Der Kläger ist der Ansicht, dass die Kündigungen unwirksam seien. Auch er betrachte seinen Eintrag vom 21. Oktober 2011 als eine Entgleisung, die in dieser Form nicht habe vorkommen dürfen. Jedoch hat er behauptet, dass er bereits am Folgetag versucht habe, seinen Beitrag in A wieder zu löschen. Auch habe er keine Kenntnis davon gehabt, dass es sich bei der gewählten Seite in A um eine offene Gruppe gehandelt habe. In dem Personalgespräch am 07. Dezember 2011 habe er nicht gesagt, dass seine Äußerungen wahr seien und er dazu stehe. Vielmehr habe er lediglich versucht zu erklären, wie er zu seinen damaligen Äußerungen gekommen sei. So habe er die Bezeichnung „Lügen“ vor dem Hintergrund der unterbliebenen Gehaltsentwicklung verwendet. Der Kläger behauptet in diesem Zusammenhang, dass er 2006 beim Abschluss des neuen Arbeitsvertrages nur deshalb einen Lohnverzicht erklärt habe, da die Beklagte geäußert habe, dass alle Arbeitnehmer, die keine neuen Arbeitsverträge abschließen würden, in einem halben Jahr nicht mehr da seien. Tatsächlich würden aber noch heute ca. 5 % seiner Kollegen nach dem alten Tariflohn bezahlt werden. Den Ausdruck „sittenwidrig“, habe er gebraucht, weil die Beklagte – verkürzt ausgedrückt – ein Drittel unter Tarif zahle. Zudem habe er das Wort „sittenwidrig“ in Anführungszeichen gesetzt, um deutlich zu machen, dass er es nicht im Rechtssinne, sondern im moralischen Sinne verwende. Den Begriff „asozial“ habe er im ursprünglichen Sinn dieses Wortes als „unsozial“ verwendet. Der Kläger ist weiterhin der Ansicht, dass die außerordentliche Kündigung nicht verhältnismäßig sei. So sei er seit 28 Jahren ohne Beanstandungen bei der Beklagten beschäftigt. Daher hätte die Beklagte zunächst eine Abmahnung aussprechen müssen. Im Rahmen der Interessenabwägung habe die Beklagte nicht berücksichtigt, dass er den A-Eintrag am Morgen nach einer Nachtschicht in der Streikphase eines Arbeitskampfes und damit in einer besonderen Drucksituation völlig unüberlegt getätigt habe. Der Kläger hat in diesem Zusammenhang behauptet, dass es in dieser Situation zu Spannungen zwischen den streikenden und nicht streikenden Arbeitnehmern gekommen sei, weil lediglich ein Viertel der Belegschaft dem Streikaufruf gefolgt sei. Auch sei er in diesem Zeitraum einer außergewöhnlichen Arbeitsbelastung ausgesetzt gewesen. Schließlich hat er behauptet, dass die offene Gruppe „Wir machen Druck“ 416 Mitglieder habe, so dass sein A-Eintrag nur eine begrenzte Öffentlichkeit erfahren habe.
Der Kläger hat unter Rücknahme der Klage im Übrigen beantragt:
1.) Es wird festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien weder durch die außerordentliche Kündigung vom 22. Dezember 2011 noch durch die ordentliche Kündigung vom 22. Dezember 2011 aufgelöst worden ist.
2.) Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger Euro 2.820,80 brutto abzüglich bereits gezahlter Euro 1.563,12 netto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 01. Januar 2012 zu zahlen.
3.) Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger Euro 2.820,80 brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten seit dem 01. Februar 2012 zu zahlen.
4.) Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger Euro 2.820,80 brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten seit dem 01. März 2012 zu zahlen.
Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen.
Sie ist der Ansicht, dass die Kündigungen wirksam seien. So beinhalte der A-Eintrag des Klägers eine grobe Beleidigung seiner Vorgesetzten und damit eine schwerwiegende Verletzung seiner arbeitsvertraglichen Nebenpflichten. Die Bezeichnung „asoziale Gesellschafter“ erfülle den Tatbestand der Beleidigung gem. § 185 StGB. Mit der Bezeichnung der Gesellschafter als „asozial“ habe der Kläger ein Schimpfwort gebraucht. Durch die Äußerung „Wieviele Lügen … soll es noch geben“ habe der Kläger die Gesellschafter-Geschäftsführer als wiederholte Lügner bezeichnet und damit eine grobe Beleidigung im Sinne von § 185 StGB sowie eine üble Nachrede im Sinne von § 186 StGB begangen. Auch die Behauptung, dass die Gesellschafter sittenwidrige Gehälter bezahlen würden, beinhalte eine üble Nachrede sowie eine unwahre Tatsachenbehauptung. Dass sich der Kläger bereits am nächsten Tag um eine Löschung des A-Eintrags bemüht haben will, hat die Beklagte für eine reine Schutzbehauptung gehalten. Sie hat weiterhin behauptet, dass die Äußerungen des Klägers durch die Aufrechterhaltung über 50 Tage in einem öffentlichen sozialen Netzwerk ein Gewicht erlangt hätten, das sie bei einer betriebsinternen Äußerung nicht erreicht hätten. Ihrer Ansicht nach seien die Kündigungen auch verhältnismäßig, da es dem Kläger habe klar sein müssen, dass es sich bei seinen öffentlichen und groben Beleidigungen um gravierende Pflichtverletzungen handeln würde, die die Beklagte nicht habe dulden können. Ferner sei das Vertrauen der Beklagten in den Kläger restlos zerstört worden. Auch die Interessenabwägung falle zu Lasten des Klägers aus. So hat die Beklagte behauptet, dass der Kläger am 21. Oktober 2011 nicht im Affekt oder aus Notwehr, sondern überlegt und gezielt gehandelt habe. Dieses würde auch aus seinen Äußerungen im Anhörungsgespräch am 07. Dezember 2011 folgen. Ausweislich seines Zeitjournals habe der Kläger im Oktober 2011 keine Überstunden erbringen müssen, sondern sogar ein sog. Flexzeit-Guthaben abgebaut. Ebenso wenig könne der Kläger nach Ansicht der Beklagten seinen A-Eintrag mit der Streiksituation entschuldigen, da der letzte Streiktag bereits am 13. Oktober 2011 erfolgt sei. Die Beklagte behauptet weiterhin, dass die Gewerkschaft zu den nachfolgenden Warnstreiks erst kurzfristig am Abend des 25. Oktober 2011 aufgerufen habe. Schließlich ist sie der Ansicht, dass sie die Kündigungserklärungsfrist des § 626 Abs. 2 BGB eingehalten habe, weil der Gesellschafter-Geschäftsführer der Beklagten, Herr B, erst am 25. November 2011 durch den Leiter Neue Medien darauf aufmerksam gemacht worden sei, dass sich im Internet bei A diverse Mitarbeiter der Beklagten über deren aktuelle Situation äußern würden. Daraufhin habe sich dieser selbst bei A angemeldet, um die getätigten Einträge zu überprüfen. In den darauffolgenden Arbeitstagen hätten Herr B und der Personalleiter der Beklagten die Äußerungen gesichtet, so dass Herr B am 29. November 2011 eine vollständige Kenntnis von den Vorfällen gehabt habe. Die Kündigung selbst sei unverzüglich nach Erhalt der Zustimmung des Integrationsamtes ausgesprochen worden.
Wegen des weiteren unstreitigen Sachverhaltes und des weiteren Vortrags der Parteien im ersten Rechtszug wird auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils des Arbeitsgerichtes Kassel vom 22. Mai 2012 gem. § 69 Abs. 2 ArbGG Bezug genommen (Bl. 198 – 203 d. A.).
Mit Urteil vom 22. Mai 2012 hat das Arbeitsgericht Kassel festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien weder durch die außerordentliche noch durch die ordentliche Kündigung der Beklagten vom 22. Dezember 2011 aufgelöst worden ist. Ferner wurde die Beklagte zur Zahlung von Vergütung nach den Grundsätzen des Annahmeverzuges für den Zeitraum vom 23. Dezember 2011 bis einschließlich Februar 2012 verurteilt. Zur Begründung hat das Arbeitsgericht Kassel – kurz zusammengefasst – ausgeführt, dass die Bezeichnung der Gesellschafter-Geschäftsführer als „asoziale Gesellschafter“ zwar eine besonders schwere, den Betroffenen kränkende Beleidigung beinhalte. Jedoch ergebe die Interessenabwägung sowohl bei der außerordentlichen als auch bei der ordentlichen Kündigung, dass das Interesse des Klägers an der Erhaltung seines Arbeitsplatzes das Kündigungsinteresse der Beklagten überwiege. Zu Gunsten des Klägers sei hier insbesondere seine beanstandungsfreie Betriebszugehörigkeit von 28 Jahren zu berücksichtigen. Ferner handele es sich bei dem A-Eintrag um eine einmalige Entgleisung, durch die das im Arbeitsverhältnis aufgebaute Vertrauen nicht vollständig aufgezehrt worden sei. Schließlich habe sich der Kläger jedenfalls nach dem Anhörungsgespräch umfangreich bei den Geschäftsführern der Beklagten entschuldigt.
Gegen dieses der Beklagten am 31. Mai 2012 zugestellte Urteil hat diese mit einem beim erkennenden Gericht am 08. Juni 2012 eingegangenen Schriftsatz Berufung eingelegt und diese mit einem am 25. Juli 2012 bei Gericht eingegangenen Schriftsatz begründet.
Sie wiederholt und vertieft in Auseinandersetzung mit der Entscheidung des Arbeitsgerichtes ihren erstinstanzlichen Vortrag. Insoweit behauptet die Beklagte, dass sie sich in einer außerordentlich schwierigen wirtschaftlichen Krise befinde und der Warnstreik genau im umsatzstärksten Quartal stattgefunden habe. Auch sei der A-Eintrag des Klägers acht Tage nach dem letzten Warnstreik erfolgt und habe demzufolge nicht mehr in einem sachlichen und zeitlichen Zusammenhang mit dem Streik gestanden. Vor diesem Hintergrund habe der Kläger mit der bewussten und geplanten Veröffentlichung seines A-Eintrages drei Beleidigungen getätigt. Mit der Bezeichnung der sittenwidrigen Löhne habe der Kläger ihrer Ansicht nach direkt die Ehre der Gesellschafter-Geschäftsführer angegriffen und diese in den strafrechtlichen Bereich gerückt. Mit der Verwendung des Begriffes „Lügen“ habe er die Vertrauenswürdigkeit und persönliche Integrität seiner Vorgesetzten generell sowie öffentlich in Zweifel gezogen und diese pauschal verunglimpft. Mit der Bezeichnung als „asoziale Gesellschafter“ habe der Kläger seine Missachtung zum Ausdruck gebracht, den Gesellschafter-Geschäftsführern jegliche moralische Integrität abgesprochen und sie in ihrer Menschenwürde erheblich und schwer verletzt. Die Erklärung „ich kotze gleich“ sei Ausdruck tiefster Missachtung sowie Ekels. Jede einzelne Äußerung beinhalte nach Ansicht der Beklagten eine grobe und ehrverletzende Beleidigung und stelle kein Augenblicksversagen dar. In ihrer Gesamtschau habe der Kläger mit seinem Facebook-Eintrag in jedem Fall eine gesteigerte Missachtung und Beleidigung sowie eine menschenverachtende Ansicht gegenüber den Gesellschafter-Geschäftsführern zum Ausdruck gebracht. Ferner sei nach Ansicht der Beklagten im vorliegenden Fall zu berücksichtigen, dass der Kläger diese Äußerungen in einer offenen A-Gruppe getätigt habe, auf die weltweit jeder A Nutzer zugreifen könne. Auch sei der A-Eintrag über 50 Tage lang nicht gelöscht worden. Schließlich behauptet die Beklagte, dass der Kläger seine Äußerungen zu keinem Zeitpunkt bereut, sondern die Beleidigungen am 07. Dezember 2011 wiederholt und in der Begründung vertieft habe, in dem er erklärt habe, dass die Äußerungen wahr seien und er dazu stehe. Im Gegensatz dazu sei das Arbeitsgericht fälschlicherweise von der Einmaligkeit des Vorfalls ausgegangen. Auch der behauptete Versuch einer Löschung am nächsten Tag sei nach Ansicht der Beklagten unglaubwürdig. Eine Entschuldigung sei erst erfolgt, als der Kläger von der Betriebsratsanhörung der Beklagten gehört habe. Hätte der Kläger seine Äußerungen wirklich bereut, so hätte er sich früher dafür entschuldigt. Weiterhin ist die Beklagte der Ansicht, dass sich der Kläger für seinen A-Eintrag nicht wirklich entschuldigt habe. So habe er sich weder in seinen SMSs noch in seinem A-Eintrag von seinen Äußerungen distanziert. In seiner SMS vom 09. Dezember 2011 habe er sich lediglich für seine Wortwahl entschuldigt. In seiner SMS vom 12. Dezember 2011 habe der Kläger nur von einem „groben Missverständnis“ gesprochen. Vor diesem Hintergrund stelle der vorliegende Sachverhalt in jedem Fall einen wichtigen Grund im Sinne des § 626 Abs. 1 BGB dar. Eine Abmahnung sei bereits deswegen entbehrlich, weil der Kläger seine mehrfachen Beleidigungen am 07. Dezember 2011 wiederholt und damit das Vertrauensverhältnis irreparabel zerstört habe. Im Rahmen der Interessenabwägung sei zu Lasten des Klägers zu berücksichtigen, dass es sich um eine Dauer-Vertragsverletzung über die Dauer von knapp sieben Wochen handele und die Löschung des A-Eintrages erst unter dem Druck der bereits eingeleiteten Betriebsratsanhörung erfolgt sei. Auch die angeblichen Entschuldigungen des Klägers seien lediglich taktischer Natur.
Die Beklagte beantragt, das Urteil des Arbeitsgerichtes Kassel vom 22. Mai 2012, Az 2 Ca 249/11, abzuändern und die Klage abzuweisen.
Der Kläger beantragt, die Berufung zurückzuweisen.
Er verteidigt die angegriffene Entscheidung unter Wiederholung und Vertiefung seines erstinstanzlichen Vorbringens. Zwar halte er seinen A-Eintrag ebenfalls für eine Entgleisung, die in dieser Form nicht habe vorkommen dürfen. Er behauptet jedoch, dass er sich nach dem Anhörungsgespräch wiederholt umfangreich bei den Geschäftsführern der Beklagten entschuldigt und sich von seinen Äußerungen distanziert habe sowie sich nach wie vor davon distanziere. Ferner sei bei der Würdigung seines Verhaltens seiner Ansicht nach zu berücksichtigen, dass er seine Äußerungen am Morgen nach seiner Nachtschicht während einer Streikphase im Affekt getätigt habe. Er behauptet weiterhin, dass er den A-Eintrag nur deshalb 50 Tage lang nicht gelöscht habe, weil er ihm keine Bedeutung zugemessen habe. Seiner Ansicht nach beinhalte sein Verhalten nicht sechs Beleidigungen, sondern lediglich eine Beleidigung. Auch wenn er seinen A-Eintrag in einer öffentlichen Gruppe eingestellt habe, sei insoweit nicht entscheidend, wer Kenntnis nehmen könne, sondern wer tatsächlich Kenntnis genommen habe. Dieses sei seiner Ansicht nach jedoch nur ein überschaubarer Personenkreis. Vergegenwärtige man sich schließlich seine Betriebszugehörigkeit von 28 Jahren sowie die Einmaligkeit der vorliegenden Entgleisung, so scheitere die Wirksamkeit der Kündigung nach Ansicht des Klägers an der durchzuführenden Interessenabwägung, in der zusätzlich zu den vom Arbeitsgericht angeführten Umständen noch seine Schwerbehinderung zu berücksichtigen sei.
Wegen des weiteren Sachvortrages der Parteien, den von ihnen eingereichten Unterlagen, ihren Rechtsausführungen und Beweisangeboten wird ergänzend auf den Inhalt der gewechselten Schriftsätze und die Sitzungsniederschriften vom 12. November 2012 und 28. Januar 2013 Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
I. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Kassel vom 22. Mai 2012 ist gemäß §§ 8 Abs. 2 ArbGG, 511 ZPO, 64 Abs. 2 lit. b und c ArbGG statthaft und auch im Übrigen zulässig. Insbesondere ist die Berufung form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden, §§ 66 Abs. 1, 64 Abs. 6 S. 1 ArbGG, §§ 519, 520 Abs. 1, 3 und 5 ZPO.
II. Die zulässige Berufung der Beklagten ist jedoch unbegründet, da das Arbeitsverhältnis der Parteien weder durch die außerordentliche fristlose Kündigung noch durch die hilfsweise ordentliche Kündigung der Beklagten vom 22. Dezember 2011 aufgelöst worden ist. Demzufolge steht dem Kläger für den Zeitraum von Dezember 2011 bis einschließlich Februar 2012 die geltend gemachte Vergütung nach den Grundsätzen des Annahmeverzuges zu.
1. Das Arbeitsverhältnis der Parteien ist nicht durch die außerordentliche Kündigung der Beklagten vom 22. Dezember 2011 aufgelöst worden.
a.) Auf das Arbeitsverhältnis der Parteien findet das Kündigungsschutzgesetz von seinem persönlichen und betrieblichen Geltungsbereich her Anwendung (§§ 1 Abs. 1, 23 Abs. 1 Satz 2 KSchG). Zum einen war der Kläger bei Zugang der Kündigung bereits mehr als sechs Monate für die Beklagte tätig. Zum anderen beschäftigte die Beklagte bei Zugang der Kündigung mehr als fünf Vollzeitarbeitnehmer.
b.) Die Rechtsunwirksamkeit der Kündigung ist zu prüfen, da der Kläger seine Kündigungsschutzklage gem. §§ 13 S. 2, 4 Satz 1 KSchG innerhalb der vorgeschriebenen Dreiwochenfrist erhoben hat (§§ 13 S. 2, 4 S. 1, 7 KSchG in Verbindung mit den §§ 187 Abs. 1, 188 Abs. 2 BGB). Die Kündigungsschutzklage ging am 28. Dezember 2011 bei Gericht ein und wurde der Beklagten am 04. Januar 2012 zugestellt.
c.) aa.) Gemäß § 626 Abs. 1 BGB kann das Arbeitsverhältnis aus wichtigem Grund ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist gekündigt werden, wenn Tatsachen vorliegen, aufgrund derer dem Kündigenden unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls und unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses bis zum Ablauf der Kündigungsfrist nicht zugemutet werden kann. Diese Prüfung erfolgt nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichtes in zwei Stufen. Zunächst ist zu prüfen, ob der Sachverhalt ohne seine besonderen Umstände „an sich“, d. h. typischerweise als wichtiger Grund geeignet ist. Auf der zweiten Stufe bedarf es sodann der weiteren Prüfung, ob dem Kündigenden die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses jeweils unter Berücksichtigung der konkreten Umstände des Falls und unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile – jedenfalls bis zum Ablauf der Kündigungsfrist – zumutbar ist oder nicht (BAG Urteil vom 10. Juni 2010, Az: 2 AZR 5341/09, EzA BGB 2002 § 626 Nr. 232; BAG Urteil vom 10. Dezember 2009, Az: 2 AZR 534/08, AP Nr. 226 zu § 626 BGB; BAG Urteil vom 26. März 2009, Az: 2 AZR 953/07, AP Nr. 220 zu § 626 BGB). Für eine verhaltensbedingte Kündigung gilt ferner das Prognoseprinzip. Der Zweck der Kündigung ist nicht eine Sanktion für eine begangene Vertragspflichtverletzung, sondern die Vermeidung des Risikos weiterer erheblicher Pflichtverletzungen. Die vergangene Pflichtverletzung muss sich deshalb noch in der Zukunft belastend auswirken, sog. negative Prognose (BAG Urteil vom 31. Mai 2007, Az: 2 AZR 200/06, AP Nr. 57 zu § 1 KSchG 1969 Verhaltensbedingte Kündigung; BAG Urteil vom 12. Januar 2006, Az: 2 AZR 179/05, AP Nr. 54 zu § 1 KSchG 1969 Verhaltensbedingte Kündigung). Eine negative Prognose liegt dann vor, wenn aus der konkreten Vertragspflichtverletzung und der daraus resultierenden Vertragsstörung geschlossen werden kann, der Arbeitnehmer werde zukünftig den Arbeitsvertrag auch nach einer Kündigungsandrohung erneut in gleicher oder ähnlicher Weise verletzen. Aus diesem Grund setzt eine Kündigung wegen einer Vertragspflichtverletzung regelmäßig eine Abmahnung voraus, es sei denn, sie ist nicht erfolgversprechend oder es handelt sich um eine schwere Pflichtverletzung, bei der dem Arbeitnehmer die Rechtswidrigkeit seines Handelns ohne Weiteres ebenso erkennbar ist wie der Umstand, dass eine Hinnahme seines Verhaltens durch den Arbeitgeber offensichtlich ausgeschlossen ist (BAG Urteil vom 09. Juni 2011, Az: 2 AZR 381/10, AP Nr. 234 zu § 626 BGB; BAG Urteil vom 09. Juni 2011, Az: 2 AZR 284/10, AP Nr. 64 zu § 1 KSchG 1969 Verhaltensbedingte Kündigung; BAG Urteil vom 24. März 2011, Az: 2 AZR 282/10, AP Nr. 233 zu § 626 BGB; BAG Urteil vom 10. Juni 2010, Az: 2 AZR 541/09, AP Nr. 229 zu § 626 BGB; BAG Urteil vom 31. Mai 2007, Az: 2 AZR 200/06, AP Nr. 57 zu § 1 KSchG 1969 Verhaltensbedingte Kündigung; BAG Urteil vom 12. Januar 2006, Az: 2 AZR 179/05, AP Nr. 54 zu § 1 KSchG 1969 Verhaltensbedingte Kündigung). Diese Grundsätze gelten gleichermaßen im Bereich der auf verhaltensbedingte Gründe gestützten außerordentlichen wie der ordentlichen Kündigung (BAG Urteil vom 26. Juni 2008, Az: 2 AZR 190/07, AP Nr. 213 zu § 626 BGB; BAG Urteil vom 19. April 2007, Az: 2 AZR 180/06, AP Nr. 20 zu § 174 BGB). Grundsätzlich hat dabei derjenige die Darlegungs- und Beweislast, der eine außerordentliche Kündigung ausgesprochen hat (BAG Urteil vom 18. September 2008, Az: 2 AZR 1039/06, EzA-SD 2009, Nr. 8, 8-10; BAG Urteil vom 06. September 2007, Az: 2 AZR 264/06, AP Nr. 208 zu § 626 BGB). Dies gilt auch für diejenigen Tatsachen, die einen vom Gekündigten behaupteten Rechtfertigungsgrund ausschließen (BAG Urteil vom 6. September 2007, Az: 2 AZR 264/06, AP Nr. 208 zu § 626 BGB).
bb.) Nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichtes können auch grobe Beleidigungen des Arbeitgebers und/oder seiner Vertreter und Repräsentanten oder von Arbeitskollegen, die nach Form und Inhalt eine erhebliche Ehrverletzung für den Betroffenen bedeuten, einen gewichtigen Verstoß gegen die Pflicht zur Rücksichtnahme auf die berechtigten Interessen des Arbeitgebers (§ 241 Abs. 2 BGB) darstellen und eine außerordentliche fristlose Kündigung an sich rechtfertigen (BAG Urteil vom 10. Dezember 2009, Az: 2 AZR 534/08, AP Nr. 226 zu § 626 BGB; BAG Urteil vom 24. November 2005, Az: 2 AZR 584/04, AP Nr. 198 zu § 626 BGB; BAG Urteil vom 24. Juni 2004, Az: 2 AZR 63/03AP Nr. 49 zu § 1 KSchG 1969 Verhaltensbedingte Kündigung; BAG Urteil vom 10. Oktober 2002, Az: 2 AZR 418/01, EzA BGB 2002 § 626 Unkündbarkeit Nr. 1; BAG Urteil vom 17. Februar 2000, Az: 2 AZR 927/98, zitiert nach juris). Entsprechendes gilt für bewusst wahrheitswidrig aufgestellte Tatsachenbehauptungen, etwa wenn sie den Tatbestand der üblen Nachrede erfüllen (BAG Urteil vom 17. Februar 2000, Az: 2 AZR 927/98 , zitiert nach juris). Der Arbeitnehmer kann sich dafür nicht auf sein Recht zur freien Meinungsäußerung (Art. 5 Abs. 1 GG) berufen. Dieses Grundrecht schützt weder Formalbeleidigungen und Schmähungen noch bewusst unwahre Tatsachenbehauptungen (BVerfG, Beschluss vom 07. Dezember 2011, Az: 1 BvR 2678/10, NJW 2012, 1643-1644). Ebenso wird die Meinungsfreiheit durch das Recht der persönlichen Ehre gemäß Art. 5 Abs. 2 GG beschränkt und muss mit diesem in ein ausgeglichenes Verhältnis gebracht werden. Zwar können Arbeitnehmer unternehmensöffentlich Kritik am Arbeitgeber und den betrieblichen Verhältnissen üben und sich ggf. auch überspitzt oder polemisch äußern. Im groben Maß unsachliche Angriffe, die zur Untergrabung der Position eines Vorgesetzten führen können, muss der Arbeitgeber aber nicht hinnehmen (BAG Urteil vom 10. Dezember 2009, Az: 2 AZR 534/08, AP Nr. 226 zu § 626 BGB). Ferner gehört die Pflicht zur gegenseitigen Rücksichtnahme auf die Interessen der anderen Vertragspartei (§ 241 Abs. 2 BGB) zu den allgemeinen Gesetzen im Sinne von Art. 5 Abs. 2 GG (BAG Urteil vom 12. Januar 2006, Az: 2 AZR 21/05, AP Nr. 53 zu § 1 KSchG 1969 Verhaltensbedingte Kündigung; BAG Urteil vom 24. Juni 2004, Az: 2 AZR 63/03, AP Nr. 49 zu § 1 KSchG 1969 Verhaltensbedingte Kündigung). Zwischen der Meinungsfreiheit und dem beschränkenden Gesetz findet dabei eine Wechselwirkung statt. Insbesondere die Regelung des § 241 BGB muss ihrerseits der wertsetzenden Bedeutung des Grundrechts in einem freiheitlich-demokratischen Staat Rechnung tragen. Dem besonderen Wertgehalt des Art. 5 Abs. 1 GG, der ebenfalls eine Ausprägung der Menschenwürde und des allgemeinen Persönlichkeitsrechts darstellt und für eine grundsätzliche Freiheit der Meinungsäußerung streitet, muss die gebührende Beachtung geschenkt werden (BAG Urteil vom 12. Januar 2006, Az: 2 AZR 21/05, AP Nr. 53 zu § 1 KSchG 1969 Verhaltensbedingte Kündigung; BAG Urteil vom 24. Juni 2004, Az: 2 AZR 63/03, AP Nr. 49 zu § 1 KSchG 1969 Verhaltensbedingte Kündigung). Bei Beurteilung von Äußerungen ist deren strafrechtliche Beurteilung dagegen kündigungsrechtlich nicht ausschlaggebend (BAG Urteil vom 01. Juli 1999, Az: 2 AZR 676/98, AP Nr. 11 zu § 15 BBiG). Schon die erstmalige Ehrverletzung kann kündigungsrelevant sein und wiegt um so schwerer, je überlegter sie erfolgte (BAG Urteil vom 24. November 2005, Az: 2 AZR 584/04, AP Nr. 198 zu § 626 BGB; BAG Urteil vom 10. Oktober 2002, Az: 2 AZR 418/01, EzA BGB 2002 § 626 Unkündbarkeit Nr. 1; BAG Urteil vom 17. Februar 2000, Az: 2 AZR 927/98, zitiert nach juris; zur ordentlichen Kündigung: BAG Urteil vom 12. Januar 2006, Az: 2 AZR 21/05, AP Nr. 53 zu § 1 KSchG 1969 Verhaltensbedingte Kündigung).
Schließlich berücksichtigt die Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichtes bei der Beurteilung von etwaigen ehrverletzenden Äußerungen, ob diese in vertraulichen Gesprächen oder im öffentlichen Raum getätigt worden sind. Denn nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichtes rechtfertigen diffamierende und ehrverletzende Äußerungen über Vorgesetzte und Kollegen in vertraulichen Gesprächen unter Arbeitskollegen unter bestimmten Umständen eine Kündigung des Arbeitsverhältnisses nicht (BAG Urteil vom 10. Oktober 2002, Az: 2 AZR 418/01, EzA § 626 BGB 2002 Unkündbarkeit Nr. 1; BAG Urteil vom 17. Februar 2000, Az: 2 AZR 927/98, zitiert nach juris). Der Arbeitnehmer darf in solchen Fällen nämlich regelmäßig darauf vertrauen, seine Äußerungen würden nicht nach außen getragen und der Betriebsfrieden nicht gestört bzw. das Vertrauensverhältnis der Arbeitsvertragsparteien nicht zerstört (BAG Urteil vom 10. Oktober 2002, Az: 2 AZR 418/01, EzA § 626 BGB 2002 Unkündbarkeit Nr. 1; BAG Urteil vom 17. Februar 2000, Az: 2 AZR 927/98, zitiert nach juris).
d.) Die Anwendung dieser Grundsätze auf den vorliegenden Sachverhalt ergibt, dass die außerordentliche Kündigung der Beklagten vom 22. Dezember 2011 2011 rechtsunwirksam ist.
aa.) Zwar ist der Beklagten insoweit Recht zu geben, als die Bezeichnung der Gesellschafter als „asozial“ in dem A-Eintrag vom 21. Oktober 2011 eine grobe Beleidigung beinhaltet, die nicht mehr durch das Grundrecht auf freie Meinungsäußerung gedeckt ist. Da eine derartige Äußerung keinerlei sachliche Kritik mehr beinhaltet, dient sie ausschließlich dazu, die Gesellschafter der Beklagten persönlich herabzuwürdigen und sie pauschal zu verunglimpfen. Mit einer solchen unsachlichen, überzogenen und groben Meinungsbekundung verletzt der Kläger die ihm obliegende arbeitsvertragliche Rücksichtnahmepflicht. Gleiches gilt für die Äußerung „ich kotze gleich“, mit der der Kläger in grober, drastischer und damit völlig unangebrachter Weise seine Missachtung zum Ausdruck gebracht hat. Diese Äußerungen sind somit an sich geeignet, einen wichtigen Grund im Sinne des § 626 Abs. 1 BGB darzustellen.
bb.) Demgegenüber wiegt die Bezeichnung der Gehälter für die neuen Mitarbeiter als „sittenwidrig“ und die Äußerung „Wieviele Lügen“ weniger schwer, da sie zumindest einen Bezug zu betrieblichen Geschehnisse haben. So bezieht sich die Beschreibung der Vergütung für die neu eingetretenen Mitarbeiter auf den Umstand, dass die Beklagte Löhne unterhalb des Tarifniveaus zahlt. Die Äußerung „Wieviele Lügen“ zielt nach dem Vorbringen des Klägers darauf ab, dass er 2006 unter anderem mit der Begründung zum Abschluss eines neuen Arbeitsvertrages veranlasst worden sei, dass die Mitarbeiter, die diesen Schritt verweigern, ihren Arbeitsplatz verlieren würden. Diese Entwicklung ist nach dem unstreitigen Vorbringen des Klägers jedoch nicht eingetreten. Auch wenn der Beklagten insoweit zu zustimmen ist, als dass Gehälter unterhalb des Tarifniveaus noch lange nicht mit einer sittenwidrigen Vergütung im Sinne des Arbeitsrechtes gleichzusetzen sind, folgt bereits daraus, dass der Kläger diese Äußerung nicht in einem sachlichen Schreiben, sondern in einem A-Forum namens „Gegendruck“ veröffentlich hat, das er diesen Begriff nicht in seiner juristischen Bedeutung, sondern in einem umgangssprachlichen Sinne verwendet hat. Das Berufungsgericht schließt sich zur Vermeidung von Wiederholungen insoweit den zutreffenden und differenzierten Ausführungen des Arbeitsgerichtes Kassel an. Im Zusammenhang mit der Äußerung „Wieviele Lügen“ ist weiterhin zu berücksichtigen, dass hier nicht die Gesellschafter persönlich als Lügner, sondern deren frühere Erklärungen zu dem Schicksal der Arbeitnehmer, die keinen neuen Arbeitsvertrag unterschreiben, und zu der nicht eingetretenen Gehaltsentwicklung beschrieben worden sind. Mit diesen Äußerungen hat der Kläger somit nicht die persönliche Redlichkeit und Vertrauenswürdigkeit der Gesellschafter in Gänze in Frage gestellt, sondern lediglich den Wahrheitsgehalt ihrer Äußerungen zu einem abgrenzten Themenbereich angezweifelt. Ein derartiges Verhalten verletzt die vertragliche Pflicht zur Rücksichtnahme jedoch weniger schwer als ein direkter Angriff gegen die Person des Vorgesetzten als solche. Auch insoweit schließt sich das Berufungsgericht daher den zutreffenden Ausführungen des Arbeitsgerichtes Kassel an.
e.) Dennoch führt die erforderliche Interessenabwägung zu dem Ergebnis, dass das Interesse der Beklagten an der sofortigen Beendigung des Arbeitsverhältnisses hinter dem Interesse des Klägers an dem Fortbestand seines Arbeitsverhältnisses zurückzustehen hat. Zwar ist insoweit zugunsten der Beklagten zu berücksichtigen, dass sich der Kläger im Hinblick auf seine zum Teil grob herabsetzenden Äußerungen nicht mehr auf das Grundrecht zur Meinungsfreiheit berufen kann, da er damit gegen seine Rücksichtnahmepflichten aus dem Arbeitsvertrag verstoßen hat. Weiterhin hat der Kläger seine Äußerungen nicht in einem vertraulichen Gespräch, sondern in einem branchenbezogenen Forum getätigt. Auch erscheint es nicht sehr glaubwürdig, dass sich der Kläger schon einen Tag nach seiner Äußerung vergeblich um eine Löschung seines A-Eintrages bemüht hat. Hätte der Kläger den Eintrag wirklich entfernen wollen, so hätte er sich zur Not bestimmt auch Hilfe geholt, um dieses Ziel erreichen. Zu Lasten des Klägers ist auch zu berücksichtigen, dass er in seiner Anhörung am 07. Dezember 2011 nicht die Gelegenheit ergriffen hat, um sich für seine Äußerungen zu entschuldigen. Der Kläger hat sich vielmehr erst von seinen Äußerungen distanziert, als die Beklagte bereits die Anhörung des Betriebsrates eingeleitet hatte. Der Kläger muss sich daher vorhalten lassen, dass er diese Entschuldigungen nicht (nur) aus Einsicht und Überzeugung, sondern aus taktischen Erwägungen erklärt hat. Ebenso wenig ist glaubhaft, dass sich der Kläger nicht bewusst war, sich in einer offenen Gruppe zu äußern. Schließlich kann sich der Kläger auch nicht darauf berufen, dass er seinen Eintrag in einer unmittelbaren Streiksituation getätigt hat. Nach dem unbestrittenen Vorbringen der Beklagten lag der letzte Streiktag am 21. Oktober 2011 bereits acht Tage zurück. Der nächste Warnstreik fand erst am 25. Oktober 2011 statt und war daher am 21. Oktober 2011 noch gar nicht absehbar.
Zugunsten des Klägers sind jedoch sein Lebensalter, seine Betriebszugehörigkeit von fast 28 Jahren bis zum Ausspruch der Kündigung sowie seine Schwerbehinderung zu berücksichtigen. Ferner ist das Berufungsgericht davon überzeugt, dass der Kläger seine Äußerung zumindest mittlerweile aufrichtig bereut hat und insoweit einsichtig ist. Er wird sich daher in Zukunft gut überlegen, wie er sich über seinen Arbeitgeber äußert. Auch handelt es sich bei dem A-Eintrag um die erste Belastung des Arbeitsverhältnisses durch eine Pflichtverletzung. Weiterhin ist im vorliegenden Fall zu berücksichtigen, dass der Kläger seinen A-Eintrag am frühen Morgen nach einer Nachtschicht vor dem Hintergrund eines ungelösten Tarifkonfliktes getätigt hat.
Dem steht auch nicht entgegen, dass der Kläger seine Äußerungen nicht in einem persönlichen, vertraulichen Gespräch, sondern in einer sog. offenen Gruppe in A und damit im Internet getätigt hat. Zwar handelt es sich bei der Gruppe „Wir machen Druck„ um ein branchenspezifisches Forum zu Vorgängen in der Druckindustrie. Auch ist der Beklagten insoweit zu zustimmen, als dass Äußerungen im Internet grundsätzlich die Gefahr einer schnellen und hohen Verbreitung bergen. Da Einträge in der Regel zeitlich unbegrenzt abrufbar sind und grenzenlos kopiert werden können, verliert der Erklärende mit der Einstellung in das Internet die Kontrolle über seine Äußerung (vgl. Bauer/Günther, NZA 2013, S. 67 f. (70)). Auf der anderen Seite zeichnen sich Diskussionsbeiträge in einem Forum jedoch durch ihre Schnelllebigkeit aus. Diese Schnelllebigkeit besteht zwar nicht darin, dass derartige Einträge – im Gegensatz zu dem gesprochen Wort – nach ihrer Kundgabe nicht mehr sichtbar und auffindbar sind. Vielmehr war es im vorliegenden Fall technisch sehr wohl möglich, den Eintrag des Klägers vom 21. Oktober 2011 auch noch 50 Tage später in dem betreffenden Forum zu finden. Die Schnelllebigkeit dieser Einträge besteht jedoch in ihrem Bedeutungsverlust innerhalb des betreffenden Forums. Da Diskussionen in Foren laufend fortgeführt werden, folgt ein Eintrag auf den anderen – dieses geschieht auf Grund der technischen Möglichkeiten oftmals mit einer sehr viel höheren Geschwindigkeit als in einem persönlichen Gespräch oder in einem Print-Medium. Die Vielzahl und Geschwindigkeit der Einträge führt in ihrer Gesamtheit dazu, dass die einzelne Äußerung schnell wieder an Bedeutung verliert, weil sich die Diskussion bereits fortbewegt oder in eine andere Richtung entwickelt hat. Trotz der technischen Beständigkeit derartiger Einträge ist der inhaltliche Bedeutungsverlust dieser Erklärungen somit erheblich. Die Möglichkeit, dass theoretisch eine unbegrenzte Zahl von Internet-Nutzern auf diese Erklärung zugreifen kann, wird dadurch ausgeglichen, dass bei der Vielzahl der Einträge die einzelne Erklärung wieder an Bedeutung verliert. Dieses zeigt sich auch daran, dass es den meisten Menschen schwerer fällt, eine Kritik gegenüber dem betroffenen persönlich zu erklären als sich hinter dem Rücken des anderen – sei es nun mündlich, schriftlich oder auf andere Weise – negativ zu äußern. Demzufolge führt gerade die virtuelle Anonymität des Internet dazu, dass erfahrungsgemäß bei vielen Nutzern die Hemmschwelle und damit auch das Niveau der Einträge sinken. Auf Grund der Schnelllebigkeit des Internets und seiner unübersehbaren Größe wiegt eine derartige Äußerung in ihrer herabwürdigenden Wirkung somit weniger schwer als eine Erklärung, die in einem persönlich adressierten Brief oder im Angesicht des Betroffenen getätigt wird und damit als abgegrenzter Einzelakt für sich steht. Dem kann die Beklagte auch nicht entgegenhalten, dass A weltweit über ca. 800 Millionen Nutzer verfügt. Insoweit ist zum einen zu bedenken, dass nur ca. 98.000.000 Menschen der Weltbevölkerung deutsch sprechen. Die Mehrheit der A wird somit schon auf Grund von sprachlichen Barrieren von dem A-Eintrag des Klägers keine Kenntnis nehmen. Und unter den deutschsprachigen Nutzern von A wird sich nur ein geringfügiger Bruchteil für die Tarifauseinandersetzung in einem Betrieb der deutschen Druckindustrie interessieren. Die unbegrenzte Zugriffsmöglichkeit auf Internet-Äußerungen besteht bei Erklärungen der vorliegenden Art somit nur in der Theorie, nicht jedoch in der Praxis.
Schließlich führt auch der Umstand, dass der Kläger in seiner Anhörung am 07. Dezember 2011 seine Beleidigung nach Darstellung der Beklagten wiederholt und in der Begründung vertieft haben soll, nicht dazu, dass das Interesse der Beklagten an der sofortigen Beendigung des Arbeitsverhältnisses überwiegt. Selbst wenn man zugunsten der Beklagten unterstellt, dass der Kläger am 07. Dezember 2011 geäußert haben soll, dass seine Äußerungen wahr seien und er dazu stehe, kann darin keine erneute, eigenständige Beleidigung der Gesellschafter gesehen werden. Zwar hat sich der Kläger am 07. Dezember 2011 bedauerlicherweise dafür entschieden, seine Äußerungen zu begründen anstelle sich umgehend dafür zu entschuldigen. Die Begründung von beleidigenden Äußerungen ist jedoch qualitativ etwas anderes als die erneute Kundgabe von herabsetzenden Erklärungen. Gerade durch die Erklärung wird eine Äußerung von der unsachlichen, diffamierenden auf eine mehr sachbezogene Ebene gebracht. Dieses ist dem Kläger zumindest für einen Teil seiner Äußerungen gelungen. Auch wenn die Beklagte die Meinung des Klägers nicht teilt, so mag der Kläger aus seiner subjektiven Sicht im Hinblick darauf, dass er im Jahr 2006 ohne rechtliche Notwendigkeit einen neuen Arbeitsvertrag unterschrieben und damit auf seinen Tariflohn verzichtet hat, Gründe für seine Unzufriedenheit mit seinem Arbeitgeber gehabt haben – auch wenn die Art und Weise, in der er dieser Unzufriedenheit Ausdruck verliehen hat, alles andere als angebracht war. Vor diesem Hintergrund kann das Verhalten des Klägers am 07. Dezember 2011 nicht als zweite eigenständige Beleidigung der Gesellschafter angesehen werden. Es handelt sich im vorliegenden Fall damit um die erstmalige, einmalige Belastung des Arbeitsverhältnisses, die nicht geeignet war, das Vertrauensverhältnis zur Beklagten vollständig zu zerstören.
2.) Ferner ist das Arbeitsverhältnis der Parteien auch nicht durch die vorsorglich ausgesprochene ordentliche Kündigung aufgelöst worden. Das Arbeitsgericht hat zu Recht festgestellt, dass die Kündigung aus verhaltensbedingten Gründen sozial ungerechtfertigt ist.
Ein die ordentliche Kündigung nach § 1 Abs. 2 KSchG aus Gründen im Verhalten des Arbeitnehmers rechtfertigender Grund liegt vor, wenn das dem Arbeitnehmer vorgeworfene Verhalten eine Vertragspflicht verletzt, das Arbeitsverhältnis dadurch konkret beeinträchtigt wird, keine zumutbare Möglichkeit anderweitiger Beschäftigung besteht und die Lösung des Arbeitsverhältnisses in Abwägung der Interessen beider Parteien billigenswert und angemessen erscheint (BAG Urteil vom 13. Dezember 2007, Az: 2 AZR 818/06, AP Nr. 64 zu § 4 KSchG 1969; BAG Urteil vom 31. Mai 2007, Az: 2 AZR 200/06, AP Nr. 57 zu § 1 KSchG 1969 Verhaltensbedingte Kündigung; BAG Urteil vom 12. Januar 2006, Az: 2 AZR 21/05, AP Nr. 53 zu § 1 KSchG 1969 Verhaltensbedingte Kündigung).
Auch im Rahmen des § 1 KSchG führt die erforderliche Interessenabwägung dazu, dass das Interesse des Klägers an einer Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses das Interesse der Beklagten an dessen Beendigung überwiegt. Selbst wenn eine ordentliche Kündigung nicht so belastend wie die schärfste, mögliche Sanktion des Arbeitgebers in Gestalt der außerordentlichen Kündigung ist, ändert dieses nichts daran, dass zugunsten des Klägers die oben dargestellten Sozialdaten sowie die besonderen Umstände zu berücksichtigen sind, unter denen der A-Eintrag getätigt worden ist. Zur Vermeidung von Wiederholungen wird insoweit auf die Ausführungen unter II., 1.) e.) verwiesen.
3.) Schließlich ist die Klage auch insoweit begründet, als der Kläger für den Zeitraum vom 23. Dezember 2011 bis einschließlich Februar 2012 Annahmeverzugslohn begehrt. Da die Kündigung vom 22. Dezember 2011 unwirksam ist und das Arbeitsverhältnis damit fortbesteht, schuldet die Beklagte dem Kläger die geltend gemachten Beträge nach den Grundsätzen des Annahmeverzuges. Die Beklagte befindet sich seit dem 23. Dezember 2011 im Annahmeverzug. In Verzug gerät der Arbeitgeber dann, wenn der leistungsfähige und leistungsbereite Arbeitnehmer dem Arbeitgeber in einem erfüllbaren Arbeitsverhältnis seine Arbeitsleistung am richtigen Ort, zur rechten Zeit und in der richtigen Weise tatsächlich angeboten und der Arbeitgeber sie nicht angenommen hat (§§ 293 ff. BGB), vgl. BAG Urteil vom 26. Juli 1995, Az: 2 AZR 665/94, recherchiert über juris. Zwar hat der Arbeitnehmer als Schuldner der Arbeitsleistung diese in der Regel tatsächlich anzubieten, § 294 BGB. Dieses Angebot ist jedoch entbehrlich, wenn der Gläubiger seiner kalendermäßig bestimmten Mitwirkungshandlung nicht rechtzeitig nachkommt (§ 296 BGB). Nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts ist ein Angebot des Arbeitnehmers in entsprechender Anwendung des § 296 BGB dann nicht erforderlich, wenn der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer unberechtigterweise kündigt und ihn nach Zugang der Kündigung nicht mehr beschäftigt. Denn der Arbeitgeber ist grundsätzlich verpflichtet, dem Arbeitnehmer einen funktionsfähigen Arbeitsplatz zur Verfügung zu stellen und ihm Arbeit zuzuweisen. Unterlässt der Arbeitgeber diese Mitwirkungshandlung, ist ein Angebot der Arbeitsleistung durch den Arbeitnehmer nach § 296 BGB überflüssig (vgl. BAG Urteil vom 26. Juli 1995, Az: 1 AZR 665/94, recherchiert über juris). Im vorliegenden Fall hat die Beklagte dem Kläger seit dem 23. Dezember 2011 keinen Arbeitsplatz mehr angeboten, so dass die Voraussetzungen des Annahmeverzuges vorliegen. Die Höhe der geltend gemachten Vergütung ist zwischen den Parteien unstreitig. Der Zinsanspruch des Klägers folgt aus den §§ 288 Absatz 1, 286 Absatz 2 Nr. 1 BGB.
III. Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO. Danach hat die Beklagte die Kosten der Berufung zu tragen. Eine gesetzlich begründete Veranlassung zur Zulassung der Revision (§ 72 Abs. 2 ArbGG) ist nicht ersichtlich.