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Einstellung des betrieblichen Fahrdienstes (Buslinie) zum Arbeitsplatz

LANDESARBEITSGERICHT RHEINLAND-PFALZ

Az: 6 Sa 133/01

Verkündet am: 09.08.2001

Vorinstanz: Arbeitsgericht Koblenz – 6 Ca 689/00 NR


In dem Rechtsstreit hat die 6. Kammer des Landesarbeitsgerichts Rheinland-Pfalz auf die mündliche Verhandlung vom 28.06.2001 für Recht erkannt:

Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Koblenz – Auswärtige Kammern Neuwied – vom 23.01.2001 – AZ: 6 Ca 689/00 – wird kostenpflichtig zurückgewiesen.

Die Revision an das Bundesarbeitsgericht wird zugelassen.

T A T B E S T A N D

Die Parteien streiten darüber, ob die Beklagte mit der Änderungskündigung vom 25.02.2000 (B1. 7 d. A.) zu Recht den für die Klägerin und im Zeitpunkt der Kündigung zwei weitere Arbeitskolleginnen kostenlosen Zubringerdienst von K… zum Firmensitz der Beklagten nach B……., anders gestalten darf.

Die Klägerin hat ihre Klage vom 17.03.2000 vor dem Arbeitsgericht im Wesentlichen damit begründet, dass die Beklagte bei Verlagerung des Firmensitzes von K… weg in 1988 den Busverkehr bis zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses kostenfrei zugesagt habe.

Einer einseitigen Vertragsänderung durch die Beklagte sei man mit entsprechenden Klagen vor dem Arbeitsgericht begegnet, woraufhin eine Kündigung des Arbeitsverhältnisses mit dem Angebot einen neuen Arbeitsvertrag abzuschließen erklärt worden sei, wobei hier der Busverkehr entfallen sollte. Diese Verfahren sei zum Nachteil der Beklagten rechtskräftig beendet worden, woraufhin die neuerliche Kündigung erklärt worden sei.

Die Klägerin könne das Angebot nicht annehmen, da der angebotene Pauschalzuschuss von DM 253,– brutto pro Monat das Erreichen der Arbeitsstelle in angemessener Zeit nicht sicher stellen könne.

Die Klägerin hat beantragt,

1. festzustellen, dass das zwischen den Parteien dieses Rechtsstreits seit dem 21.03.1972 bestehende Arbeitsverhältnis nicht durch die Kündigung der Beklagten vom 25.02.2000 aufgelöst ist.

2. Die Beklagte zu verurteilen, sie zu den Konditionen des am 21.03.1972 geschlossenen Arbeitsvertrages bis hin zum rechtskräftigen Abschluss des Rechtsstreits weiter zu beschäftigen.

Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Sie hat dies im Wesentlichen damit begründet, dass die Änderungskündigung aus betrieblichen Gründen gerechtfertigt sei, da die Unterhaltung einer täglichen Busverbindung für die Klägerin und zwei Kolleginnen eine jährliche Kostenbelastung von DM 56.700,– verursache, was bei der Benutzung öffentlicher Verkehrsmittel auf einen Jahresbetrag von DM 15.642,– reduziert werden könne.

Das Arbeitsgericht hat durch Urteil vom 23.01.2001 der Klage im vollen Umfang entsprochen und dies im Wesentlichen damit begründet, dass die Voraussetzungen für eine betriebsbedingte Änderungskündigung noch nicht gegeben seien, da die Beklagte die Kosten des täglichen Busverkehrs zwischen K… und B……. durch die reduzierte Anzahl der Mitfahrer als unwirtschaftlich bezeichne, womit eine Änderungskündigung gerade nicht gerechtfertigt werden könne, da keine erheblichen betrieblichen Verluste vorgetragen worden seien. Dies sei aber Voraussetzung, da bei betriebsbedingten Änderungen die Grundsätze für den Ausspruch einer betriebsbedingten Beendigungskündigung gelten würden.

Mit am 09.02.2001 eingehendem Schreiben ist Berufung eingelegt worden, welche innerhalb verlängerter Frist am 09.04.2001 begründet wurde.

Die Beklagte habe im Zeitpunkt der Firmenverlegung einen Busverkehr auf eigene Kosten zugesagt, weil damals eine durchgängige Verbindung zwischen K… und dem neuen Firmensitz mit öffentlichen Verkehrsmitteln nicht bestanden habe. Seit 1999 bestehe eine durchgängige Verbindung mit öffentlichen Verkehrsmitteln und von den vorhandenen 28 Mitarbeitern würden derzeit nur noch 5 Mitarbeiter den Bustransport nutzen, weswegen der finanzielle Aufwand zur Unterhaltung der täglichen Busverbindung von DM 56.700,– auf ein Viertel der anfallenden Kosten reduziert werden könnte, wenn die verbliebenen 5 Mitarbeiter öffentliche Verkehrsmittel benutzen würden, wobei die Beklagte die Kosten tragen würde.

Das arbeitsgerichtliche Urteil lege die Maßstäbe an, die das Bundesarbeitsgericht herangezogen habe, wo der Arbeitgeber versucht habe, Änderungen auf der Vergütungsseite des Arbeitnehmers zu erreichen. Im vorliegenden Falle komme es aber darauf deshalb nicht an, weil es sich um eine anderweitige Arbeitsbedingung drehe, nämlich die Art und Weise des Transports von und zum Arbeitsplatz auf Kosten des Arbeitgebers. Es gehe im vorliegenden Falle lediglich um die Art des Transportmittels und nicht um die Kostenfrage.

Es mag deshalb auch dahinstehen, inwieweit die Änderung der Transportmöglichkeiten an der Unternehmensentscheidung seien, an die das Arbeitsgericht gebunden sei.

Die Beklagte beantragt, unter Abänderung des Urteils des Arbeitsgerichts Koblenz vom 23.01.2001 – AZ: 6 Ca 689/00 – wird die Klage abgewiesen.

Die Klägerin beantragt, die Berufung zurückkzuweisen. Sie verteidigt das arbeitsgerichtliche Urteil im wesentlichen damit, dass das Arbeitsgericht in dem Verfahren 7 Ca 1034/99 die Frage des Werksverkehrs zwischen K… und B……. rechtskräftig zugunsten der Klägerin entschieden habe. Das Arbeitsgericht habe in der vorliegenden Sache deshalb der Klage zu Recht stattgegeben, weil dringende betriebliche Gründe für den Ausspruch der Änderungskündigung nicht gegeben seien. Der Wunsch der Beklagten, den Transport wirtschaftlich angenehmer zu gestalten könne durch das Instrument der Änderungskündigung und schon gar nicht durch eine Beendigungskündigung erreicht werden.

Die Beklagte habe andere Möglichkeiten, eine Kostenreduzierung herbeizuführen, indem sie beispielsweise Studenten als Aushilfskräfte für die morgendliche und abendliche Beförderung beschäftige.

Eine direkte Verbindung mit öffentlichen Verkehrsmitteln gebe es zudem nicht wie sich aus den Ausführungen der Beklagten im Schriftsatz vom 31.07.2000 selbst entnehmen lasse.

Wegen des weiteren Vorbringens der Parteien wird auf den vorgetragenen Inhalt der Schriftsätze, die im Berufungsverfahren zur Akte gereicht wurden und Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind, Bezug genommen.

Außerdem wird auf den Tatbestand des arbeitsgerichtlichen Urteils vom 23.01.2001 (Bl. 60-61 d. A.) Bezug genommen.

E N T S C H E I D U N G S G R Ü N D E

Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung ist zulässig, in der Sache jedoch nicht begründet, weil das Arbeitsgericht der Klage zu Recht entsprochen hat.

Die Kündigung, welche die Beklagte in Form der Änderungskündigung unter dem 25.02.2000 erklärt hat, ist unter Beachtung von § 1 des anwendbaren Kündigungsschutzgesetzes mangels sozialer Rechtfertigung rechtsunwirksam. Unter Berücksichtigung von § 1 Abs. 2 KSchG ist eine Änderungskündigung nur dann sozial gerechtfertigt, wenn sie durch dringende betriebliche Erfordernisse, auf die sich die Beklagte im vorliegenden Falle beruft, und die einer Weiterbeschäftigung der Klägerin in dem Betrieb entgegen stehen, bedingt ist. Diese Voraussetzungen sind im vorliegenden Falle zu verneinen, weil eine betriebsbedingte Kündigung nur dann gerechtfertigt ist, wenn eine unternehmerische Entscheidung vorliegt, durch die aufgrund inner- oder außerbetrieblicher Ursachen eine veränderte Arbeitsmenge im Betrieb erledigt wird und die Kündigung dringlich ist, also durch andere Maßnahmen nicht ersetzt werden kann.

Die Beklagte beruft sich auf innerbetriebliche Gründe, nämlich der Einsparung von Kosten, die dadurch anfallen, dass die Klägerin mit anderen Arbeitskollegen von K… zum Betriebssitz der Beklagten auf deren Kosten transportiert werden.

Die Beklagte führt an, dass hier nicht der typische Fall gegeben sei, der einer betriebsbedingten Kündigung zugrunde liege, weil es nicht um das Ob des Transportes, sondern nur um das Wie gehe und keine Vergütungsfragen zur Diskussion stünden. Dem kann in dieser Form deshalb nicht gefolgt werden, weil die Beklagte selbst in ihrer Kündigungserklärung von der kostenlosen Beförderung abweichen will und einen Pauschalzuschuss in Höhe von DM 253,– brutto anbietet, der künftig mit tariflichen Gehaltserhöhungen verrechnet werden soll. Durch diese Verknüpfung ist sehr wohl ein Bezug zum Einkommen hergestellt worden, zumal unstreitig geblieben ist, dass der bisherige kostenlose Transport Vertragsinhalt geworden ist. Wenn die Beklagte also nicht nur das Wie regeln wollte, so hätte sie eine für die Klägerin kostenneutrale Lösung unterbreiten müssen, deren nähere Ausgestaltung vielleicht, worauf der Beklagtenvertreter abhebt, in ihrem Direktionsrecht anzusiedeln ist. Wenn die Beklagte allerdings die Kostenfrage mit einbezieht, so kann sie nicht mehr einseitig im Wege ihrer Direktionsbefugnis/-ausübung Sachverhalte regeln, sondern ist gehalten, wie vorliegend auch geschehen, bei fehlendem Einverständnis der Klägerin, zu Kündigungsmaßnahmen, also auch eine Änderungskündigung zu greifen.

Aus diesem folgt, dass das Arbeitsgericht zu Recht davon ausgegangen ist, dass die Grundsätze, die das Bundesarbeitsgericht für Änderungskündigungen aus dringenden betrieblichen Erfordernissen aufgestellt hat, auf den vorliegenden Fall anzuwenden sind. Das Bundesarbeitsgericht bleibt beim Prüfungsmaßstab der Sozialwidrigkeit der Änderungskündigung dabei, dass auf die wirtschaftliche Situation des Gesamtbetriebes und nicht nur auf die eines unselbständigen Betriebsteiles abzustellen ist. Die Beklagte hebt nur auf die entstehenden Transportkosten ab und die Möglichkeit, hier betriebliche Mittel einzusparen, weswegen die geforderten tatbestandlichen Voraussetzungen für die dringenden betrieblichen Erfordernisse nicht erkennbar sind.

Die Kündigung ist nicht durch die rechtskräftige Entscheidung des Arbeitsgerichtes im Verfahren der Parteien (Arbeitsgericht Koblenz – AZ: 7 Ca 1034/99 -, Urteil vom 08.11.1999) ausgeschlossen, da es im vorliegenden Falle zumindest nicht um die Einstellung des Werksverkehres geht, sondern um eine Umgestaltung und das Arbeitsgericht nicht ausdrücklich für Recht erkannt hat, dass die Beklagte verpflichtet ist, den Werksverkehr in genau der Form aufrecht zu erhalten, wie er zum damaligen Zeitpunkt durchgeführt worden ist.

Die Berufung der Beklagten ist nach Vorstehendem nicht begründet und deshalb mit der Folge zurückzuweisen, dass die Beklagte die Kosten des Verfahrens zu tragen hat, §5 64 Abs. 6 Satz 1 ArbGG, 97 ZPO.

Die Revision an das Bundesarbeitsgericht ist deshalb zugelassen worden, weil die Frage, höchstrichterlicher Klärung bedarf, ob die Grundsätze, die das Bundesarbeitsgericht bei Änderung auf der Vergütungsseite durch eine Änderungskündigung aufgestellt hat auch dann Geltung beanspruchen, wenn eine anderweitige Arbeitsbedingung, die Arbeitsvertragsinhalt geworden ist, lediglich auf andere Art und Weise für den Arbeitnehmer nicht kostenneutral aber zu Einsparungszwecken beim Arbeitgeber neu organisiert werden soll.

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