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Fahreridentifizierung: Vergleich Blitzfoto mit Ausweisfoto zulässig?

BayObLG

Az: 1 ObOWi 310/03

Beschluss vom 27.08.2003


Das Amtsgericht hatte den Betroffenen wegen fahrlässigen Überschreitens der zulässigen Höchstgeschwindigkeit zu einer Geldbuße verurteilt und ein Fahrverbot verhängt.

Die hiergegen eingelegt Rechtsbeschwerde des Betroffenen stützte sich auf die Verletzung formellen und materiellen Rechts. Mit der Verfahrensrüge machte er geltend, die Bußgeldbehörde habe sein Personalausweisfoto unter Verstoß gegen datenschutzrechtliche Bestimmungen von der Meldebehörde beschafft und sich damit illegal Gewissheit über die Identität verschafft. Hieraus ergebe sich ein Beweiserhebungs- und Beweisverwertungsverbot. Wegen des schweren Verfahrensverstoßes sei der Bußgeldbescheid rechtswidrig; das Amtsgericht hätte ihn aufheben müssen. Mit der Sachrüge wandte sich der Betroffene insbesondere gegen die Fahreridentifizierung anhand des Tatfotos. Im Urteil fehlten Ausführungen, anhand welcher Merkmale der Amtsrichter seine Überzeugung von der Identität des Betroffenen mit dem Fahrer gewonnen habe. Im Übrigen habe der Betroffene – entgegen der Annahme des Tatrichters – nicht zugegeben, dass er der Fahrer sei. Die zulässige Rechtsbeschwerde (§ 79 Abs. 1 Satz 1 Nrn. 1 und 2 OWiG) erwies sich als unbegründet (§ 349 Abs. 2 StPO i.V.m. § 79 Abs. 3 Satz 1 OWiG).

Gründe:

1. Der Verfolgung der Ordnungswidrigkeit steht kein Verfahrenshindernis entgegen. Eine Einstellung des Verfahrens kommt daher nicht in Betracht.

Es sind keine Anhaltspunkte erkennbar, dass ein gesetzlich ausdrücklich bestimmtes Prozesshindernis bestehen könnte. Darüber hinaus berechtigen Verfahrensmängel in der Regel nur zur Urteilsanfechtung und führen gegebenenfalls zur Urteilsaufhebung. Prozesshindernisse sind sie nur, wenn sie nach dem aus dem Zusammenhang ersichtlichen Willen des Gesetzgebers so schwer wiegen, dass sie die Zulässigkeit des Verfahrens im Ganzen in Frage stellen (Meyer-Goßner StPO 46. Aufl. Einl. Rn. 146; vgl. auch Krack, GA 2003, 536 ff.). Dies ist bei eventuellen Verfahrensfehlern im Zusammenhang mit der Erholung eines Ausweisfotos von der Meldebehörde nicht der Fall.

Unmittelbar aus dem Grundgesetz – hier dem Recht auf informationelle Selbstbestimmung gemäß Art. 1 Abs. 1, Art. 2 Abs. 1 GG und dem Anspruch auf ein faires Verfahren (Art. 20 Abs. 3 GG) – lassen sich Prozesshindernisse grundsätzlich nicht ableiten (BGHSt 32, 345/351 f.; Meyer-Goßner Einl. Rn. 147). Im Übrigen ergibt sich aus § 161 Abs. 1 Satz 1 StPO i.V.m. § 46 Abs. 1 und 2 OWiG, dass die Bußgeldbehörde berechtigt ist, von allen Behörden zum Zweck der Verfolgung von Ordnungswidrigkeiten Auskunft zu verlangen. Dieses Auskunftsrecht umfasst auch die Herausgabe eines bei der Meldebehörde hinterlegten Lichtbilds (OLG Stuttgart NStZ 2003, 93/94). Voraussetzung ist gemäß § 2b Abs. 2 Satz 2 PersAuswG, dass die Bußgeldbehörde ohne Kenntnis der Daten nicht in der Lage wäre, eine ihr obliegende Aufgabe zu erfüllen, und die Daten bei dem Betroffenen nicht oder nur mit unverhältnismäßig hohem Aufwand erhoben werden können. § 2b Abs. 3 Satz 2 PersAuswG bestimmt, dass ein solches Ersuchen nur von Bediensteten gestellt werden darf, die vom Behördenleiter dafür besonders ermächtigt sind. § 2b Abs. 3 Satz 3 PersAuswG verlangt eine Dokumentation des Ersuchens. Es braucht nicht geprüft werden, ob diese Voraussetzungen hier im Einzelnen erfüllt sind. Den angeführten Regelungen ist die gesetzgeberische Grundentscheidung zu entnehmen, dass bei der Verfolgung von Ordnungswidrigkeiten die Erholung von Ausweisfotos grundsätzlich zum zulässigen Ermittlungsinstrumentarium gehört. Falls dabei im Einzelfall bestimmte Verfahrensregelungen nicht beachtet werden, stellt dies die Durchführung des Bußgeldverfahrens als solche nicht in Frage; Verfahrensverstöße führen im Übrigen in der Regel auch nicht zu einem Beweisverwertungsverbot (BayObLGSt 1998, 22/24; OLG Stuttgart NStZ 2003, 93/95).

Zu den Anforderungen des § 2b Abs. 2 Satz 2 PersAuswG ist ergänzend anzumerken, dass die ermittelnde Behörde durchaus versucht hatte, die erforderlichen Informationen anderweitig zu beschaffen. Polizeiliche Ermittlungen in der unmittelbaren Nachbarschaft der Familie Dittmann verliefen jedoch negativ. Zudem ist der Betroffene weder einer Vorladung zur Anhörung nachgekommen, noch hat er sich schriftlich geäußert.

2. Eine zulässige Verfahrensrüge wurde nicht erhoben.

Das amtsgerichtliche Urteil stützt sich in seinen Ausführungen zur Identifizierung des Betroffenen als Fahrer nicht auf das Ausweisfoto, sondern auf den Vergleich des in der Hauptverhandlung anwesenden Betroffenen mit dem Tatfoto, das ausweislich des Protokolls in Augenschein genommen wurde. Die Rüge, hinsichtlich des Ausweisfotos bestehe ein Beweisverwertungsverbot, geht daher ins Leere. Zudem folgt aus Verstößen gegen datenschutzrechtliche Bestimmungen des § 2b PersAuswG – wie bereits ausgeführt – in der Regel kein Beweisverwertungsverbot.

3. Die sachlich-rechtliche Überprüfung des angefochtenen Urteils hat keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Betroffenen ergeben. Auf die zutreffenden Ausführungen der Staatsanwaltschaft vom 31.7.2003, denen sich der Senat anschließt, wird Bezug genommen. Ergänzend ist auf Folgendes hinzuweisen:

Die Beweiswürdigung des angefochtenen Urteils genügt den Anforderungen, die an die Darstellung der zugrunde liegenden Erwägungen zu stellen sind. Für die Identifizierung eines Betroffenen anhand des bei einer Verkehrsordnungswidrigkeit gefertigten Beweisfotos gilt nach der obergerichtlichen Rechtsprechung (BGHSt 41, 376/382 ff.; BayObLGSt 1998, 22/24) Folgendes: Wird – wie im vorliegenden Fall – auf ein zur Identifizierung generell geeignetes Beweisfoto gemäß § 267 Abs. 1 Satz 3 StPO i.V.m. § 71 Abs. 1 OWiG verwiesen, bedarf es regelmäßig keiner näheren Ausführungen. Nur wenn das Foto dem Rechtsmittelgericht als Anschauungsobjekt nicht zur Verfügung steht, müsste der Tatrichter durch eine entsprechend ausführliche Beschreibung die Prüfung ermöglichen, ob das Foto für eine Identifizierung geeignet ist. Auch die Überprüfung der Beweiswürdigung im Übrigen deckt Rechtsfehler nicht auf. Insbesondere hat das Amtsgericht auch in rechtlich nicht zu beanstandender Weise begründet, warum davon auszugehen ist, dass der Betroffene im Zeitpunkt der Messung nicht von einem auf der Standspur fahrenden Fahrzeug überholt wurde.

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