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Verlust des Versicherungsschutzes bei Fahrerflucht (hier Baum angefahren! – belangloser Schaden?)

OBERLANDESGERICHT KÖLN

Az.: 9 U 48/00

Verkündet am 25.7.2000

Vorinstanz: Landgericht Aachen 10 O 100/99


IM NAMEN DES VOLKES

URTEIL

In dem Rechtsstreit hat der 9. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Köln auf die mündliche Verhandlung vom 4. Juli 2000 für Recht erkannt:

Die Berufung des Klägers gegen das am 8. Dezember 1999 verkündete Urteil der 10. Zivilkammer des Landgerichts Aachen – 10 O 100/99 – wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Berufungsverfahrens werden dem Kläger auferlegt.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Entscheidungsgründe

Die Berufung ist zulässig, aber unbegründet.

Das Landgericht ist zutreffend davon ausgegangen, daß der Kläger die objektiven und subjektiven Tatbestandsvoraussetzungen des § 142 StGB verwirklicht hat und daß dies gem. § 6 Abs. 3 VVG in Verbindung mit § 7 I Abs. 2 Satz 3 und V Abs. 4 AKB zur Leistungsfreiheit der Beklagten führt, wobei § 7 AKB in der Fassung von 1996 zugrunde gelegt ist (abgedruckt bei Prölss/Martin, VVG, 26. Aufl., Seite 1492 ff.). Die von der Beklagten nach dem Termin zu den Akten gereichten AKB in der Fasssung von Januar 1999, in der die fraglichen Bestimmungen sich unter § 7 I Abs. 2 Satz 4 und V Abs. 4 finden, können dem Versicherungsvertrag, soweit ersichtlich, nicht zugrunde gelegen haben, denn das Fahrzeug wurde bereits im April 1998 auf den Kläger zugelassen und dürfte seitdem und nicht erst seit Januar 1999 bei der Beklagten versichert gewesen sein.

Zur Aufklärungsobliegenheit nach § 7 1 Abs. 2 S. 3 AKB gehört die Beachtung der Strafvorschrift des § 142 StGB (BGH r+s 1987, 214 = VersR 1987, 657; BGH r+s 2000, 94 = NVersZ 2000, 134 f), gegen die der Kläger hier verstoßen hat. Er war verpflichtet, am Unfallort zu warten, bis die Polizei die erforderlichen Feststellungen zu seiner Person und zum Unfallhergang treffen konnte. Er mußte zumindest nachträglich eine unverzügliche Feststellung ermöglichen, etwa indem er die Polizei telefonisch darüber informierte, daß er Fahrer des Unfallwagens war und daß er sich zu seinem Arzt begeben werde.

Der Schaden war nicht so belanglos, daß der Eigentümer des beschädigten Baumes kein Interesse an Feststellungen im Sinne des § 142 Abs. 1 Nr. 1 StGB hatte. Es kann letztlich dahinstehen, ob zusätzlich einer der Pfähle (BA 4, 47), die den Baum umgaben, sowie der später erneuerte Randstein von dem Zusammenstoß betroffen waren, denn allein der Schaden, den der Kläger am Baum verursacht hatte, war so erheblich, dass er genügte, um die Entfernung vom Unfallort als strafbar zu werten. Nur bei völlig belanglosen Schäden, also dann, wenn nicht damit zu rechnen ist, daß Schadensersatzansprüche geltend gemacht werden, darf ein Verkehrsteilnehmer annehmen, daß der Geschädigte kein Interesse an weiteren Feststellungen hat. Nur dann darf er sich entfernen, ohne die erforderlichen Feststellungen treffen zu lassen. Im Strafrecht geht man allgemein davon aus, daß die Bagatellgrenze schon dann überschritten ist, wenn der Schaden bei etwa 40 DM liegt (vgl. z.B. Lackner/Kühl, StGB, 23. Aufl., § 142 Rn.7 m. Nachw.). Diese Wertgrenze kann im Rahmen des Versicherungsrechts nicht anders beurteilt werden, wenn man im Verstoß gegen § 142 StGB stets eine Obliegenheitsverletzung sieht, wie dies noch kürzlich vom Bundesgerichtshof bestätigt wurde (BGH r+s 2000, 94 = NVersZ 2000, 134 f). So sind im Rahmen des Versicherungsrechts Entscheidungen ergangen, die eine Obliegenheitsverletzung bei Schäden zwischen 100 und 110 DM bejahten (OLG Düsseldorf VersR 1993, 1141 und LG Frankfurt Vers R 1994, 1414).

Hier bestreitet der Kläger, der die Rechnung der Stadt E. über 499,09 DM (BA 29) bezahlt hat, daß alle dort enthaltenen Positionen als Unfallschaden anzusehen sind. Selbst wenn man mit dem Kläger nur den Schaden am Baum dem Unfall zurechnet, ist indes die Bagatellgrenze deutlich überschritten, denn schon das Wundverschlußmittel, eine Arbeiterstunde und die Verwaltungskostenpauschale belaufen sich auf rund 120 DM. Hinzu kommen die Kosten für den Einsatz eines Fahrzeuges.

Auch die subjektiven Tatbestandsvoraussetzungen liegen vor. Der Kläger ging selbst davon aus, die Polizei benachrichtigen zu müssen (vgl. BA 46). Seine Verletzungen standen dem auch nicht entgegen. Die Einschätzung des Klägers, daß die Polizei einzuschalten war, war angesichts der Schwere des Schadens zutreffend. Sie lag auf der Hand, auch wenn der Kläger am Unfallort die genaue Schadenshöhe nicht abschätzen konnte. Die Schäden am Fahrzeug des Klägers (Schaden von rund 28.000 DM, Fahrertür ließ sich nicht mehr schließen) und die Wucht des Aufpralls waren so erheblich, daß schon allein wegen der Heftigkeit des Stoßes mit einer erheblichen Beschädigung gerechnet werden mußte, letztlich hätte der Schaden sogar viel höher sein können, etwa dann, wenn man den Baum hätte fällen müssen.

Weitere Ausführungen zur Relevanzrechtsprechung erübrigen sich. Die Verwirklichung des Straftatbestandes ist generell geeignet, die Interessen der Versicherung zu tangieren. Die konkrete Beurteilung im Einzelfall verbietet sich (vgl. BGH a.a.O.).

Die prozessualen Nebenentscheidungen folgen aus den §§ 97 Abs. 1, 708 Nr. 10, 713 ZPO.

Streitwert für das Berufungsverfahren und zugleich Urteilsbeschwer für den Kläger: 27.807,80 DM.

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