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Fahrerlaubnisentziehung nach einmaligem Konsum „harter Drogen“

OVG Lüneburg

Az.: 12 ME 172/03

Beschluss vom 16.06.2003

Vorinstanz: VG Göttingen, Az.: 1 B 124/03, Urteil vom 03.04.2003


Gründe

Die Beschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluss des Verwaltungsgericht, mit dem ihr Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtschutzes gegen die mit Sofortvollzug ausgestattete Fahrerlaubnisentziehungsverfügung der Antragsgegnerin vom 3. März 2003 abgelehnt worden ist, bleibt erfolglos, weil der Beschluss des Verwaltungsgerichts im Ergebnis und in seiner tragenden Begründung zutreffend ist (§ 122 Abs. 2 Satz 3 VwGO).

Das Verwaltungsgericht hat zutreffend ausgeführt, dass der Antragstellerin durch den Bescheid vom 3. März 2003 auf der Grundlage der §§ 3 Abs. 1 StVG, 46 Abs. 1 FeV i.V.m. Nr. 9.1. der Anlage 4 zu dieser Verordnung zu Recht die Fahrerlaubnis der Klasse B entzogen worden ist, weil sich die Antragstellerin als Konsumentin der harten Droge Amphetamin als ungeeignet zum Führen von Kraftfahrzeugen erwiesen hat. Anlässlich einer Fahrzeugkontrolle am … seien nämlich durch die kontrollierenden Polizeibeamten bei der Antragstellerin als Fahrzeugführerin eindeutige körperliche Hinweise für einen Drogenkonsum festgestellt worden, ein Lichtpupillenreaktionstest habe eine deutliche lichtträge Pupillenreaktion gezeigt, ein daraufhin durchgeführter Drug-Wipe-Test sei positiv auf Amphetamine verlaufen, eine entnommene Blutprobe habe später den Amphetamin-Konsum der Antragstellerin bestätigt (Gutachten vom 1. Oktober und 25. November 2002).

Auch unter Berücksichtigung der Beschwerdebegründung bleibt der Senat bei seiner gefestigten Rechtsprechung (zuletzt Beschluss vom 11.6.2003 – 12 ME 227/03 – ), dass bereits der einmalige Konsum von sogenannten harten Drogen wie Heroin, Kokain, Ecstasy, LSD oder Amphetamin im Regelfall die Eignung zum Führen von Kraftfahrzeugen ausschließt. Das ergibt sich aus der Konkretisierung der Anforderungen für die Eignung zum Führen von Kraftfahrzeugen in der FeV und ist in dem Senatsbeschluss vom 14. August 2002 – 12 ME 566/02 – (DAR 2002, 471) unter Bezugnahme auf den Senatsbeschluss vom 17. Mai 2002 – 12 LA 352/02 – näher dargelegt worden. Darauf wird verwiesen.

Wenn der Hess. VGH im Beschluss vom 14. Januar 2002 – 2 TG 3008/01 – (zfs 2002, 599) aus der Vorbemerkung Nr. 2 zur Anlage 4 der FeV eine anderweitige Auffassung ableitet, vermag der Senat dem nicht zu folgen. Der Senat steht damit in Übereinstimmung mit der überwiegenden Auffassung der Oberverwaltungsgerichte, wie sich aus der Anmerkung zu der Entscheidung des Hess. VHG (in zfs 2002, 600) ergibt (vgl. auch Hentschel, Straßenverkehrsrecht, 37. Aufl. 2003, § 2 StVG Rn. 17). Die Vorbemerkung Nr. 2 bezieht sich generalisierend auf sämtliche in der Anlage 4 zur FeV aufgeführten Mängel, wesentlich daher auch auf die dort aufgezählten Krankheiten einschließlich psychischer Störungen und hat diejenigen Fälle im Blick, in denen die beschriebenen Mängel nicht eindeutig feststehen, sondern erst durch ärztliche oder medizinisch-psychologische Gutachten festgestellt werden müssen, wenn nämlich Tatsachen bekannt werden, die Bedenken gegen die Eignung begründen (§§ 11 Abs. 2, 13, 14, 46 Abs. 3 FeV). Das meint die Vorbemerkung 2 zur Anlage 4 FeV, wenn darin ausgeführt wird, Grundlage der Beurteilung, ob im Einzelfall Eignung oder bedingte Eignung vorliegt, sei in der Regel ein ärztliches Gutachten (§ 11 Abs. 2 Satz 3), in besonderen Fällen ein medizinisch-psychologisches Gutachten (§ 11 Abs. 3) oder ein Gutachten eines amtlich anerkannten Sachverständigen oder Prüfers für den Kraftfahrzeugverkehr (§ 11 Abs. 4). Steht aber der in Anlage 4 beschriebene Mangel fest, dann hat sich der Fahrerlaubnisinhaber als ungeeignet zum Führen von Kraftfahrzeugen erwiesen und ist ihm die Fahrerlaubnis ohne Anordnung der Gutachtenbeibringung zu entziehen (§§ 11 Abs. 7, 46 Abs. 1 Sätze 1 und 2 FeV).

Letzteres ist hier der Fall, zumal bei dem vorliegenden Sachverhalt nicht nur – wie in dem vom Hessischen Verwaltungsgerichtshof entschiedenen Fall – feststeht, dass die Antragstellerin harte Drogen in Form von Amphetamin konsumiert, sondern darüber hinaus erschwerend hinzu kommt, dass sie auch unter dem Einfluss dieser Droge ein Kraftfahrzeug geführt und damit gezeigt hat, dass sie den Konsum von Betäubungsmitteln und die Teilnahme am Kraftfahrzeugverkehr nicht trennen kann. Schon deshalb weist der vorliegende Sachverhalt auch trotz des Fehlens erheblicher Ausfallerscheinungen (außer der lichtträgen Pupillenreaktion sowie der Verweigerung des Drehnystagmus, der Finger-Finger-Probe sowie der Nasen-Finger-Probe nach dem ärztlichen Untersuchungsbericht) anlässlich der Verkehrs- und Personenkontrolle am … keine Besonderheiten im Sinne der Vorbemerkung Nr. 3 zur Anlage 4 zur FeV auf, so dass eine vorgeschaltete medizinisch-psychologische Begutachtung nicht erforderlich war. Es entspricht sogar der Rechtsprechung, dass einem gelegentlichen Cannabis-Konsumenten, der unter Beeinflussung von Cannabis ein Kraftfahrzeug führt, die Fahrerlaubnis unmittelbar – ohne vorherige Anordnung zur Beibringung eines Gutachtens über die Fahreignung – entzogen werden kann (VGH Bad.-Württ., Beschluss vom 7.3.2003 – 10 S 323/03 – , DAR 2003, 236 = zfs 2003, 266). In dieser Entscheidung weist der VGH Baden-Württemberg zutreffend darauf hin, dass auch das Bundesverfassungsgericht in dem Beschluss vom 20. Juni 2002 – 1 BvR 2062/96 – (NJW 2002, 2378, 2380 o.l.) annimmt, dass charakterlich-sittliche Mängel einen verfassungsrechtlich tragfähigen Anlass zur Entziehung der Fahrerlaubnis darstellen. Solche Mängel seien gegeben, wenn der Betreffende bereit sei, das Interesse der Allgemeinheit an sicherer und verkehrsgerechter Fahrweise den jeweiligen eigenen Interessen unterzuordnen und hieraus resultierende Gefährdungen oder Beeinträchtigungen des Verkehrs in Kauf zu nehmen. Ausdruck eines Mangels dieser Art sei es, wenn ein Fahrerlaubnisinhaber ungeachtet einer im Einzelfall anzunehmenden oder jedenfalls nicht auszuschließenden drogenkonsumbedingten Fahruntüchtigkeit nicht bereit sei, vom Führen eines Kraftfahrzeugs im öffentlichen Straßenverkehr abzusehen (unzureichende Trennungsbereitschaft).

Wenn die Antragstellerin meint, erst bei Drogenabhängigkeit sei von der Ungeeignetheit zum Führen von Kraftfahrzeugen auszugehen, so verkennt sie die differenzierten Regelungen hinsichtlich der Ungeeignetheit beim Drogenkonsum in Nr. 9 der Anlage 4 (siehe hierzu auch den oben genannten Senatsbeschluss vom 14.8.2002 unter Bezugnahme auf den Senatsbeschluss vom 17. Mai 2002) sowie die differenzierte Regelung in § 14 FeV bei Bedenken gegen die Eignung zum Führen von Kraftfahrzeugen wegen des auf Tatsachen beruhenden Verdachts auf Drogeneinnahme.

Soweit die Antragstellerin sich gegen die Auffassung des Verwaltungsgerichts wendet, sie konsumiere regelmäßig Betäubungsmittel, kommt es darauf entscheidungserheblich nicht an. Hinzuweisen ist jedoch in diesem Zusammenhang darauf, dass sich aus dem beigezogenen und von dem Prozessbevollmächtigten der Antragstellerin eingesehenen Ermittlungsvorgang der Staatsanwaltschaft B. – C. – ergibt, dass die Antragstellerin mit einem Drogendealer zur Zeit der Telefonüberwachung vom September bis November 2001 in laufender Verbindung stand und dass am 6. März 2002 bei der Durchsuchung ihres Zimmers in der Wohnung ihrer Mutter unter anderem folgende Gegenstände beschlagnahmt worden sind: Ein benutztes Rauchgerät, ca. 1,3 g gelbliches Pulver in zwei szenetypischen Klemmtütchen, ca. 1,3 g bräunlich/gelbe Substanz in Folie; das Pulver und die bräunliche Substanz wiesen nach dem Abschlussbericht der Polizeiinspektion B. vom 19. Juni 2002 deutlich den Geruch von Amphetamin auf, ein jeweils durchgeführter ESA-Schnelltest auf Amphetamin verlief nach diesem Abschlussbericht deutlich positiv. Dieses Ermittlungsverfahren wegen des unerlaubten Besitzes von Betäubungsmitteln (§§ 3 Abs. 1, 29 Abs. 1 Nr. 1 BtMG) wurde am 5. September 2002 durch die Staatsanwaltschaft gemäß § 45 Abs. 1 JGG (Absehen von der Verfolgung wegen geringer Schuld und fehlendem öffentlichen Interesse an der Verfolgung) eingestellt. Auch wenn dieser Sachverhalt die Folgerung auf regelmäßigen Amphetamin-Konsum nahe legt, kommt es hierauf aber nach den obigen Ausführungen nicht mehr an.

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