VG Bremen
Az: 5 V 912/10
Beschluss vom 04.08.2010
Der Antrag wird abgelehnt.
Die Kosten des Verfahrens trägt die Antragstellerin.
Der Streitwert wird zum Zwecke der Kostenberechnung auf 2.500,00 Euro festgesetzt.
Gründe
I.
Die Antragstellerin wendet sich gegen die Entziehung ihrer Fahrerlaubnis.
Der Antragstellerin wurde 1970 eine Fahrerlaubnis der Klasse drei erteilt. Nach einer Trunkenheitsfahrt mit einer Blutalkoholkonzentration (BAK) von 2,35‰ im Jahr 1992 entzog ihr das Amtsgericht Bremen mit Strafbefehl vom 22. September 1992 (Az. 99 Cs 650 Js 28288/92) die Fahrerlaubnis. Im Mai 1993 beantragte die Antragstellerin die Wiedererteilung der Fahrerlaubnis. Ein medizinisch-psychologische Gutachten vom Juli 1993 fiel negativ aus. Nach erneuter Antragstellung im Juli 1994 und positiver Begutachtung im August 1994 wurde der Antragstellerin im Januar 1995 eine Fahrerlaubnis der Klasse drei erteilt. Aufgrund einer Trunkenheitsfahrt mit einer BAK von 2,33‰ am 09. Februar 2003 entzog das Amtsgericht Bremen der Antragstellerin mit Strafbefehl vom 16. Mai 2003 (Az. 95 Cs 650 Js 7659/03) erneut die Fahrerlaubnis. Einen Wiedererteilungsantrag aus April 2004 lehnte das Stadtamt Bremen wegen fehlender Vorlage eines medizinisch-psychologischen Gutachtens im Dezember 2005 ab. Ein im Widerspruchsverfahren vorgelegtes medizinisch-psychologisches Gutachten vom 27. März 2006 kam zu dem Ergebnis, dass die Vorgeschichte der Klägerin auf eine massive Alkoholproblematik hinweise. Diese sei bereits im Vorgutachten im Jahr 2004 als „zumindest im Vorfeld einer Alkoholabhängigkeit anzusiedeln“ bewertet worden. Verschiedene medizinische Befunde seien mit hoher Wahrscheinlichkeit auf früheren Alkoholmissbrauch zurückzuführen. Seit Oktober 2004 liege aber eine ausreichend stabile Abstinenz vor. Es sei nicht zu erwarten, dass die Klägerin künftig ein Fahrzeug unter Einfluss von Alkohol führen werde. Der Klägerin wurde daraufhin am 07. August 2006 eine Fahrerlaubnis der Klassen B/M/L/T/S erteilt.
Am 30. Juli 2009 wurde die Klägerin von Beamten der Polizei Bremen in Gewahrsam genommen, nachdem sie in Schlangenlinien den Rad- und Fußweg benutzt hatte und zusammengebrochen war. Ausweislich des Polizeiberichts vom 31. Juli 2009 war sie „aufgrund des Alkoholkonsums“ nicht in der Lage aufzustehen, konnte Fragen nach ihrem Ziel nur schwer folgen, hatte Probleme sich auf den Beinen zu halten und schwankte stark hin und her. Mit Schreiben vom 13. August 2009 forderte das Stadtamt Bremen die Antragstellerin zur Ausräumung von Bedenken an ihrer Fahreignung zur Beibringung eines medizinisch-psychologischen Gutachtens zu folgender Fragestellung auf: Kann der/die Untersuchte trotz der aktenkundigen Hinweise auf einen Alkoholmissbrauch ein Kraftfahrzeug der Klasse(n) B bzw. eines in der Fahrgastbeförderung sicher führen? Ist insbesondere zu erwarten, dass er/sie zukünftig ein Kraftfahrzeug nicht unter Alkoholeinfluss führen wird? Zur Begründung wurden in dem Schreiben die Trunkenheitsfahrt vom 09. Februar 2003, die medizinisch-psychologische Untersuchung aus März 2006 und der Vorfall vom 30. Juli 2009 angeführt.
Mit Verfügung vom 02. März 2010 entzog die Fahrerlaubnisbehörde der Antragstellerin die Fahrerlaubnis zum Führen von Kraftfahrzeugen, forderte sie zur Abgabe des Führerscheins auf und ordnete die sofortige Vollziehung der Verfügung an. Zur Begründung wurde ausgeführt, die Antragstellerin habe die ihr gesetzte Frist zur Rückgabe der Einverständniserklärung mit der Beibringung eines medizinisch-psychologischen Gutachtens verstreichen lassen. Der Antragstellerin werde unterstellt, dass sie ihre Eignung ausschließende Mängel verbergen wolle. Die Verfügung wurde wegen fehlenden Empfangsbekenntnisses der Rechtsanwältin am 16. Juni 2010 nochmals ausgefertigt und per Postzustellungsurkunde am 05. Juli 2010 zugestellt. Gegen die Verfügung vom 16. Juni 2010 legte die Antragstellerin am 13. Juli 2010 anwaltlich Widerspruch ein. Darin machte sie geltend, bei dem Vorfall vom 30. Juli 2009 habe es keine Untersuchung auf eine Alkoholisierung gegeben. Sie habe vielmehr ein Schmerzmedikament zusammen mit einem Schlafmittel eingenommen, welches den von den Polizeibeamten beschriebenen Zustand hervorgerufen habe. Unter diesen Umständen sei es unverhältnismäßig, ihr aufzugeben, sich einer kostenträchtigen Begutachtung zu unterziehen. Über den Widerspruch ist bislang nicht entschieden worden.
Die Antragstellerin hat am 13. Juli 2010 um einstweiligen Rechtsschutz ersucht. Zur Begründung wiederholt sie ihre Ausführungen aus dem Widerspruchsverfahren.
Die Antragstellerin beantragt, die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs vom 13.07.2010 gegen die Verfügung des Stadtamtes -Fahrerlaubnisbehörde -, Az: 051-30, vom 16.06.2010 wiederherzustellen.
Die Antragsgegnerin beantragt, den Antrag abzulehnen.
Die Ereignisse vom 30. Juli 2010 seien nicht isoliert, sondern in Zusammenhang mit der Vorgeschichte der Antragstellerin zu sehen. Diese sei wieder in ihre alten Konsumgewohnheiten verfallen. Die polizeilich beschriebenen Ausfallerscheinungen seien nicht auf die Einnahme eines Schmerzmedikamentes mit einem Schlafmittel zurückzuführen. Hinweise darauf gebe es nicht. Im Falle einer Alkoholisierung sei dies leicht an der Atemluft zu erkennen.
II.
Der nach § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO statthafte Antrag ist zulässig, aber unbegründet. Das Begehren, die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs gegen die Verfügung vom 16. Juni 2010 wiederherzustellen, ist nach § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4, Abs. 5 VwGO statthaft. Die Entziehung der Fahrerlaubnis ist aufgrund der entsprechenden Anordnung in der Verfügung sofort vollziehbar (§ 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO). Das Begehren hat jedoch in der Sache keinen Erfolg. Die Anordnung der sofortigen Vollziehung der Fahrerlaubnisentziehung begegnet in formeller Hinsicht keinen Bedenken. In materieller Hinsicht erweist sich die Vollziehung der Fahrerlaubnisentziehung als eilbedürftig; gegen sie sind auch materiell-rechtliche Bedenken nicht zu erheben.
II.1. Nach § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO ist in den Fällen des Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 das besondere Interesse an der sofortigen Vollziehung des Verwaltungsaktes schriftlich zu begründen. Die Vorschrift erfordert eine auf den konkreten Einzelfall abstellende Darlegung, worin das besondere öffentliche Interesse an einer ausnahmsweisen sofortigen Vollziehbarkeit besteht und weshalb das Interesse des Betroffenen, zunächst nicht von dem angefochtenen Verwaltungsakt betroffen zu werden, hinter dieses erhebliche öffentliche Interesse zurücktreten muss. Eine maßgebliche Funktion der Begründungspflicht besteht darin, den Betroffenen über die Gründe, die für die behördliche Entscheidung maßgeblich gewesen sind, zu unterrichten (vgl. Schoch in: Schoch/Schmidt-Aßmann/Pietzner, VwGO Kommentar, Stand: Sept. 2007, § 80 Rdnr. 176; Schmidt in: Eyermann, VwGO Kommentar, 12. Aufl., 2006, § 80 Rdnr. 42). Der Begründungspflicht ist daher nur dann genügt, wenn die Gründe für das öffentliche Vollzugsinteresse für den Betroffenen hinreichend erkennbar sind. Eine solche, den Anforderungen des § 80 Abs. 3 VwGO entsprechende Begründung für den angeordneten Sofortvollzug enthält die Verfügung vom 16. Juni 2010. Die Fahrerlaubnisbehörde hat darin konkrete Einzelfallumstände benannt und Gefahren aufgezeigt, mit denen im Fall einer weiteren Teilnahme der Antragstellerin am motorisierten Straßenverkehr zu rechnen wäre.
II.2. In der Sache überwiegt das öffentliche Interesse an der sofortigen Vollziehung der Fahrerlaubnisentziehung das private Interesse der Antragstellerin, von der sofortigen Vollziehung einstweilen bis zu einer Klärung der Rechtmäßigkeit der Verfügung im Hauptsacheverfahren verschont zu bleiben.
Nach § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO kann das Gericht der Hauptsache die aufschiebende Wirkung in den Fällen des Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 bis 3 ganz oder teilweise anordnen, im Fall des Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 ganz oder teilweise wiederherstellen. Voraussetzung für die Anordnung bzw. Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung durch das Gericht ist, dass das Interesse des Einzelnen an der aufschiebenden Wirkung gegenüber dem öffentlichen Interesse am Vollzug des Bescheides überwiegt. Das Gericht ist hierbei nicht auf eine Überprüfung der Begründung der handelnden Behörde beschränkt, sondern kann die für und gegen den Sofortvollzug sprechenden Argumente selbst ermitteln und gegeneinander abwägen (st. Rspr. des OVG Bremen, z. B. Beschl. v. 11.06.1986, Az. 1 B 14/86; Kopp/Schenke, VwGO, 15. Aufl., 2007, § 80 Rdnr. 152ff.). Im Rahmen dieser vom Gericht zu treffenden Interessenabwägung sind die Erfolgsaussichten der Hauptsache zu berücksichtigen. Die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs ist in der Regel abzulehnen, wenn der Rechtsbehelf nach dem derzeitigen Erkenntnisstand aller Voraussicht nach erfolglos bleiben wird; umgekehrt über- wiegt bei einer offensichtlichen Erfolgsaussicht des Widerspruchs das Aussetzungsinteresse des Antragstellers. Erweisen sich die Erfolgsaussichten der Hauptsache als offen, erfordert die Entscheidung über die Aussetzung des Vollzugs eine Abwägung des öffentlichen Interesses am Sofortvollzug mit dem privaten Interesse der Antragstellerin, bis zur Entscheidung in der Hauptsache weiterhin am motorisierten Straßenverkehr teilnehmen zu können. Der Rechtsbehelf der Antragstellerin verspricht nach derzeitigem Erkenntnisstand keinen Erfolg in der Hauptsache, denn die angefochtene Verfügung vom 16. Juni 2010 stellt sich bei der im Eilverfahren gebotenen summarischen Prüfung als offensichtlich rechtmäßig dar. Private Interessen der Antragstellerin, denen ein höheres Gewicht als dem öffentlichen Interesse an der baldigen Durchsetzung der Regelung zuzumessen wäre, sind nicht ersichtlich.
Rechtsgrundlage für die Entziehung der Fahrerlaubnis ist § 3 Abs. 1 Satz 1 Straßenverkehrsgesetz (StVG) i. V. m. § 3 Abs. 1, 11 Abs. 2 und 8, 46 Abs. 1 der Fahrerlaubnis-Verordnung (FeV). Danach ist demjenigen die Fahrerlaubnis zu entziehen, der sich als ungeeignet zum Führen von Kraftfahrzeugen erweist. Dies gilt gemäß § 46 Abs. 1 Satz 2 FeV insbesondere dann, wenn eine Erkrankung oder Mängel nach den Anlagen 4, 5 oder 6 der FeV vorliegen. Nach Nr. 8.1 der Anlage 4 zur FeV ist die Kraftfahreignung nicht gegeben, wenn das Führen von Kraftfahrzeugen und ein die Fahrsicherheit beeinträchtigender Alkoholkonsum nicht hinreichend sicher getrennt werden.
Die Fahrerlaubnisbehörde hatte der Antragstellerin die Fahrerlaubnis nach § 3 Abs. 1 S. 1 StVG, § 46 Abs. 1 S. 1 FeV zu entziehen, nachdem sie gemäß § 11 Abs. 8 FeV auf deren Nichteignung geschlossen hatte. Nach § 11 Abs. 8, 46 Abs. 3 FeV darf die Behörde auf die Nichteignung des Betroffenen schließen, wenn dieser der Fahrerlaubnisbehörde das von ihr geforderte Gutachten nicht fristgerecht beibringt. Die Antragstellerin hat das von der Fahrerlaubnisbehörde geforderte Gutachten nicht beigebracht. Sie hat die Beibringung im vorliegenden Verfahren ausdrücklich verweigert.
Die Beibringungsaufforderung vom 13. August 2009 ist formell und materiell rechtmäßig. Die Anordnung, ein medizinisch-psychologisches Gutachten beizubringen, genügte den formellen Anforderungen des § 11 Abs. 6 Satz 2 FeV. Die Fahrerlaubnisbehörde hat darin mitgeteilt, dass die Frage der Kraftfahreignung der Antragstellerin zu klären sei, nachdem sie im Jahr 2003 durch eine Trunkenheitsfahrt aufgefallen war und bei der medizinisch-psychologischen Untersuchung im März 2006 angegeben habe, nunmehr alkoholabstinent zu leben. Aufgrund des Vorfalls vom 30. Juli 2009 sei zu vermuten, dass die Klägerin erneut Alkoholmissbrauch betreibe. Die Anordnung enthält die erforderliche Fristsetzung, einen Hinweis auf die Kostentragungspflicht des Betroffenen und die Angabe, dass das Gutachten von einer amtlich anerkannten Begutachtungsstelle für Fahreignung zu erstellen ist. Außerdem ist die Antragstellerin auf die Folgen einer Weigerung, sich untersuchen zu lassen, oder einer nicht fristgerechten Vorlage des Gutachtens hingewiesen worden (§ 11 Abs. 8 Satz 2 FeV).
Die Beibringungsaufforderung ist auch materiell rechtmäßig. Sie hatte ihre Grundlage in § 13 Nr. 2 Buchst. e FeV. Danach ordnet die Fahrerlaubnisbehörde zur Vorbereitung von Entscheidungen über die Erteilung der Fahrerlaubnis die Beibringung eines medizinischpsychologischen Gutachtens an, wenn zu klären ist, ob Alkoholmissbrauch oder Alkoholabhängigkeit nicht mehr besteht. Für eine Gutachtensanforderung nach § 13 Nr. 2 Buchst. e FeV muss daher ein früherer Alkoholmissbrauch nachgewiesen sein und Tatsachen müssen die Annahme seiner Fortdauer begründen (vgl. BayVGH, Urt. v. 12.04.2006, Az. 11 ZB 05.3395). Alkoholmissbrauch im fahrerlaubnisrechtlichen Sinn bedeutet nach Nr. 8.1 der Anlage 4 zur FeV, dass das Führen von Fahrzeugen und ein die Fahrsicherheit beeinträchtigender Alkoholkonsum nicht hinreichend sicher getrennt werden können. Die die Annahme von Alkoholmissbrauch begründenden Tatsachen, etwa eine konkrete Alkoholauffälligkeit, müssen nicht im direkten Zusammenhang mit einer Teilnahme am Straßenverkehr stehen. Für die Gutachtensanforderung nach dieser Vorschrift genügt es, wenn konkrete Anhaltspunkte dafür bestehen, dass der Betroffene zwischen einem schädlichen Alkoholkonsum und einer Teilnahme am Straßenverkehr nicht hinreichend sicher trennen kann, d.h. wenn aufgrund der Gesamtumstände Zweifel an seinem Trennungsvermögen bestehen (Hentschel/König/Bauer, Straßenverkehrsrecht, 40. Aufl. 2009, § 13 FeV Rdnr. 21; vgl. Bay. VGH, Beschluss vom 04.02.2010, Az. 11 CS 09.3034).
Ein die Fahreignung ausschließender Alkoholmissbrauch i.S.d. Ziffer 8.1 der Anlage 4 zur FeV steht für die Vergangenheit aufgrund der Trunkenheitsfahrt vom 09. Februar 2003 (2,33‰ BAK), die zu der Verurteilung durch das Amtsgericht Bremen durch Strafbefehl vom 23. Februar 2003 führte, sowie den Feststellungen im medizinisch-psychologischen Gutachten des TÜV-Nord vom 27. März 2006 hinreichend fest. Ausweislich der Befundwürdigung der medizinisch-psychologischen Untersuchung vom 14. März 2006 war bei der Klägerin von einer massiven Alkoholproblematik „zumindest im Vorfeld einer Alkoholabhängigkeit“ auszugehen.
Der Vorfall vom 30. Juli 2009 gab der Behörde hinreichenden Anlass zur Prüfung, ob der in der Vergangenheit festgestellte Alkoholmissbrauch nicht mehr bestand. Der zumindest mittelbare Zusammenhang mit einer Teilnahme am Straßenverkehr unter Alkoholeinfluss ist darin zu sehen, dass die positive Fahreignungsbegutachtung im medizinisch-psychologischen Gutachten aus dem Jahr 2006 maßgeblich auf die „stabile Abstinenz“ der Antragstellerin abstellte und die positive Prognose davon abhängig machte. Diese positiven Schlussfolgerungen aus dem medizinisch-psychologischen Gutachten sind durch den Vorfall vom 30. Juli 2009 nach gegenwärtiger Auffassung des Gerichts widerlegt worden. Das Gericht hat keine Zweifel an der Richtigkeit der Angaben im Polizeibericht vom 31. Juli 2009, wonach die Klägerin Alkohol konsumiert hatte und infolgedessen hilflos war. Den Vortrag der Antragstellerin, wonach ihr Verhalten nicht auf einen Alkoholkonsum, sondern auf eine „Medikamenten-Wechselwirkung nach einem heißen Spätsommertag“ zurückzuführen sei, wertet das Gericht als Schutzbehauptung. Am 30. Juli 2009 betrug die Tageshöchsttemperatur 22,2 Grad Celsius (16:53 Uhr). Zum Vorfallszeitpunkt um 23:35 Uhr war niedrigste Tagestemperatur von 13,1 Grad Celsius (23:53 Uhr) nahezu erreicht (vgl. Daten der Wetterstation Bremen-Findorff, abrufbar unter www.ach-du-schan.de). Von einem „heißen Spätsommertag“ kann insofern keine Rede sein. Im Übrigen sind die Angaben der Antragstellerin zu der behaupteten Medikamenteneinnahme vage und unsubstantiiert geblieben. Die Antragstellerin kann sich ferner nicht darauf berufen, dass die Alkoholisierung nicht mittels Messung des Blut- oder Atemalkoholgehalts festgestellt wurde. Eine solche Vorgehensweise war im vorliegenden Fall, in dem weder ein Bußgeld- noch Straftatbestand von der Antragstellerin erfüllt worden war, nicht angezeigt. Die Ingewahrsamnahme erfolgte allein zum Schutz der Antragstellerin, so dass schon aus Verhältnismäßigkeitsgründen kein Raum für eine Bestimmung des Alkoholisierungsgrades mittels Entnahme einer Blutprobe oder Vornahme eines Atemalkoholtests war. Entgegen der Ansicht der Antragstellerin kann der im Polizeibericht als Grund für die Ingewahrsamnahme der Antragstellerin angegebene Alkoholkonsum nicht als Mutmaßung der Polizeibeamten abgetan werden, denn eine Alkoholisierung kann auch auf andere Weise, beispielsweise anhand der Atemluft und der Motorik des Betroffenen (hier: Gehen in Schlangenlinien, starkes Schwanken) festgestellt werden. Da die Ingewahrsamnahme alkoholisierter oder sonst hilfloser Personen zu den regelmäßigen Aufgaben der Beamten des Polizeivollzugsdienstes gehört, ist zudem davon auszugehen, dass diese einen erheblichen Erfahrungswert in Bezug darauf haben, ob die betroffene Person alkoholisiert ist oder nicht.
Der Schluss der Fahrerlaubnisbehörde gemäß § 11 Abs. 8 Satz 1 FeV auf die Nichteignung der Antragstellerin ist nach gegenwärtiger Erkenntnis ebenfalls nicht zu beanstanden. Insbesondere hat die Antragstellerin im vorliegenden Verfahren keine substantiierten Angaben zu ihrem Trinkverhalten gemacht oder sich sonst in erkennbarer Weise um eine Aufklärung der Zweifel an ihrer Fahreignung bemüht. Stattdessen hat sich die Antragstellerin darauf beschränkt, eine Alkoholisierung zu bestreiten.
Gründe dafür, dass abweichend vom Regelfall (vgl. Vorbemerkung Nr. 3 zur Anlage 4 zur FeV) hier besondere Umstände vorliegen, die die Annahme eines Ausnahmefalls rechtfertigen könnten, sind nicht anzunehmen.
II.3. Die Verpflichtung der Antragstellerin zur Ablieferung des Führerscheins folgt aus den §§ 3 Abs. 2 Satz 3 StVG, 47 Abs. 1 FeV.
II.4. Schließlich besteht auch ein besonderes öffentliches Interesse an der sofortigen Vollziehung der Fahrerlaubnisentziehung, denn diese dient der Abwehr von Gefahren, die mit einer weiteren Teilnahme der Antragstellerin am öffentlichen Straßenverkehr einhergehen. Angesichts des anzunehmenden Rückfalls in alte Konsumgewohnheiten und den damit zu befürchtenden Alkoholmissbrauch muss das Interesse der Antragstellerin, einstweilen bis zu einer Entscheidung in der Hauptsache weiter ein Kraftfahrzeug führen zu dürfen, gegenüber diesem öffentlichen Interesse zurücktreten.
III.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. Die Festsetzung des Streitwertes beruht auf §§ 53 Abs. 3, 52 Abs. 1 GKG.