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Fahrerlaubnisverlust Berufskraftfahrer – Kündigung

Landesarbeitsgericht Mecklenburg-Vorpommern

Az: 5 Sa 295/10

Urteil vom 16.08.2011


1. Die Berufung wird auf Kosten des Beklagten zurückgewiesen.

2. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

Die Parteien streiten um den Bestand eines zwischen ihnen bestehenden Arbeitsverhältnisses sowie um die Auszahlung vom Arbeitgeber einbehaltener Lohnbestandteile.

Der Kläger steht seit Dezember 2008 in einem Arbeitsverhältnis zum Beklagten als Kraftfahrer mit Einsatz im In- und Ausland. Der Beklagte beschäftigt regelmäßig mehr als 15 Arbeitnehmer. In dem Arbeitsvertrag vom 13. Dezember 2008 vereinbarten die Parteien einen Lohn in Höhe von 1.300,00 Euro brutto monatlich zuzüglich monatlicher Spesen in Höhe von 500,00 Euro (Kopie als Anlage K 1 überreicht, hier Blatt 24, es wird Bezug genommen).

Von dem abgerechneten Nettoentgelt hat der Beklagte im Juni 2009 einen Betrag in Höhe von 14,85 Euro, im Oktober 2009 in Höhe von 13,07 Euro und November 2009 nochmals in Höhe von 19,40 Euro für Telefonkosten abgezogen, insgesamt also in Höhe von 47,32 Euro. Von dem abgerechneten Nettogehalt für den Monat November 2009 hat der Beklagte außerdem einen Betrag für „Erstattung Strafen“ in Höhe von 280,00 Euro netto in Abzug gebracht.

Aufgrund Bußgeldbescheides des Landkreises R vom 23. September 2009, bestandskräftig seit dem 10. Oktober 2009, wurde für den Zeitraum vom 29. Januar 2010 bis 28. Februar 2010 gegenüber dem Kläger ein Fahrverbot angeordnet. Der Führerschein des Klägers wurde in amtliche Verwahrung genommen. Die Parteien streiten über den Zeitpunkt, zu dem der Kläger den Beklagten auf diesen Umstand hingewiesen hat. Unstreitig ist dieser Umstand dem Beklagten jedenfalls spätestens seit dem 17. Januar 2010 bekannt (Angabe des Beklagten im Kündigungsschreiben).

Mit Schreiben vom 29. Januar 2010, dem Kläger zugegangen am 1. Februar 2010, hat der Beklagte das Arbeitsverhältnis zum Kläger fristlos jedoch unter Anrechnung der dem Kläger noch zustehenden Urlaubstage zum 12. Februar 2010 gekündigt (Kopie als Anlage K 2 überreicht, hier Blatt 7, es wird Bezug genommen).

Mit seiner am 18. Februar 2010 bei Gericht eingegangenen Klage wendet sich der Kläger gegen diese Kündigung und begehrt – soweit im Berufungsrechtszug noch von Interesse – des Weiteren die Auszahlung der einbehaltenen Lohnbestandteile in der Gesamthöhe von 327,32 Euro netto.

Das Arbeitsgericht hat der Klage, soweit der Rechtsstreit im Berufungsrechtszug anhängig gemacht wurde, mit Urteil vom 8. September 2010 stattgegeben. Auf dieses Urteil wird wegen der näheren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes vor dem Arbeitsgericht Bezug genommen.

Mit der rechtzeitig eingelegten und rechtzeitig begründeten Berufung verfolgt der Beklagte das Ziel der vollständigen Klagabweisung weiter fort.

Die Kündigung sei fristlos ausgesprochen worden, da der Kläger den Beklagten erst kurz vor Ablauf der 4-Monats-Frist aus § 25 Absatz 2a StVG von dem Fahrverbot unterrichtet habe. Der Kläger sei verpflichtet gewesen, spätestens mit Eintritt der Rechtskraft des Bußgeldbescheides den Beklagten davon zu unterrichten. Denn zu diesem Zeitpunkt wäre es noch möglich gewesen, durch betriebsinterne Planungen des Beklagten und unter Ausnutzung der auftragsärmeren Zeit, durch Inanspruchnahme von Urlaub und unter Ausnutzung von Feiertagen das Fahrverbot schon im Dezember 2009 wirksam werden zu lassen. Die späte Unterrichtung stelle damit ein betriebsschädigendes Verhalten dar, welches der Beklagte nicht hinnehmen müsse. Eine Überbrückung des Arbeitsausfalls wäre im Januar 2010 nicht mehr möglich gewesen. Auch sei es nicht möglich gewesen, dem Kläger sofort Urlaub zu gewähren.

Schließlich sei es im höchsten Maße unbillig, wenn der Kläger sich unmittelbar nach Ausspruch der Kündigung krankschreiben ließe. Ferner hätte der Kläger lediglich einen Urlaubsanspruch von 10 Tagen gehabt.

Eine vorherige Abmahnung sei unter Berücksichtigung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes entbehrlich gewesen. Dem Kläger sei seit Oktober 2009 bewusst gewesen, dass der Beklagte auf rechtzeitige Information, hinsichtlich der Einsatzfähigkeit der Kraftfahrer angewiesen sei. Anderenfalls sei eine verlässliche Disposition nicht möglich, was wiederum zu Störung im Verhältnis zu Auftraggebern ggfs. Vertragsstrafen und zum Abbruch der teilweise langjährigen Vertragsbeziehungen hätte führen können. Dies stelle aufgrund der starken Konkurrenzsituation im Transportgewerbe eine erhebliche Gefahr für den Gewerbebetrieb dar. Dem Kläger sei daher auch bewusst gewesen, dass der Beklagte das klägerische Verhalten nicht hinnehmen werde.

Ferner habe der Kläger Ende Januar 2010 gegenüber einem Disponenten eines Kunden in Schweden sinngemäß erklärt, er müsse Anfang Februar für einen Monat seinen Führerschein abgeben. Dies sei aber nicht so tragisch, da er sowieso keine Lust mehr habe, für den Beklagten zu fahren; zudem habe er ab Anfang März einen neuen Arbeitsplatz. Zumindest rechtfertige dieses Verhalten des Klägers eine ordentliche Kündigung.

Auch der Lohneinbehalt sei zu Recht erfolgt. Ausweislich der Einzelverbindungsnachweise für Juni, September und Oktober 2009 habe der Kläger mit seinem Dienstmobiltelefon Privattelefonate geführt. Der weitere Einbehalt im November 2009 in Höhe von 280,00 Euro beruhe auf einem Schadensersatzanspruch. Der Kläger habe im September 2009 in T (Schweden) auf dem von ihm geführten LKW bereits geladene Paletten abgeladen, um diese neu zu positionieren. Bei dem Wiederbeladen habe der Kläger 18 Paletten am Ladeort stehen lassen, welche daraufhin per Expressfrachtgut an dem Empfänger geliefert worden seien. Hierdurch seien Kosten in Höhe von 1.000,00 Euro entstanden, die der Beklagte in Höhe von 500,00 Euro habe tragen müssen (Kopie der Rechnung als Anlage B 4 überreicht, hier Blatt 74, es wird Bezug genommen).

Der Beklagte beantragt sinngemäß, das arbeitsgerichtliche Urteil – soweit der Kläger obsiegt hat – abzuändern und die Klage auch insoweit abzuweisen.

Der Kläger beantragt, die Berufung zurückzuweisen.

Ein Kündigungsgrund liege nicht vor. Die Verhängung eines nur kurze Zeit geltenden Fahrverbotes stelle in der Regel keinen wichtigen Grund im Sinne von § 626 Absatz 1 BGB dar. Die Zeit, in der er keine LKW hatte führen dürfen, hätte man ohne Weiteres durch Urlaubsgewährung überbrücken können. Eine betriebliche Beeinträchtigung durch das Fahrverbot sei mithin vermeidbar gewesen. Der Ausspruch der Kündigung sei unverhältnismäßig. Der Kläger behauptet in diesem Zusammenhang, er habe den Beklagten mehrfach ab Oktober 2009 über den Entzug des Führerscheins informiert, und führt dazu als Beleg zwei konkrete Ereignisse an.

Die Lohnabzüge im Juni, Oktober und November 2009 seien zu Unrecht vorgenommen worden, da er keine privaten Telefonate von dem Dienstmobiltelefon geführt habe. Auch sei der Abzug „Erstattung Strafen“ im November 2009 nicht berechtigt, der ganze Vortrag zum angeblichen Schaden sei unsubstantiiert. Dessen ungeachtet habe der Beklagte die Pfändungsfreigrenzen nicht beachtet.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die im Berufungsrechtszug gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

Die Berufung ist nicht begründet. Die Ausführungen des Arbeitsgerichts zur Unwirksamkeit der Kündigung und zur fehlenden Rechtfertigung der Lohneinbehalte sind zutreffend. Die Angriffe der Berufung rechtfertigen eine andere Entscheidung nicht.

I. 1. Das Arbeitsgericht hat angenommen, die fristlose Kündigung sei unwirksam, weil es an einem wichtigen Grund im Sinne von § 626 BGB mangele. Der Verlust der Fahrerlaubnis stelle bei einem Berufskraftfahrer zwar an sich einen Grund zur Kündigung dar. Im vorliegenden Einzelfall komme eine Kündigung aber nicht in Betracht, da der Entzug der Fahrerlaubnis nur kurze Zeit angedauert habe und man diese Zeit durch Urlaub hätte überbrücken können.

Die (streitige) verspätete Mitteilung des Klägers über das anstehende Fahrverbot könne auch nach dem Vortrag des Beklagten die Kündigung nicht rechtfertigen. Sie sei zwar pflichtwidrig, führe aber in der Bewertung nicht zu einem so weitreichenden Vertrauensverlust, dass allein daraus ein Kündigungsgrund erwachse.

2. Dieser Bewertung schließt sich das Berufungsgericht ausdrücklich an. Das Berufungsvorbringen lässt eine andere Entscheidung nicht zu.

a) In der vom Beklagten zitierten Entscheidung hat das Bundesarbeitsgericht in der Tat erkannt, dass der Entzug der Fahrerlaubnis an sich ein Grund zur Kündigung sein könne (BAG 5. Juni 2008 – 2 AZR 984/06 – AP Nr. 212 zu § 626 BGB = DB 2009, 123). Davon ist aber auch das Arbeitsgericht ausgegangen. Es hat dann allerdings in dem notwendigen zweiten Prüfungsschritt festgestellt, dass der vorliegende konkrete Einzelfall (kurzes Fahrverbot, das mit Urlaub überbrückt werden könnte) nicht zur Kündigung geeignet sei. Ergänzend ist darauf hinzuweisen, dass für diese Feststellung die Anzahl der seinerzeit noch offenen Urlaubstage keine Rolle spielt. Denn, wenn seinerzeit keine Kündigung ausgesprochen worden wäre, hätte dem Kläger noch der gesamte Urlausanspruch für 2010 zugestanden, der allemal ausgereicht hätte, den Monat des Fahrverbots zu überbrücken.

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b) Die angeblich verspätete Bekanntgabe des einmonatigen Fahrverbots kann die Kündigung ebenfalls nicht rechtfertigen.

Prozessual kann nicht davon ausgegangen werden, dass der Kläger den Beklagten erst am 17. Januar 2010 von dem Umstand des Fahrverbots unterrichtet hat. Denn der Kläger hat zwei konkrete davorliegende Ereignisse geschildert, bei denen es zur Unterrichtung des Beklagten gekommen sein soll und der Beklagte hat sich zu ihnen nicht substantiiert eingelassen. So hat der Kläger behauptet, seine Mutter hätte den Bußgeldbescheid (und nicht die Mitteilung über die Vollziehung eines Fahrverbots vom 29. Januar 2010) auf Wunsch des Beklagten diesem bereits im Dezember gefaxt. Außerdem hätte er – der Kläger – den Beklagten mehrfach auf den Bußgeldbescheid angesprochen und eine Absprache über den geeigneten Zeitpunkt der Abgabe des Führerscheins angemahnt. Dazu hat der Beklagte nur vorgetragen, er habe von dem anstehenden Fahrverbot erst mit dem Fax vom 29. Januar 2010 erfahren, das er in Kopie als Anlage B 1 (hier Blatt 61) überreicht habe. Diese Angabe steht in Widerspruch zu seiner eigenen Aussage im Kündigungsschreiben (Kenntnis seit 17. Januar 2010) und ist schon von daher nicht geeignet, die Behauptungen des Klägers zu widerlegen. Zu der klägerischen Behauptung, er – der Kläger – habe immer wieder auf eine Absprache gedrängt, hat sich der Beklagte gar nicht eingelassen. Da der Arbeitgeber die Beweislast für das Vorliegen eines Kündigungsgrundes trägt, trägt er auch das Risiko, wenn er die Einlassung des Klägers nicht widerlegen kann.

Aber selbst dann, wenn man mit dem Beklagten davon ausgeht, dass der Kläger ihn erst am 17. Januar 2010 von dem anstehenden Fahrverbot unterrichtet hat, rechtfertigt das die streitgegenständliche Kündigung nicht. Für diese Bewertung kann sogar zu Gunsten des Beklagten unterstellt werden, dass der Kläger arbeitsvertraglich verpflichtet gewesen wäre, den Arbeitgeber alsbald nach Rechtskraft des Bußgeldbescheides darüber zu unterrichten. Denn die Unterrichtung rund zehn Tage vor Beginn des Fahrverbots bietet dem Arbeitgeber immer noch ausreichend Zeit, sich auf diese Situation einzustellen. Dass die Zeit zu kurz gewesen sein soll, vermag das Gericht dem Beklagten nicht abzunehmen. Denn da ein Arbeitgeber immer mit Personalausfall, beispielsweise wegen Erkrankung seiner Arbeitnehmer, rechnen muss, muss er schon in seinem eigenen Interesse seinen Betrieb so organisieren, dass ein solcher ungeplanter Personalausfall bewältigt werden kann. Gemessen an den Problemen, die ein unerwarteter Krankheitsfall aufwerfen kann, hatte der Beklagte hier sogar noch großzügig Zeit, seinen Betrieb auf den Ausfall einzustellen.

Soweit der Beklagte darauf abstellen will, dass eine frühere Bekanntgabe des Bußgeldbescheides noch die Möglichkeit eröffnet hätte, die Abgabe des Führerscheins und damit die zeitliche Lage des Fahrverbots besser zu steuern, vermag auch dieser Umstand die Kündigung nicht zu rechtfertigen. Es liegt zwar auf der Hand, dass eine frühere Kenntnis die betrieblichen Probleme erst gar nicht hätte entstehen lassen, die durch das Unterlassen der Unterrichtung entstehenden Probleme sind aber nicht so gravierend, dass allein dies schon die Kündigung rechtfertigen könnte.

3. Die Hinweise auf weitere angebliche Kündigungsgründe in der Berufungsbegründung sind ebenfalls nicht geeignet, die Kündigung zu rechtfertigen.

a) Dass der Kläger nach Ausspruch der Kündigung arbeitsunfähig erkrankt ist, kann die Kündigung selbstverständlich nicht rechtfertigen, denn im Falle einer Krankheit ist der Arbeitnehmer berechtigt, der Arbeit fern zu bleiben. Außerdem handelt es sich um ein Ereignis nach Ausspruch der Kündigung, das daher ohnehin nicht geeignet wäre, die Kündigung zu rechtfertigen.

b) Auch soweit der Beklagte im Berufungsrechtszug den Kündigungsgrund des Abkehrwillens des Arbeitnehmers in den Vordergrund zu rücken versucht, kann das die streitgegenständliche Kündigung nicht rechtfertigen.

In einer sehr alten Entscheidung hat das Bundesarbeitsgericht einmal den Abkehrwillen des Arbeitnehmers als Kündigungsgrund anerkannt (22. Oktober 1964 – 2 AZR 515/63 – AP Nr. 16 zu § 1 KSchG Betriebsbedingte Kündigung = DB 1965, 38), hat dies aber an die Bedingung geknüpft, dass die Kündigung erforderlich sein muss, um den Arbeitsplatz für eine stattdessen einzustellende Ersatzkraft frei zu machen. Eine solche Situation liegt hier nicht vor.

II. Das Arbeitsgericht hat den Beklagten auch zu Recht zur Auszahlung der Lohneinbehalte in der unstreitigen Gesamthöhe von 327,32 Euro verurteilt.

Zutreffend hat das Arbeitsgericht die vorgenommene Aufrechnung mit Gegenansprüchen des Beklagten bereits an den Pfändungsschutzvorschriften scheitern lassen. Denn vorliegend hat der Beklagte die Pfändungsfreigrenzen nach § 850c ZPO nicht beachtet, so dass die Aufrechnung nach § 394 BGB unzulässig ist. Gemäß der Anlage zu § 850 c ZPO ist der monatliche Nettolohn bis 989,99 Euro unpfändbar. Ohne Spesen betrug das monatliche Nettoeinkommen des Klägers 972,41 Euro. Soweit der Kläger pauschale monatliche Spesen in Höhe von 500,00 Euro erhielt, sind diese gemäß § 850a Nr. 3 ZPO vollständig unpfändbar.

1. Zunächst kann entgegen dem Vorbringen des Beklagten nicht davon ausgegangen werden, dass in den Spesen verstecktes Entgelt enthalten ist. Zwischen den Parteien ist insoweit unstreitig, dass der Kläger im Jahre 2009 so häufig für den Beklagten auswärts unterwegs war, dass der Beklagte ihm steuer- und beitragsfrei Aufwendungen in Höhe von 9.426,00 Euro hätte ersetzen können. Das hat der Beklagte dem Kläger zur Verwendung bei der eigenen Steuererklärung bescheinigt und es ist nicht ersichtlich, dass diese Bescheinigung falsch erstellt wurde. Wenn in dieser Situation der Beklagte dem Kläger pauschaliert monatlich 500,00 Euro, im Jahr also nur 6.000,00 Euro, ersetzt hat, muss man davon ausgehen, dass die tatsächlichen Aufwendungen des Klägers noch viel höher waren und daher mit dem Aufwendungsersatz kein versteckter Lohn gewährt wurde.

Aus den unterhaltsrechtlichen Leitlinien des OLG Rostock lässt sich – entgegen der Darstellung des Beklagten – nichts Gegenteiliges ableiten. Denn unter Ziffer 1.4 heißt es dort wörtlich: „Ersatz für Spesen und Reisekosten sowie Auslösungen gelten in der Regel als Einkommen. Damit zusammenhängende Aufwendungen – vermindert um häusliche Ersparnis – sind jedoch abzuziehen. Bei Aufwendungspauschalen (außer Kilometergeld) kann 1/3 als Einkommen eingesetzt werden.“ Wenn man also die erhaltenen Spesen als Einkommen ansehen will, müsste man die dabei entstandenen Werbungskosten des Klägers in Abzug bringen. Der Beklagte hat nicht nachweisen können, dass dabei ein positiver Betrag übrig geblieben wäre.

2. Der Einwand des Aufrechnungsverbots ist vom Arbeitsgericht zu Recht auch nicht als verspätet zurückgewiesen worden, da die dafür zu Grunde zu legenden Tatsachen bereits in den Rechtsstreit eingeführt waren und sie im Übrigen auch nicht streitig sind. Soweit der Beklagte meint, ihm sei dadurch die Möglichkeit abgeschnitten worden, sich auf § 242 BGB wegen der vorsätzlichen Schädigung durch den Kläger zu berufen, ist dieser mögliche Mangel in der Verfahrensgestaltung des Arbeitsgerichts durch die Berufungseinlegung geheilt worden. Allerdings hat der Beklagte es nicht vermocht schlüssig darzulegen, dass er aus Treu und Glauben (§ 242 BGB) berechtigt ist, unter Nichtbeachtung der Pfändungsschutzvorschriften mit klägerischen Ansprüchen aufzurechnen. Denn es kann nicht festgestellt werden, dass der Kläger den Beklagten vorsätzlich geschädigt hat.

a) Der Schaden durch die im September in T zurückgelassene Ladung ist vom Kläger nicht vorsätzlich herbei geführt worden. Das ergibt sich schon aus dem eigenen Vortrag des Beklagten. Denn der Beklagte behauptet, er habe den Kläger wegen dieses Vorfalles abgemahnt und hat als Beweis dafür ein Abmahnungsschreiben vom 19. September 2009 vorgelegt (Kopie als Anlage B 5 überreicht, hier Blatt 100, es wird Bezug genommen). Darin spricht der Beklagte selbst von einer „Nachlässigkeit“ und von einem „Vergessen“ des Klägers und gerade nicht von einem vorsätzlichen Verhalten. Im Übrigen dürfte der Beklagte übersehen haben, dass sich der Vorsatz im Arbeitsrecht nicht nur auf die pflichtwidrige Handlung selbst, sondern auch auf den Schadenseintritt beziehen muss (BAG 18. April 2002 – 8 AZR 348/01 – BAGE 101, 107 = AP Nr. 122 zu § 611 BGB Haftung des Arbeitnehmers = DB 2002, 2050 = NJW 2003, 377). Zum Vorsatz hinsichtlich des Schadenseintritts liegt aber keinerlei verwertbarer Tatsachenvortrag vor.

b) Auch durch die (bestrittene) private Nutzung des dem Kläger zu dienstlichen Zwecken überlassenen Mobiltelefons hat der Kläger schon nach dem eigenen Vortrag des Beklagten diesen nicht vorsätzlich geschädigt, so dass es auch insoweit bei der Anwendung der Pfändungsschutzvorschriften zu Gunsten des Klägers verbleiben muss. Denn selbst nach dem Vortrag des Beklagten scheint die Verrechnung ein Routinevorgang gewesen zu sein, den er monatlich vorgenommen hat, ohne damit einen Vorwurf gegenüber dem Kläger zu verbinden. Das wird auch indirekt dadurch bestätigt, dass der Kläger wegen der angeblichen Privattelefonate auch nie abgemahnt wurde oder der Beklagte sonst wie auf der Einhaltung der Regeln zur ausschließlich dienstlichen Nutzung des Telefons bestanden hat. Daraus schließt das Gericht, dass die Verrechnung der Gebühren bei privater Nutzung üblich war. Damit entfällt dann aber der Schädigungsvorsatz des Klägers im Falle der dementsprechenden Nutzung des Telefons.

III. Der Beklagte hat die Kosten der Berufung zu tragen, da sein Rechtsmittel ohne Erfolg geblieben ist (§ 97 ZPO).

Die gesetzlichen Voraussetzungen für die Zulassung der Revision (§ 72 ArbGG) sind nicht erfüllt.

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