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Fahrradfahrerunfall – Unfall wegen Fußgängerin auf Radweg

Oberlandesgericht Düsseldorf

Az.: I-1 U 278/06

Urteil vom 18.06.2007


Auf die Berufung des Klägers wird unter Zurückweisung seines weitergehenden Rechtsmittels das am 20. November 2006 verkündete Urteil des Einzelrichters der 12. Zivilkammer des Landgerichts Düsseldorf teilweise abgeändert und insgesamt wie folgt neu gefasst:

Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 2.120,67 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 1. Januar 2005 zu zahlen.

Die weitergehende Klage wird abgewiesen.

Die Kosten des ersten Rechtszuges werden zu 59 % dem Kläger und zu 41 % der Beklagten auferlegt.

Die Kosten des Berufungsrechtszuges fallen zu 32 % dem Kläger und zu 68 % der Beklagten zur Last.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Der Beklagten bleibt nachgelassen, die Zwangsvollstreckung des Klägers durch Sicherheitsleistung i.H.v. 3.500 € abzuwenden, sofern nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Dem Kläger bleibt nachgelassen, die Zwangsvollstreckung der Beklagten durch Sicherheitsleistung i.H.v. 700 € abzuwenden, sofern nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Tatbestand:

Der Kläger nimmt die Beklagte auf Ersatz seiner materiellen und immateriellen Schäden aufgrund eines Unfallereignisses in Anspruch, welches sich am 1. September 2004 gegen 12.30 Uhr in Neuss auf der Further Straße in Höhe des Hauses Nr. im Bereich einer Bushaltestelle mit einem angrenzenden Rad- und Fußweg ereignet hat.

Der Kläger fuhr mit seinem Fahrrad auf dem Radweg in Richtung Neusser Nordstadt. Gleichzeitig hielt sich die Beklagte als Fußgängerin auf der gepflasterten Freifläche der Bushaltestelle auf, wobei sie mit dem Rücken zum Kläger stehend von ihm ausgesehen dicht links, am Radweg Aufstellung bezogen hatte. Sie unterhielt sich mit einer Bekannten, der Zeugin K., und einer weiteren Person, die sich rechts vom Radweg auf dem Gehweg in Höhe eines Kiosks aufhielten. Als sich der Kläger, dem die ebenfalls Fahrrad fahrende Zeugin K.-J. folgte, auf dem Radweg in einer Entfernung von 10 m der Personengruppe genähert hatte, klingelte er, um auf sich aufmerksam zu machen. Im Zuge seiner weiteren Annäherung machte die Beklagte eine Körperbewegung in Richtung auf den Radweg, wobei sie den Weg nur mit dem Fuß leicht berührte.

Dadurch sah sich der Kläger veranlasst, eine Vollbremsung einzuleiten. Das Vorderrad blockierte und der nicht durch einen Helm geschützte Kläger kippte mit dem Fahrrad vornüber. Er fiel über das Lenkrad zu Boden.

Er erlitt einen Unfallschock, eine Schürfwunde am Stirnbein rechts, eine Risswunde am rechten Ohr durch einen Brillenbügel, eine Prellung und Hämatome an der Schulter, eine Quetschung der Rotatorenmanschette sowie eine Prellung des linken Zeigefingers. Bereits vor dem Unfall war der Kläger auf dem rechten Ohr gänzlich taub und auf dem linken teilweise hörgeschädigt.

Der Kläger hat behauptet, er habe sich der Beklagten mit angemessener Geschwindigkeit, und zwar mit einer solchen von 15 km/h, genähert. Es habe für ihn beim Anblick der Beklagten kein Grund bestanden, seine Fahrtgeschwindigkeit zu reduzieren. Er habe sich vielmehr zunächst darauf beschränken dürfen, ein Klingelzeichen zu geben. Erst auf die Wahrnehmung hin, dass die Beklagte den Radweg überraschender Weise betreten habe, habe er sich zu einer Notbremsung veranlasst gesehen, um einen Zusammenstoß mit ihr zu vermeiden. Für ein Ausweichmanöver habe keine Zeit bestanden.

Aufgrund des Sturzes habe er einen Hörsturz auf dem linken Ohr erlitten.

Der Kläger hatte – wie unstreitig ist – im Zusammenhang mit seinen stationären Krankenhausbehandlungen, die bis zum 4. September 2004 dauerten, seiner krankengymnastischen Behandlung und der Besorgung von Medikamenten Eigenbeteiligungen und Zuzahlungen zu leisten, die zzgl. einer Unkostenpauschale von 25 € die Summe von 120,67 € ausmachen.

Der Kläger hat beantragt,

1. die Beklagte zu verurteilen, an ihn ein angemessenes Schmerzensgeld, das den Betrag von 5.000 € nicht unterschreiten sollte, welches er im übrigen aber in das Ermessen des Gerichts gestellt hat, nebst 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz seit dem 1. Januar 2005 zu zahlen,

2. die Beklagte zu verurteilen, an ihn 120,67 € nebst 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz seit dem 1. Januar 2005 zu zahlen.

Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen.

Sie hat behauptet, der Kläger habe sich zu schnell angenähert. Statt die Geschwindigkeit zu reduzieren, habe er nur die Klingel betätigt. Durch die Einleitung der Notbremsung habe er überreagiert. Zudem sei die Bremsung unsachgemäß nur mit dem Vorderrad erfolgt.

Das Landgericht hat Beweis durch Zeugenvernehmung erhoben. Zu dem Ergebnis der Beweisaufnahme wird auf die Sitzungsniederschrift vom 23. Oktober 2006 (Bl. 79 ff. d.A.) verwiesen.

Das Landgericht hat durch die angefochtene Entscheidung unter Klageabweisung im übrigen die Beklagte verurteilt, an den Kläger 336,20 € nebst 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz seit dem 1. Januar 2005 zu zahlen.

Zur Begründung hat das Landgericht im wesentlichen folgendes ausgeführt: Dem Kläger stehe ein Schmerzensgeld nur i.H.v. 300 € zu. Die maßgebliche Handlung der Beklagten liege darin, dass sie sich mit dem Rücken potentiellen Radfahrern zugewandt auf den Radweg zubewegt habe, ohne nach rechts hinten zu blicken. Diese Handlung sei auch ursächlich für den Eintritt der Verletzungen des Klägers gewesen. Die Ursächlichkeit könne auch psychisch vermittelt sein.

Die Pflichtwidrigkeit des Verhaltens der Beklagten ergebe sich sowohl aus dem Rücksichtnahmegebot des § 1 Abs. 2 StVO als auch aus der Tatsache, dass das Durchfahrtsvorrecht des Längsverkehrs grundsätzlich auch für Radfahrer auf Radwegen gelte. Unerheblich sei, ob die Beklagte tatsächlich bereits einen Schritt auf den Radweg gemacht habe und ob der Kläger in einem Abstand von 10 m von der Beklagten einen prophylaktisches Klingelzeichen abgegeben habe. Das Umdrehen und Zugehen der Beklagten auf den Radweg habe bei dem Kläger den Eindruck entstehen lassen müssen, dass sich deren Weg über den Radweg fortsetzen werde. Wegen dieses Verhaltens habe sich der Kläger zum Bremsmanöver herausgefordert fühlen dürfen.

Jedoch trage der Kläger gemäß § 254 Abs. 1 BGB einen Mitverschuldensanteil von 70 % an dem Unfall und seinen Folgen. Wäre er langsamer auf die Beklagte zugefahren, hätte er den Unfall vermeiden oder zumindest in seinen Folgen abmildern können.

Es spreche schon eine tatsächliche Vermutung dafür, dass der Kläger zu schnell auf die Beklagte zugefahren sei. Er hätte auch erkennen müssen, dass er auf eine potentielle Gefahrensituation zugefahren sei. Der bevorrechtigte Verkehr müsse sich grundsätzlich auch auf ein verkehrswidriges Verhalten von Fußgängern einrichten, wenn triftige Gründe im Einzelfall diese Annahme nahe legten. Diese Umständen seien durch das gefahrgeneigte Verhalten der Beklagten kurz vor dem Unfall gegeben gewesen. Der Kläger habe sich nicht darauf verlassen dürfen, dass die Beklagte ihn rechtzeitig wahrnehmen werde und sich vom Radweg entfernen werde. Vielmehr habe die erkennbare Wahrscheinlichkeit bestanden, dass die Beklagte sich trotz des Klingelns nicht sofort orientieren und den Kläger wahrnehmen werde, weil sie ihm den Rücken zugewandt habe. Zudem sei eine Verlangsamung des Tempos aufgrund des Umstandes geboten gewesen, dass der Kläger auf eine Stelle zugefahren sei, an der wegen der Bushaltestelle und des Kiosks stets mit Personenverkehr auf dem Radweg habe gerechnet werden müssen. Schon die Betätigung der Klingel zeige, dass der Kläger es zumindest für möglich gehalten habe, sich auf eine Gefahrensituation zuzubewegen. Allein das hätte ihn zu einer Reduzierung seiner Geschwindigkeit veranlassen müssen. Er hätte sich in seiner Eigenschaft als Kfz-Sachverständiger darüber bewusst sein müssen, dass er bei eingeräumter gleichbleibender Geschwindigkeit von 15 km/h und einem plötzlichen Verhalten der Beklagten in der nächsten Sekunde nicht genügend Zeit für ein normales Bremsmanöver gehabt habe.

Selbst wenn der Kläger nur die Vorderradbremse betätigt habe, stelle dies kein Verschulden gegen sich selbst dar. Vielmehr könne in einer Schrecksituation, die sich im Rahmen weniger Sekunden abspiele, kein ruhiges und überlegtes Abwägen verlangt werden. Der Maßstab eines Mitverschuldens sei in derartigen Fällen großzügig angelegt.

Der Kläger müsse sich jedoch ein Mitverschulden aufgrund der Tatsache anspruchsmindernd zurechnen lassen, dass er das Tragen eines Schutzhelmes unterlassen habe. Der Schaden an seinem Gehör hätte durch das Tragen eines Helms verringert oder sogar verhindert werden können. Zwar sei für Radfahrer eine gesetzliche Helmpflicht nicht vorgesehen. Es habe sich auch noch keine allgemeine Überzeugung von der Notwendigkeit eines Helmschutzes für Radfahrer gebildet. Deshalb müsse sich ein Radfahrer bei einem Unfall das Fehlen eines Schutzhelms grundsätzlich nicht als Mitverschulden entgegen halten lassen.

Allerdings gelte zumindest dann etwas anderes, wenn der Radfahrer – wie hier der Kläger – besonders gefährdet sei. Ein Schmerzensgeld i.H.v. 300 € stelle eine billige Entschädigung i.S.d. § 253 Abs. 2 BGB dar. Dass der Kläger über die unstreitig erlittenen Verletzungen hinaus durch den Unfall auch einen Hörsturz erlitten habe, der seine Gesundheit noch immer beeinträchtige, habe dieser nicht hinreichend substantiiert dargelegt und bewiesen.

Der Klageantrag zu 2. sei nur i.H.v. 36,20 € begründet. Auf die materiellen Schäden i.H.v. 120,67 € müsse sich der Kläger einen Mitverschuldensanteil i.H.v. 70 % anrechnen lassen.

Gegen diese Entscheidung wendet sich der Kläger mit seiner form- und fristgerecht eingelegten Berufung, im Zuge derer er sein Schmerzensgeldverlangen auf den Mindestbetrag von 3.000 € reduziert.

Unter Wiederholung und Vertiefung seines erstinstanzlichen Vorbringens setzt er sich kritisch mit den Entscheidungsgründen des angefochtenen Urteils auseinander. Er macht u.a. geltend, er habe nicht schon weit vor der Unfallstelle eine Gefahrensituation erkannt und deshalb geklingelt. Wäre dies der Fall gewesen, hätte er schon aus Gründen des Eigenschutzes viel früher gebremst.

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Vielmehr sei er von der Situation überrascht worden und deshalb gestürzt. Das vorherige Klingeln sei prophylaktischer Art gewesen, damit die Personen in Sichtweise nicht auf den Radweg träten. Das Gehör auf dem linken Ohr sei stressbedingt ausgefallen, als er anlässlich des Sturzes eine Panikattacke erlitten habe. Allein der Umstand, dass die Beklagte pauschal den Eintritt eines Hörsturzes bestritten habe, habe den substantiierten Vortrag zu dem Geschehen mit dem Nachweis durch die vorgelegten ärztlichen Atteste nicht entkräftet.

Der Kläger beantragt, unter Abänderung des angefochtenen Urteils

1. die Beklagte zu verurteilen, an ihn ein angemessenes Schmerzensgeld, welches den Betrag von 3.000 € nicht unterschreiten sollte und das im übrigen in das Ermessen des Gerichts gestellt wird, nebst Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 1. Januar 2005 zu zahlen.

2. die Beklagte zu verurteilen, an ihn weitere 84,47 € nebst Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 1. Januar 2005 zu zahlen.

Die Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.

Sie macht sich die Gründe der angefochtenen Entscheidung zu Eigen und tritt dem gegnerischen Rechtsmittelvorbringen im einzelnen entgegen.

Sie macht u.a. geltend, der Kläger hätte erkennen müssen, dass er sich auf eine Gefahrensituation zu bewegte und dass ein Klingeln nicht ausreichte, sondern ein Abbremsen erforderlich gewesen wäre. Er habe mit der Möglichkeit rechnen müssen, dass eine ältere – ggfs. schwerhörige – Dame mit dem Rücken zum Fahrradweg gestanden und sich durch das Klingeln erschreckt und zur Fahrradwegseite hingewandt habe oder aber das Klingeln gar nicht erst gehört habe.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der zu den Akten gereichten Schriftsätze nebst Anlagen sowie auf den Tatbestand und die Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils verwiesen.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Berufung des Klägers hat in der Sache überwiegend Erfolg.

Die Schadensersatzverpflichtung der Beklagten dem Grunde nach ist in der angefochtenen Entscheidung zutreffend dargestellt, ohne dass die diesbezüglichen Feststellungen von den Parteien angegriffen werden. Entgegen der durch das Landgericht vertretenen Ansicht muss sich der Kläger indes unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt ein Mitverschulden an der Entstehung des Schadensereignisses anspruchsmindernd anrechnen lassen. Die Beklagte haftet voll umfänglich für alle unfallbedingten materiellen und immateriellen Schäden des Klägers.

Teilweise unbegründet ist jedoch die Höhe der klägerischen Schmerzensgeldforderung. Zwar hat der Kläger in Widerspruch zu der Begründung der angefochtenen Entscheidung schlüssig dargelegt und auch mit Hilfe der durch ihn vorgelegten ärztlichen Unterlagen nachgewiesen, dass er infolge seines Fahrradsturzes vom 1. September 2004 auf dem linken Ohr einen Hörsturz erlitten hat, dessen Folgen zwei Monate später weitgehend überwunden waren.

Gleichwohl hat der Kläger auch unter Berücksichtigung der übrigen unfallbedingten körperlichen Beeinträchtigungen und ihrer Folgen keinen Anspruch auf Zahlung eines Schmerzensgeldes in der durch ihn geltend gemachten Höhe von 3.000,00 €. Vielmehr ist die Verpflichtung der Beklagten zur Zahlung einer billigen Entschädigung in Geld auf den Betrag von 2.000,00 € begrenzt. Unter Hinzurechnung der unfallbedingten materiellen Schäden des Klägers in der unstreitigen Höhe von 120,67 € stellt sich im Ergebnis die begründete Schadensersatzverpflichtung der Beklagten auf die Gesamtsumme von 2.120,67 €.

I.

Im Einzelnen ist folgendes auszuführen:

1.

Die zugunsten des Klägers einschlägigen Anspruchsgrundlagen sind im angefochtenen Urteil zutreffend abgehandelt (Bl. 5, 12 UA; Bl. 107, 110 R. d.A.).

2.

Das Landgericht hat dem Kläger unter Berücksichtigung eines Mitverschuldensanteils von 70 % ein Schmerzensgeld im Umfang von 300,00 € zuerkannt. Der Kläger beanstandet zu Recht, dass diese Entscheidung in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht keinen Bestand haben kann. Weder ist dem Kläger als Fahrradfahrer ein Mitverschulden an der Entstehung der Kollision mit der Beklagten als Fußgängerin anzulasten, noch wird das ihm durch das Landgericht zuerkannte Schmerzensgeld (1.000,00 € bei einer vollen Haftung der Beklagten) dem Umfang seiner unfallbedingten immateriellen Beeinträchtigungen gerecht. Vielmehr erreicht die Verpflichtung der Beklagten zur Zahlung eines angemessenen Schmerzensgeldes nach Maßgabe der Zumessungskriterien des § 253 Abs. 2 BGB den Gesamtbetrag von 2.000,00 €.

3.

Der Senat vermag sich nicht der Feststellung des Landgerichts anzuschließen, bei der Entstehung des Schadens habe ein Verschulden des Klägers im Sinne des § 254 Abs. 1 BGB mitgewirkt, weil er bei der Annäherung an die spätere Unfallstelle auf dem Fahrradweg zu schnell auf die Beklagte zugefahren sei (Bl. 8 UA; Bl. 108 R. d.A.). Es ist nicht ersichtlich, dass der Kläger unter Verstoß gegen § 3 Abs. 1 StVO ein höheres Ausgangstempo als die durch ihn eingeräumte Annäherungsgeschwindigkeit von 15 km/h inne hatte. Dies geht zu Lasten der Beklagten, die für die Richtigkeit ihrer Behauptung eines mitwirkenden Verschuldens des Klägers an der Entstehung des Schadensereignisses die Darlegungs- und Beweislast trifft. Ein schnelleres Fahrtempo lässt sich in Widerspruch zu der Darstellung im angefochtenen Urteil nicht mit einer tatsächlichen Vermutung aufgrund des unstreitigen Umstandes begründen, dass wegen der durch den Kläger eingeleiteten Notbremsung das Hinterrad seines Fahrrades fast senkrecht über dem Vorderrad stand und er mit dem Kopf über das Lenkrad hinweg zu Boden stürzte.

a) Nach der glaubhaften Aussage der Unfallzeugin K.-J., die auf ihrem Fahrrad dem Kläger gefolgt war, war man zusammen „eben zügig, aber nicht schnell gefahren“ (Bl. 82 d.A.). Diese Bewertung lässt sich ohne weiteres mit der Geschwindigkeitsangabe des Klägers von 15 km/h vereinbaren. Zur Erläuterung hat die Zeugin nachvollziehbar ausgeführt, wegen der Nähe des Radweges zum Fußgängerweg könne man als Radfahrer „einfach nicht rasen“ (Bl. 82 d.A.). Die Lichtbilder, die von der Unfallstelle Eingang in die Akte sowie in die Strafakte 30 Js 8871/04 StA Düsseldorf gefunden haben (Bl. 36 ff. d.A.; Bl. 45 ff. Beiakte), bestätigen die Richtigkeit dieser Darstellung: Danach ist im Bereich der Unfallstelle der Radweg von den angrenzenden Verkehrsflächen (linksseitig Wartebereich für die Bushaltestelle; rechtsseitig relativ schmaler Gehweg) weder räumlich noch baulich getrennt. Vielmehr ist der Radweg als Sonderweg allein durch eine andersfarbige Aufpflasterung von den übrigen Verkehrsflächen abgesetzt.

b) Die Bauart des durch den Kläger benutzten Fahrrades legt ebenfalls nicht die Annahme nahe, dass er sich – wie etwa der Benutzer eines Rennrades – mit einer überdurchschnittlich hohen Geschwindigkeit der Beklagten genähert hat. Das durch ihn mit der Berufungsbegründung überreichte Lichtbildmaterial lässt ein solides Tourenfahrrad mit Multifunktionslenker, Vordergabelfederung und gefederter Sattelstütze erkennen (Bl. 176 ff. d.A.), so dass bei der Benutzung eines solchen Zweirades augenscheinlich der Fahrkomfort und nicht die Fortbewegungsgeschwindigkeit im Vordergrund steht. Dem steht nicht entgegen, dass es – wie eine Vielzahl von Fahrrädern vergleichbarer Art – mit einer Kettenschaltung ausgerüstet ist.

c) Unstreitig wandte die Beklagte dem Kläger bei der Annäherung den Rücken zu, so dass sie aus eigener Wahrnehmung keine Angaben zu dessen Ausgangstempo machen kann.

d) Mangels einer irgendwie gearteten Sachverhaltstypizität spricht entgegen der Darstellung im angefochtenen Urteil keine tatsächliche Vermutung für die Annahme, dass der Kläger zu schnell auf die Beklagte zugefahren ist (Bl. 8 UA; Bl. 108 R. d.A.).

aa) Zwar hat die Zeugin K.-J. beobachtet, dass der vorausfahrende Kläger sein Fahrrad so heftig abgebremst hat, dass sein Fahrrad „wie senkrecht stand“ und er sich infolge dessen – wie unstreitig ist – kopfüber und über die Lenkstange hinweg von dem Fahrrad löste, ehe sein Körper auf dem gepflasterten Untergrund aufschlug. Dieser Vorgang lässt darauf schließen, dass der Kläger sein Fahrrad sehr heftig abgebremst hatte. Immerhin ist es ihm auf der mit knapp 6 m angegebenen Reststrecke noch gelungen, einen Zusammenstoß mit der Beklagten zu vermeiden.

Andererseits begründet die Heftigkeit der Bremsreaktion und der sich daran anschließende Sturz des Klägers keinen Anscheinsbeweis für die Annahme einer Ausgangsgeschwindigkeit von mehr als 15 km/h.

bb) Das Lichtbildmaterial lässt erkennen, dass das Fahrrad des Klägers am Vorder- und Hinterrad mit leistungsfähigen Cantileverbremsen des Herstellers „H, “ ausgerüstet ist (Bl. 179 ff. d.A.). Bei einer solchen Ausrüstung kann es auch bei relativ geringer Annäherungsgeschwindigkeit dazu kommen, dass im Falle einer abrupten Vollbremsung sich der Fahrradfahrer nicht mehr im Sattel halten kann und in Fahrtrichtung kopfüber abgeworfen wird. Kommt auf diese Weise ein Radfahrer zu Fall, lässt dies auf die Leistungsfähigkeit der Bremsen schließen, nicht aber zwangsläufig auf ein Annäherungstempo, welches nach der Verkehrssituation oder der technischen Ausrüstung des Fahrrades zu hoch war.

e) Die durch den Kläger eingeräumte Annäherungsgeschwindigkeit von 15 km/h ist unter Berücksichtigung der Vorgaben des § 3 Abs. 1 StVO (Wege-, Verkehrs-, Sicht- und Wetterverhältnisse) nicht zu beanstanden.

aa) Nach dem zu den Akten gelangten Lichtbildmaterial benutzte der Kläger im innerstädtischen Bereich einen übersichtlichen Fahrradweg mit gerader Streckenführung, der sich optisch von dem rechts an den Hausfassaden entlanglaufenden Gehweg und von der links an der Unfallstelle angelegten gepflasterten Fläche für die Bushaltestelle abhebt (Fotos Bl. 45 ff. Beiakte). Nach dem insoweit unwidersprochen gebliebenen Vorbringen des Klägers war an der Haltestelle weder ein Bus zu sehen, noch zeigte sich auf den angrenzenden Verkehrsflächen in Fahrtrichtung des Klägers eine größere Anzahl von Personen.

Im Bereich der Unfallstelle war lediglich die links dicht am Radweg positionierte Klägerin zu sehen, während sich ihr gegenüber auf dem Gehweg rechts vom Kläger die beiden Personen, darunter die Zeugin K., aufhielten, mit welchen sie in Gesprächskontakt getreten war. Es bestehen keine Anhaltspunkte für die Annahme, dass eine Person aus der vorgenannten Gruppe in einer für den Kläger erkennbaren Weise zu den Hilfsbedürftigen im Sinne des § 3 Abs. 2 Buchstabe a StVO zählte, zu deren Schutz eine nur verminderte Fahrgeschwindigkeit bei gleichzeitiger Bremsbereitschaft einzuhalten war.

bb) Eine Geschwindigkeit von 15 km/h ist allgemein als eine durchschnittliche, eher langsame Geschwindigkeit eines Radfahrers im Straßenverkehr anzusehen (OLG Hamm NZV 1999, 418). Sie liegt in einem Tempobereich, den andere Verkehrsteilnehmer von einem Radfahrer gewöhnlich erwarten (KG NZV 2003, 483, 484 m. H. a. OLG Hamm VM 2000, 11).

cc) Die durch die Beklagte beantragte Einholung eines Sachverständigengutachtens zum Nachweis ihrer Behauptung, der Kläger sei annähernd doppelt so schnell wie durch ihn behauptet gefahren, ist nicht veranlasst. Denn es fehlt an den für eine unfallanalytische Auswertung notwendigen Anknüpfungstatsachen. Insbesondere sind keine Bremsspuren vorhanden; das Fahrrad des Klägers weist keine signifikanten Beschädigungen auf. Es ist so geringfügig beeinträchtigt, dass er daraus keine Schadensersatzforderung ableitet.

4.

Entgegen dem Vorbringen der Beklagten kann dem Kläger auch nicht angelastet werden, in einer Überreaktion das Vorderrad fehlerhaft so heftig abgebremst zu haben, dass dieses mit der Folge seines Überschlages vollständig blockierte (Bl. 16 d.A.). Der Kläger behauptet, sowohl die Vorder- als auch die Hinterradbremse gleichzeitig betätigt zu haben (Bl. 30 d.A.). Da sich der Ablauf des Unfallgeschehens nicht mehr zuverlässig rekonstruieren lässt, bleibt die Beklagte mit ihrer Behauptung, der Kläger habe schuldhaft falsch gebremst, beweisfällig.

Ebenso wenig lässt die Tatsache des Sturzes des Klägers den Rückschluss auf eine einseitige, nur mit dem Vorderrad bewirkte Verzögerung zu. Blockiert infolge einer Gefahrenbremsung das Vorderrad und hebt deshalb das Hinterrad aus der Fahrt ab, kommt es auf den Umstand, ob auch mit dem Hinterrad gebremst wird, bewegungsdynamisch nicht mehr an. Auf diesen Umstand weist der Kläger zu Recht hin (Bl. 30 d.A.).

5.

Allerdings begegnet die Richtigkeit der Behauptung des Klägers Bedenken, auf der ihm nach einer „Schrecksekunde“ verbliebenen Restdistanz von nur noch knapp 6 m zu der Position der Beklagten wäre es ohne seinen Abwurf von dem Fahrrad unweigerlich zu einem Zusammenprall gekommen, da der Bremsweg länger gewesen wäre als die effektiv noch zur Verfügung stehende Strecke von 5,86 m (Bl. 43 d.A.).

a) Unstreitig war der Kläger in der Lage, mit den Fahrradbremsen mittlere Verzögerungen in der Größenordnung von 6 m/sec2 bis 7 m/sec2 zu erreichen. Unter diesen Voraussetzungen hätte sein Gesamtanhalteweg aus einem Tempo von 15 km/h nur 5,17 m bzw. 4,96 m innerhalb eines Zeitrahmens von 1,59 Sekunden bzw. 1,50 Sekunden betragen. Diese Berechnungen, die der Senat als Fachsenat für Verkehrsunfallsachen mit einer gängigen – und auch aus dem Internet abrufbaren – Bremswegberechnungsformel vorzunehmen vermag, lassen darauf schließen, dass der Kläger bei einem dosierten Einsatz seiner Fahrradbremsen situationsadäquat auf der Schlussdistanz von knapp 6 m auch dann eine erwartete gefährliche Begegnung mit der Beklagten hätte vermeiden können, wenn er nicht sogleich – wie die Tatsache seines Sturzes annehmen lässt – das volle Verzögerungspotenzial der Fahrradbremsen ausgenutzt hätte. Auf seine Sachkunde bezüglich der unfallanalytischen Beurteilung der Weg-Zeit-Zusammenhänge hat der Senat in der mündlichen Verhandlung hingewiesen.

b) Indes bedürfen die Weg-Zeit-Zusammenhänge keiner vertiefenden unfallanalytischen Erörterung. Denn zutreffend hat das Landgericht darauf abgestellt, dass das Umdrehen und die Bewegung der Beklagten in Richtung auf den Radweg mit dem Kläger zugewandten Rücken nach Lage der Dinge darauf schließen ließen, dass sie einen Weg über den Radweg hinweg nehmen werde (Bl. 7 UA; Bl. 108 d.A.). Da sich in diesem Fall die Bewegungslinien beider gekreuzt hätten, sah sich der Kläger in nicht zu beanstandender Weise veranlasst, auf der durch ihn unwidersprochen vorgetragene Restwegstrecke von knapp 6 m eine sofortige Gefahrenbremsung einzuleiten. Nachdem er unstreitig aus 10 m Entfernung das Klingelzeichen abgegeben hatte, verblieb ihm nach einer Reaktionszeit von 0,8-1,0 Sek. bei 15 km/h eine Restwegstrecke von etwa 6 m.

c) Der Umstand, dass diese möglicherweise heftiger ausgefallen ist, als dies nach den Umständen objektiv erforderlich war, gereicht dem Kläger nicht zum Vorwurf eines mitwirkenden Verschuldens im Sinne des § 254 BGB. Nach ständiger Rechtsprechung ist das falsche Reagieren eines Verkehrsteilnehmers – hier in Form einer zu heftigen Bremsreaktion – dann kein Verschulden, wenn er in einer ohne sein Verschulden eingetretenen, für ihn nicht voraussehbaren Gefahrenlage keine Zeit zu ruhiger Überlegung hat und deshalb nicht das Richtige und Sachgerechte unternimmt, um den Unfall zu verhüten, sondern aus verständlicher Bestürzung objektiv falsch reagiert (BGH DAR 1976, 185 m. w. Rechtsprechungsnachweisen; so auch Senat, Urteil vom 1. Oktober 2001, Az.: 1 U 206/00; Urteil vom 13. September 2004, Az.: I-1 U 31/04; Senat NZV 2006, 415, 416).

d) Die Beklagte machte in einer für den herannahenden Kläger überraschenden – weil unter Missachtung des vorherigen Klingelzeichens erfolgenden – Weise eine Körperbewegung in Richtung auf den durch ihn benutzten Radweg, nachdem sie sich zuvor gefahrenneutral verhalten hatte. Da dem Kläger nach der Reaktionszeit von 0,8-1,0 Sek. nur noch ein sehr begrenzter räumlicher und zeitlicher Handlungsspielraum verblieb, vermag die Beklagte nichts für sich aus der Tatsache abzuleiten, dass er das volle Bremspotenzial seines Fahrrades ausgenutzt hat, obwohl dies möglicherweise objektiv zur Unfallvermeidung nicht erforderlich war.

e) Dem Kläger darf schließlich kein Eigenverschulden aufgrund des Umstandes angelastet werden, dass er auf der Schlussentfernung von 6 Metern nicht den Versuch unternommen hat, der sich auf den Radweg zubewegenden Beklagten auszuweichen.

aa) Nach den lichtbildlich dargestellten Verhältnissen am Unfallort hatte der Kläger auf dem Radweg keine Möglichkeit, der erwarteten Bewegungslinie der Beklagten von der angenommenen Gefahrensituation weg nach rechts großräumig auszuweichen. Er war gemäß § 2 Abs. 4 Satz 2 StVO zur Radwegbenutzung verpflichtet und durfte deshalb grundsätzlich nicht den angrenzenden Sonderweg für Fußgänger in Anspruch nehmen. Ganz abgesehen davon wäre ein Ausweichen nach rechts wegen der an den Gehweg angrenzenden Hausfassaden von vornherein auf einen sehr engen Raum – schmaler als der Radweg – begrenzt gewesen. Hinzu kam die Raumeinengung wegen der beiden auf dem Gehweg positionierten Fußgänger, mit welchen die Beklagte in Gesprächskontakt getreten war.

bb) Zwar hätte ein Ausweichen des Klägers nach links in die Bushaltestelle hinein die durch ihn befürchtete Kollision mit der Beklagten vermeiden können. Die Zeit zu einer ruhigen Überlegung, dass ein Ausweichversuch in die erst noch zu bestimmende richtige Richtung den befürchteten Zusammenstoß vermeiden konnte, hatte der Kläger auf den restlichen sechs Metern Fahrtstrecke zu der Position der Beklagten nicht mehr. Insoweit gelten die obigen Ausführungen zu c) entsprechend.

6.

Der Senat vermag sich nicht der Feststellung des Landgerichts anzuschließen, der Kläger habe mit Rücksicht auf das Verhalten der Beklagten, die sich mit ihm zugewandten Rücken über den Radweg mit zwei Personen unterhielt, und wegen der äußeren Umstände (Bushaltestelle, Kiosk mit stetigem Personenverkehr) die Zufahrt auf eine potenzielle Gefahrensituation erkennen und sogleich mit einer Verlangsamung des Tempos reagieren müssen (Bl. 8, 9 UA; Bl. 108 R., 109 d.A.).

Diese Betrachtungsweise verkennt, dass der auf dem Sonderweg bevorrechtigte Kläger auf ein verkehrsrichtiges Verhalten der Beklagten vertrauen durfte, die sich zunächst im Bereich der Bushaltestelle – wenn auch dicht am Radweg – gefahrenneutral positioniert hatte. Er konnte sich deshalb – wie unstreitig ist – darauf beschränken, in der ersten Annäherungsentfernung von etwa 10 m gemäß § 16 Abs. 1 Ziff. 2 StVO durch ein Schallzeichen (Betätigung der Fahrradklingel) auf sich als ein ordnungsgemäß den Sonderweg benutzender Radfahrer aufmerksam zu machen.

a) Die zu den Akten gelangten Lichtbilder (Bl. 36 ff. d.A.; Bl. 47 Beiakte) verdeutlichen, dass der Kläger einen Sonderweg im Sinne des § 41 Abs. 2 Nr. 5 StVO, und zwar einen solchen für Radfahrer (Zeichen 237), benutzte. Aus seiner Fahrtrichtung gesehen ist rechts daneben ein weiterer Sonderweg, nämlich ein solcher für Fußgänger (Zeichen 239), angelegt.

b) Nach der Beschilderung am Unfallort hat die zuständige Straßenverkehrsbehörde von der Möglichkeit des § 41 Abs. 2 Nr. 5 Satz 2 StVO Gebrauch gemacht, die Sinnbilder der Zeichen 237 und 239 gemeinsam auf einem Schild, durch einen senkrechten weißen Streifen voneinander getrennt, zu zeigen.

Links neben der Radwegauffahrt an der letzten Straßeneinmündung vor der Unfallstelle ist nämlich das Zeichen Nr. 241 zu § 41 Abs. 2 Nr. 5 StVO (getrennter Rad- und Fußweg) mit dem senkrechten weißen Trennstrich aufgestellt (Lichtbild Bl. 47 Beiakte).

c) Gemäß § 25 Abs. 3 Satz 1 StVO haben Fußgänger Fahrbahnen unter Beachtung des Fahrzeugverkehrs auf dem kürzesten Weg zu überschreiten. Beim Überschreiten eines Radweges hat der Fußgänger die Sorgfaltspflichten zu beachten, die denjenigen beim Überschreiten der Fahrbahn entsprechen (KG VM 1984, 94; Janiszewski NStZ 1985, 115; Heß in Janiszewski/Jagow/Burmann, Straßenverkehrsrecht, 19. Auflage, § 25, Rdnr. 10; Hentschel, Straßenverkehrsrecht, § 25 StVO, Rdnr. 33). Radwege sind ebenfalls zum Befahren bestimmt, schon also nach dem Sprachgebrauch Fahrbahnen im Sinne des § 25 Abs. 3 Satz 1 StVO. Auch als Sonderweg büßt der Radweg nicht seine Eigenschaft als eine Fahrbahn ein, die baulich nur neben der allgemeinen Fahrbahn gelegen ist. Zu den bevorrechtigten Verkehrsteilnehmern, welchen außerhalb von Übergängen nach Zeichen 293 die Vorschrift des § 25 Abs. 3 StVO Schutz bieten soll, gehören auch die Radfahrer als Fahrzeugbenutzer, welche nach § 2 Abs. 4 Satz 2 StVO die Fahrbahn in Form des Sonderweges gemäß Zeichen Nr. 241 zu § 41 Abs. 2 Nr. 5 StVO zu benutzen haben (vgl. Janiszewski NStZ 1985, 115).

d) Entsprechend gilt das Durchfahrtvorrecht des Längsverkehrs grundsätzlich auch für Radfahrer auf Radwegen (OLG Hamm NZV 1999, 418 m. H. a. BGH NJW 1986, 2651 sowie Janiszewski a.a.O.). Auch zugunsten eines Radfahrers gilt der Grundsatz, dass der Vorfahrtberechtigte in der Regel auf die Vorfahrtbeachtung vertrauen darf. Er kann grundsätzlich davon ausgehen, dass ein Fußgänger den Radweg nur unter Beachtung seiner Vorfahrt betreten und ihm den Vorrang gewähren werde. Dies gilt entsprechend für einen Fußgänger, der von der Fahrbahn auf einen parallel zur Fahrbahn verlaufenden Radweg tritt (OLG Hamm NZV 1999, 418, 419).

e) Nichts anderes gilt für den vorliegenden Fall, der sich dadurch auszeichnet, dass die Beklagte zunächst eine gefahrenneutrale Position im Bushaltestellenbereich links am Rand des Radweges eingenommen hatte. Der Kläger durfte nach Abgabe eines Warnzeichens darauf vertrauen, dass die Beklagte diesen Standort bei seiner Annäherung weiter einhalten und ihm eine problemlose Vorbeifahrt ermöglichen werde. Er durfte sich darauf beschränken, gemäß § 16 Abs. 1 Nr. 2 StVO vorsorglich ein Warnzeichen durch Betätigung der Fahrradklingel abzugeben, um sicher zu gehen, dass die mit dem Rücken zu ihm stehende Beklagte akustisch seine rückwärtige Annäherung als Fahrradfahrer registrierte und bis zu seiner Vorbeifahrt seine Vorfahrt respektierte.

f) Das Landgericht hat offengelassen, ob der Kläger seiner Darstellung entsprechend „in einem Abstand von 10 m von der Beklagten ein prophylaktisches Klingelzeichen gab“ (Bl. 7 UA; Bl. 108 d.A.). Dieser Geschehensablauf vor dem Sturz des Klägers ist jedoch unstreitig. Die Beklagte macht sich die Darstellungen des Klägers, die er schon in der Strafsache 30 Js 8871/04 anlässlich der Hauptverhandlung vor dem Amtsgericht Neuss am 11. Juli 2005 abgegeben hat, zu Eigen, wonach er in einer Entfernung von 10 m von der Beklagten das Klingelzeichen gab (Bl. 34, 204 d.A.). Erst nachdem die Beklagte ungeachtet des akustischen Warnsignals sodann in einer Drehbewegung in Richtung Fahrradweg diesen mit dem Fuß berührte, sah sich der Kläger veranlasst, eine Vollbremsung einzuleiten. Auch diese zeitliche Abfolge der Reaktionen des Klägers räumt die Beklagte ein (Bl. 54 d.A.). Nach dem insoweit unwidersprochen gebliebenen Vorbringen des Klägers war er zum Zeitpunkt der Einleitung der Vollbremsung nur noch knapp 6 m von der Beklagten entfernt (Bl. 43 d.A.).

g) Entgegen der durch das Landgericht vertretenen Ansicht war der Kläger nicht gehalten, in der Ausgangsentfernung von etwa 10 m zu der Beklagten statt oder zusätzlich zu der Klingelbetätigung sogleich mit einer Reduzierung seines ohnehin schon moderaten Annäherungstempos von 15 km/h zu reagieren (Bl. 8 UA; Bl. 109 d.A.).

aa) Zwar trifft es einerseits zu, dass der Kläger sich im Grenzbereich zwischen Bushaltestelle und Radweg einer Verkehrssituation näherte, aus der sich potenziell eine Begegnungs- und Kollisionsgefahr ergeben konnte: Die dicht neben dem Radweg stehende Beklagte hatte keinen Sichtkontakt zu ihm, während sie über den Sonderweg hinweg ein Gespräch mit zwei Personen führte, die vor dem Kioskgeschäft auf dem Gehweg standen. Der bevorrechtigte Verkehr muss unter Umständen, worauf auch das Landgericht im Ansatz zutreffend abgestellt hat, sich auf ein verkehrswidriges Verhalten von Fußgängern einrichten (OLG Hamm NZV 1999, 418, 419; OLG Celle, NZV 2003, 179). Das gilt jedoch nur dann, wenn konkrete Anhaltspunkte im Einzelfall die Annahme nahe legen, dass ein Fußgänger verkehrswidrig die Fahrbahn überqueren werde (OLG Hamm NZV 1999, 418, 419 m. H. a. Greger NZV 1990, 412).

bb) Solche Umstände sind im vorliegenden Fall jedoch nicht gegeben. Da die Beklagte einen Standort im Bereich der Bushaltestelle – wenn auch am Rand des Radweges – eingenommen hatte und in Kommunikation mit zwei vor dem Kioskgeschäft stehenden Personen getreten war, anstatt sich zu diesen zu gesellen, hatte es zunächst den Anschein, als ob die Beklagte – mutmaßlich in Erwartung eines Linienbusses – den Haltestellenbereich bewusst nicht verlassen wollte. Da sie offensichtlich keine Probleme hatte, mit den beiden Personen über den Radweg hinweg ein Gespräch zu führen, konnte der Kläger von der Annahme ausgehen, dass die Beklagte auch sein aus der Entfernung abgegebenes Klingelzeichen hören werde und nach Wahrnehmung des Klingelzeichens sich weiterhin verkehrsgerecht verhalten und auch weiterhin keine Bewegung in Richtung auf den Radweg machen werde.

cc) Nichts anderes ergibt sich aus der durch das Landgericht hervorgehobenen Tatsache, dass die Unfallstelle im Bereich der Bushaltestelle und des Kioskgeschäftes gelegen ist. Nach dem insoweit unwidersprochen gebliebenen Vorbringen des Klägers war weder ein Linienbus zu sehen noch eine irgendwie geartete Gedrängesituation auf dem Gehweg, dem Radweg oder im Bereich der Bushaltestelle; es waren noch nicht einmal Personen sichtbar, die sich im Bereich des Geschäftes bewegten oder sich anschickten, den Radweg zu überqueren (Bl. 69 d.A.). Unter diesen Umständen vollzog sich die plötzliche Bewegung der Beklagten in Richtung auf den Radweg für den Kläger völlig überraschend.

7.

Nur wenn der Kläger wegen der Verkehrssituation am Unfallort rechtlich gehalten gewesen wäre, auf Fußgänger in besonderem Maße Rücksicht zu nehmen, wäre ihm ein mitwirkendes Verschulden aufgrund des Umstandes anzulasten, dass er nicht schon in der angegebenen Ausgangsentfernung von 10 m die Fahrradbremsen betätigt hat. Eine solche Pflicht zu einer gesteigerten Rücksichtnahme lässt sich jedoch nicht feststellen.

a) Wie bereits ausgeführt, fuhr er nicht auf eine nach Maßgabe des § 3 Abs. 2 Buchstabe a StVO hilfsbedürftige Person zu.

b) Zwar haben gemäß § 41 Abs. 2 Nr. 5 Buchstabe c StVO auf einem gemeinsamen Rad- und Gehweg Radfahrer auf Fußgänger Rücksicht zu nehmen.

Wie der Gesamtkontext der Regelung zu § 41 Abs. 2 Nr. 5 StVO erkennen lässt, bezieht sich diese Bestimmung aber nur auf einen durch ein Schild mit einem waagerechten weißen Trennstreifen verdeutlichten gemeinsamen Fuß- und Radweg im Sinne des Satzes 3 (Zeichen 240). Der vorliegende Fall betrifft jedoch einen getrennten Rad- und Fußweg, wobei die Streckenparallelität beider Sonderwege auf dem gemeinsamen Schild durch eine Trennung der Sinnbilder der Zeichen 237 und 239 mittels eines senkrechten weißen Streifens verdeutlicht ist (Satz 2, Zeichen 241). Für einen getrennten Rad- und Fußweg im Sinne des Gesetzes findet sich keine der Regelung des § 41 Abs. 2 Nr. 5 Buchstabe c StVO entsprechende Vorschrift.

c) Die o. g. Unterscheidung in der Kombination von Fuß- und Radwegen verkennt der Beschluss des OLG Oldenburg vom 9. März 2004 zu dem Aktenzeichen 8 U 19/04 (veröffentlicht in NJW-RR 2004, 360 = VersR 2005, 287 = MDR 2004, 1113 = DAR 2004, 588 = NZV 2004, 360). In dieser Entscheidung ist offen geblieben, ob sich der Zusammenstoß zwischen der klagenden Radfahrerin und dem beklagten Fußgänger auf einer Verkehrsfläche im Sinne des Zeichens 240 oder 241 zu § 41 Abs. 2 Nr. 5 StVO zugetragen hat. Das OLG Oldenburg hat dies dahingestellt sein lassen und ausgeführt, „auf solchen Wegen“ hätten Radfahrer die Belange der Fußgänger besonders zu berücksichtigen und insbesondere bei einer unklaren Verkehrslage gegebenenfalls per Blickkontakt eine Verständigung mit dem Fußgänger zu suchen; soweit erforderlich, müsse Schrittgeschwindigkeit gefahren werden (OLG Oldenburg a.a.O.).

d) Diese Bewertung trifft sicherlich für einen gemeinsamen Fuß- und Radweg gemäß Zeichen 240 zu § 41 Abs. 2 Nr. 5 StVO zu, nicht aber für die hier gegebene räumliche Trennung beider Sonderwege im Sinne des Zeichens 241. Zur Begründung seiner Entscheidung hat das OLG Oldenburg u.a. die Verwaltungsvorschrift wiedergegeben, die sich ausschließlich auf den gemeinsamen Fuß- und Radweg nach Maßgabe des Zeichens Nr. 240 bezieht (abgedruckt bei Hentschel, a.a.O., § 41 StVO, Rdnr. 83 d). Darüber hinaus hat das OLG Oldenburg Bezug genommen auf ein Urteil des OLG Köln (VersR 2002, 1040). Diese Entscheidung betrifft den Zusammenstoß eines Radfahrers mit einem Fußgänger, der sich ebenfalls auf einem gemeinsamen Fuß- und Radweg gemäß Zeichen 240 zu § 41 Abs. 2 Nr. 5 StVO ereignete. Gleiches gilt für die Entscheidung OLG Nürnberg DAR 2004, 451. Zu Recht ist in diesen Urteilen im Hinblick auf § 41 Abs. 2 Nr. 5 Buchstabe c StVO ausgeführt, dass auf dem gemeinsamen Weg Radfahrer auf Fußgänger Rücksicht zu nehmen haben. Diese Regelung kann jedoch nicht analog auf eine Verkehrsfläche übertragen werden, die durch eine räumliche Trennung der beiden Sonderwege gemäß § 41 Abs. 2 Nr. 5 Satz 2 StVO i.V.m. Zeichen 241 gestaltet ist.

e) Das bedeutet nun nicht, dass auf einem nur durch die optische Gestaltung getrennten Rad- und Fußweg Radfahrer auf Fußgänger überhaupt keine Rücksicht zu nehmen hätten. Der nach § 1 Abs. 2 StVO gebotenen Rücksichtnahme hatte der Kläger jedoch schon dadurch Rechnung getragen, dass er in einer Entfernung von 10 Metern durch Klingelzeichen auf sich aufmerksam machte. Da die Beklagte daraufhin ihren gefahrenneutralen Standort zunächst unverändert beibehielt, war keine weitergehende Rücksichtnahme geboten.

f) Müsste etwa ein Radfahrer bei der Benutzung des für ihn vorgesehenen und vom Fußweg getrennten Sonderweges auf jedes abstrakte Gefahrenpotenzial in der Begegnung mit Fußgängern sogleich sein Annährungstempo etwa bis auf Schrittgeschwindigkeit reduzieren, ohne sich auf den Grundsatz des Vertrauens auf ein verkehrsrichtiges Verhalten der Fußgänger berufen zu dürfen, so führte dies zu einer unangemessenen weitgehenden Entwertung der Vorfahrt des Radfahrers auf diesem Weg. Werden Radfahrer- und Fußgängerbewegungen auf jeweils nur optisch voneinander getrennten Verkehrsflächen dicht aneinander vorbeigeführt, sind im innerstädtischen Begegnungsverkehr abstrakt gefährliche Situationen zwangsläufig zu erwarten. Müssten unter diesen Umständen Radfahrer auch dann, wenn keine konkreten Umstände für die Annahme einer bevorstehenden verkehrswidrigen Radwegüberquerung durch einen Fußgänger vorliegen, ihr Annäherungstempo schon rein vorsorglich auf eine Vermeidbarkeitsgeschwindigkeit reduzieren, so bestünde insbesondere bei größerem Fußgängeraufkommen die Gefahr, dass viele Radfahrer um eines schnelleren Fortkommens willen sogleich von der Benutzung der für sie vorgesehenen Wegstrecken absehen und entgegen § 2 Abs. 4 Satz 2 StVO auf die Straßenfahrbahn ausweichen.

8.

Einer Haftung aus § 7 Abs. 1 StVG ist der Kläger als nicht motorisierter Verkehrsteilnehmer nicht ausgesetzt. Deshalb kann ihm entgegen der Rechtsansicht der Beklagten auch keine Betriebsgefahr anspruchsmindernd entgegengehalten werden.

II.

Abweichend von der durch das Landgericht vertretenen Rechtsansicht kann dem Kläger keine anspruchsmindernde Obliegenheitsverletzung aufgrund des Umstandes angelastet werden, dass er bei dem Unfallereignis keinen Fahrrad-Schutzhelm getragen hat. Zum einen gehört er nicht zu den besonderes gefährdeten Radfahrergruppen, von welchen ohne weiteres abverlangt werden kann, zum eigenen Schutz vor Unfallverletzungen einen Sturzhelm zu tragen.

Unabhängig davon lässt sich nicht feststellen, dass der Eintritt der durch den Kläger sturzbedingt erlittenen Verletzungen durch den Schutz eines Helms hätte verhindert werden können.

1.

a) Nach der bisher herrschenden Rechtsprechung begründet das Radfahren ohne Schutzhelm – zumindest bei Erwachsenen – nicht den Vorwurf des Mitverschuldens (OLG Hamm NZV 2001, 86; OLG Hamm NZV 2002, 129; OLG Stuttgart VRS 97, 15; OLG Nürnberg DAR 1991, 173; OLG Nürnberg DAR 1999, 507; OLG Karlsruhe NZV 1991, 25; Senat, Urteil vom 13. Januar 2003, Az.: 1 U 110/02). Zur Begründung wird zumeist ausgeführt, eine allgemeine Verkehrsanerkennung der Notwendigkeit einer solchen Schutzmaßnahme sei (noch) nicht festzustellen (Senat a.a.O.).

b) Diese Feststellung hat jedoch wegen des seit den vorgenannten Entscheidungen vergangenen Zeitraums von mehreren Jahren nur noch bedingte Aussagekraft. Zu beobachten ist, dass sich gerade in den zurückliegenden Jahren die Akzeptanz des Tragens von Fahrradhelmen allgemein erhöht hat, mag auch die Anzahl der nicht Helm tragenden Fahrradfahrer zumindest innerorts noch deutlich überwiegen (Senat, Urteil vom 12. Februar 2007, Az.: 1 U 182/06).

c) In dieser Entscheidung hat der Senat bezüglich der grundsätzlichen Frage, ob die Unterlassung des Tragens eines Schutzhelms einen vorwerfbaren Obliegenheitsverstoß darstellt, eine differenzierende Ansicht vertreten: Diese Frage könne nicht pauschal für alle am Straßenverkehr teilnehmenden Radfahrer gleich beantwortet werden. Vielmehr erscheine es im Hinblick auf die vollkommen unterschiedlichen Fahrweisen und die damit einhergehenden Gefahren und Risiken geboten, eine Unterscheidung zwischen den verschiedenen Radfahrergruppen vorzunehmen, u.a. auch danach, ob der Radfahrer einen Radweg benutzt habe oder auf der Straße gefahren sei, wobei wiederum zwischen einer innerörtlichen und einer außerörtlichen Verkehrssituation zu unterscheiden sei (Senat a.a.O.).

d) Dem herkömmlichen Freizeitradfahrer, der sein Gefährt als normales Fortbewegungsmittel im Straßenverkehr ohne sportliche Ambitionen einsetzt, hat der Senat den Radsport betreibenden Rennradfahrer gegenübergestellt. Während dem ersteren mangels entsprechender allgemeiner Übung nicht ohne weiteres abverlangt werden könne, zu seinem eigenen Schutz vor Unfallverletzungen einen Schutzhelm zu tragen, sei die Lage in Bezug auf den letzteren anders zu

beurteilen. Denn bei Rennradfahrern sei die Akzeptanz und die Bereitschaft des Tragens von Schutzhelmen deutlich ausgeprägter sei als bei „normalen“ Radfahrern. Deshalb bestehe grundsätzlich für ihren Sport betreibende Rennradfahrer die Obliegenheit zum Tragen eines Schutzhelmes (Senat a.a.O.).

2.

Knüpft man dann die obige Differenzierung an, bedarf es keiner weiteren Ausführungen dazu, dass der Kläger zu den „normalen“ Radfahrern zählt, die ihr Zweirad als gewöhnliches Fortbewegungsmittel ohne sportliche Ambitionen einsetzen. Er hatte ein gefedertes Tourenfahrrad in Benutzung, mit welchem er einen innerörtlichen Radweg mit der moderaten Geschwindigkeit von 15 km/h befuhr. Im Vergleich zu einem sportlichen Rennradfahrer war sein Unfallrisiko und das Ausmaß seiner Eigengefährdung deutlich geringer. Da sich jedenfalls für einen Fahrradfahrer der durch den Kläger repräsentierten Gruppe noch kein allgemeines Schutzbewusstsein die Notwendigkeit eines Helmschutzes betreffend feststellen lässt, kann aus der Tatsache, dass er sein Fahrrad ohne Helm benutzt hat, keine anspruchsmindernde Obliegenheitsverletzung nach Maßgabe des § 254 BGB abgeleitet werden.

13.

Unabhängig davon hätte ein Fahrradhelm ohnehin nicht den Eintritt der Verletzungen verhindern können, die sich bei dem Kläger eingestellt haben.

a) Dies versteht sich hinsichtlich der Prellung des rechten Schultergelenkes mit Stauchung des Schultereckgelenkes, der Quetschung der Rotatorenmanschette, der Prellung des linken Zeigefingers, des Unfallschocks sowie der durch einen Brillenbügel verursachten Risswunde am rechten Ohr von selbst.

b) Nichts anderes gilt für die am rechten Stirnbein eingetretene Schürfwunde und für den Hörsturz, den der Kläger – wie noch darzulegen sein wird – infolge einer unfallbedingten Panikattacke auf dem linken Ohr erlitten hat. In diesem Zusammenhang dringt die Beklagte nicht mit ihrem Einwand durch, der Kläger habe wegen seiner Taubheit auf dem rechten Ohr und seiner Schwerhörigkeit auf dem linken Ohr zu einem wegen seiner Vorschäden besonders gefährdeten Personenkreis gehört und habe deshalb die Obliegenheit gehabt, einen Schutzhelm zu tragen (Bl. 201 d.A.). Diese Betrachtungsweise verkennt, dass der bei dem Kläger linksseitig eingetretene Hörsturz durch das Unfallgeschehen psychisch vermittelt war. Aller Wahrscheinlichkeit nach ging der eingetretene Unfallschock mit einer Panikreaktion des an seinem Gehör vorgeschädigten Klägers einher, der – möglicherweise ausgelöst durch die mechanische Verletzung am rechten Ohr – den Totalverlust seines restlichen Hörvermögens befürchtete.

Sehr zweifelhaft ist, ob sich an dieser psychisch vermittelten Kausalität etwas geändert hätte, wenn der Kläger einen Schutzhelm getragen hätte. Da dieser die Ohren des Trägers frei lässt, wäre aller Wahrscheinlichkeit nach die Verletzung des rechten Ohrs durch den Brillenbügel auch mit dem Kopfschutz eingetreten.

III.

1.

Hinsichtlich der sturzbedingten gesundheitlichen Beeinträchtigungen des Klägers steht fest, dass dieser unfallbedingt auf dem linken Ohr den Hörsturz erlitten hat, über den sich das Attest des Dr. Licht vom 13. Dezember 2005 verhält.

a) Unstreitig erfolgte nach seiner Erstbehandlung im Johanna-Etienne Krankenhaus eine Überweisung des Klägers in das Lukaskrankenhaus, wo er bis zum 4. September 2004 wegen einer linksseitigen Hörminderung stationär behandelt wurde. Durch eine medikamentöse Behandlung, u.a. mit Cortison, konnte eine deutliche Besserung des Hörvermögens erzielt werden.

b) Nach den Umständen ist indes davon auszugehen, dass der Kläger nach der erfolgreichen medikamentösen Krankenhausbehandlung nicht mehr lange unter den Folgen des Hörsturzes gelitten hat. Denn er teilte in einem Schreiben vom 9. November 2004 der Beklagten u.a. mit, sein linkes Gehör sei „weitgehend wieder hergestellt“ (Bl. 19 d.A.).

2.

Bei der Schmerzensgeldbemessung stehen deshalb, wie der Kläger in seiner Berufungsbegründung zu Recht geltend macht, die körperlichen Beeinträchtigungen im Vordergrund, die mit seiner Schulterverletzung zusammenhängen. Es handelte sich dabei um eine Prellung des rechten Schultergelenkes verbunden mit einer Stauchung des Schultereckgelenkes nach Tossi I/II. Ausweislich der diesbezüglichen ärztlichen Bescheinigung des Dr. L, vom 13. Dezember 2005 (Bl. 52 d.A.) waren die Bewegungsfunktionen des rechten Schultergelenkes deutlich schmerzhaft eingeschränkt: Die Abduktionsfähigkeit zeigte sich auf 60 Grad und die vordere Elevation auf 90 Grad reduziert. Zudem fand sich eine Druckschmerzhaftigkeit im Verlauf der Bicepsloge sowie der Supraspinatussehne. Nacken- und Schürzengriff waren nur eingeschränkt möglich.

Nach dem weiteren Inhalt der Bescheinigung bestanden leichte Restbeschwerden noch bis zum Monat Februar 2005. Eine Arbeitsunfähigkeit war bis zum 20. September 2004 gegeben, als der Kläger auf eigenen Wunsch dienstfähig geschrieben wurde.

3.

Unter Berücksichtigung der für die Schmerzensgeldbemessung nach § 253 Abs. 2 BGB maßgeblichen Zumessungsfaktoren hält der Senat als Ausgleich für die unfallbedingten immateriellen Beeinträchtigungen des Klägers eine billige Entschädigung in Höhe von insgesamt 2.000,00 € für angemessen.

a) Die durch den Kläger zur Begründung seiner weitergehenden Schmerzensgeldforderung von 3.000,00 € angeführte Rechtsprechung, die Schmerzensgelderkenntnisse in der Größenordnung von 5.000,00 € zum Gegenstand hat, kann auf den vorliegenden Fall allein schon aufgrund der Tatsache nicht übertragen werden, dass den Entscheidungen Fallgestaltungen zugrunde lagen, die eine Rotatorenmanschettenruptur betrafen. Hingegen war die Verletzung des Klägers auf eine – wenn auch schmerzhafte – Quetschung dieser Manschette begrenzt.

b) Zudem hat der Senat nicht unberücksichtigt gelassen, dass die Pflichtwidrigkeit der Beklagten im Zusammenhang mit der Verletzung des § 25 Abs. 3 Satz 1 StVO von begrenztem Gewicht ist. Sie war möglicherweise durch das Gespräch über den Radweg hinweg abgelenkt, so dass sie auf das akustische Warnsignal des Klägers es versäumt hat, jegliche irritierende Bewegung, auch eine nur leichte mit dem Fuß, in Richtung auf den Fahrradweg zu unterlassen. Schließlich dürfen die begrenzten Vermögensverhältnisse der Beklagten nicht außer Acht gelassen werden, die sich aus der Erklärung über ihre persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse gemäß § 117 Abs. 2 ZPO ergeben. Sie wohnt noch bei ihren Eltern und erzielt ein geringes Einkommen als Briefzustellerin. Eine den streitgegenständlichen Schadensfall abdeckende Haftpflichtversicherung besteht unstreitig nicht.

4.

Unstreitig hat der Kläger durch die Behandlung der unfallbedingten Verletzungen auch Vermögensschäden erlitten. Dazu zählen Eigenbeteiligungen anlässlich der Krankenhausbehandlungen von 10 € und 40 €, Zuzahlungen für Medikamente im Umfang von 25,95 € sowie eine Zuzahlung für die Krankengymnastik von 19,72 €.

Die Summe dieser Beträge nebst der Kostenpauschale von 25 € macht den Betrag von 120,67 € aus, der ebenfalls von der Schadensersatzpflicht der Beklagten erfasst wird.

IV.

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 91 Abs. 1, 92 Abs. 1 Satz 1, 97 Abs. 1 ZPO.

Die Anordnung über die vorläufige Vollstreckbarkeit des Urteils hat ihre Grundlage in §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.

Der Gegenstandswert für den Berufungsrechtszug beträgt 3.084,47 €.

Der Senat lässt gegen seine Entscheidung die Revision gemäß § 543 Abs. 2 Ziffer2 ZPO zu. Die Zulassung betrifft die Fragen der Sorgfaltspflicht eines Radfahrers gegenüber einem Fußgänger auf einem getrennten Rad- und Fußweg (Zeichen Nr. 241 zu § 41 StVO) sowie der Obliegenheitsverletzung durch das Unterlassen des Tragens eines Schutzhelmes im innerstädtischen Verkehr bei einer Fahrt mit einem nicht für einen Sporteinsatz konzipierten Fahrrad.

 

 

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