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Fahrradunfall im Fahrradbegegnungsverkehr – Schmerzensgeldanspruch

OLG Koblenz – Az.: 2 U 691/11 – Beschluss vom 19.07.2012

Der Senat erwägt, die Berufung der Klägerin gegen das Urteil der 1. Zivilkammer des Landgerichts Koblenz – Einzelrichter – vom 10. Mai 2011 durch Beschluss gemäß § 522 Abs. 2 ZPO zurückzuweisen.

Gründe

Der Senat hat die Sache beraten. Er erwägt die Berufung gemäß § 522 Abs. 2 Satz 1 ZPO zurückzuweisen. Die Rechtssache hat keine grundsätzliche Bedeutung. Die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erfordern eine Entscheidung des Berufungsgerichts nicht. Die Berufung hat auch offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg. Ein Termin zur mündlichen Verhandlung ist nicht geboten. Die Gründe werden nachfolgend dargestellt. Der Klägerin wird eine Frist zur Stellungnahme gesetzt bis zum 17. August 2012. Es wird zur Vermeidung weiterer Kosten angeregt, die Berufung zurückzunehmen. Im Falle der Berufungsrücknahme ermäßigen sich die Gerichtsgebühren von 4,0 auf 2,0 Gebühren (vgl. Nr. 1222 Kostenverzeichnis zum GKG).

I.

Die am 15.4.1931 geborene Klägerin fuhr am 02.05.2007 gegen 16.13 Uhr gemeinsam mit der Zeugin …[A] mit dem Fahrrad die …[Z]-Straße in Richtung …[Y]straße im Stadtteil …[X]. Die …[Z]-Straße mündet in die …[Y]straße. Am Ende der …[Z]-Straße befindet sich auf der …[Y]straße ein Fußgängerüberweg in Form eines Zebrastreifens. Der Gehweg der …[Y]straße ist als Fahrradweg ausgewiesen. Wenn man von der …[Z]-Straße aus kommend nach links in die …[Y]straße einbiegt, biegt nach wenigen Metern der auf die rechte Flussseite der …[W] verlegte …[W]-Radfahrweg nach rechts ab.

Diesen befuhr die Beklagte mit ihrem Ehemann, dem Zeugen …[B], ebenfalls mit dem Fahrrad in Richtung …[Y]straße und anschließend die …[Y]straße nach links in Richtung Zebrastreifen. Die Klägerin und die Beklagte kollidierten. Die Klägerin kam deswegen zu Fall. Über den Hergang und die Unfallörtlichkeit besteht zwischen den Parteien Streit.

Die Klägerin zog sich einen Bruch im Bereich der körperfernen Speiche links zu und befand sich im Anschluss in krankenhausärztlicher Behandlung in …[V]. Über weitere Verletzungsfolgen besteht zwischen den Parteien ebenfalls Streit.

Fahrradunfall im Fahrradbegegnungsverkehr - Schmerzensgeldanspruch
Symbolfoto: Von ImageFoto /Shutterstock.com

Die Haftpflichtversicherung der Beklagten zahlte vorprozessual ausgehend von einer Haftungsquote der Beklagten in Höhe von 50% an die Klägerin ein Schmerzensgeld in Höhe von 6.500 Euro sowie für den behaupteten Haushaltsführungsschaden 1.710 Euro. Weitergehende Zahlungen lehnte sie ab.

Die Klägerin hat  beantragt,

1. die Beklagte zu verurteilen, an sie ein weiteres in das Ermessen des Gerichts gestelltes Schmerzensgeld nebst 5 Prozentpunkten Zinsen hieraus über dem Basiszinssatz seit dem 20.12.2008 zu zahlen,

2. die Beklagte weiter zu verurteilen, an sie 209,60 €  nebst 5 Prozentpunkten Zinsen hieraus über dem Basiszins seit dem 20.12.2008 zu zahlen,

3. die Beklagte zu verurteilen, an sie 31.290,00 € nebst 5 Prozentpunkten Zinsen hieraus über dem Basiszins aus 12.540,00  € seit dem 20.12.2008, aus 8.250,00 € seit dem 22.10.2009 und aus 10 500,00 € seit Rechtshängigkeit zu zahlen,

4. die Beklagte zu verurteilen, an sie monatlich jeweils fällig bis zum 05. eines jeden Monats beginnend ab Januar 2011 750,00 € nebst 5 Prozentpunkten Zinsen hieraus ab dem 06. eines jeden Monats zu zahlen,

5. festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet sei, ihr sämtliche materiellen und immateriellen Schäden aus dem Unfall vom 02.05.2007 auf der …[Y]straße in  …[X] zu zahlen, soweit die Ansprüche nicht auf Sozialversicherungsträger oder sonstige Dritte übergehen,

6) die Beklagte zu verurteilen, ihr als Nebenforderung außergerichtlich entstandene Rechtsanwaltskosten in Höhe von 433,64 € nebst 5 Prozentpunkten Zinsen hieraus über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.

Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen.

Das Landgericht hat nach Beweisaufnahme die Klage mit der Begründung abgewiesen, es sei nicht davon überzeugt, dass die Beklagte für den Sturz der Klägerin mitverantwortlich sei. Zwar habe die Zeugin …[A] den von der Klägerin geschilderten Unfallhergang bestätigt. Dem stehe jedoch die Aussage des Zeugen …[B] entgegen. Zwar habe dieser den Unfall nicht wahrgenommen, sei aber mit der Beklagten bis zum Zebrastreifen gefahren. Sie sei dort abgestiegen. Bei Berücksichtigung dieser Aussage könne sich der Unfall dann aber nicht, wie von der Zeugin …[A] geschildert, ereignet haben, da nach ihrer Darstellung die Beklagte den Beginn des Zebrastreifens noch gar nicht erreicht habe.

Das Gericht vermöge auch nicht der Aussage der Zeugin …[A] den Vorzug zu geben. Beide Zeugen hätten auf das Gericht einen gleichermaßen glaubhaften Eindruck gemacht. Es seien auch keine Anhaltspunkte zu erkennen, die dafür sprächen, dass der Zeuge …[B] die Unwahrheit bekundet habe. Demnach habe die Klägerin nicht den Beweis dafür erbracht, dass ihr bedauerlicher Sturz auf ein Verhalten, insbesondere auf ein (alleiniges) Verschulden der Beklagten zurückzuführen sei. Insoweit ergebe sich auch unter Zugrundelegung der Schilderung der Beklagten kein, auch kein anteiliger Anspruch. Denn nach der Darstellung der Beklagten sei es so gewesen, dass sie zunächst zum Zebrastreifen gefahren und dort abgestiegen sei. Nachdem sie nach links und rechts geschaut habe, sei sie wieder auf ihr Fahrrad gestiegen. Die Klägerin sei dann entsprechend ihrer erstellten Unfallskizze (GA 45) von der …[Z]-Straße kommend schräg auf den Zebrastreifen und ihr hinten in das Fahrrad gefahren. Insoweit hätte der Unfall nicht passieren müssen, wenn die Klägerin links geblieben wäre. Bei Unterstellung dieses Herganges trüge allerdings dann die Klägerin die alleinige Verantwortung für ihren Sturz.

Ein jedenfalls teilweiser weitergehender Anspruch ergebe sich auch nicht aus dem Umstand, dass die Haftpflichtversicherung der Beklagten teilweise Zahlungen an die Klägerin, ausgehend von einer 50%-igen Leistung getätigt habe. Allein in der Leistung von Zahlungen liege noch kein deklaratorisches Anerkenntnis

Hiergegen wendet sich die Klägerin mit ihrer form- und fristgerecht eingelegten Berufung. Mit der Berufung verfolgt die Klägerin bei Zugrundelegung einer vollen Haftung der Beklagten ein Gesamtschmerzensgeld von 15.000,- € unter Anrechnung der von der Haftpflichtversicherung der Beklagten außergerichtlich bereits erfolgten Zahlung von 6.500,- €, mithin noch ein weiteren Betrag von 8.500,- €.

Die Klägerin beantragt dementsprechend, unter Abänderung des angefochtenen Urteils die Beklagte zu verurteilen, an sie 8.500,00 € nebst 5 Prozentpunkten Zinsen hieraus über dem Basiszins seit dem 20.12.2008 zu zahlen.

Die Beklagte beantragt, die Berufung gegen das angefochtene Urteil zurückzuweisen.

Im Übrigen wird auf die tatsächlichen Feststellungen im angegriffenen Urteil sowie die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze Bezug genommen (§ 540 Abs. 1 ZPO).

II.

Die Berufung hat offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg.

Die Klägerin verfolgt mit Ihrer Berufung ausschließlich den von ihr geltend gemachten Schmerzensgeldanspruch gemäß § 253 Abs. 2 BGB i.V.m. § 823 Abs. 1 BGB weiter.

Aus Sicht des Senats kann offen bleiben, ob der Unfall von der Klägerin oder der Beklagten ausschließlich oder zumindest überwiegend schuldhaft verursacht worden ist. Nach Überzeugung des Senats ist die Klägerin jedenfalls mit dem von der Haftpflichtversicherung der Beklagten ausgezahlten Schmerzensgeld von 6.500,00 € unter Berücksichtigung der Ausgleichs- und Genugtuungsfunktion des Schmerzensgeldanspruchs sowie der Dauer, Art und Schwere der Verletzung angemessen entschädigt (vgl. Bamberger/Roth, § 253 Rn. 14, 16, 29). Die private Haftpflichtversicherung der Beklagten ist dabei von einer 50 %-igen Haftungsquote ausgegangen. Selbst wenn man den Vortrag der Klägerin unterstellt, der Unfall sei ausschließlich durch fahrerisches Fehlverhalten der Beklagten schuldhaft verursacht worden, erscheint dem Senat dieser Betrag unter Berücksichtung vergleichbarer Fälle in der Rechtsprechung  ausreichend und angemessen, Hacks/ Wellner/ Häcker, Schmerzensgeldbeträge 2012, 30. Aufl.,2012, u.a. Nr. 158 AG Gelsenkirchen, Urteil vom 19.3.1996 – 29 C 0631/99 – 1.000,00 €  Radiusextensionsfraktur mit metaphysärer Trümmerzone, Abriss des Ellengriffelfortsatzes des linken Handgelenks, Einstauchung und Dorsalabkippung der distalen Radiusmetaphyse bei einer 73-jährigen Frau und geringer Genugtuungsfunktion; Nr. 301 AG Zwickau, Urteil vom 14.02.2000 – 24 C 1398/99 bestätigt durch LG Zwickau, Urteil vom 25.08.2000 – 6 S 95/99 -1.500,00 € und immaterieller Vorbehalt bei dislozierter Radiusfraktur am rechten Unterarm, Prellungen im Stirn- und Nasenbereich, Rippenprellung und Heilungsverzögerungen; lfd. Nr. 342; OLG Köln Urteil vom 10.12.1993 – 19 U 81/93 – VersR 1994, 1321 komplizierter Unterarmbruch, zusätzlich Medianusnerv dekomprimiert, Einsetzen und spätere Entfernung einer Metallplatte bei Verletzung einer Verkehrsicherungspflicht; lfd. Nr. 1132 OLG Frankfurt a.M. Urteil 10.12.1993 – 24 U  310/92  – 5.000,00 € und immaterieller Vorbehalt  bei Trümmerfraktur des Oberarmkopfes links und Prellungen des gesamten Oberkörpers und des Arms bei MdE von 100 % für 6 Monate; lfd. Nr. 1142 OLG Hamm, Urteil vom 5.7.1995 – 32 U 3/95 – zfs 1995, 369 – 5.000,00 € bei Speichenköpfchen-Trümmerbruch und Einschränkung der Beweglichkeit des linken Ellenbogengelenks beim Beugen und Strecken  und schmerzhafte Heilbehandlung, 1 Woche Krankenhaus und Operation und 3 Monate krankengymnastische Behandlung; lfd. Nr. 1195 LG Freiburg, Urteil vom 16.2.2007 – 2 O 189/05 – 5.000,00 € bei Oberarmluxationsfraktur und Funktionsbeeinträchtigungen des rechten Arms von 1/5 und 1/3 Mithaftung; lfd. Nr. 1204 OLG München, Urteil vom 16.6.2010 – 20 U 5105/09 – R+S 2010, 390. 5.000,00 € und immaterieller Vorbehalt für schwere Unterarmfaktur und Beeinträchtigungen der bisherigen Tätigkeit und unkalkulierbaren Dauerschäden bei Mitverschulden von 1/3; lfd. Nr. 1220, LG Wuppertal, Urteil vom 4.5.2006 -17 O 98/04, 5.500,00 + immaterieller Vorbehalt bei einer erstgradig offenen distalen Unterarmschaftsfraktur mit Fehlstellungen im Bereich des Unterarms und MdE von 100 % für 3 Tage und 20 % für 3 Monate; lfd. Nr. 1245 LG Freiburg,  Urteil 19.3.1993, – O 512/92 – komplizierter Trümmerbruch am linken Arm und Handgelenk bei äußerst schwieriger Operation wegen eingetretener Fehlstellung und Sudeck-Syndrom bei 62-jähriger Hausfrau).

Bei der Bemessung des Schmerzensgeldes unterstellt der Senat  zugunsten der Klägerin, dass sie neben dem Bruch der körperfernen Speiche links auch einen Bruch des Griffelfortsatzes an der körperfernen Elle links erlitten hat und als weitere Unfallfolge ein Morbus-Sudeck diagnostiziert wurde und sie sich neben der krankenhausärztlichen Behandlung in …[V] einer Behandlung in einer Schmerzklinik in …[U] vom 24.09. bis 19.10.2007 unterziehen musste. Dies rechtfertigt unter Berücksichtigung des als allenfalls leicht einzustufenden Verschuldens der Beklagten kein über 6.500 € hinausgehendes Schmerzensgeld.

Der Senat beabsichtigt, den Streitwert für das Berufungsverfahren auf 8.500,00 € festzusetzen.

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