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Fahrradunfall durch Gehwegbenutzung – Haftung

Landgericht Erfurt

Az: 8 O 1790/06

Urteil vom 14.03.2007


In dem Rechtsstreit hat die auf Grund der mündlichen Verhandlung vom 14. Februar 2007 für R e c h t erkannt:

I. Die Klage wird abgewiesen.

II. Die Kosten des Rechtsstreits hat der Kläger zu tragen.

III. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des vollstreckbaren Betrages vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand

Der Kläger begehrt von den Beklagten in erster Linie Schadensersatz und Schmerzensgeld aufgrund eines Fahrradunfalls.

Der Unfall ereignete sich am 10. September 2005 gegen 16.00 Uhr im Bereich der xxx in xxx. Bei der xxx handelt es sich um eine von der xxx wegführende Einbahnstraße, die jedoch für den Fahrradverkehr in beiden Richtungen freigegeben ist. Der Unfall ereignete sich am Beginn der xxx, in Höhe einer Zufahrt, die wenige Meter von der xxx entfernt nach links zu mehreren Hausgrundstücken („Plattenbauten“), leicht bergauf, führt.

Da dem Kläger die xxx aufgrund parkender Kraftfahrzeuge zu eng erschien, um in den Kraftfahrzeugen entgegengesetzter Richtung zu fahren, befuhr er den – abschüssigen – Gehweg Richtung xxx. Dieser Gehweg mündet in die erwähnte Zufahrt, wobei sich linkerhand ein Kleider-Container und eine Litfasssäule befinden, die die jeweilige Sicht versperren, zumindest erheblich beeinträchtigen. Auf das Foto BI. 29 d.A. wird zur. Verdeutlichung Bezug genommen.

Die Beklagte zu 1. kam mit dem PKW Renault Twingo (amtliches Kennzeichen: xxx) aus Richtung xxx und bog nach links in die Zufahrt ab.

Streitig sind der genaue Unfallort, die jeweiligen Geschwindigkeiten, die Lage des Klägers nach dem Unfall und die geltend gemachten Schäden.

Der Kläger behauptet, er habe sich vor Einbiegen in die Zufahrt davon überzeugt, dass die Fahrbahn frei war. Aufgrund des Zusammenstosses sei sein Fahrrad stark beschädigt worden, und er habe schwere Verletzungen davongetragen. Wegen der Einzelheiten des Vorbringens zu Schäden und Unfallfolgen wird auf die Klageschrift vom 12. Januar 2007 samt Anlagen verwiesen.

Der Kläger ist der Auffassung, der Unfall sei für die Beklagte nicht unabwendbar gewesen. Bei größerer Vorsicht und erhöhter Sorgfalt hätte sie ihn erkennen und anhalten müssen. Die Beklagten müssten daher mindestens 50% seines Schadens ersetzen.

Der Kläger beantragt,

die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen, an ihn ein angemessenes Schmerzensgeld nebst Zinsen in Höhe von 5%-Punkten über dem Basiszinssatz seit Zustellung der Klage zu zahlen, wobei dessen Höhe in das Ermessen des Gerichts gestellt wird, mindestens jedoch 5.000,00 EUR (betragen soll).

Er beantragt weiter,

die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen, ihm 175,00 EUR für Schadensersatz nebst Zinsen in Höhe 5%-Punkten über dem Basiszinssatz seit 21.07.2006 zu zahlen.

Schließlich stellt er den Antrag,

festzustellen, dass die Beklagten verpflichtet sind, ihm den künftigen materiellen und immateriellen Schaden zu ersetzen, der ihm aus dem Unfall vom 10.09.2005 noch entsteht, soweit er nicht auf die Träger der Sozialversicherung übergegangen ist.

Die Beklagten beantragen,

die Klage abzuweisen.

Die Beklagten behaupten, die Beklagte zu 1. habe mit ihrem Fahrzeug kurz gehalten, um die Zufahrt nach oben zu nehmen. In diesem Augenblick habe der Kläger, der sich mit sehr hoher Geschwindigkeit genähert habe, ihr – noch stehendes – Fahrzeug im Frontbereich gestreift.

Das Gericht hat Beweis erhoben durch Einnahme des Augenscheins in Gegenwart des Sachverständigen Dipl.-Ing. xxx. Zugleich wurden Kläger und Beklagte zu 1. eingehend angehört. Auf das Protokoll des Ortstermin vom 14. Februar 2007 wird insoweit Bezug genommen.

Im Übrigen wird wegen sämtlicher Einzelheiten des Vorbringens der Parteien auf die gewechselten Schriftsätze samt Anlagen verwiesen.

Entscheidungsgründe

Die Klage ist unbegründet.

Dem Kläger steht keinerlei Anspruch auf Schadensersatz, Schmerzensgeld oder Feststellung aus den Vorschriften des Straßenverkehrsgesetzes oder §§ 823 ff. BGB zu.

Im Lichte der umfassend durchgeführten Beweisaufnahme ist das Gericht davon überzeugt, dass der Kläger den Unfall – schuldhaft – allein verursacht hat.

Der Kläger hat – als Erwachsener – den Gehweg befahren, obwohl es ihm möglich gewesen wäre, die dafür zugelassene xxx Straße zu nutzen. Dies stellt bereits einen gravierenden Verstoß gegen Verkehrs- und Sorgfaltsregeln dar, nämlich gegen das aus § 2 Abs. 1 S. 1 StVO herzuleitende, für erwachsene Fahrradfahrer strikt geltende Verbot der Benutzung von Gehwegen.

Darüber hinaus hat der Kläger seine Geschwindigkeit nicht den örtlichen Verhältnissen und Gegebenheiten angepasst. Auch wenn nicht mehr feststellbar ist, mit welcher Geschwindigkeit er den – abschüssigen – Gehweg befuhr, so gelang es ihm doch nicht mehr, beim Einbiegen auf die Zufahrt, nach Erkennen des Fahrzeuges der Gegenseite, rechtzeitig abzubremsen. Gerade mit Blick darauf, dass – wie er selbst im Zuge des Ortstermins mitgeteilt hat – seine Sicht durch die Litfasssäule versperrt war, und dass er verbotswidrig einen Gehweg nutzte, hätte er seine Geschwindigkeit stark drosseln, ja anhalten müssen, um sich zu vergewissern, dass ein Abbiegen oder Einbiegen – vom Gehweg auf die Zufahrt – gefahrfrei möglich war. Der Kläger hat aber im Herannahen – trotz der unübersichtlichen Verhältnisse – nicht einmal abgebremst, wie er bei dem Ortstermin selbst bekundete.

Dies gilt umso mehr, als auch spielende oder fahrradfahrende Kinder oder Mütter mit Kinderwagen den Weg um Container wie Litfasssäule herum hätten nehmen können. Auch mit sonstigen Passanten war angesichts des großen Plattenbaugebiets und der stark genutzten Lage zwischen Einkaufszentrum und Wohnbereichen zu rechnen. Dies wurde bei dem Ortstermin deutlich und musste dem in der xxx wohnenden Kläger bekannt sein. Sein Verhalten ist in diesem Lichte nicht zu billigen und unentschuldbar.

Im Übrigen hält das Gericht die Aussage der Beklagten zu 1. für überzeugend und glaubhaft, dass der Kläger unmittelbar vor der Kollision geradeaus und nicht sich vergewissernd nach links schaute – ein weiteres Fehlverhalten.

Der Beklagten zu 1. ist hingegen keinerlei Vorwurf zu machen; sie trifft kein Verschulden an dem Zusammenstoß. Es ist zunächst davon auszugehen, wie auch der Sachverständige festgestellt hat, dass sie die Einfahrt mit geringer Geschwindigkeit – Schrittgeschwindigkeit genommen hat. Aufgrund der Sichtverhältnisse konnte sie weiter den herannahenden Kläger nicht wahrnehmen, und musste sich auf Fahrradverkehr aus dieser Richtung auch nicht einstellen. Der Kläger war weder zu sehen, noch musste sie mit ihm rechnen. Eine Verletzung des in § 9 StVO verankerten allgemeinen Gebots der Rücksichtnahme entfällt mithin von vornherein.

Mit Blick auf die gravierenden Sorgfaltspflichtverletzungen und groben Verkehrsverstöße des Klägers tritt auch jede Betriebsgefahr auf Seiten der Beklagten zurück. Den Kläger trifft eine Alleinhaftung, ohne dass es auf die Frage einer Vermeidbarkeit oder Unvermeidbarkeit ankäme.

Dies Ergebnis entspricht im Übrigen gefestigter Rechtsprechung, wonach ein erwachsener Radfahrer, der widerrechtlich einen Gehweg befährt, und mit einem sich vorschriftsmäßig verhaltenden Kfz kollidiert, seinen Schaden allein und den des Gegners zu tragen hat (s. nur OLG Celle MDR 2003,928 m.w.N.).

Nach alledem war die Klage vollumfänglich abzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 S. 1 ZPO, während sich die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit aus § 709 ZPO ergibt.

 

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