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Fahrtenauflage für 1 Jahr – Mithilfe bei der Fahrzeugführerfeststellung

 Verwaltungsgericht Neustadt an der Weinstrasse

AZ.: 3 L 677/06.NW

Beschluss vom 15.05.2006


In dem Verwaltungsrechtsstreit wegen Führung eines Fahrtenbuchs hier: Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO hat die 3. Kammer des Verwaltungsgerichts Neustadt an der Weinstraße aufgrund der Beratung vom 15. Mai 2006 beschlossen:

Der Antrag wird abgelehnt.

Der Antragsteller trägt die Kosten des Verfahrens.

Der Wert des Streitgegenstandes wird auf 4.800,-€ festgesetzt.

Gründe:

Der Antrag, die Anordnung der sofortigen Vollziehung der Verfügung vom
30. März 2006 aufzuheben, kann keinen Erfolg haben.

Die Begründung der Anordnung der sofortigen Vollziehung in der angefochtenen Verfügung lässt erkennen, welche Überlegungen die Antragsgegnerin im vorliegenden Fall zur Anordnung der sofortigen Vollziehung veranlasst haben und dies ist für § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO ausreichend.

Das öffentliche Interesse am Sofortvollzug der Anordnung, ein Fahrtenbuch auf die Dauer von einem Jahr zu führen, überwiegt vorliegend auch eindeutig das private Interesse des Antragstellers, bis zum rechtskräftigen Abschluss des Verfahrens in der Hauptsache kein Fahrtenbuch führen zu müssen. Dieses vorrangige öffentliche Interesse folgt daraus, dass die angefochtene Verfügung sich beim gegenwärtigen Sachstand aufgrund der im Verfahren nach § 80 Abs. 5 VwGO allein möglichen summarischen Prüfung als offensichtlich rechtmäßig erweist.

Die Antragsgegnerin hat zu Recht nach § 31a Abs. 1 Satz 1 Straßenverkehrs-Zulassungs-Ordnung (StVZO, BGBl. 1993 I, S. 1024) die Führung eines Fahrtenbuches angeordnet. Danach kann die Verwaltungsbehörde gegenüber einem Fahrzeughalter für ein oder mehrere auf ihn zugelassene oder künftig zuzulassende Fahrzeuge die Führung eines Fahrtenbuches anordnen, wenn die Feststellung eines Fahrzeugführers nach einer Zuwiderhandlung gegen Verkehrsvorschriften nicht möglich war.

Die Ermittlung des Führers bei Begehung der Ordnungswidrigkeit war hier im Sinne des § 31a Abs. 1 Satz 1 StVZO unmöglich.

Diese Voraussetzung liegt vor, wenn die Behörde nach den Umständen des Einzelfalles nicht in der Lage ist, den Täter zu ermitteln, obwohl sie alle angemessenen Maßnahmen ergriffen hat. Die Angemessenheit der Aufklärung beurteilt sich danach, ob die Behörde in sachgerechtem und rationellem Einsatz der ihr zur Verfügung stehenden Mittel nach pflichtgemäßem Ermessen die Maßnahmen getroffen hat, die in gleichliegenden Fällen erfahrungsgemäß zum Erfolg führen (BVerwG, Beschluss vom 9. Dezember 1993 - 11 B 113/93 -, juris; BVerwG, Buchholz 442.16 zu § 31a StVZO Nr. 18 = NJW 1988, 1104). Die Verfolgungsbehörde ist daher grundsätzlich gehalten, wenn die Feststellung des Fahrzeugführers auf frischer Tat nicht möglich oder nicht tunlich ist, zumindest den Halter sobald wie möglich von der mit seinem Fahrzeug begangenen Verkehrsordnungswidrigkeit zu unterrichten. Dies folgt aus dem Gebot zur Gewährung effektiven Rechtsschutzes, wonach der von einer Ermittlungstätigkeit Betroffene nicht in seiner Verteidigung behindert werden darf.

Vor diesem Hintergrund wird in der Regel gefordert, dass der Kraftfahrzeughalter innerhalb von zwei Wochen nach der Zuwiderhandlung von dieser in Kenntnis gesetzt wird, damit er die Frage, wer zur Tatzeit sein Fahrzeug geführt hat, noch zuverlässig beantworten und der Fahrer Entlastungsgründe vorbringen kann.

Die Zwei-Wochenfrist wurde im vorliegenden Fall zwar nicht eingehalten. Dem Antragsteller wurde erst am 28. November 2005, also etwa drei Wochen nach dem Verkehrsverstoß am 6. November 2005, ein Anhörungsbogen zugesandt. Er machte aber trotz der mittlerweile verstrichen gewesenen Zeit Angaben zu dem Fahrer im Tatzeitpunkt, so dass die Überschreitung der von der Rechtsprechung entwickelten Zwei-Wochenfrist unschädlich ist. Im Übrigen liegt ein Messfoto vor, das den Fahrer mit einer solchen Deutlichkeit erkennen lässt, dass die Möglichkeit der Identifikation durch den Antragsteller auch anhand dieses Fotos gegeben war.

Die Mitwirkung des Antragstellers hat aber tatsächlich nicht zur Ermittlung des Fahrzeugführers im Tatzeitpunkt geführt. Eine Person mit dem von ihm angegebenen Namen und der von ihm mitgeteilten Adresse war von der Polizei nicht ausfindig zu machen. Die Beamten des Polizeipräsidiums Rheinpfalz, Polizeiinspektion Ludwigshafen I, stellten fest, dass in Rheinland-Pfalz keine Person mit dem angegebenen Namen polizeilich gemeldet ist. Auch Nachforschungen unter der angegebenen Anschrift blieben erfolglos. Bewohnern des Anwesens….. war eine Person mit dem Namen….. oder einem ähnlichen Namen unbekannt. Anhaltspunkte für weitere Nachforschungen lagen der Polizei nicht vor. Sie hat damit die ihr möglichen Ermittlungsmaßnahmen durchgeführt. Auch die Antragsgegnerin hat durch Abfragen feststellen müssen, dass ein Herr …… unter der von dem Antragsteller angegebenen Adresse niemals polizeilich gemeldet gewesen war. Der Umstand, dass der Kraftfahrzeugführer im Tatzeitpunkt nicht ermittelt werden konnte, geht hier zu Lasten des Antragstellers.

Zwar hat § 31a StVZO, der seinem Wortlaut nach lediglich davon ausgeht, dass die Feststellung eines Fahrzeugführers nach einer Zuwiderhandlung gegen Verkehrsvorschriften objektiv nicht möglich war, in der Rechtsprechung die rechtstaatlich gebotene einschränkende Auslegung dahin erfahren, dass nicht schon jeder Misserfolg bei den polizeilichen Ermittlungen dem Halter eines Kraftfahrzeugs zuzurechnen ist, sondern nur ein solcher, für den sein Verhalten ursächlich war (vgl. dazu BVerwG, Buchholz 442.16 § 31a StVZO Nr. 5 = StVE § 31a StVZO Nr. 7). Demgemäß ist die Auferlegung eines Fahrtenbuches dann nicht gerechtfertigt, wenn der Fahrzeughalter seinerseits das ihm Zumutbare und Mögliche zur Aufklärung des Sachverhalts beigetragen hat. Hiervon ist im vorliegenden Fall aber aus folgenden Gründen nicht auszugehen.

Das Gericht geht davon aus, dass der Antragsteller zur Person des Fahrers im Tatzeitpunkt falsche Angaben machte. Der Antragsteller hat sowohl in dem Anhörungsbogen vom 28. November 2005 als auch in der Antragsschrift erklärt, sein Fahrzeug am Tattag einem Freund geliehen zu haben. Gegenüber den ermittelnden Polizeibeamten ließ er sich dahingehend ein, diese Person nur flüchtig gekannt zu haben. Durch seinen Bevollmächtigten ließ er im März 2006 vortragen, es habe sich um einen Bekannten gehandelt. Es bleibt damit völlig unklar, in welcher Beziehung der Antragsteller zu dieser Person stand und wie gut er sie Anfang November 2005 kannte. Vor diesem Hintergrund ist auch die Glaubhaftigkeit seiner weiteren Erklärungen zu würdigen.

Handelt es sich bei der angegeben Person um einen Freund des Antragstellers, so überzeugen seine übrigen Einlassungen nicht. Gegenüber den ermittelnden Polizeibeamten gab er an, er habe sich an dem Tattag den Führerschein von….. vorlegen lassen. In dem Schreiben seines Bevollmächtigten vom 14. März 2006 wurde mitgeteilt, der Antragsteller habe sich vor der leihweisen Aushändigung seines Fahrzeugs persönlich von der Anschrift des ….. überzeugt. Er habe sich nämlich den Fahrzeugschein für dessen VW-Bus vorlegen lassen und diesem die Anschrift entnommen. Hiervon hatte der Antragsteller den Polizeibeamten nichts berichtet. Beide geschilderten Verhaltensweisen erscheinen, wenn es sich um einen Freund handelte, nicht glaubhaft. Handelte es sich hingegen nur um einen flüchtigen Bekannten, so bleibt unverständlich, aus welchem Grund der Antragsteller dieser Person, die Halter eines VW-Bus war, seinen Pkw, einen Mercedes, für eine Fahrt auslieh.

Gefährdet aber ein Fahrzeughalter die Sicherheit und Ordnung des Straßenverkehrs dadurch, dass er nicht dartun kann oder will, – welche Variante hier vorliegt, kann offen bleiben, – wer im Zusammenhang mit einer Verkehrszuwiderhandlung zu einem bestimmten Zeitpunkt sein Fahrzeug gefahren hat, darf er durch das Führen eines Fahrtenbuches zu einer nachprüfbaren Überwachung der Fahrzeugbenutzung angehalten werden.

Im Übrigen bestehen keine rechtlichen Bedenken gegen die angefochtene Verfügung, die sich damit als rechtmäßig erweist.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.

Die Festsetzung des Wertes des Streitgegenstandes beruht auf §§ 52 Abs. 2, 53 Abs. 3 GKG (wegen der Höhe siehe Nr. 1.5 und Nrn. 46.13 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit in der Fassung vom 7./8. Juli 2004 (NVwZ 2004, 1327). Da der Antragsteller das Fahrtenbuch für die Dauer eines Jahres führen soll und ein Hauptsacheverfahren (Widerspruchsverfahren und möglicherweise Klageverfahren) insgesamt diese Zeit beanspruchen dürfte, ist es angemessen hier von dem Wert für das Hauptsacheverfahren auszugehen.

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