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Fahrtenbuchauflage – einmaliger Verkehrsverstoss

Verwaltungsgericht Trier

Az.: 1 L 721/08.TR

Beschluss vom 12.11.2008


In dem Verwaltungsrechtsstreit wegen Führung eines Fahrtenbuchs hier: Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO hat die 1. Kammer des Verwaltungsgerichts Trier aufgrund der Beratung vom 12. November 2008 beschlossen:

Der Antrag wird abgelehnt.

Die Antragstellerin trägt die Kosten des Verfahrens.

Der Wert des Streitgegenstandes wird auf 1.200,- Euro festgesetzt.

Gründe:

Der Antrag, die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs gegen die Verfügung vom 16. Oktober 2008, mit der für die Dauer von sechs Monaten eine Fahrtenbuchauflage erteilt wurde, wiederherzustellen, ist zulässig, er führt in der Sache jedoch nicht zum Erfolg.

Hinsichtlich der Anordnung der sofortigen Vollziehung des Bescheides bestehen keine rechtlichen Bedenken. Sie steht in Einklang mit § 80 Abs. 3 Verwaltungsgerichtsordnung – VwGO -. Der Antragsgegner hat sich den Ausnahmecharakter des Sofortvollzuges vor Augen geführt und schriftlich ausgeführt, dass hier das öffentliche Interesse den Sofortvollzug deshalb rechtfertigt, weil eine Gefährdung der Verkehrssicherheit zu erwarten wäre, wenn die Halterin des betreffenden Fahrzeugs nicht sofort verpflichtet würde, ein Fahrtenbuch zu führen, um nach einer Zuwiderhandlung gegen Verkehrsvorschriften den Fahrer schnell und zuverlässig feststellen zu können.

Die im Rahmen eines Verfahrens nach § 80 Abs. 5 VwGO vorzunehmende Interessenabwägung geht hier zu Lasten der Antragstellerin aus. Es überwiegt das öffentliche Interesse an einer sofortigen Vollziehung der Verfügung. Nach derzeitiger Lage der Dinge erweist sich die angefochtene Verfügung als rechtmäßig.

Gemäß § 31 a Straßenverkehrszulassungsordnung – StVZO – kann die Verwaltungsbehörde gegenüber einem Fahrzeughalter für ein Fahrzeug die Führung eines Fahrtenbuchs anordnen, wenn die Feststellung des Fahrzeugführers nach einer Zuwiderhandlung gegen Verkehrsvorschriften nicht möglich war. Die Voraussetzungen für eine Fahrtenbuchauflage liegen hier vor. Einmalige Verkehrsverstöße können die Anordnung eines Fahrtenbuchs rechtfertigen, wenn ein Verkehrsverstoß von einigem Gewicht vorliegt, wobei es nicht darauf ankommt, ob der Verstoß zu einer konkreten Gefährdung anderer Verkehrsteilnehmer geführt hat. Bereits die erstmalige Begehung eines wenigstens mit einem Punkt bewerteten Verkehrsverstoßes bietet hinreichenden Anlass für eine Fahrtenbuchauflage (BVerwG, Urteil vom 17. Mai 1995 – 11 C 12/94 – NJW 1995, 2866; OVG Lüneburg, Beschluss vom 08. Juli 2005, 12 ME 185/05 – recherchiert in JURIS). Vorliegend wurde mit dem Fahrzeug der Antragstellerin am 4. Mai 2008 eine in diesem Sinne gewichtige Ordnungswidrigkeit begangen. An jenem Tag wurde mit dem Fahrzeug innerhalb einer geschlossen Ortschaft die zulässige Höchstgeschwindigkeit von 60 km/h um 62 km/h (Toleranz berücksichtigt) überschritten. Ein solcher Verstoß gegen § 24 Straßenverkehrsgesetz – StVG – i.V.m. §§ 3 Abs. 3 Nr. 1, 42 und 49 Abs. 1 Nr. 3 Straßenverkehrsordnung –StVO- wird auf der Grundlage der Ziff. 4.3 der Anlage 13 zu § 40 FeV i.V.m. Nr. 11.3.9 Bußgeldkatalog – BKat – und § 28 Abs. 3 Nr. 3 StVG mit vier Punkten in das Verkehrszentralregister eingetragen.

Die Behörde war nach den Umständen des Einzelfalles auch nicht in der Lage, den Täter zu ermitteln, obwohl sie alle angemessenen und zumutbaren Maßnahmen getroffen hat. Maßgeblich ist, ob bei sachgerechtem und rationellem Einsatz der zur Verfügung stehenden Mittel nach pflichtgemäßem Ermessen die Maßnahmen getroffen wurden, die der Bedeutung des aufzuklärenden Verkehrsverstoßes gerecht werden und erfahrungsgemäß Erfolg haben können. Ist der Fahrzeughalter erkennbar nicht gewillt, an der Aufklärung des Verkehrsverstoßes mitzuwirken, müssen weitere wenig Erfolg versprechende und umfassende Aufklärungsmaßnahmen nicht ergriffen werden (BVerwG, Beschluss vom 01. März 1994 -11 B 130/93- recherchiert in juris; VG Ansbach, Beschluss vom 24. Januar 2008 – AN 10 S 07.03546 – ebenfalls recherchiert in JURIS). Vorliegend hat die Behörde die hiernach zur Aufklärung erforderlichen und zumutbaren Maßnahmen ergriffen. Sie hat der Antragstellerin einen Anhörungsbogen zugeleitet, auf den die Antragstellerin dergestalt reagiert hat, dass sie angegeben hat, sie benötige zur Identifizierung bessere Fotos, da für den betreffenden Tag mehrere Fahrzeugführer in Betracht kämen. Ihr wurden daraufhin weitere –jedoch ebenfalls etwas undeutliche- Fotos zugeleitet. Weitere Angaben hat die Antragstellerin nicht mehr gemacht. Sie hat insbesondere bis zur Einstellung des Ordnungswidrigkeitenverfahrens auch nicht geltend gemacht, die auf den zusätzlich übermittelten Beweisfotos abgebildete Person nicht zu erkennen. Gleichwohl hat die Stadt Oberhausen weitere selbständige Ermittlungen durchgeführt. Sie hat sich Passfotos von zwei mit der Antragstellerin unter dem gleichen Wohnsitz gemeldeten männlichen Familienangehörigen übermitteln lassen und letztlich gegen Herrn **** ein Ordnungswidrigkeitenverfahren eingeleitet, das eingestellt werden musste, weil dieser den Verstoß bestritten hat und bei einem Fotoabgleich die undeutlichen Fotos nicht eindeutig auf die Täterschaft dieser Person schließen ließen. Weitere Maßnahmen konnte die ermittelnde Behörde nach alledem nicht ergreifen. Die ihr möglichen und zumutbaren Möglichkeiten waren erschöpft.

Der Rechtmäßigkeit der Maßnahme steht auch nicht entgegen, dass dem Erfordernis des angemessenen Ermittlungsaufwandes grundsätzlich nur dann Rechnung getragen ist, wenn der Fahrzeughalter unverzüglich – regelmäßig innerhalb von zwei Wochen – von der mit seinem Fahrzeug begangenen Zuwiderhandlung in Kenntnis gesetzt wird, damit er die Frage, wer zur Tatzeit sein Fahrzeug geführt hat, noch zuverlässig beantworten kann (so schon BVerwG, Urteil vom 13. Oktober 1978 –VII C 77.74- NJW 1979, 1054 f.). Die Nichteinhaltung der Regelfrist von zwei Wochen schadet jedoch dann nicht, wenn die Verzögerung für die unterbliebene Ermittlung des Täters nicht ursächlich gewesen ist. Die Antragstellerin hat sich im Rahmen der Zeugenanhörung weder darauf berufen den Fahrzeugführer auf den zuletzt übersandten Fotos nicht erkennen zu können noch hat sie vorgetragen, sich gerade wegen des damals bereits verstrichenen Zeitraums überhaupt nicht an mögliche Fahrzeugführer erinnern zu können. Sie hat geltend gemacht, es kämen mehrere Personen in Betracht. Das kann aber auch bedeuten, dass sie sich, was durchaus der Fall sein kann, wenn während einer längeren überörtlichen Fahrt mehrfach ein Fahrerwechsel erfolgt, nur nicht erinnern kann, wer gerade zum genauen Tatzeitpunkt an dieser Stelle das Fahrzeug geführt hat. In einem solchen Fall ist das Erinnerungsvermögen nicht zwingend wegen des seit dem Verkehrsvergehen verstrichenen Zeitraums sondern schon wegen der besonderen Umstände einer solchen Fahrt (ggf. mehrfacher Fahrerwechsel) getrübt. Jedenfalls hat die Antragstellerin erst mit ihrem Widerspruch auf ihr –angeblich- fehlendes Erinnerungsvermögen hingewiesen. Die Kausalität zwischen der verzögerten Anhörung und der Nichtfeststellung des Fahrzeugführers ist ohnehin schon zu verneinen, wenn sich der Halter des Fahrzeugs nicht schon im Ordnungswidrigkeitenverfahren, sondern erst in dem sich anschließenden, auf eine Fahrtenbuchauflage zielenden Verwaltungsverfahren auf seine fehlende Erinnerung beruft (Niedersächsisches Oberverwaltungsgericht a.a.O.). Hier hat sich die Antragstellerin überdies erst im Verwaltungsverfahren auch auf ihr –angeblich- fehlendes Erkennungsvermögen berufen.

Im Übrigen kann eine Fahrtenbuchauflage ohnehin erteilt werden, wenn der Fahrzeughalter den ihm sonst möglichen und zumutbaren Mitwirkungspflichten nicht nachgekommen ist, was wiederum dann der Fall sein kann, wenn der Halter zu dem –wie offensichtlich hier- bekannten und eingrenzbaren Kreis der überhaupt für den konkreten Verkehrsverstoß in Betracht kommenden Fahrzeugführer keine Angaben macht (OVG Münster, Beschluss vom 9. Mai 2006 – 8 A 3429/04 -; Niedersächsisches Oberverwaltungsgericht, Beschluss vom 4. Dezember 2003 –12 LA 442/03- beide recherchiert in JURIS). Die Antragstellerin hat sich ausweislich ihres Schreibens vom 6. Juni 2008 daran erinnert, dass für den betreffenden Verkehrsverstoß mehrere Fahrzeugführer in Betracht kommen. Sie hat sich lediglich darauf berufen, anhand des zunächst vorgelegten Fotos die Person nicht identifizieren zu können, die zum Tatzeitpunkt das Fahrzeug geführt hat. Zu den ihr später zugeleiteten Fotos hat sie sich im laufenden Ordnungswidrigkeitenverfahren überhaupt nicht mehr geäußert. Schon bei ihrer Zeugenanhörung wäre sie also zumindest in der Lage gewesen, einen bestimmten – wegen des Tatortes (Oberhausen) und Tatzeitpunktes (7.25 Uhr) erkennbar auf wenige Personen einschränkbaren – Kreis der potenziellen Fahrzeugführer zu benennen. Das hat sie nicht getan, obwohl sich hieran möglicherweise erfolgreiche Ermittlungen hätten anschließen können. Die Antragstellerin hat nämlich nicht vorgetragen, dass nur die Personen, von denen die Stadt Oberhausen bei der Meldebehörde Passfotos angefordert hat, allein als Täter in Betracht kommen. Es ist daher nicht auszuschließen, dass bei einer Benennung des in Betracht kommenden Täterkreises eine andere Person aus dem Kreis der Familie benannt worden wäre, die auch anhand der undeutlichen Fotos hätte identifiziert werden können, was im Hinblick auf die beiden genannten Personen nicht der Fall war. Die Frage der rechtlichen Auswirkungen eines eventuellen Zeugnisverweigerungsrechtes kann hier von vornherein dahingestellt bleiben, weil die Antragstellerin ein solches im Ordnungswidrigkeitenverfahren nicht geltend gemacht hat. Sie hat auch nicht substantiiert vorgetragen, dass zu dem potenziellen Kreis der Täter nur solche Personen gehören, hinsichtlich derer sie sich auf ein solches Recht berufen könnte. Im Übrigen gibt es kein „doppeltes Recht,“ einerseits nach einem Verkehrsverstoß die Aussage zu verweigern und zugleich wegen fehlender Mitwirkung bei der Feststellung des Fahrzeugführers auch von einer Fahrtenbuchauflage verschont zu bleiben (Bay. VGH, Beschluss vom 12. Juni 2008 – 11 CS 08.587- m.w.N., recherchiert in JURIS).

Es war auch nicht erforderlich, die Antragstellerin speziell nach dem Kreis der möglichen Täter zu befragen. Wird – wie hier mit dem Anhörungsbogen – nach dem Fahrzeugführer gefragt, so zielt eine solche Frage erkennbar darauf ab, alle möglicherweise weiterführenden Hinweise zur Person des Fahrers zu erfahren (Niedersächsisches Oberverwaltungsgericht a.a.O.).

Für die Nichtfeststellung des offensichtlich eng zu begrenzenden Kreises der möglichen Fahrzeugführer war daher nicht das fehlende Erinnerungsvermögen maßgeblich, weshalb die Nichteinhaltung der Regelfrist von zwei Wochen hier nicht schadet. Ob der Täter für die Antragstellerin wegen der Qualität der ihr zugeleiteten Beweisfotos letztlich tatsächlich nicht erkennbar war, wogegen spricht, dass sie sich zu den ihr zuletzt zugeleiteten Fotos im Ordnungswidrigkeitenverfahren nicht mehr geäußert hat, kann vor diesem Hintergrund dahingestellt bleiben.

Es ist auch nicht zu beanstanden, dass die Führung des Fahrtenbuchs für die Dauer von sechs Monaten angeordnet wurde. Diese Zeitspanne begegnet keinen rechtlichen Bedenken. Durch die Fahrtenbuchauflage soll der Fahrzeughalter zu einer nachprüfbaren Überwachung der Fahrzeugbenutzung und zur Mitwirkung bei der Feststellung des Fahrzeugführers im Falle eines erneuten Verkehrsverstoßes angehalten werden. Um dies effektiv zu erreichen, ist eine gewisse Dauer der Führung des Fahrtenbuches erforderlich.

Der Antrag ist nach alledem mit der Kostenfolge des § 154 Abs. 1 VwGO abzulehnen.

Die Festsetzung des Streitwertes beruht auf §§ 52 Abs. 1, 53 Abs. 3 GKG in Verbindung mit Nr. 1.5 und Nr. 46.13 des Streitwertkataloges für die Verwaltungsgerichtsbarkeit.

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