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Fahrtenbuchauflage bei Geschwindigkeitsüberschreitung

 Oberverwaltungsgericht Saarland

Az: 1 B 121/07

Beschluss vom 25.05.2007


Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
Die Kosten des Beschwerdeverfahrens fallen der Antragstellerin zur Last.
Der Streitwert wird für das Beschwerdeverfahren auf 14.400 EUR festgesetzt.

Unter Abänderung der Kostenentscheidung des Verwaltungsgerichts sind die Kosten erster Instanz von der Antragstellerin zu 2/3 und von der Antragsgegnerin zu 1/3 zu tragen.

Gründe:

I.
Mit Bescheid vom 12.1.2007 verfügte die Antragsgegnerin unter Anordnung des Sofortvollzugs die Führung eines Fahrtenbuches für alle auf die Antragstellerin zugelassenen Fahrzeuge für die Dauer von einem Jahr. Begründet wurde diese Maßnahme im Kern damit, dass am 27.7.2006 mit einem auf die Antragstellerin zugelassenen Pkw (amtl. Kennzeichen VK – ) auf der Bundesautobahn A 3 eine Geschwindigkeitsüberschreitung von 49 km/h festgestellt worden sei, ohne dass – wie bereits bei mehreren Verkehrsverstößen in der Vergangenheit – der verantwortliche Fahrzeugführer habe ermittelt werden können.

Mit dem von der Antragstellerin angegriffenen Beschluss vom 12.3.2007 hat das Verwaltungsgericht die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs gegen den Bescheid vom 12.1.2007 wiederhergestellt, „soweit in dem Bescheid für auf die Antragstellerin als Lastkraftwagen zugelassene Fahrzeuge die Führung eines Fahrtenbuches angeordnet ist“. Im Übrigen wurde das Begehren der Antragstellerin auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes gegen die Anordnung der Fahrtenbuchauflage zurückgewiesen.

Mit Teilabhilfebescheid vom 26.3.2007 hat die Antragsgegnerin die Fahrtenbuchauflage betreffend die auf die Antragstellerin zugelassenen Lkw aufgehoben.

II.

Die zulässige Beschwerde der Antragstellerin gegen den sie (weiterhin) belastenden Beschluss des Verwaltungsgerichts bleibt ohne Erfolg. Die von der Antragstellerin in der Beschwerdebegründung vom 23.3.2007 dargelegten Gründe, die allein der Senat zu prüfen hat (§ 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO), geben keine Veranlassung, die erstinstanzliche Entscheidung abzuändern.

Entgegen der Auffassung der Antragstellerin handelt es sich bei einer Geschwindigkeitsüberschreitung von 49 km/h auf einer Bundesautobahn um einen erheblichen Verkehrsverstoß, der die Anordnung einer Fahrtenbuchauflage gemäß § 31 a Abs. 1 StVZO auch unter Beachtung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit rechtfertigt. Das folgt bereits daraus, dass es sich hierbei um eine Verkehrsordnungswidrigkeit handelt, die mit einer Regelsatz-Geldbuße von 100 EUR und einem Fahrverbot von einem Monat zu ahnden ist vgl. Lfd. Nr. 11.3.7 des Anhangs zu Nr. 11 der Anlage zu § 1 Abs. 1 der Bußgeldkatalog-Verordnung.

Zudem wird der Betreffende wegen der in Rede stehenden Verkehrsordnungswidrigkeit mit drei Punkten im Verkehrszentralregister belastet siehe dazu § 40 FeV in Verbindung mit Anlage 13, Ziffer 5.4; zu den rechtlichen Auswirkungen des vermerkten Punktestandes: §§ 4 StVG, 41 bis 45 FeV.

Diese vom Verordnungsgeber vorgenommene Bewertung der Ordnungswidrigkeit rechtfertigt es, die Geschwindigkeitsüberschreitung um 49 km/h außerhalb geschlossener Ortschaften, mithin auch auf einer Bundesautobahn, als so gewichtig einzustufen, dass auch ohne zusätzliche Umstände, etwa den Eintritt einer konkreten Gefährdung anderer Verkehrsteilnehmer, die Anordnung zur Führung eines Fahrtenbuches bei Nichtermittlung des verantwortlichen Fahrzeugführers verhältnismäßig ist vgl. u.a. BVerwG, Urteil vom 17.5.1995 – 11 C 12.94 -, BVerwGE 98, 227 = Buchholz 442.16 § 31 a StVZO Nr. 21 = NJW 1995, 2866.

Im weiteren wendet die Antragstellerin gegen die Rechtmäßigkeit der Fahrtenbuchauflage ein, die Antragsgegnerin habe keine zumutbaren Ermittlungen zur Feststellung „des Halters“ – gemeint ist offensichtlich „des Fahrzeugführers“ – vorgenommen, wobei dem Halter, das heißt ihrem Geschäftsführer, keine mangelnde Mitwirkung an der Aufklärung vorgeworfen werden könne, da vorliegend die von der Rechtsprechung grundsätzlich geforderte Zweiwochenfrist zur Benachrichtigung des Halters hinsichtlich der Zuwiderhandlung bei weitem überschritten worden sei. Beide Einwände sind in der hier gegebenen Situation rechtlich ohne Bedeutung.
Was die gebotene Ermittlungstätigkeit anbelangt, ist das Aussageverhalten des Fahrzeughalters – vorliegend des Geschäftsführers der Antragstellerin – von maßgeblicher Bedeutung. Weitere Ermittlungen scheiden regelmäßig aus, wenn der Halter eines Fahrzeugs – im Wege der Aussageverweigerung als Beschuldigter oder unter Berufung auf ein Zeugnisverweigerungsrecht als Zeuge – jede Aufklärung darüber ablehnt, wer das Fahrzeug im maßgeblichen Zeitpunkt geführt hat vgl. u.a. BVerwG, Urteil vom 17.12.1982 – 7 C 3/80 -, Buchholz 442.16 § 31 a StVZO Nr. 12 = MDR 1983, 782 = VRS 64, 466 = BayVBl. 1983, 310, und Beschluss vom 1.3.1994 – 11 B 130/93 -, VRS 88, 158; VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 18.6.1991 – 10 S 938/91 -, NJW 1992, 132 = DAR 1991, 433, sowie Beschluss vom 1.10.1992 – 10 S 2173/92 -, NZV 1993, 47 = VRS 84, 73.
So liegt der Fall. Der für den Fuhrpark der Antragstellerin verantwortliche Geschäftsführer hat nach den Feststellungen im angefochtenen Beschluss (Seite 5) nach Vorlage die Lichtbilds des bei dem Verkehrsverstoß fotografisch festgehaltenen Fahrzeugführers gegenüber einem Beamten der Polizeiinspektion A-Stadt unter Berufung auf ein ihm zustehendes Zeugnisverweigerungsrecht keine Angaben gemacht. Er hat damit klar und unmissverständlich zum Ausdruck gebracht, dass er nicht willens ist, zu der Feststellung des für den Tatzeitpunkt verantwortlichen Fahrzeugführers durch ihm mögliche Kenntnisse beizutragen. Dabei lag auf der Hand, dass bei insgesamt sechs auf die GmbH zugelassenen Personenkraftwagen außer dem Geschäftsführer der Antragstellerin und seinen Angehörigen weitere Mitarbeiter der Antragstellerin die Firmenfahrzeuge benutzt haben bzw. benutzt haben können. Es kann nämlich nicht unterstellt werden, dass die sechs Pkw lediglich aus steuerrechtlichen und betriebswirtschaftlichen Gründen auf die GmbH zugelassen worden sind, obwohl sie in Wirklichkeit allein dem Geschäftsführer und seinen Angehörigen – dabei diesen allein zur privaten Nutzung – zur Verfügung gestanden haben. Auch in Ansehung eines ihm zustehenden Zeugnisverweigerungsrechts hätte der Geschäftsführer der Antragstellerin zumindest die in Betracht kommenden Firmenmitarbeiter, denen gegenüber ihm kein Zeugnisverweigerungsrecht zur Seite stand, namhaft machen können und müssen vgl. dazu Beschluss des Senats vom 5.4.2004 – 1 Q 54/03 -, Seite 4 des amtl. Ausdrucks.

Da die als Fahrzeugführer in Betracht kommenden Mitarbeiter vom Geschäftsführer der Antragstellerin gerade nicht namhaft gemacht wurden, waren weitergehende erfolgversprechende Ermittlungen nicht zu erwarten und von daher auch nicht zumutbar. Insbesondere bei der Frage der Zumutbarkeit war zudem der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit zu beachten, der das im Ordnungswidrigkeitenrecht geltende Opportunitätsprinzip (§ 47 Abs. 1 OWiG) auch hinsichtlich der Art und des Umfangs der zu ergreifenden Verfolgungsmaßnahmen steuert vgl. dazu Beschluss des Senats vom 5.4.2004 – 1 Q 54/03 -, Seite 5 des amtl. Ausdrucks unter Bezugnahme auf OVG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 31.3.1995 – 25 A 2798/93 -, NJW 1995, 3335 = VRS 90, 231.

Die von der Antragstellerin reklamierte, vorliegend unstreitig erheblich überschrittene „Zweiwochenfrist“, innerhalb der der Fahrzeughalter über den Verkehrsverstoß in Kenntnis zu setzen ist, damit es ihm mit Blick auf sein zeitlich begrenztes Erinnerungsvermögen möglich ist, diejenige Person festzustellen, die zum Tatzeitpunkt „sein“ Fahrzeug gefahren hat, steht der Auferlegung eines Fahrtenbuchs gemäß § 31 a Abs. 1 StVZO aus Kausalitätsgründen nicht entgegen. Denn der Geschäftsführer der Antragstellerin hat sich gerade nicht darauf berufen, dass er infolge der inzwischen verstrichenen Zeit nicht mehr nachvollziehen könne, welcher Firmenmitarbeiter das Fahrzeug zum fraglichen Zeitpunkt benutzt hat. Vielmehr hat er sich – wie bereits erwähnt – unter Hinweis auf das Bestehen eines Zeugnisverweigerungsrechts generell geweigert, an der Feststellung des verantwortlichen Fahrzeugführers mitzuwirken. Ob ihm diese Mitwirkung aufgrund des Umstands, dass es sich bei der maßgeblichen Fahrt um eine Geschäftsfahrt oder auch Privatfahrt handelte, die den betreffenden Firmenmitarbeiter bzw. Privatfahrer in den Raum Passau führte, etwa auf der Grundlage von Geschäftsunterlagen auch noch nach einem längeren Zeitraum hätte möglich sein müssen, ist angesichts des erwähnten Aussageverhaltens des Geschäftsführers der Antragstellerin nicht entscheidungserheblich.

Zuletzt kollidiert das vom Geschäftsführer der Antragstellerin für sich in Anspruch genommene Aussageverweigerungsrecht nicht mit der Vorschrift des § 31 a StVZO, wobei entgegen der im erstinstanzlichen Beschluss vertretenen Ansicht eine Benennung der Person, von der das Aussageverweigerungsrecht (richtig: Zeugnisverweigerungsrecht) abgeleitet wird, nicht geboten ist. Allerdings muss der sich auf ein Aussage- bzw. Zeugnisverweigerungsrecht berufende Fahrzeughalter sich darüber im Klaren sein, dass die Verweigerung der Aussage ihm als fehlende Mitwirkung bei der Feststellung des verantwortlichen Fahrzeugführers entgegengehalten werden kann. Denn ein doppeltes „Recht“, nach einem Verkehrsverstoß einerseits im Ordnungswidrigkeitenverfahren die Aussage zu verweigern und zugleich trotz fehlender Mitwirkung bei der Feststellung des Fahrzeugführers auch von einer Fahrtenbuchauflage verschont zu bleiben, besteht nicht. Ein solches „Recht“ widerspräche dem Zweck des § 31 a StVZO, nämlich der Sicherheit und Ordnung des Straßenverkehrs zu dienen vgl. BVerwG, Beschluss vom 22.6.1995 – 11 B 7.95 -, Buchholz 442.16 § 31 a StVZO Nr. 22 = ZfS 1995, 397 = DAR 1995, 459 = VRS 90, 70; siehe auch BVerfG, Beschluss vom 7.12.1981 – 2 BvR 1172/81 -, NJW 1982, 568.

Da nach alldem die von der Antragstellerin gegen die Richtigkeit der erstinstanzlichen Entscheidung ins Feld geführten Einwände eindeutig nicht durchgreifen, ist die Beschwerde zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO.

Die Streitwertfestsetzung beruht auf den §§ 63 Abs. 2, 53 Abs. 3 Nr. 2, 52 Abs. 1, 47 Abs. 1 Satz 1 GKG in Verbindung mit Ziffer 46.13 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit Fassung 7/2004, abgedruckt u.a. in NVwZ 2004, 1327 ff..

Da die Beschwer der Antragstellerin im Beschwerdeverfahren nur noch sechs Fahrzeuge betrifft, für die ein Fahrtenbuch zu führen ist, reduziert sich der Streitwert in Anlehnung an die zutreffenden Berechnungsgrundlagen im erstinstanzlichen Beschluss auf den festgesetzten Betrag von 14.400 EUR (12 X 400 = 4.800 X 6 = 28.800 : 2)
Auf der Grundlage des vom Verwaltungsgericht zutreffend errechneten Streitwerts ist die Antragsgegnerin erstinstanzlich allerdings zu 1/3 unterlegen, so dass die Kostenentscheidung für das erstinstanzliche Verfahren von Amts wegen entsprechend abzuändern ist.
Dieser Beschluss ist nicht anfechtbar.

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