Oberverwaltungsgericht Bremen
Az: 1 A 465/06
Beschluss vom 01.08.2007
In der Verwaltungsrechtssache hat das Oberverwaltungsgericht der Freien Hansestadt Bremen – 1. Senat – am 01.08.2007 beschlossen:
Der Antrag der Klägerin, die Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Bremen – 5. Kammer – vom 07.09.2006 zuzulassen, wird abgelehnt.
Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.
Der Streitwert wird für das Zulassungsverfahren ebenfalls auf 3.600,- € festgesetzt.
Gründe:
Die Voraussetzungen für die Zulassung der Berufung sind nicht gegeben.
Der Zulassungsantrag bezieht sich nicht ausdrücklich auf einen der in § 124 Abs. 2 VwGO genannten Zulassungsgründe. Ihm ist zu entnehmen, dass die Klägerin in erster Linie den Zulassungsgrund der ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des Urteils geltend machen will.
Ernstliche Zweifel i. S. von § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO liegen vor, wenn erhebliche Gründe dafür sprechen, dass die Entscheidung des Verwaltungsgerichts einer rechtlichen Prüfung wahrscheinlich nicht standhalten wird. Ein darauf gestützter Antrag muss sich mit den entscheidungstragenden Annahmen des Verwaltungsgerichts auseinandersetzen und darlegen, in welcher Hinsicht und aus welchen Gründen diese ernstlichen Zweifeln begegnen und warum diese Zweifel eine andere Entscheidung wahrscheinlich machen. Dazu reicht es, wenn ein einzelner tragender Rechtssatz oder eine erhebliche Tatsachenfeststellung mit schlüssigen Gegenargumenten in Frage gestellt werden (vgl. BVerfG, B. v. 23.06.2000 – 1 BvR 830/00 – NordÖR 2000, S. 453).
Die Richtigkeit des Urteils vom 07.09.2006 begegnet nach diesem Maßstab keinen ernstlichen Zweifeln.
(1) Gemäß § 31 a Abs. 1 S. 1 StVZO setzt die Anordnung einer Fahrtenbuchauflage voraus, dass die Feststellung eines Fahrzeugführers nach der Zuwiderhandlung gegen Verkehrsvorschriften nicht möglich war. Dies ist anzunehmen, wenn die Behörde nicht in der Lage war, den Fahrzeugführer zu ermitteln, obwohl sie die nach den Umständen des Einzelfalles angemessenen und zumutbaren Ermittlungsmaßnahmen getroffen hat.
Zu Recht ist das Verwaltungsgericht davon ausgegangen, dass die Behörde im vorliegenden Fall alle angemessenen und zumutbaren Maßnahmen zur Täterfeststellung getroffen hat. Der Verkehrsverstoß (Geschwindigkeitsüberschreitung auf der BAB 7) wurde am 07.03.2005 begangen. Am 08.03.2005 wurde bereits ein Zeugenfragebogen an die Klägerin abgesandt. Auf diesen Fragebogen hat die Klägerin nicht reagiert, worauf aufgrund eines Ersuchens des Regierungspräsidiums Kassel vom 12.04.2005 von der Polizei Bremen – im Ergebnis erfolglose – Ermittlungen aufgenommen wurden.
Dass der Zeugenfragebogen zunächst an die Klägerin als juristische Person gesandt wurde, die nicht selbst das Fahrzeug geführt haben konnte, kann offenkundig nicht beanstandet werden: Die Klägerin war nach der Auskunft des Kraftfahrt-Bundesamtes Halterin des Fahrzeugs. Die Geschäftsleitung einer juristischen Person treffen, was die Zurechnung der Firmenfahrzeuge an die einzelnen Firmenangehörigen angeht, auch durchaus eigenen Pflichten (vgl. OVG Bremen, B. v. 12.01.2006 – 1 A 236/05 – juris).
Die weiteren Ermittlungen, die aufgrund der fehlenden Mitwirkung der Geschäftsleitung erforderlich wurden, waren zeitnah, zielgerichtet und angemessen. Nach dem Ermittlungsergebnis, auf das das Verwaltungsgericht ausdrücklich Bezug genommen hat, wurde das Fahrzeug zu dem betreffenden Zeitpunkt von Klaus A. für eine Urlaubsfahrt genutzt. Klaus A. , der aufgrund eines Lichtbildvergleichs als Fahrer ausschied, erklärte dem ermittelnden Polizeibeamten, mit zwei weiteren Personen unterwegs gewesen zu sein und sich beim Fahren abgewechselt zu haben. Angaben zu diesen beiden Personen wolle er nicht machen.
Damit waren die Ermittlungsmöglichkeiten der Behörde ersichtlich ausgeschöpft. Die jetzt im Zulassungsantrag aufgestellte pauschale Behauptung, eine Befragung „unter den Mitarbeitern der Firma“ hätte ergeben, wer der Fahrer gewesen sei, geht am konkreten Inhalt des Ermittlungsergebnisses vorbei. Das Ermittlungsergebnis wird in dem Schreiben an das Regierungspräsidium Kassel vom 25.04.2005 konkret und detailliert wiedergegeben. Anhaltspunkte, die seine Richtigkeit in Zweifel ziehen könnten, werden im Zulassungsantrag nicht aufgezeigt.
Der Zulassungsantrag zeigt ebenfalls nicht auf, unter welchen Gesichtspunkt die durchgeführten Ermittlungen in zeitlicher Hinsicht Bedenken erregen könnten.
(2) Die Anordnung der Fahrtenbuchauflage ist nicht unverhältnismäßig.
Eine Fahrtenbuchauflage ist eine Maßnahme zur Abwehr von Gefahren für die Sicherheit und Ordnung des Straßenverkehrs, mit der dafür Sorge getragen werden soll, dass künftig die Feststellung eines Fahrzeugführers nach einer Zuwiderhandlung gegen Verkehrsvorschriften ohne Schwierigkeiten möglich ist. Allerdings rechtfertigt nur ein Verkehrsverstoß von einigem Gewicht eine solche Anordnung. Wird nur ein einmaliger, unwesentlicher Verstoß festgestellt, der sich weder verkehrsgefährdend auswirken kann, noch Rückschlüsse auf die charakterliche Unzuverlässigkeit des Kraftfahrers zulässt, ist die Fahrtenbuchauflage nicht gerechtfertigt. Das Bundesverwaltungsgericht hat etwa in dem Überholen im Überholverbot (Missachtung des Verkehrszeichens 276), das zur Eintragung des Kraftfahrers in das Verkehrszentralregister mit wenigstens einem Punkt führt, einen in dieser Hinsicht wesentlichen Verkehrsverstoß gesehen (U. v. 17.05.1995 – 11 C 12/94 – NJW 1995, S. 2866).
Es kann nicht ernstlich zweifelhaft sein, dass danach die Überschreitung der auf einer Autobahn festgesetzten Höchstgeschwindigkeit von 100 km/h um 27 km/h (abzüglich Toleranz) einen wesentlichen Verkehrsverstoß darstellt. Für diese Verkehrsordnungswidrigkeit ist als Regelsanktion eine Geldbuße von 50,- € und ein Eintrag von 3 Punkten im Verkehrszentralregister vorgesehen. Diese vom Verordnungsgeber vorgenommene Bewertung rechtfertigt es, den Verstoß als so gewichtig einzustufen, dass auch ohne zusätzliche Umstände die Anordnung zum Führen eines Fahrtenbuchs verhältnismäßig ist (vgl. BVerwG, U. v. 17.05.1995, a. a. O.). Ein atypischer Sachverhalt, der die – gravierende – Geschwindigkeitsüberschreitung im vorliegenden Fall in einem milderen Licht erscheinen lassen könnte, wird von der Klägerin nicht vorgetragen und ist auch sonst nicht ersichtlich.
(3) Entgegen der Ansicht der Klägerin leidet die Anordnung der Fahrtenbuchauflage auch nicht unter Ermessensfehlern.
Die Dauer der Anordnung ist auf 9 Monate begrenzt. Die Behörde hat damit eine dem Gewicht des Verkehrsverstoßes angemessene Befristung vorgenommen.
Sie hat die Fahrtenbuchauflage ausserdem auf das Tatfahrzeug (HB- ) sowie dessen Nachfolgefahrzeug beschränkt. Die Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts Lüneburg, die die Klägerin zitiert (B. v. 02.11.2005 – 12 ME 315/05 – DAR 2006, S. 167), betraf eine Fahrtenbuchauflage für den gesamten Fahrzeugpark eines Halters, also einen ungleich intensiveren Eingriff.
Anhaltspunkte dafür, dass die Zulassung der Berufung unter den weiteren in § 124 Abs. 2 VwGO genannten Zulassungsgründen in Betracht kommen könnte, lassen sich dem Zulassungsantrag nicht entnehmen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO; die Streitwertfestsetzung auf § 52 Abs. 1 GKG.