OLG Hamm
Az: 3 Ss OWi 341/02
Beschluss vom 25.06.2002
In der Bußgeldsache wegen fahrlässiger Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit im Straßenverkehr.
Auf die Rechtsbeschwerde der Staatsanwaltschaft Bielefeld gegen das Urteil des Amtsgerichts Bielefeld vom 25.02.2002 hat der 3. Senat für Bußgeldsachen des Oberlandesgerichts Hamm am 25. 06. 2002 nach Anhörung der Generalstaatsanwaltschaft und der Betroffenen bzw. ihres Verteidigers beschlossen:
Die Rechtsbeschwerde der Staatsanwaltschaft Bielefeld wird auf Kosten der Staatskasse als unbegründet verworfen.
G r ü n d e :
I.
Das Amtsgericht Bielefeld hatte die Betroffene wegen einer am 16.05.2000 begangenen fahrlässigen Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit innerorts um 32 km/h zu einer Geldbuße in Höhe von 400,00 DM verurteilt, von der Verhängung eines Fahrverbotes gegen die Betroffene jedoch abgesehen.
Auf die Rechtsbeschwerde der Staatsanwaltschaft Bielefeld hatte der Senat mit Beschluss vom 27.09.2001 das angefochtene Urteil im Rechtsfolgenausspruch mit den zugrunde liegenden Feststellungen aufgehoben und die Sache im Umfang der Aufhebung zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Amtsgericht Bielefeld zurückverwiesen. Der Senat hatte mit näheren Ausführungen beanstandet, dass die Gründe des seinerzeit angefochtenen Urteils das Absehen von der Verhängung des Regelfahrverbotes nach Tabelle 1 a Buchstabe c laufende Nr. 5.3.3 nicht tragen.
Beim Amtsgericht in Bielefeld gingen die Akten nach der Entscheidung des Senates am 22.11.2001 wieder ein. Das Amtsgericht hat sodann mit Verfügung vom 27.11.2001 Termin zur Hauptverhandlung auf den 25.02.2002 bestimmt. Am 25.02.2002 hat das Amtsgericht Bielefeld die Betroffene wegen fahrlässiger Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit zu einer Geldbuße von 200,00 Euro verurteilt und wiederum von der Verhängung des Regelfahrverbotes abgesehen.
Gegen dieses Urteil, das der Staatsanwaltschaft Bielefeld am 19.03.2002 zugestellt worden ist, hat die Staatsanwaltschaft mit am 22.03.2002 bei dem Amtsgericht Bielefeld eingegangen Schreiben Rechtsbeschwerde eingelegt, mit der sie erneut das Absehen von der Verhängung des Regelfahrverbotes rügt.
Die Generalstaatsanwaltschaft ist der Rechtsbeschwerde beigetreten und hat beantragt, das angefochtene Urteil im Rechtsfolgenausspruch aufzuheben und gegen die Betroffene eine Geldbuße in Höhe von 100,00 Euro sowie unter Einräumung einer Frist gemäß § 25 Abs. 2 a Satz 1 StVG ein Fahrverbot von einem Monat festzusetzen.
II.
Die zulässige Rechtsbeschwerde der Staatsanwaltschaft Bielefeld hat in der Sache wegen des zwischenzeitlich eingetretenen Zeitablaufs zwischen der Tatzeit am 16.05.2000 und der Vorlage der Akten im Rechtsbeschwerdeverfahren an den Senat am 22.05.2002 keinen Erfolg.
Allerdings rügt die Staatsanwaltschaft Bielefeld völlig zu Recht, dass das Amtsgericht in dem angefochtenen Urteil zu Unrecht von der Verhängung des Regelfahrverbotes abgesehen hat. Grob fehlerhaft war insbesondere, dass das Amtsgericht unter anderem entscheidend darauf abgestellt hat, ob die Betroffene im Falle eines Fahrverbotes ihre Tätigkeit (gemeint ist ihre berufliche Tätigkeit) „ordnungsgemäß ausführen kann“. Ein derartiges Kriterium für das Absehen von dem nach dem Bußgeldkatalogverordnung an sich gebotenen Regelfahrverbot ist bislang in der Rechtsprechung soweit ersichtlich noch nie zur Anwendung gebracht worden. Wollte man ernsthaft darauf abstellen, ob das Fahrverbot dazu führt, dass ein Betroffener seinen Beruf nicht mehr ordnungsgemäß – was immer dies bedeuten soll – ausüben kann, so blieben wohl nur wenige Fälle übrig, in denen man tatsächlich diese Hürde überwinden und ein Fahrverbot verhängen könnte. Die Heranziehung dieses Gesichtspunktes erfolgte durch das Amtsgericht damit erkennbar nur zweckgerichtet mit dem Ziel, hier die Verhängung eines Fahrverbotes zu vermeiden.
Ebenso grob fehlerhaft ist das Abstellen des Amtsgerichts darauf, dass der Verkehrsverstoß der Betroffenen als „Augenblicksversagen“ zu bewerten sei. Bezeichnenderweise führt das Amtsgericht mit keiner Silbe aus, worin hier ein Augenblicksversagen der Betroffenen liegen sollte. Ein solches liegt tatsächlich auch mehr als fern, da die der Betroffenen zur Last gelegte Geschwindigkeitsüberschreitung von ihr innerorts und noch dazu an einer Stelle begangen worden war, die ihr bereits aufgrund ihrer beruflichen Tätigkeit gut bekannt war. Das Abstellen auf ein Augenblicksversagen erscheint dem Senat hier daher ebenfalls allein durch die oben bereits festgestellte Tendenz des Amtsgerichts, auf alle Fälle ein Fahrverbot zu vermeiden, erklärlich.
Gleichwohl kam hier die Verhängung eines Fahrverbotes gegen die Betroffene aufgrund des Zeitablaufs seit Begehung der Tat am 16.05.2000 nicht mehr in Betracht. Die Generalstaatsanwaltschaft hat hierzu in ihrer Antragsschrift selbst ausgeführt, dass ein erheblicher Zeitablauf seit der Tat dazu führen kann, dass es einer erzieherischen Einwirkung auf den Täter durch die Verhängung eines Fahrverbotes nicht mehr bedarf, wobei dies bei einem Zeitraum von mehr als 2 Jahren zwischen Tat und Ahndung sicher anzunehmen ist (OLG Hamm, Beschluss vom 18.05.2000 ? 5 Ss OWi 1196/99; OLG Düsseldorf MDR 2000, 829; OLG Karlsruhe, DAR 1992, 437; OLG Köln NZV 2000, 217 f). Das Fahrverbot dient nämlich in erster Linie spezialpräventiven Zwecken und kann seine Warnungs- und Besinnungsfunktion auch im Hinblick auf seinen Strafcharakter nur dann erfüllen, wenn es sich in einem kurzen zeitlichem Abstand zur Tat auf den Täter auswirkt (OLG Düsseldorf, aaO). Etwas anderes könnte nur dann gelten, wenn der erhebliche Zeitablauf zwischen Tat und Verhängung des Fahrverbotes der Betroffenen angelastet werden kann (OLG Hamm, 5. Strafsenat, Beschluss vom 16.05.2000 – 5 Ss OWi 19/00). Dies ist hier indes nicht der Fall, da die Betroffene das Verfahren hier nicht in unlauterer Weise verzögert hat. Fehlerhafte Entscheidungen des Amtsgerichts, auch wenn sie zu ihren Gunsten ergehen, können der Betroffenen selbstverständlich nicht angelastet werden. Ebenso wenig kann ihr angelastet werden, dass das Amtsgericht hier nach Eingang der Akten vom Senat nicht in der Lage war, zeitnah zu terminieren sondern den Hauptverhandlungstermin erst ein weiteres Vierteljahr später anberaumt hatte.
Würde der Senat wie von der Generalstaatsanwaltschaft beantragt jetzt das Fahrverbot gegen die Betroffene verhängen, so wäre dies bereits nicht mehr innerhalb eines Zeitraumes von 2 Jahren seit der Tat möglich. Darüber hinaus hätte sich der Senat aber auch außer Stande gesehen, hier in der Sache selbst zu entscheiden. Der Senat kann nicht mit Sicherheit beurteilen, ob keine weiteren tatsächlichen Feststellungen zum Rechtsfolgenausspruch, insbesondere zur Verhängung des Fahrverbotes möglich sind. Das Amtsgericht hat sich der Notwendigkeit, solche ergänzenden Feststellungen zu treffen, nämlich aufgrund seiner grob fehlerhaften Rechtsanwendung ohne nachvollziehbaren Grund verschlossen. Diese Lücke hätte der Senat nicht zu Lasten der Betroffenen, die für dies alles nichts kann, schließen können.
Der Senat stellt allerdings klar, dass zum Zeitpunkt der Entscheidung des Amtsgerichts Bielefeld am 25.02.2002 entgegen der dort vertretenen Rechtsansicht aufgrund des seinerzeit erfolgten Zeitablaufs von nur einem Jahr und neun Monaten durchaus noch ein Fahrverbot hätte gegen die Betroffene verhängt werden können.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 473 Abs. 1 StPO in Verbindung mit § 46 Abs. 1 OWiG.