OLG Hamm
Az: 4 Ss Owi 841/02
Beschluss vom: 02.10.2002
Bußgeldsache wegen fahrlässiger Geschwindigkeitsüberschreitung außerorts.
Auf die Rechtsbeschwerde der Betroffenen gegen das Urteil des Amtsgerichts Ibbenbüren vom 12. Dezember 2001 hat der 4 . Senat für Bußgeldsachen des Oberlandesgerichts Hamm am 02. 10. 2002 nach Anhörung der Generalstaatsanwaltschaft beschlossen:
Das angefochtene Urteil wird im Rechtsfolgenausspruch mit den zugrundeliegenden Feststellungen aufgehoben.
Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens, an das Amtsgericht Ibbenbüren zurückverwiesen.
Gründe:
Das Amtsgericht hat gegen die Betroffene wegen „fahrlässiger Überschreitung der zulässigen Gesamtgeschwindigkeit von 60 km/h um 71 km/h gemäß §§ 41 II, 49 StVO in Verbindung mit §§ 24, 26a StVG, §§ 1ff BKatV“ eine Geldbuße von 1.100,00 DM festgesetzt, gegen die Betroffene ein Fahrverbot von einem Monat Dauer angeordnet und die Entscheidung über das Wirksamwerden des Fahrverbots gemäß § 25 Abs. 2 a StVG getroffen.
Nach den getroffenen Feststellungen befuhr die straßenverkehrsrechtlich bisher nicht nachteilig in Erscheinung getretene Betroffene am 10. Juni 2001 gegen 12.04 Uhr mit ihrem Pkw VW mit dem amtlichen Kennzeichen XXXXXXX in Höhe Hörstel die Bundesautobahn 30 in Fahrtrichtung Amsterdam. Die zulässige Höchstgeschwindigkeit ist in diesem Bereich durch Zeichen 274 auf 60 km/h beschränkt. Hier wurde die Geschwindigkeit des Fahrzeugs der Betroffenen mittels Police-Pilot-System bei km 40 „nach Abzug der Messtoleranz von 5% mit einer Mindestgeschwindigkeit von 131 km/h“ gemessen. Die Messung erfolgte nach einem „100 km/h-Zeichen“, einem „80 km/h-Zeichen und dem fünften „60 km/h-Zeichen“.
Die Geschwindigkeitsüberschreitung hat das Amtsgericht auf das Geständnis der Betroffenen gestützt, die sich im übrigen dahin eingelassen hat, Geschwindigkeitsbegrenzungsschilder nicht gesehen zu haben.
Gegen dieses Urteil richtet sich die zulässige Rechtsbeschwerde der Betroffenen, die mit ihrem Rechtsmittel allein ein Absehen vom Fahrverbot erstrebt. Wegen der Wechselwirkung von Geldbuße und Fahrverbot ist der Rechtsfolgenausspruch damit jedoch insgesamt angefochten, das Rechtsmittel auf dessen Überprüfung beschränkt.
Der Senat hatte somit nicht mehr zu überprüfen, ob und ggfls. warum das Amtsgericht die Geschwindigkeitsüberschreitung hier zu Recht auf ein glaubhaftes Geständnis der Betroffenen stützen konnte oder ob die Feststellungsgrundlagen für die Messung mittels Police-Pilot-System schon deshalb unzureichend mitgeteilt sind, weil die gemessene Geschwindigkeit nicht mitgeteilt worden ist.
Die auf die erhobene Sachrüge vorzunehmende Überprüfung des Rechtsfolgenausspruchs führt zu dessen Aufhebung.
Es fehlt schon, worauf die Generalstaatsanwaltschaft in ihrer Stellungnahme vom 19. September 2002 zu Recht hingewiesen hat, die Feststellungsgrundlage für die vom Amtsgericht festgestellte Beschilderung im Tatortbereich. Da die Feststellungen des angefochtenen Urteil ausweislich der Urteilsgründe allein auf der Einlassung der Betroffenen beruhen, die Betroffene sich jedoch eingelassen hat, keine geschwindigkeitsbeschränkendenden Verkehrszeichen gesehen zu haben, hätte mitgeteilt werden müssen, worauf diese Feststellungen beruhen. Das gilt auch dann, wenn die Beschilderung der Bundesautobahn in fraglichen Bereich gerichtsbekannt sein sollte.
Es fehlt auch jede Feststellungsgrundlage dafür und ergibt sich im übrigen aus den getroffenen Feststellungen auch nicht, dass die Betroffene auf ihrer Fahrt tatsächlich die festgestellten sieben geschwindigkeitsbeschränkenden Verkehrszeichen(paare) passiert hat. Insbesondere unter Zugrundelegung der Einlassung der Betroffenen, sie habe keine derartigen Verkehrszeichen wahrgenommen, besteht zumindest die Möglichkeit, dass sie erst nach mehreren dieser Zeichen auf die Autobahn aufgefahren ist, sie diese Zeichen also gar nicht wahrnehmen konnte. Auf der Grundlage der getroffenen Feststellungen kann der Senat nicht ausschließen, dass die Messung erfolgt ist, nachdem die Betroffene nur ein geschwindigkeitsbeschränkendes Schilderpaar passiert hat. Dann stellt sich jedoch die Frage nach einem Augenblicksversagen, bei dem ein Absehen vom Fahrverbot geboten sein kann, weil sich das Verhalten der Betroffenen nicht als gröblicher Verkehrsverstoß darstellt, § 25 Abs. 1 StVG. Der Senat ist sich zwar bewusst, dass bei ordnungsgemäßer Durchführung einer Messung mittels Police-Pilot-System schon wegen der erforderlichen Messstrecke dieser Fall auszuschließen ist, kann aber angesichts des Fehlens jeglicher Feststellungen zu der Messung auch nicht vom Vorliegen einer ordnungsgemäßen Messung ausgehen.
Die verhängte Geldbuße von 1.100,00 DM kann schon deshalb keinen Bestand haben, weil ihre Höhe der zwingenden Vorschrift des § 17 Abs. 1 und 2 OWiG widerspricht. Da das Amtsgericht hier von fahrlässiger Begehungsweise ausgegangen ist, hätte das Bußgeld allenfalls auf 1.000,00 DM festgesetzt werden dürfen.
Im übrigen sind die Ausführungen dazu, dass die Regelgeldbuße von 750,00 DM gemäß § 2 Abs. 4 BKatV angemessen zu erhöhen war, rechtsfehlerhaft. Das Amtsgericht hat dazu u.a. folgendes ausgeführt:
„Wegen des erzieherischen Charakters des Fahrverbotes, welches zwingend erforderlich erschien, um die Betroffene auf die Gefährlichkeit seiner (gemeint ist: ihrer) Handlungen nachdrücklich hinzuweisen, konnte dieses nicht durch eine bloße Erhöhung der Geldbuße ausgeglichen werden.
Da jedoch keine Voreintragungen im Verkehrszentralregister zu Lasten der Betroffenen vorhanden sind, ist das Gericht der Auffassung, dass auch ein einmonatiges Fahrverbot die Denkzettel- und Besinnungsfunktion ausreichend wahrt und die Betroffene veranlasst, sich in Zukunft im Straßenverkehr angepasst zu verhalten.“
Hiernach ist davon auszugehen, dass das Amtsgericht die Verhängung eines einmonatigen Fahrverbotes für erforderlich, aber auch für ausreichend angesehen hat, die Betroffene in Zukunft zu einem verkehrsgerechten Verhalten anzuhalten. Dann ist jedoch für eine Erhöhung der Geldbuße wegen der Verringerung des hier regelmäßig vorgesehenen dreimonatigen Fahrverbot auf einen Monat kein Raum. Eine derartige Erhöhung käme nur dann in Betracht, wenn zur Einwirkung auf die Betroffene neben dem einmonatigen Fahrverbot auch die Verhängung einer erhöhten Geldbuße erforderlich gewesen wäre. Das ergibt sich jedoch aus dem angefochtenen Urteil gerade nicht.
Das Urteil war daher im Rechtsfolgenausspruch mit den zugrundeliegenden Feststellungen auszuheben. Die Sache war an das Amtsgericht zurückzuverweisen. Das Amtsgericht wird auch über die Kosten der Rechtsbeschwerde zu entscheiden haben, da deren Erfolg noch nicht feststeht.