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Fahrverbot – bestimmte Fahrzeugarten hiervon ausnehmen – Verwendungszweck

OLG Hamm

Az: 4 Ss OWi 536/06

Beschluss vom 14.09.2006


Auf die Rechtsbeschwerde der Staatsanwaltschaft Arnsberg gegen das Urteil des Amtsgerichts Menden vom 3. März 2006 hat der 4. Senat für Bußgeldsachen des Oberlandesgerichts Hamm am 14. 09. 2006 durch den Richter am Oberlandesgericht als Einzelrichter nach Anhörung des Betroffenen beschlossen:

Das angefochtene Urteil wird im Rechtsfolgenausspruch mit den insoweit zugrunde liegenden Feststellungen aufgehoben.

Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Rechtsbeschwerde, an das Amtsgericht Menden zurückverwiesen.

Gründe:

I.

Das Amtsgericht hat den Betroffenen durch Urteil vom 3. März 2006 wegen fahrlässiger Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit innerhalb geschlossener Ortschaft um 30 km/h zu einer Geldbuße von 110,- EUR verurteilt und zugleich ein Fahrverbot für die Dauer von einem Monat verhängt. Von diesem Fahrverbot ausgenommen hat das Amtsgericht Fahrten mit Kunden- oder Firmenfahrzeugen während der betrieblichen Geschäftszeiten, die zur Abnahme von Reparaturen durchgeführt werden.

Gegen dieses Urteil richtet sich die statthafte und fristgerecht eingelegte Rechtsbeschwerde der Staatsanwaltschaft Arnsberg, die auf den Rechtsfolgenausspruch beschränkt ist und die Verletzung materiellen Rechts rügt.

Aufgrund der wirksamen Beschränkung des Rechtsmittels steht fest, dass der Betroffene am 12. Juni 2005 gegen 13.43 Uhr mit seinem Kraftrad (amtliches Kennzeichen XXXXXXX) die Arnsberger Straße in Balve-Beckum in Fahrtrichtung Hövel befuhr und dabei die zulässige Höchstgeschwindigkeit von 50 km/h um 30 km/h überschritt.

II.

Das Rechtsmittel hat einen zumindest vorläufigen Erfolg. Die Beschränkung des Fahrverbotes erfolgte nicht rechtsfehlerfrei.

Die Generalstaatsanwaltschaft hat zu der Einschränkung des Fahrverbots Folgendes ausgeführt:

„Das Amtsgericht durfte von dem Fahrverbot nicht – wie geschehen – bestimmte Fahrten ausnehmen. Nach § 25 Abs. 1 S. 1 StVG kann dem Täter für eine bestimmte Zeit verboten werden „Kraftfahrzeuge jeder Art oder einer bestimmten Art zu führen“. Die mithin zulässige Ausnahme bestimmter Arten von Kraftfahrzeugen vom Fahrverbot beschränkt sich zwar nicht auf Fahrzeuggruppen, für die jeweils eine „Klasse“ der Fahrerlaubnis erteilt wird (vgl. § 6 Abs. 1 S. 1 FeV). Auch innerhalb dieser „Klassen“ können einzelne Fahrzeugarten von der Ausnahme betroffen sein. Das ergibt sich bereits daraus, dass auch umgekehrt die Erteilung der Fahrerlaubnis, falls dies notwendig ist, innerhalb einer „Klasse“ auf bestimmte Fahrzeugarten beschränkt werden kann (§ 6 Abs. 1 S. 2 FeV). Jedoch muss es sich bei der von einem Fahrverbot ausgenommenen Fahrzeug“art“ um eine Gruppe von Kraftfahrzeugen mit einem bestimmten Verwendungszweck handeln, der sich auf die Bauart des Kraftfahrzeuges ausgewirkt hat (zu vgl. VRS 96, 233-236 m.w.N.). Eine andersartige Einschränkung des Verbots ist dagegen nicht zulässig (zu vgl. Tröndle/Fischer, StGB, 53. Aufl., § 44 Rdnr. 15). Die Richtigkeit dieser Ansicht ergibt sich außer aus dem Wortlaut von § 25 Abs. 1 S. 1 StVG auch aus dem Zusammenhang der gesetzlichen Vorschriften sowie aus praktischen Erwägungen. Auch § 69 a Abs. 2 StGB verwendet den Begriff „bestimmte Arten von Kraftfahrzeugen“ in dem Sinne, daß sie von dem Verbot, eine Fahrerlaubnis zu erteilen, ausgenommen werden können. Die Bedeutung des Begriffes ist hier eindeutig. Diese Ausnahme ist nur sinnvoll, wenn die Verwaltungsbehörde von der Ausnahme auch durch die Erteilung einer Fahrerlaubnis Gebrauch machen kann. Es entspricht der überkommenden Vorstellung davon, was Inhalt einer Fahrerlaubnis sein kann, dass die „einzelne Fahrzeugart“, auf die die Erlaubnis beschränkt werden kann, nach Verwendungszweck und Bauart definierbar sein muss. Das ist schon deshalb nötig, weil sonst die Kontrolle – beispielsweise durch die Polizei -, ob sich das Führen eines Fahrzeuges im konkreten Fall innerhalb der Grenzen der Fahrerlaubnis hält, nicht mit der erforderlichen Schnelligkeit und Eindeutigkeit möglich ist. Hieraus folgt, dass auch die Ausnahme im Sinne von § 69 a Abs. 2 StGB nach Zweck und Bauart der ausgenommenen Fahrzeuge zu bemessen ist (vgl. OLG Hamm NJW 1971, 1193; OLG Saarbrücken NJW 1970, 1052; VRS 43, 22; OLG Frankfurt VM 77, 30; BayObLG VRS 66, 445). Hinzu kommt folgendes: Das Fahrverbot wird vollstreckt, indem der Führerschein amtlich verwahrt wird (§ 25 Abs. 2 S. 2 StVG). Das gilt auch, wenn eine Fahrzeugart von dem Fahrverbot ausgenommen ist. In diesem Fall stellt die Verwaltungsbehörde dem Betroffenen einen Ersatzführerschein für die ausgenommene Fahrzeugart aus (Tröndle/Fischer, a.a.O., § 44 Rdnr. 19). Das ist erforderlich, weil der Betroffene seiner Pflicht, den Führerschein bei den nach wie vor erlaubten Fahrten mitzuführen, sonst nicht nachkommen kann. Hieraus wiederum ergibt sich, dass von dem Fahrverbot nur solche Fahrzeugarten ausgenommen werden können, für die die Verwaltungsbehörde einen Führerschein ausstellen kann. Das Fahrverbot kann deshalb in seiner bisherigen Form bereits aus Rechtsgründen nicht bestehen bleiben.

Die aufgezeigten Mängel führen zur Aufhebung des Urteils im gesamten Rechtsfolgenausspruch. Eine Entscheidung des Senats gem. § 79 Abs. 6 OWiG kommt nicht in Betracht, weil – etwa zu den persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen des Betroffenen – weitere Feststellungen zu treffen sind.

Es erscheint notwendig, das Amtsgericht im Hinblick auf die erneute Verhandlung und Entscheidung auf Folgendes hinzuweisen:

Die Bußgeldkatalogverordnung sieht für die von dem Betroffenen begangene Ordnungswidrigkeit gem. § 4 Abs. 2 Satz 2 BKatV bei einem Verstoß gegen § 25 Abs. 1 Satz 1 StVG regelmäßig ein Fahrverbot von einem Monat vor. Die Einschlägigkeit dieses Tatbestandes indiziert das Vorliegen eines beharrlichen Verstoßes im Sinne des § 25 Abs. 1 Satz 1 StVG, der zugleich ein derart hohes Maß an Verantwortungslosigkeit offenbart, dass es regelmäßig der Denkzettel- und Besinnungsmaßnahme eines Fahrverbotes bedarf (vgl. BGHSt 38, 124, 134/135), sofern nicht besondere Umstände diese Anordnung als unangemessen erscheinen lassen und ergeben, dass der mit ihr bezweckte Erfolg auch durch eine erhöhte Geldbuße erreicht werden könnte. Dies bedeutet, dass nur dann, wenn der Sachverhalt zugunsten des Betroffenen so erheblich vom Regelfall abweicht, dass er als Ausnahme zu werten ist, die Anwendung der Regelbeispielstechnik des Bußgeldkatalogs unangemessen sein kann (KG Berlin, Beschluss vom 22.08.2001 – 3 Ws (B) 348/01). Dem tatrichterlichen Beurteilungsspielraum sind jedoch insoweit enge Grenzen gesetzt und die Feststellungen müssen die Annahme eines Ausnahmefalles nachvollziehbar erscheinen lassen (Senatsbeschlüsse vom 07.05.1998 – 4 Ss OWi 426/98 – und vom 18.02.2003 – 4 Ss OWi 73/03 -; KG Berlin, Beschluss vom 22.08.2001 – 3 Ws (B) 348/01). Zwar kann auch nach Abwägung aller Umstände – bei der grundsätzlichen Verhängung eines Fahrverbots – eine einschränkende Bemessung der angeordneten Rechtsfolge angezeigt sein, wenn ein eingeschränktes Fahrverbot als Denkzettel- und Besinnungsmaßnahme ausreicht und andererseits unbeschränktes Fahrverbot eine unverhältnismäßige Belastung des Betroffenen mit sich bringen würde (zu vgl. VRS 96, 233 – 236). Doch auch in diesem Fall muss der Tatrichter eine dahingehende Entscheidung so mit tatsächlichen Feststellungen belegen, dass dem Rechtsbeschwerdegericht eine Überprüfung möglich ist (zu vgl. OLG Düsseldorf, NZV 1994, 407; 1996, 247). Diesen Maßstäben genügt das angefochtene Urteil nicht. Einen Ausnahmefall für ein eingeschränktes Fahrverbot können zwar Härten ganz außergewöhnlicher Art wie z.B. der Verlust der sonstigen wirtschaftlichen Existenzgrundlage (zu vgl. OLG Hamm, VRS 1990, 210) begründen. Allein die Feststellung, der Betroffene sei aus beruflichen Gründen darauf angewiesen, Fahrten mit Kundenfahrzeugen zur Abnahme von Reparaturen durchzuführen und nicht in der Lage, das Fahrverbot mit seinem Urlaub zu überbrücken, rechtfertigt die Beschränkung des Fahrverbots indes nicht. Das Amtsgericht hat insofern nicht positiv festgestellt, dass die wirtschaftliche Existenz des Betroffenen bei einem unbeschränkten Fahrverbot gefährdet wäre, insbesondere hat es nicht geprüft, welche konkreten Auswirkungen das Fahrverbot nach sich ziehen würde. Es hat weder die Häufigkeit und Notwendigkeit der Fahrten noch die Möglichkeit von Alternativen geprüft. Die pauschale Behauptung, ein unbeschränktes Fahrverbot könne weder durch Urlaub noch durch andere Maßnahmen ersetzt werden, reicht zur Begründung des eingeschränkten Fahrverbots jedenfalls nicht.“

Diesen zutreffenden Ausführungen schließt der Senat sich an.

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