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Fahrverbot – Absehen bei Autohausbesitzer

Oberlandesgericht Hamm

Az: 4 Ss OWi 105/08

Beschluss vom 08.11.2007


Auf die Rechtsbeschwerde des Betroffenen gegen das Urteil des Amtsgerichts Tecklenburg vom 8. November 2007 hat der 4. Senat für Bußgeldsachen des Oberlandesgerichts Hamm am 21. 02. 2008 durch den Richter am Oberlandesgericht als Einzelrichter nach Anhörung der Generalstaatsanwaltschaft beschlossen:

Die Rechtsbeschwerde wird als unbegründet auf Kosten des Betroffenen verworfen.

Gründe:

I.
Das Amtsgericht hat den Betroffenen wegen einer fahrlässig begangenen Verkehrsordnungswidrigkeit der Geschwindigkeitsüberschreitung zu einer Geldbuße von 450,- EUR verurteilt und zugleich – unter Anwendung von § 25 Abs. 2 a StVG – ein Fahrverbot von einem Monat verhängt.

Nach den getroffenen Feststellungen befuhr der Betroffene am 1. Mai 2007 gegen 09.27 Uhr mit seinem PKW, amtliches Kennzeichen XXXXXX in Lengerich die Bundesautobahn 1 in Fahrtrichtung Dortmund. Innerhalb einer ausgeschilderten Geschwindigkeitsbegrenzungszone auf 100 km/h befuhr er den rechten Fahrstreifen der Bundesautobahn mit einer Geschwindigkeit von mindestens 163 km/h und überschritt damit die zulässige Höchstgeschwindigkeit um mindestens 63 km/h.

Der Betroffene hat sich wie folgt eingelassen:

„Der Betroffene räumt den Verstoß ein. Er wendet sich gegen das Fahrverbot und trägt dazu vor, er sei Betreiber eines Autohauses. Er benötige den Führerschein für Probefahrten, für die An- und Abmeldung von Kraftfahrzeugen und für den Hol- und Bringedienst. Darüber hinaus müsse er 13 Kilometer zurücklegen zwischen seiner Wohnung und der Betriebsstätte. Das sei nur schwer mit öffentlichen Verkehrsmitteln überbrückbar. Eine zusätzliche Kraft für die betriebsbedingten Fahrten sei nicht finanzierbar. Einen mehrmonatigen Urlaub könne sich das Unternehmen nicht leisten. Es würde zu Umsatzrückgängen führen. In der Firma würden zwei Monteure beschäftigt.“

Das Gericht hat nach durchgeführter Beweisaufnahme unter Berücksichtigung der geständigen Einlassung des Betroffenen den Verkehrsverstoß für erwiesen angesehen und den Rechtsfolgenausspruch wie folgt begründet:

„Der Bußgeldkatalog sieht für einen Verstoß der vorliegenden Art eine Regelbuße von 275,00 EUR und ein zweimonatiges Fahrverbot vor. Der Betroffene ist nicht vorbelastet.

Dem Gericht ist bekannt, dass in geeigneten Ausnahmefällen vom Vorschlag des Bußgeldkataloges Abstand genommen werden kann und das Fahrverbot, gegebenenfalls unter Erhöhung der Geldbuße, entfallen kann oder auch bei mehrmonatigen Fahrverboten verkürzt werden kann. Das Gericht geht davon aus, dass in einem Autohaus mit zwei Monteuren nicht nur der Betroffene als Chef im Besitz eines Führerscheins ist. Fahrten können danach auch von Monteuren durchgeführt werden. Die Fahrt zur Arbeitsstätte müsste mit öffentlichen Verkehrsmitteln überbrückbar sein. Insofern berichtet der Betroffene lediglich von Schwierigkeiten. Schwierigkeiten bedeuten wohl zusätzlichen Zeitaufwand und Unbequemlichkeit. Das reicht zum Wegfall des Fahrverbotes nicht aus. Allerdings ist nachzuvollziehen, dass bei einem Autohaus mit wenigen Beschäftigten der Wegfall des Führerscheins für den Betriebsinhaber eine erhebliche Einschränkung bedeutet, insbesondere, wenn das Fahrverbot zwei Monate dauert. Ein Wegfall des Fahrverbotes insgesamt erschien hier nicht vertretbar da nicht von einer Existenzgefährdung ausgegangen wird, jedenfalls nicht bei einem Fahrverbot von einem Monat. Bei der gegebenen Situation und den Folgen eines Fahrverbotes für den Betroffenen erschien ein einmonatiges Fahrverbot ausreichend um mit großer Wahrscheinlichkeit den Betroffenen dazu zu bringen, sich in Zukunft sorgfältiger an die Regeln des Straßenverkehrs zu halten. Ein einmonatiges Fahrverbot und eine Geldbuße von 450,00 EUR erschienen insgesamt schuld- und tatangemessen und erforderlich bei dieser erheblichen Geschwindigkeitsüberschreitung aber auch ausreichend unter Berücksichtigung der Folgen eines Fahrverbotes für den Betroffenen und des Umstandes, dass der Betroffene nicht vorbelastet ist.“

Gegen diese Entscheidung richtet sich die auf die formelle und materielle Rüge gestützte Rechtsbeschwerde des Betroffenen. Die Generalstaatsanwaltschaft beantragt die Aufhebung des Urteils im Rechtsfolgenausspruch und die Zurückverweisung der Sache an das Amtsgericht.

II.

Das Rechtsmittel ist nicht begründet.

1. Die formelle Rüge ist unzulässig, da sie nicht ausreichend i.S.d. § 344 Abs. 2 S. 2 StPO i.V.m. § 79 Abs. 3 OWiG begründet worden ist.

2. Zutreffend geht die Generalstaatsanwaltschaft davon aus, dass das Rechtsmittel in zulässiger Weise ersichtlich auf den Rechtsfolgenausspruch beschränkt ist. Denn mit der Rechtsbeschwerde richtet sich der geständige Betroffene erkennbar ausschließlich gegen die Verhängung eines Fahrverbotes. Die getroffenen Feststellungen tragen den Schuldspruch.

3. Die Überprüfung des Rechtsfolgenausspruchs lässt einen Rechtsfehler nicht erkennen. Die Bedenken der Verteidigung und der Generalstaatsanwaltschaft greifen insofern nicht durch.

Die Generalstaatsanwaltschaft weist im Grundsatz zutreffend darauf hin, dass es in erster Linie der Beurteilung durch den Tatrichter unterliegt, ob trotz Vorliegens eines Regelfalls der konkrete Sachverhalt Ausnahmecharakter hat und demgemäß von der Verhängung eines Fahrverbots abgesehen werden kann. Diesem ist insoweit kein rechtlich ungebundenes und freies Ermessen eingeräumt, sondern der dem Tatrichter gegebene Entscheidungsspielraum ist durch gesetzlich niedergelegte und von der Rechtsprechung herausgearbeitete Zumessungskriterien eingeengt und unterliegt in gewissen Grenzen der Kontrolle durch das Rechtsbeschwerdegericht. Die Entscheidung des Tatrichters ist jedoch vom Rechtsbeschwerdegericht im Zweifelsfall bis an die Grenze des Vertretbaren hinzunehmen, der Tatrichter muss indes für seine Entscheidung eine eingehende, auf Tatsachen gestützte Begründung geben. Letzteres ist hier der Fall. Der Betroffene hat in der Hauptverhandlung behauptet, dass ein Fahrverbot Probleme für seinen Betrieb zur Folge hätte, eine Existenzgefährdung, die Anlass geben könnte, das Fahrverbot in Wegfall zu bringen, hat er jedoch nicht vorgetragen. Insbesondere ist eine Existenzgefährdung nicht darin zu sehen, dass der Betroffene die 13 Kilometer zwischen seiner Wohnung und der Betriebsstätte nur schwer mit öffentlichen Verkehrsmitteln zurücklegen kann. Dem Betroffenen ist es zuzumuten, zusätzlich auf ein Fahrrad zurückzugreifen oder auch einige Kilometer zu Fuß zurückzulegen. Solche „Unannehmlichkeiten“ muss eine Vielzahl von Arbeitnehmern „ertragen“, um den Arbeitsplatz zu erreichen. Darüber hinaus sind auch keine Anhaltspunkte dafür ersichtlich, dass ein einmonatiges Fahrverbot die Existenz des Betriebes des Betroffenen gefährden könnte. Der Betroffene hat hierzu selbst angegeben, dass lediglich ein mehrmonatiger Urlaub für das Unternehmen nicht tragbar sei. Bereits daraus ist zu schließen, dass ein einmonatiger Urlaub ohne Weiteres zu verkraften sein wird. Die dabei entstehenden Umsatzrückgänge sind typisch für die Urlaubszeit und für sich betrachtet nicht existenzgefährdend. Es liegen mithin keinerlei Anhaltspunkte dafür vor, dass ein einmonatiges Fahrverbot nennenswerte negative Auswirkungen auf die Existenz des Unternehmens des Betroffenen haben könnte. Insofern war eine weitere Aufklärung und/oder Auseinandersetzung mit dem Gesichtspunkt der Existenzgefährdung durch den Tatrichter nicht erforderlich.

Rechtsfehler sind auch nicht hinsichtlich der Verhängung einer Geldbuße von 450,- EUR zu erkennen, zumal der Tatrichter statt des zweimonatigen Fahrverbots lediglich ein solches von einem Monat verhängt hat, so dass die Erhöhung der Regelbuße von 275,- EUR im Rahmen der Angemessenheit liegt.

III.

Die Kostenentscheidung trägt der Erfolglosigkeit des Rechtsmittels Rechnung.

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