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Fahrverbot – Morhphingebrauch – Fahruntüchtigkeit

Oberlandesgericht Bamberg

Az: 3 Ss OWi 688/05

Beschluss vom 27.02.2007


Der 3. Senat für Bußgeldsachen des Oberlandesgerichts Bamberg hat in dem Bußgeldverfahren wegen Verkehrsordnungswidrigkeit am 27. Februar 2007 b e s c h l o s s e n :

I. Auf die Rechtsbeschwerde des Betroffenen wird das Urteil des Amtsgerichts vom 18. Februar 2005 unter Aufrechterhaltung der bisherigen Feststellungen zum Schuldspruch aufgehoben.

II. Die Sache wird zur neuen Entscheidung an das Amtsgericht zurückverwiesen.

G r ü n d e :

I.
Das Amtsgericht hat den Betroffenen wegen einer fahrlässig begangenen Ordnungswidrigkeit des Führens eines Kraftfahrzeugs unter der Wirkung eines berauschenden Mittels (Morphin) nach § 24 a Abs. 2 in Verbindung mit Abs. 3 StVG zu einer Geldbuße von 250 Euro verurteilt und ein Fahrverbot von einem Monat verhängt.

1. Der Verurteilung liegt nach den Feststellungen folgender Sachverhalt zugrunde:

Gegen 17.30 Uhr beobachtete der Polizeibeamte PHM W. den Betroffenen in seinem Pkw fahrend im Stadtgebiet von S. Da der Betroffene der Polizei als zumindest in Rauschgiftkreisen verkehrend bekannt war, entschloss man sich, den Betroffenen einer Kontrolle zu unterziehen. Nachdem der Betroffene auf der Dienststelle einen Urintest verweigert hatte, wurde eine Blutentnahme angeordnet, die um 19.12 Uhr vollzogen wurde. Das Ergebnis der toxikologischen Untersuchung der Blutprobe ergab, dass im Blut Morphin < 10,0 ng/ml nachweisbar war. Eine Aufnahme von morphinhaltigen Mitteln zwischen Kontrolle und Blutentnahme war nicht möglich bzw. nicht relevant.

Der Betroffene hatte zunächst angegeben, erkältungsbedingt codeinhaltige Präparate eingenommen und Mohnbrötchen verzehrt zu haben, seine Einlassung nach Gutachtenerstellung durch den rechtsmedizinischen Sachverständigen allerdings dahin modifiziert, möglicherweise auch am frühen Nachmittag bzw. nachmittags Mohnkuchen verzehrt zu haben.
Der Sachverständige führte aus, an seinem Institut sei die technische Ausstattung derart, dass ein Nachweis von Morphin im Blut ab 2,5 ng/ml Blut möglich ist. Soweit im schriftlichen Gutachten davon die Rede sei, dass eine Konzentration von kleiner als 10 ng/ml Blut nachweisbar ist, rühre dies daher, dass es sich bei dem Wert 10 ng/ml Blut um eine Bestimmungsgrenze handelt. Dies bedeute, dass bei dem von ihm durchgeführten Messverfahren Angaben über die exakte Höhe der Konzentration zwischen 2,5 ng/ml und 10 ng/ml nicht möglich seien; jedoch stehe fest, dass eine Morphinkonzentration von über 2,5 ng/ml im Blut vorhanden gewesen sei. Wolle man die exakte Konzentration feststellen, müsse ein anderes Messverfahren gewählt werden.

Nach Auffassung des Amtsgerichts konnte die Einlassung des Betroffenen, er habe Kodeinpräparate konsumiert, durch den Sachverständigen aus wissenschaftlicher Sicht widerlegt werden. Zwar enthalte Kodein als Abbauprodukt ebenfalls Morphin, jedoch hätte in diesem Fall neben Morphin auch Kodein im Blut nachgewiesen werden müssen. Der Verzehr von Mohnbrötchen sei nicht geeignet, eine Morphinkonzentration im Blut hervorzurufen, was daran liege, dass in der Regel bei Mohnkörnchen der Mohn auf die Brötchen aufgestreut werde und sich auch beim Backen und beim Verzehr Morphin nicht entwickeln könne. Anders sehe es bei Mohnkuchen aus. Dadurch, dass hier die Schale der Mohnkörnchen aufgerieben werde, würden Substanzen freigesetzt, die zu einer Konzentration von Morphin im Blut führen könnten. Die weitere Einlassung des Betroffenen, Mohnkuchen verzehrt zu haben, wertete das Amtsgericht als eine im nachhinein zurecht gelegte Schutzbehauptung, die erst dann vorgetragen worden sei, als der Sachverständige sein Gutachten erstattet und auf die Möglichkeit von Morphinkonzentrationen im Blut nach dem Verzehr von Mohnkuchen hingewiesen hatte.

2. Mit seiner auf die Sachrüge gestützten Rechtsbeschwerde rügt der Betroffene u.a. die Verletzung des Zweifelssatzes in dubio pro reo. Nach den Ausführungen des rechtsmedizinischen Sachverständigen sei zugunsten des Betroffenen von der denkbar niedrigsten Morphinkonzentration von 2,5 ng/ml Blut auszugehen, mithin von einem Wert, der nach Aussage des Sachverständigen bereits mit dem Genuss nur eines Stücks Mohnkuchen um das 4-fache übertroffen und bis zu 4 Stunden nach dem Verzehr mit Morphinkonzentrationen über 10 ng/ml festgestellt werden könne. In Verbindung mit dem Rechtsgedanken des stattgebenden Kammerbeschlusses der 2. Kammer des Ersten Senats des Bundesverfassungsgerichts vom 21.12.2004 zur THC-Wirkstoffkonzentration infolge Cannabis-Konsums (1 BvR 2652/03, abgedruckt u.a. in NJW 2005, 349; weitere Nachweise sogleich unten) habe das Amtsgericht nur zu einem Freispruch gelangen dürfen. Die zugunsten des Betroffenen anzusetzende Morphinkonzentration von 2,5 ng/ml Blut stelle die Untergrenze der Nachweisbarkeit dar mit der Folge, dass eine theoretische Beeinträchtigung der Fahrleistung nicht in Betracht komme.

3. Die Staatsanwaltschaft bei dem Rechtsbeschwerdegericht hat demgegenüber beantragt, die Rechtsbeschwerde als unbegründet zu verwerfen.
Der Gesetzgeber habe mit § 24 a Abs. 2 StVG einen Gefährdungstatbestand geschaffen, der ein allgemeines Verbot ausspreche und auf eine tatsächliche Beeinträchtigung der Fahrtüchtigkeit im Einzelfall nicht abstelle. Ausweislich der Begründung zum ÄndG. v. 28.04.1998 (BT-Drucks. 13/3764) könne eine Dosis-Wirkungsbeziehung – anders als beim Alkohol – zwischen den benannten berauschenden Mitteln und ihrem Einfluss auf Leistungseinbußen beim Führen eines Kraftfahrzeugs nicht in der Weise festgestellt werden, dass sie erst ab bestimmten Grenzwerten gegeben sei.
Einer weiteren Überprüfung der konkreten Wirkstoffkonzentration habe es nicht bedurft. Denn eine Wirkstoffgrenze oder Mindestgrenze oder eine konkrete rauschmittelbedingte Beeinträchtigung beim Führen des Kraftfahrzeugs werde nach dem klaren Gesetzeswortlaut für den objektiven Tatbestand weder vorausgesetzt, noch sei insoweit eine einschränkende Auslegung der Bußgeldbewehrung von Verfassungs wegen geboten. Im Übrigen betreffe die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 21.12.2004 die Nachweisdauer für THC, während der Betroffene unter der Wirkung von Morphin gestanden habe.

II.
Die Entscheidung über die Rechtsbeschwerde ist mit Beschluss des Einzelrichters gemäß § 80 a Abs. 3 Satz 1 i.V.m. Abs. 1 OWiG auf den Bußgeldsenat in der Besetzung mit drei Richtern (§ 80 a Abs. 2 OWiG) übertragen worden, weil es geboten ist, das Urteil zur Fortbildung des Rechts nachzuprüfen. Der vorliegende Fall gibt Veranlassung, die Frage, welche tatbestandlichen Anforderungen in objektiver Hinsicht an einen Verstoß gegen § 24 a Abs. 2 StVG zu stellen sind, näher zu klären.

III.
Die statthafte (§ 79 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 OWiG) und auch im Übrigen zulässige Rechtsbeschwerde erweist sich zumindest vorläufig – als erfolgreich.

Die bisherigen Feststellungen des Amtsgerichts tragen schon den Schuldspruch wegen fahrlässigen Führens eines Kraftfahrzeugs unter der Wirkung eines berauschenden Mittels nach § 24 a Abs. 2 in Verbindung mit Abs. 3 StVG und damit auch den Rechtsfolgenausspruch einschließlich des Fahrverbots nicht. Denn das Amtsgericht hat aus seiner Sicht konsequent und im Einklang mit der im Urteilszeitpunkt herrschenden fachgerichtlichen Rechtsprechung (vgl. z.B. BayObLG NStZ 2004, 703; NZV 2003, 252/253; OLG Zweibrücken NStZ-RR 2004, 149/151; NZV 2001, 483/484; OLG Saarbrücken VRS 102, 120; OLG Bamberg, Beschluss vom 07.03.2005 2 Ss OWi 206/05; ferner Hentschel Straßenverkehrsrecht 38. Aufl. § 24 a StVG Rn. 21, 24 und Janiszewski/Jagow/Burmann Straßenverkehrsrecht 19. Aufl. § 24 a StVG Rn. 5 jeweils m.w.N.) – keine Feststellungen dazu getroffen, ob es die bei dem Betroffenen festgestellte Morphinkonzentration als möglich erscheinen lässt, dass der Betroffene am Straßenverkehr teilgenommen hat, obwohl seine Fahrtüchtigkeit zum Zeitpunkt des Führens des Kraftfahrzeugs im Straßenverkehr eingeschränkt war. Diese Frage bedurfte jedoch ungeachtet des seitens der Staatsanwaltschaft bei dem Rechtsbeschwerdegericht zutreffend herausgestellten und dem Gesetzeswortlaut entsprechenden Charakters der Regelung des § 24 a Abs. 2 Satz 1 und 2 StVG als abstraktes Gefährdungsdelikt, seiner Funktion als Auffangtatbestand zu den §§ 316, 315 c Abs. 1 Nr. 1 StGB und seines Schutzzwecks vorliegend angesichts der Fortentwicklung der Messverfahren zum Nachweis des berauschenden Mittels im Blut, insbesondere in Bezug auf Wirkstoffkonzentration und Nachweisdauer, der konkreten tatrichterlichen Feststellung.

1. Nach § 24 a Abs. 2 StVG handelt ordnungswidrig, wer (zumindest) fahrlässig gegen das Verbot zum Führen eines Kraftfahrzeugs im Straßenverkehr unter der Wirkung der in der Anlage zu § 24 a StVG aufgeführten berauschenden Mittel verstößt (zu den gesteigerten Anforderungen an den Nachweis des subjektiven Tatbestandes bzw. der inneren Tatseite, wenn zwischen der Einnahme des berauschenden Mittels und der Verkehrsteilnahme, d.h. der Wirkung des Rauschmittels zum Tatzeitpunkt, ein längerer Zeitraum verstrichen ist, OLG Hamm NJW 2005, 3298 ff. = DAR 2005, 640 ff. = BA 43, 232 ff.; vgl. auch OLG Bremen NZV 2006, 276 f. und zuletzt OLG Saarbrücken NJW 2007, 309/311).

a) Die Verwirklichung des objektiven Tatbestandes von § 24 a Abs. 2 StVG setzt deshalb grundsätzlich lediglich die Feststellung voraus, dass das berauschende Mittel zum Zeitpunkt des Führens eines Kraftfahrzeugs im Straßenverkehr gewirkt hat. Eine solche Wirkung liegt nach § 24 a Abs. 2 Satz 2 StVG vor, wenn festgestellt wird, dass zu diesem Zeitpunkt eine in der Anlage zu § 24 a StVG genannte Substanz, darunter Morphin, im Blut des Betroffenen nachgewiesen ist, und diese Substanz nicht aus der bestimmungsgemäßen Einnahme eines für einen konkreten Krankheitsfall verschriebenen Arzneimittels herrührt (§ 24 a Abs. 2 Satz 3 StVG).

b) Allerdings beruht die Regelung auf der Annahme, dass bei einem solchen Nachweis die Möglichkeit einer Beeinträchtigung der Leistungsfähigkeit und damit die der Bußgeldbewehrung zu Grunde liegende Annahme einer abstrakten Verkehrsgefährdung gegeben ist. Der Gesetzgeber ging insoweit davon aus, dass Wirkungs- und Nachweisdauer bei den einzelnen Mitteln übereinstimmen, weil die Feststellung der in der Anlage zu § 24 a StVG genannten Substanzen im Blut im Hinblick darauf, dass sie dort mitunter nur wenige Stunden nachgewiesen werden können, eine Aussage über den erforderlichen engen zeitlichen Zusammenhang zwischen der Einnahme des berauschenden Mittels und der Blutentnahme gestattet (vgl. BT-Dr. 13/3764, S. 4 f.).
Diese Annahme ist jedoch nicht mehr uneingeschränkt gerechtfertigt. So hat sich die Nachweisdauer für das Vorhandensein von Tetrahydrocannabinol (THC), dem psychoaktiven Hauptwirkstoff von Cannabis, auf Grund von Blutproben wesentlich erhöht. Spuren der Substanz lassen sich heute über mehrere Tage, unter Umständen sogar Wochen nachweisen. Die Annahme des Gesetzgebers von der Identität der Wirkungs- und Nachweiszeit triff deshalb für Cannabis nicht mehr zu mit der Folge, dass ein positiver Drogenbefund bei der Blutuntersuchung auch noch dann festgestellt werden kann, wenn der Konsum des Rauschmittels tatsächlich schon längere Zeit vor der Fahrt erfolgte und von der Möglichkeit einer Beeinträchtigung der Leistungsfähigkeit nicht mehr ausgegangen werden kann. Der Vorstellung des Gesetzgebers, die in der Anlage zu § 24 a StVG aufgeführten Wirkstoffe seien nur in einem engen zeitlichen Zusammenhang mit dem Genuss des berauschenden Mittels im Blut nachweisbar, ist damit jedenfalls für THC – die Grundlage entzogen (BVerfG NJW 2005, 349/350 f. m.w.N.; weitere Nachweise sogleich unten).

c) Ob deshalb auch für das zur Substanzklasse der Opiate zählende Morphin und nicht zuletzt für das von ihm abgeleitete – ebenfalls in der Anlage zu § 24 a Abs. 2 StVG ausdrücklich genannte – halbsynthetische Derivat Heroin (Diazethylmorphin) nicht mehr länger von einer übereinstimmenden Wirkungs- und Nachweisdauer auszugehen ist, entzieht sich einer abschließenden Beurteilung durch den zur Prüfung möglicher Gesetzesverletzungen (§ 337 StPO in Verbindung mit § 79 Abs. 3 Satz 1 OWiG) berufenen Rechtsbeschwerdesenat. Für die weitere rechtliche Beurteilung muss jedoch die Möglichkeit genügen, dass auch für Morphin nicht mehr ohne weiteres jedweder Nachweis im Blut die Annahme des Gesetzgebers von der Identität der Wirkungs- und Nachweiszeit und damit eine Verurteilung nach § 24 Abs. 2 StVG rechtfertigen kann.

2. Die in Art. 2 Abs. 1 GG gewährleistete allgemeine Handlungsfreiheit, die im Rahmen ihres weiten Schutzbereichs auch das Führen von Kraftfahrzeugen im öffentlichen Straßenverkehr umfasst, gebietet vor diesem Hintergrund im Hinblick auf die Anforderungen des (allgemeinen) Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit, und hier innerhalb der Prüfung der Anforderungen an die Verhältnismäßigkeit im engeren Sinne (Zumutbarkeit), den über § 24 a Abs. 2 StVG grundsätzlich verfassungskonform eingegrenzten Eingriff in die Handlungsfreiheit von der über den Gesetzeswortlaut hinausgehenden Einschränkung abhängig zu machen, dass nicht mehr jeder Nachweis eines der in der Anlage zu § 24 a Abs. 2 StVG genannten berauschenden Mittel im Blut, darunter Morphin, für eine Verurteilung nach § 24 a Abs. 2 StVG ausreichend ist (zum Führen eines Kraftfahrzeugs unter der Wirkung des nicht in der Anlage zu § 24 a StVG genanten berauschenden Mittel Methamphetamin vgl. OLG Jena NStZ 2005, 413 f. = StraFo 2005, 170 f. = StV 2005, 276 = DAR 2005, 465 f.). § 24 a Abs. 2 StVG ist demgemäß im Wege der verfassungskonformen Auslegung dahin auszulegen, dass durch den Tatrichter eine Konzentration des berauschenden Mittels im Blut festgestellt werden muss, die es entsprechend dem Charakter der Vorschrift als abstraktes Gefährdungsdelikt zumindest als möglich erscheinen lässt, dass der untersuchte Kraftfahrzeugführer am Straßenverkehr teilgenommen hat, obwohl seine Fahrtüchtigkeit eingeschränkt war. Denn nur in diesem Fall ist die in § 24 a Abs. 2 Satz 2 StVG aufgestellte gesetzliche Vermutung weiterhin gerechtfertigt (für Cannabis und seinen psychoaktiven Hauptwirkstoff THC vgl. Beschluss der 2. Kammer des Ersten Senats des Bundesverfassungsgerichts vom 21.12.2004 1 BvR 2652/03 = NJW 2005, 349/350 ff. mit krit. Anm. Schreiber NJW 2005, 1026 f. = NZV 2005, 270/271 ff. mit. Anm. Bönke NZV 2005, 272 = StV 2005, 383 ff. mit Anm. Nobis StV 2005, 386 = DAR 2005, 70 ff.; ferner für Amphetamin OLG München NJW 2006, 1606 f. = DAR 2006, 287 ff. = ZfSch 2006, 290 ff. = VRS 110, 296 ff. = StV 2006, 531 ff.; jeweils für Cannabis (THC) OLG Bremen NZV 2006, 276 und OLG Schleswig, Beschluss vom 18.09.2006 – 1 Ss OWi 119/06; für Amphetamin insoweit wie hier auch OLG Zweibrücken NJW 2005, 2168 f. = VRS 108, 441 ff. = DAR 2005, 408 f. = StV 2005, 443 f. und für Cannabis (THC) bzw. Heroin (Morphin) auch OLG Köln NStZ-RR 2005, 385 ff. = VRS 109, 193 ff. = DAR 2005, 646 f. = BA 43, 236 ff. und Beschluss vom 18.08.2005 – 81 Ss OWi 31/05 = DAR 2005, 699 ff.).

Demgegenüber verlangt eine Verurteilung nach § 24 a Abs. 2 StVG auch weiterhin nicht, dass eine tatsächliche Wirkung des Rauschmittels im Sinne einer konkreten Beeinträchtigung der Fahrtüchtigkeit bei dem Betroffenen im Einzelfall festgestellt und nachgewiesen wird. Vielmehr erfordert das objektive Tatbestandsmerkmal des § 24 a Abs. 2 StVG unter der Wirkung eines … berauschenden Mittels gerade keine tatsächliche Beeinträchtigung der Fahrsicherheit, mithin auch keine Feststellungen zu den konkreten Auswirkungen des Betäubungsmittelkonsums im Sinne einer konkreten Beeinträchtigung der Leistungsfähigkeit (OLG München, OLG Zweibrücken und OLG Köln, jeweils a.a.O.).

Ebenso wenig lässt sich aus Art. 2 Abs. 1 GG noch aus sonstigem Verfassungsrecht die Notwendigkeit einer weiterreichenden einschränkenden Auslegung und Anwendung von § 24 a Abs. 2 StVG des Inhalts herleiten, dass erst ab Erreichen einer ganz bestimmten Wirkstoffkonzentration im Sinne eines analytischen, einen Qualitätsstandard beschreibenden Grenzwertes (Möller BA 2004, Heft 2, Supp. S. 16/17), ab dem die untersuchenden medizinisch-wissenschaftlichen Fachinstitute einen sicheren Nachweis der Substanz im Blut gewährleisten können, eine Ahndung nach § 24 a Abs. 2 StVG in Betracht kommt (so für Amphetamin zutreffend OLG München a.a.O.; a.A. für Amphetamin wegen deutlicher Überschreitung des empfohlenen Nachweisgrenzwertes allerdings mit nicht tragenden Erwägungen vor allem OLG Zweibrücken a.a.O. und für THC und Heroin bzw. Morphin wegen fehlender bzw. nicht genügend nachvollziehbarer Wiedergabe der konkreten sachverständigen Anknüpfungstatsachen und der daraus gezogenen Schlussfolgerungen des rechtsmedizinischen Gutachtens im angefochtenen Urteil mit ebenfalls jeweils nicht entscheidungstragenden Gründen auch OLG Köln NStZ-RR 2005, 385 ff. und DAR 2005, 699 ff.). Dabei macht es keinen Unterschied, ob man in einer postulierten Maßgeblichkeit eines analytischen Grenzwertes die Anerkennung eines generell gültigen Gefahrengrenzwertes oder lediglich eine an die verfahrensrechtliche Vorschrift des § 24 a Abs. 2 Satz 2 StVG anknüpfende und deshalb den eigentlichen Bußgeldtatbestand nicht berührende, von der Schuldform unabhängige einschränkende Voraussetzung der Ahndbarkeit (OLG Zweibrücken a.a.O.) oder eine objektive Bedingung der Ahndbarkeit (Hentschel § 24 a StVG Rn. 26 und Stein NZV 2003, 251, jeweils unter Bezugnahme auf Riemenschneider, Fahrunsicherheit oder Blutalkoholgehalt als Merkmal der Trunkenheitsdelikte, 2000, S. 269 f.) erblickt. In beiden Fällen blieben in tatsächlicher Hinsicht zudem etwa die Fragen völlig ungeklärt, ob und gegebenenfalls wie die Problematik möglicher Messtoleranzen Berücksichtigung finden (Bönke NZV 2005, 272/273) und wie eine etwaige die nach dem Gesetz maßgebliche Morphinkonzentration zur Tatzeit angemessen berücksichtigende Rückrechnung des rechtsmedizinisch analysierten Blutwertes (Krause HRR-Strafrecht 2005, 138/149 ff.) realisiert werden könnte.

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Die Verbindlichkeit eines rein analytischen Grenzwertes oder eines anderen Mindest-Grenzwertes für die Anwendung des § 24 a Abs. 2 StVG, etwa der seitens der beim Bundesministerium für Verkehr angesiedelten so genannten Grenzwertkommission empfohlenen analytischen Grenzwerte (für Morphin nach der Empfehlung vom 22.11.2002, bestätigt durch Beschluss der Kommission vom 24.10.2005, derzeit 10 ng/ml Blut, vgl. BA 2005, 160 und Eisenmenger NZV 2006, 25; ferner Möller BA 2004 Heft 2, Supp. S. 17; Albrecht SVR 2005, 82 sowie Bönke NZV 2005, 272/273), kann im Übrigen nicht auch nicht mittelbar – dem Beschluss der 2. Kammer des Ersten Senats des Bundesverfassungsgerichts vom 21.12.2004 (a.a.O.) entnommen werden. Aus diesem ergibt sich lediglich, dass nicht mehr jeder Nachweis eines berauschenden Mittels im Blut für eine Verurteilung ausreicht (OLG München a.a.O. und zuletzt jeweils für Kokain (Benzoylecgonin) unter Aufgabe der vereinzelt gebliebenen gegenteiligen Auffassung im Einzelrichterbeschluss des 2. Senats für Bußgeldsachen des OLG Bamberg vom 08.08.2005 – 2 Ss OWi 551/2005 = StraFo 2006, 85 = DAR 2006, 286 m. krit. Anm. König Beschlüsse des 2. Senats für Bußgeldsachen des OLG Bamberg vom 18.08.2006 2 Ss OWi 959/06, vom 29.11.2006 2 Ss OWi 1053/05 und vom 01.12.2006 2 Ss OWi 1623/05; a.A. für THC offenbar Wehowsky BA 2006, 125/128 ff. mit der allerdings ohne Einschränkung zu unterstreichenden Forderung nach einem Tätigwerden des Gesetzgebers im Sinne einer verbindlichen Festlegung der maßgeblichen Schwellenwerte).

IV.
Nach alledem durfte die Verurteilung des Betroffenen nicht allein auf die unter dem analytischen Grenzwert für Morphin von 10 ng/ml Blut liegende Morphinkonzentration gestützt werden. Bereits der Schuldspruch verlangt vielmehr ergänzende Feststellungen zu der Frage, ob es die festgestellte Morphinkonzentration zumindest als möglich erscheinen lässt, dass der Betroffene am Straßenverkehr teilgenommen hat, obwohl seine Fahrtüchtigkeit zum Zeitpunkt des Führens des Kraftfahrzeugs im Straßenverkehr eingeschränkt war.

Aufgrund des aufgezeigten sachlich-rechtlichen Mangels ist das angefochtene Urteil aufzuheben. Jedoch können die bislang getroffenen Feststellungen zum Schuldspruch bestehen bleiben, weil sie durch die aufgezeigte Gesetzesverletzung nicht betroffen werden (§ 79 Abs. 3 Satz 1 OWiG in Verbindung mit § 353 Abs. 1 und 2 StPO); sie sind allerdings für den Fall eines neuerlichen Schuldspruchs zu ergänzen.
Die Sache wird im Umfang der Aufhebung zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens, an das Amtsgericht zurückverwiesen (§ 79 Abs. 6 OWiG).

Der Senat entscheidet durch Beschluss nach § 79 Abs. 5 Satz 1 OWiG.

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