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Fahrzeugabschalteinrichtung bei Kühlmittel-Sollwertregelung

Unzulässige Abschalteinrichtung

LG Stuttgart – Az.: 23 O 235/19 – Urteil vom 23.04.2020

1. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 13.427,92 € nebst Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 19.12.2019 zu zahlen, Zug um Zug gegen Herausgabe und Übereignung des Fahrzeugs der Marke Mercedes-Benz vom Typ C 220 CDI mit der Fahrzeugidentifikationsnummer … nebst zwei Fahrzeugschlüsseln, Kfz-Schein und Serviceheft.

2. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger

– Zinsen i.H.v. 4 % aus einem Betrag i.H.v. 17,00 € seit dem 02.08.2016,

sowie

– jeweils weitere Zinsen i.H.v. 4 % aus jeweils 288,00 € seit dem 01.10.2016, 01.11.2016, 01.12.2016, 31.12.2016, 01.02.2017, 01.03.2017, 01.04.2017, 03.05.2017, 01.06.2017, 01.07.2017, 01.08.2017, 01.09.2017, 03.10.2017, 01.11.2017, 01.12.2017, 30.12.2017, 01.02.2018, 01.03.2018, 04.04.2018, 01.05.2018, 01.06.2018, 03.07.2018, 01.08.2018, 01.09.2018, 02.10.2018, 01.09.2018, 01.12.2018, 29.12.2018, 01.02.2019, 01.03.2019, 02.04.2019, 01.05.2019, 01.06.2019, 02.07.2019, 01.08.2019, 03.09.2019, 01.10.2019, 01.11.2019, 03.12.2019

jeweils bis zum 18.12.2019

3. Es wird festgestellt, dass sich die Beklagte mit der Annahme des in dem Klageantrag zu 1) genannten Zug-um-Zug-Leistung im Annahmeverzug befindet.

4. Es wird festgestellt, dass der im Antrag zu 1) bezeichnete Anspruch aus einer vorsätzlichen unerlaubten Handlung der Beklagten herrührt.

5. Die Beklagte wird verurteilt, den Kläger von den durch die Beauftragung der Prozessbevollmächtigten des Klägers entstandenen Kosten der außergerichtlichen Rechtsverfolgung i.H.v. 1.029,35 € freizustellen.

6. Es wird festgestellt, dass der Rechtsstreit in Höhe von 6.851,85 € erledigt ist.

7. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

8. Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.

9. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand

Die Klägerpartei begehrt von der Beklagten Schadensersatz aus Delikt aus einem PKW-Kaufvertrag im Zuge des sog. „Abgasskandals“.

Mit Kaufvertrag vom 20.07.2016 (Anlage K 1) erwarb die Klägerpartei von der Firma …, einer unabhängigen Händlerin, den streitgegenständlichen PKW Mercedes-Benz C 220 CDI, der von der Beklagten entwickelt und hergestellt und mit einem Motor OM 651 ausgestattet ist, als Gebrauchtwagen zum Kaufpreis i.H.v. 19.000,00 €. Das Fahrzeug wies zum Zeitpunkt der Übergabe eine Laufleistung von 74.288 km auf.

Die Klägerpartei schloss zur Finanzierung des streitgegenständlichen Fahrzeugs mit der … Bank am 19.07.2016 einen Darlehensvertrag. Für die Darlehenssumme berechnet(e) die … Bank der Klägerpartei Zinsen von insgesamt 1.680,73 € (Anlage K 1b).

Die Kontrolle der Stickoxidemissionen erfolgt im streitgegenständlichen Fahrzeug über die sog. Abgasrückführung (AGR). Bei der Abgasrückführung wird ein Teil des Abgases zurück in das Ansaugsystem des Motors geführt und nimmt erneut an der Verbrennung teil. Die Abgasrückführung wird bei kühleren Außentemperaturen zurückgefahren, wobei zwischen den Parteien streitig ist, bei welchen Außentemperaturen die Abgasrückführung reduziert wird (sog. „Thermofenster“).

Überdies enthält das Fahrzeug eine Einrichtung im Zusammenhang mit dem Kühlmittel-Sollwert, mit der außerhalb der Typprüfbedingungen die AGR-Rate verringert wird, indem über das elektrisch geschaltete Kühlwasserthermostatventil die Motorkühlwassertemperatur und damit die Motoröltemperatur zunächst niedrig gehalten wird. Somit wird außerhalb der Typprüfbedingungen ein AGR-Kennfeld mit niedrigeren AGR-Raten genutzt als unter Typprüfbedingungen. Dies führt außerhalb der Typprüfbedingungen zu erhöhten Stickoxidemissionen.

Das streitgegenständliche Fahrzeug ist Teil einer freiwilligen Kundendienstmaßnahme der Beklagten. Ein Software-Update wurde jedoch bislang nicht aufgespielt.

Mit Anwaltsschreiben vom 02.10.2019 forderte die Klägerpartei die Beklagte innerhalb einer Frist von 2 Wochen zur Zahlung von 13.944,18 € Zug-um-Zug gegen Übereignung und Herausgabe des streitgegenständlichen Fahrzeugs auf (Anlage K 40).

Das Fahrzeug hatte zum 19.02.2020 eine Laufleistung von 141.362 km.

Die Klägerpartei behauptet, die Abgasrückführung werde bei einer Umgebungstemperatur von unter 17 °C abgeschaltet. (Bei Fahrzeugmodellen mit SCR-Systemen betrage die Temperatur des Thermofensters lediglich 10 °C.). Dies habe zur Folge, dass die Stickoxidemission erheblich ansteige. Die Klägerpartei ist der Ansicht, dies stelle eine unzulässige Abschalteinrichtung i.S.d. Art. 5 Abs. 2 VO EG 715/2007 dar.

Weiter trägt die Klägerpartei vor, das Fahrzeug enthalte eine weitere Abschalteinrichtung in Form einer Steuerungssoftware, die dazu führe, dass das Fahrzeug das Durchfahren des NEFZ auf dem Prüfstand erkenne und abhängig davon, die Abgasaufbereitung dergestalt regele, dass der Ausstoß an Stickoxiden nur beim Durchfahren des NEFZ optimiert werde (Bl. 419 f. d.A.).

Ferner enthalte das streitgegenständliche Fahrzeug eine Funktion des „Hot restarts“ (Bl. 256).

Die Klägerpartei behauptet ferner, der Vorstand der Beklagten sowie zahlreiche Mitarbeiter hätten Kenntnis von dem Einsatz der unzulässigen Software gehabt und eine Schädigung dar Käufer billigend in Kauf genommen. Dies zeige sich darin, dass die Motorenentwicklung sowie auch die Weiterentwicklung desselbigen zu den wesentlichsten Entscheidungen eines Autoherstellers gehören. Entscheidungen in diesem Bereich werden nicht ohne Kenntnis eines Autoherstellers getroffen.

Die Klägerpartei beantragt zuletzt:

1. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 20.680,73 € nebst Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen. Die Verurteilung erfolgt Zug um Zug gegen

– Herausgabe des Fahrzeugs der Marke Mercedes-Benz vom Typ C 220 CDI mit der Fahrzeugidentifikationsnummer … nebst zwei Fahrzeugschlüsseln, Kfz-Schein und Serviceheft, sowie

– Zahlung eines Nutzungsersatzes i.H.v. 2.823,10 €.

2. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger

– Zinsen i.H.v. 4 % aus einem Betrag i.H.v. 17,30 € seit dem 1. August 2016,

sowie

– jeweils weitere Zinsen i.H.v. 4 % aus jeweils 288,00 € zum 30. eines jeden Monats beginnend ab September 2016 bis einschließlich 31. Januar 2020

jeweils bis zum Eintritt der Rechtshängigkeit zu zahlen.

Hilfsweise beantragt die Klägerpartei:

3. Es wird festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, dem Kläger Schadensersatz zu zahlen für Schäden, die aus der Ausstattung des Fahrzeugs der Marke Mercedes-Benz vom Typ C 220 CDI mit der … mit der manipulierten Motorsoftware durch die Beklagte resultieren.

Weiter beantragt die Klägerpartei:

4. Es wird festgestellt, dass sich die Beklagte mit der Annahme der in dem Klageantrag zu 1) genannten Zug-um-Zug-Leistung im Annahmeverzug befindet.

5. Es wird festgestellt, dass der in Antrag zu 1) bezeichnete Anspruch aus einer vorsätzlichen unerlaubten Handlung der Beklagten herrührt.

6. Die Beklagte wird verurteilt, den Kläger von den durch die Beauftragung der Prozessbevollmächtigten des Klägers entstandenen Kosten der außergerichtlichen Rechtsverfolgung i.H.v. 1.680,28 € freizustellen.

7. Es wird festgestellt, dass sich die Forderung des Antrags unter 1. in der Höhe des vom Gericht festgesetzten Anspruchs der Beklagten auf Nutzungsersatz für die vom Kläger zwischen Rechtshängigkeit der Klage und dem Termin der letzten mündlichen Verhandlung gezogenen Nutzungen erledigt hat.

Die Beklagte beantragt: Die Klage wird abgewiesen.

Die Beklagte bestreitet die Aktivlegitimation der Klägerpartei (Bl. 322 d.A.).

Die Beklagte führt aus, das streitgegenständliche Fahrzeug verfüge über eine wirksame, bestandskräftige EG-Typengenehmigung und könne uneingeschränkt genutzt werden.

Die Beklagte bestätigt, dass die Umgebungslufttemperatur für das AGR-System eine wesentliche Rolle spiele, da sie die Basis für die Ausbildung der Temperaturen im Motor bilde und somit eine geeignete Führungsgröße sei. Die Abgasrückführung, so die Beklagte weiter, werde erst bei -30 °C und +45 °C Umgebungslufttemperatur deaktiviert und bei -27 °C und +42 °C reaktiviert. Die Rate der Abgasrückführung werde erst bei unter +7 °C Umgebungslufttemperatur absolut um bis zu maximal 15% (15% in wenigen Betriebsbereichen) reduziert, das entspricht einer relativen AGR-Korrektur in diesem Betriebspunkt von 49%. Die AGR-Korrektur bleibt auf diesem Niveau bis zum Unterschreiten einer Umgebungslufttemperatur von -30 °C, bei der die AGR abgeschaltet wird. Ab +30 °C Umgebungslufttemperatur wird die AGR schrittweise reduziert und bei Überschreiten von 45 °C abgeschaltet. (Bl. 389 ff. d.A.)

Ferner sei das sog. „Thermofenster“ zum Bauteil- bzw. Motorschutz notwendig (Bl. 335 ff., 379 ff. d.A.).

Schließlich trägt die Beklagte vor, die technischen Ausgestaltungsentscheidungen zum Emissionskontrollsystem im streitgegenständlichen Fahrzeug seien auf Mitarbeiterebene – und nicht von verfassungsmäßig berufenen Vertretern – nach den dargestellten Grundsätzen ingenieursmäßiger Vorsicht entwickelt getroffen worden (Bl. 349, 352 ff. d.A.).

Die Beklagte erhebt gegen sämtliche in Betracht kommenden Ansprüche die Einrede der Verjährung (Bl. 322 d.A.).

Wegen des weiteren Sach- und Streitstands wird auf die zu den Akten gereichten Schriftsätze nebst Anlagen, die Hinweise in der Verfügung vom 17.12.2019 (Bl. 244 ff. d.A.) sowie auf das Protokoll der mündlichen Verhandlungen vom 20.02.2020 (Bl. 700 d.A.) verwiesen.

Entscheidungsgründe

Die Klage ist zulässig und aus dem im Tenor ersichtlichen Umfang begründet.

I.

1. Der Feststellungsantrag in Ziff. 4 ist zulässig.

Das nach § 256 ZPO erforderliche Feststellungsinteresse der Klägerpartei besteht, weil die Feststellung der erleichterten Vollstreckung des geltend gemachten Leistungsanspruchs dient und hierzu erforderlich ist. Nach § 756 Abs. 1 ZPO darf, wenn die Vollstreckung von einer Zug um Zug zu bewirkenden Leistung des Gläubigers an den Schuldner abhängt, der Gerichtsvollzieher die Zwangsvollstreckung nicht beginnen, bevor der Gläubiger dem Schuldner die diesem gebührende Leistung in einer den Verzug der Annahme begründenden Weise angeboten hat, sofern nicht der Beweis, dass der Schuldner befriedigt oder im Verzug der Annahme ist, durch öffentliche oder öffentlich beglaubigte Urkunden geführt wird und eine Abschrift dieser Urkunden bereits zugestellt ist oder gleichzeitig zugestellt wird. Vor diesem Hintergrund besteht ein Interesse an einer Feststellung des Annahmeverzugs im Tenor des Vollstreckungstitels.

2. Der Klageantrag Ziff. 5 ist zulässig.

Insbesondere ist das Feststellungsinteresse gegeben. Das erforderliche Feststellungsinteresse ergibt sich aus §§ 393 BGB, 850 f Abs. 2 ZPO und 302 Nr. 1 InsO.

3. Die Klageänderung in eine Erledigungsfeststellungsklage (Klagantrag Ziff. 7) ist zulässig.

Die Klägerpartei hat ihre ursprüngliche Leistungsklage im Klagantrag Ziff. 1 wegen der Nutzung des streitgegenständlichen Fahrzeugs während des Rechtsstreits und damit fortschreitender Kilometerleistung teilweise für erledigt erklärt. Die Änderung einer Klage auf eine Erledigungsfeststellungsklage entsprechend § 264 Nr. 2 ZPO bei erledigenden Ereignissen ist nach allgemeiner Meinung zulässig (sog. einseitige Erledigung). Dass die Beklagte nicht in die Klageänderung eingewilligt hat, kann bei einer privilegierten Klageänderung gem. § 264 ZPO dahinstehen.

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II.

Die Leistungsklage (Klagantrag Ziff. 1) ist überwiegend und die Erledigungsfeststellungsklage (Klagantrag Ziff. 7) voll begründet.

Die Klägerpartei hat gegen die Beklagte einen Anspruch auf Schadensersatz gemäß § 826 BGB (dazu 1.), gemäß § 831 Abs. 1 S. 1 BGB (dazu 2.), wobei zwischen den Ansprüchen aus § 826 BGB und § 831 BGB die Möglichkeit der Wahlfeststellung besteht (dazu 3.), i.H.v. 13.427,92 € nebst Zinsen i. H. v. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 19.12.2019 (dazu 4.) zu. Der Anspruch ist auch nicht verjährt (dazu 5.).

1. Die Klägerpartei hat gegen die Beklagte einen Schadensersatzanspruch wegen vorsätzlicher sittenwidriger Schädigung aus § 826 BGB (vgl. auch OLG Karlsruhe, Hinweisbeschluss vom 05.03.2019 – 13 U 142/18; OLG Köln, 03.01.2019 – 18 U 70/18 zum sog. „VW-Abgasskandal“ LG Stuttgart, 09.05.2019 – 23 O 220-18 – juris; LG Stuttgart, 17.01.2019 – 23 O 178/18 – juris; LG Stuttgart, 17.01.2019 – 23 O 172/18 – juris; LG Stuttgart 17.01.2019 – 23 O 180/18 – juris; LG Stuttgart, 27.11.2018 – 7 O 265/18; LG Stuttgart, 08.03.2019 – 23 O 154/18; LG Stuttgart, 28.06.2019 – 12 O 12/19 LG Stuttgart, 28.06.2019 – 12 O 6/19; LG Stuttgart, 28.06.2019 – 12 O 21/19; LG Heilbronn, 01.04.2019 – 8 O 120/18 Verfügung des LG Ingolstadt, 24.06.2019 – 54 O 240/19 – juris LG Mönchengladbach -1 O 248/18 jeweils zum „Thermofenster“ vgl. auch LG Hanau, 07.06.2018 – 9 O 76/18; LG Itzehoe, 16.10.2018 – 7 O 133/18 gegen die Beklagte).

Die Klägerpartei ist aktivlegitimiert; auch – worauf die Beklagte verweist – angesichts der Darlehensfinanzierung und der in diesem Zuge vereinbarten Darlehensbedingungen. Die Beklagte bestreitet zum einen, dass die Klägerpartei Eigentümer des streitgegenständlichen Fahrzeugs ist, und zum anderen, dass sie Inhaber der geltend gemachten Ansprüche ist. In diesem Zusammenhang verweist die Beklagte auf den Darlehensvertrag der Klägerpartei mit der … Bank. Die Beklagte geht davon aus, dass in diesem Zuge die branchenüblichen Darlehensbedingungen vereinbart wurden und daher das streitgegenständliche Fahrzeug an die … Bank sicherungsübereignet wurde und die geltend gemachten Ansprüche an die … Bank abgetreten wurden.

Auf die von der Beklagten bestrittene Inhaberschaft des Eigentums am streitgegenständlichen Fahrzeug kommt es zur Geltendmachung des vorliegenden Schadensersatzanspruches gem. § 826 BGB jedoch nicht an. Entscheidend ist einzig, ob die Klägerpartei Inhaber der geltend gemachten Ansprüche ist. Bei den Schadensersatzansprüchen gem. § 826 BGB in den sog. „Dieselabgasfällen“ handelt sich um einen sog. „Vermögensdispositionsschaden“, der mit Vertragsabschluss endgültig und abschließend eingetreten ist. Geschützt ist somit nicht der Eigentümer, sondern der Vertragspartner des Schuldverhältnisses. Abgesehen davon steht zur Überzeugung des Gerichts fest, dass die Klägerpartei den Darlehensvertrag vorzeitig und vollständig zurückbezahlt hat und hiernach das streitgegenständliche Fahrzeug von der … Bank rückübereignet erhalten hat (vgl. hierzu Bl. 555 ff. – mit Beleg der Überweisung des Ablösebetrages am 11.02.2020, 745 f., Anlagen K 57 und K 58).

Soweit die Beklagte bestreitet, dass die Klägerpartei Inhaber der geltend gemachten Ansprüche ist oder zu deren Geltendmachung nicht berechtigt ist, dringt sie nicht durch. Sie hat nicht substantiiert dargetan, jedenfalls nicht bewiesen, dass die Klägerpartei die Ansprüche im Zuge der Darlehensfinanzierung an die … Bank abgetreten hat. Nach Überzeugung des Gerichts ist eine solche Abtretung nicht erfolgt. Anders als die Beklagte meint wurden zwischen der Klägerpartei und der … Bank – nach Überzeugung des Gerichts – nicht die „branchenüblichen Darlehensbedingungen“ vereinbart, welche die … Bank wohl sonst – laut der Beklagten – üblicherweise verwendet, sondern die als Anlage K 56 vorgelegten Darlehensbedingungen der Darlehensvermittlerin …. Von der in diesem Zuge vereinbarten „Sicherungsabtretung“ auf S. 3 des Autokredit-Vertrages sind die geltend gemachten Ansprüche gerade nicht erfasst. Erfasst ist lediglich das „Arbeitseinkommen jeder Art“. Abgesehen davon wurden sämtliche Forderungsabtretungen an die … Bank mit vollständiger Ablösung des Darlehens gemäß den Darlehensbedingungen, S. 3 des Autokredit-Vertrages, „Freigabe“, rückübertragen. Die Beklagte hat die „branchenüblichen Darlehensbedingungen“ der … Bank auch nicht vorgelegt. Sie geht angesichts der Darlehensfinanzierung durch die …-Bank nur davon aus, dass diese vereinbart wurden. Soweit die Klägerpartei selbst in ihrem (zeitlich) früheren Schriftsatz vom 14.01.2020 (Bl. 261 ff.) auf AGB-Bestimmungen eines Darlehensvertrages verweist, wonach Schadensersatzansprüche abgetreten werden, handelt es sich hierbei um einen bloßen textbausteinartigen Vortrag, der aus anderen Dieselverfahren übertragen wurde – wie es häufig im Rahmen der sog. Dieselabgasverfahren“ zu beobachten ist. Dieser Vortrag hat offensichtlich keinen Bezug zum streitgegenständlichen Verfahren. Wie die Beklagte selbst ausführt (u.a. Bl. 674 d.A.), bezieht sich dieser klägerische Vortrag auf AGB der Mercedes-Benz Bank AG und nicht … Bank.

Die Klägerpartei ist zur Geltendmachung der Schadensersatzansprüche nach §§ 826, 831 Abs. 1 S. 1 BGB aktivlegitimiert und berechtigt.

Das streitgegenständliche Fahrzeug verfügt über eine unzulässige Abschalteinrichtung i.S.d. Art. 5 Abs. 2 EG-VO 715/2007 (dazu a). Die Klägerpartei hat deshalb einen Schaden erlitten (b), welcher durch ein Verhalten der Beklagten entstanden (c) und welches wegen Täuschung des KBA und der Verbraucher sowie der Beeinträchtigung der Umwelt als sittenwidrig zu qualifizieren ist (d). Die Beklagte hat dabei vorsätzlich gehandelt (e). Aufgrund dessen hat die Klägerpartei einen Anspruch auf Schadensersatz i. H. v. 13.427,92 € (f).

Die Beklagte hat das von der Klägerpartei erworbene Fahrzeug gebaut und eine EG-Typengenehmigung beantragt, die formal erteilt wurde, obwohl das Fahrzeug über eine unzulässige Abschalteinrichtung im Sinne von Art. 5 Abs. 2 EG-VO 715/2007 verfügt, die der Zulassung entgegenstand.

a. Nach Art. 4 Abs. 1 EG-VO 715/2007 weist der Hersteller nach, dass alle von ihm verkauften, zugelassenen oder in der Gemeinschaft im Betrieb genommenen Neufahrzeuge über eine Typengenehmigung gemäß dieser Verordnung und ihren Durchführungsmaßnahmen verfügen. Nach Art. 5 Abs. 1 EG-VO 715/2007 rüstet der Hersteller das Fahrzeug so aus, dass die Bauteile, die das Emissionsverhalten voraussichtlich beeinflussen, so konstruiert, gefertigt und montiert sind, dass das Fahrzeug unter normalen Betriebsbedingungen dieser Verordnung und ihren Durchführungsmaßnahmen entspricht. Damit soll sichergestellt werden, dass sich die vorgegebenen Emissionsgrenzwerte auf das tatsächliche Verhalten der Fahrzeuge bei ihrer Verwendung beziehen (vgl. Erwägungsgrund 12 der VO 715/2007/EG) und dass die zur Verbesserung der Luftqualität und zur Einhaltung der Luftverschmutzungsgrenzwerte erforderliche erhebliche Minderung der Stickoxidemissionen bei Dieselfahrzeugen (vgl. Erwägungsgrund 6 VO 715/2007/EG) erreicht wird. Folgerichtig sieht die Verordnung die Verwendung von Abschalteinrichtungen, die die Wirkung von Emissionskontrollsystemen verringern, strikt als unzulässig an (Art. 5 Abs. 2 Satz 1 VO 715/2007/EG), sofern nicht die ausdrücklich normierten Ausnahmetatbestände (Art. 5 Abs. 2 Satz 2 VO 715/2007/EG) greifen (so auch BGH, Hinweisbeschluss vom 08.01.2019 – VIII ZR 225/17 -, veröffentlicht in juris; LG Stuttgart, 09.05.2019 – 23 O 220/18 – juris; LG Stuttgart, 17.01.2019 – 23 O 178/18 – juris; LG Stuttgart, 08.03.2019 – 23 O 154/18).

Art. 3 Nr. 10 EG-VO 715/2007 definiert eine Abschalteinrichtung als ein Konstruktionsteil, das die Temperatur, die Fahrzeuggeschwindigkeit, die Motordrehzahl (UpM), den eingelegten Getriebegang, den Unterdruck im Einlasskrümmer, oder sonstige Parameter ermittelt, um die Funktion eines beliebigen Teils des Emissionskontrollsystems zu aktivieren, zu verändern, zu verzögern oder zu deaktivieren, wodurch die Wirksamkeit des Emissionskontrollsystems unter Bedingungen, die bei normalem Fahrzeugbetrieb vernünftigerweise zu erwarten sind, verringert wird.

Gemäß Art. 5 Abs. 2 VO 715/2007/EG ist die Verwendung von Abschalteinrichtungen, die die Wirkung von Emissionskontrollsystemen verringern, unzulässig. Dies ist nicht der Fall, wenn:

a) die Einrichtung notwendig ist, um den Motor vor Beschädigung oder Unfall zu schützen und um den sicheren Betrieb des Fahrzeugs zu gewährleisten;

b) die Einrichtung nicht länger arbeitet, als zum Anlassen des Motors erforderlich ist;

c) die Bedingungen in den Verfahren zur Prüfung der Verdunstungsemissionen und der durchschnittlichen Auspuffemissionen im Wesentlichen enthalten sind.

Das Streitgegenständliche Fahrzeug verfügt über eine solche unzulässige Abschalteinrichtung i.S.d. Art. 3 Nr. 10, Art. 5 Abs. 2 EG-VO 715/2007.

1) Insbesondere besteht im vorliegenden Fall eine Abschalteinrichtung hinsichtlich der Kühlmittel-Sollwertregelung.

i) Die Klägerpartei trägt u.a. vor, im streitgegenständlichen Fahrzeug sei eine Einrichtung im Zusammenhang mit dem Kühlmittel-Sollwert verbaut, mit der außerhalb der Typprüfbedingungen die AGR-Rate verringert werde, indem über das elektrisch geschaltete Kühlwasserthermostatventil die Motorkühlwassertemperatur und damit die Motoröltemperatur zunächst niedrig gehalten werde. Somit werde außerhalb der Typprüfbedingungen ein AGR-Kennfeld mit niedrigeren AGR-Raten genutet als unter Typprüfbedingungen. Dies führe außerhalb der Typprüfbedingungen zu erhöhten Stickoxidemissionen (Bl. 436 d.A.)

ii) Den entsprechenden Tatsachenvortrag der Klägerpartei im Schriftsatz vom 12.02.2020 (Bl. 436) hat die Beklagte nicht – jedenfalls nicht ausreichend – bestritten. Sie bestreitet lediglich pauschal, dass irgendein „Mechanismus“ oder irgendeine „Softwarelogik“ verbaut sei, der oder die erkennt, ob sich das Fahrzeug auf dem Prüfstand oder im Straßenbetrieb befindet und (nur) auf dieser Basis („in Abhängigkeit davon“) irgendetwas schaltet oder regelt (Bl. 682 d.A.). Auch der Vortrag der Beklagten, im streitgegenständlichen Fahrzeug liege keine „Regelung vor, aufgrund derer auf dem ‚Prüfstand‘ eine andere ‚Abgasreinigungsstrategie‘ bzw. ‚Emissionskontrollstrategie‘ angewendet würde als im realen Straßenbetrieb“ (Bl. 682 d.A.), erfolgt unter der Prämisse, dass „im realen Straßenbetrieb“ die „gleichen Betriebsbedingungen“ vorliegen wie auf dem Prüfstand. Auf den konkreten Klägervortrag, bei dem es sich nicht – wie die Beklagte meint – um eine bloße Behauptung ins Blaue hinein handelt, sondern um sachlich vorgetragene, hinreichend bestimmte Tatsachenbehauptungen (vgl. BGH, Beschluss vom 28.01.2020 – VII ZR 57/19; OLG Stuttgart, Hinweisverfügung vom 23.03.2020 – 16a 79/19), geht die Beklagte nicht ein.

i) Die beschriebene Einrichtung stellt eine unzulässige Abschalteinrichtung i.S.d. Art. 3 Nr. 10 EG (VO) 715/2007, Abs. 5 Abs. 2 EG (VO) 715/2007 dar. Sie entspricht im Ergebnis einer Prüfstanderkennung. Das KBA behandelt eine solche Einrichtung im Zusammenhang mit dem Kühlmittel-Sollwert als eine unzulässige Abschalteinrichtung [BT Drucks. 19/15320, S. 2].

ii) Für das Vorliegen der Ausnahmevoraussetzungen des Art. 5 Abs. 2 Satz 2 lit. a) VO 715/2007/EG trifft die Beklagte zumindest eine sekundäre Darlegungslast, wenn nicht sogar die volle primäre Darlegungs- und Beweislast, wobei sich letzteres nach allgemeinen dogmatischen Grundsätzen damit begründen lässt, dass derjenige, der sich auf eine Ausnahme beruft, deren Vorliegen beweisen muss. Gründe des Motorschutzes i.S.d. Art. 5 Abs. 2 EG (VO) 715/2007 hat die insoweit darlegungs- und beweispflichtige Beklagte hinsichtlich der o.g. Abschalteinrichtung nicht behauptet.

2) Ferner stellt das sog. Thermofenster, also die Rate der Abgasrückführung abhängig von der Ladeluft-/Außentemperatur, eine weitere Abschalteinrichtung dar.

i) So ist im streitgegenständlichen Fahrzeug eine Technologie zur Reduktion des Stickoxidausstoßes (NOx) vorhanden. Dabei kommt die sog. Abgasrückführung zum Einsatz. Bei der Abgasrückführung wird ein Teil des Abgases zurück in das Ansaugsystem des Motors geführt und nimmt erneut an der Verbrennung teil. Die Abgasrückführung wird dabei bei kühleren Temperaturen zurückgefahren. Die Beklagte trägt selbst vor, dass bei dem streitgegenständlichen Fahrzeug die Abgasrückführungsrate u.a. anhand der Außentemperatur reguliert wird und dass bei Umgebungstemperaturen von unter +7 und über +30 °C die Rate der Abgasrückführung (AGR) betriebspunktabhängig reduziert werde. Dabei stellt die Beklagte letztlich nicht in Abrede, dass die Reduzierung der Abgasrückführung – wiederum abhängig vom sonstigen Betriebszustand des Fahrzeugs – zumindest in der Tendenz zu einem Anstieg der Stickoxidemissionen im Vergleich zum Betrieb bei milderen Temperaturen führt, wie sie u.a. auf dem Prüfstand herrschen.

iii) Im Übrigen ist die Beklagte der in diesem Zusammenhang ihr obliegenden sekundären Darlegungslast – auf welche das Gericht mit Verfügung vom 17.12.2020 (Bl. 244 ff. d. A.) hingewiesen hat – nicht nachgekommen. Die Klagepartei vermag in ihrer Eigenschaft als Verbraucherin bzw. nicht-fachkundige Kundin hier die Einzelheiten des „Temperaturfensters“ und der Motorsteuerung unter dem Gesichtspunkt der Emissionskontrolle nicht dezidiert erläutern. Zu den hierzu notwendigen Informationen und entsprechenden Softwaredateien hat sie naturgemäß – auch bei Einschaltung eines Privatgutachters – keinen Zugang. Umgekehrt ist es der Beklagten als Entwicklerin und Herstellerin des Motors ohne jedwede Schwierigkeiten möglich, die Einzelheiten der Abgasrückführung zu erläutern und im Besonderen die Frage nach einer Abschalteinrichtung zu beantworten (vgl. auch OLG Stuttgart, Hinweise im Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 08.05.2019 – 3 U 101/18 sowie die Verfügung der 20. Zivilkammer des Landgerichts Stuttgart vom 03.04.2019 – 20 O 349/18).

Vor diesem Hintergrund ist die Klägerpartei ihrer Darlegungslast hier mehr als ausreichend nachgekommen (vgl. BGH – VIII ZR 57/19 – Beschluss vom 28.01.2020 zu den teilweise von den Instanzgerichten überspannten Substantiierungspflichten wegen eines Mangels bei Einbau einer unzulässigen Abschalteinrichtung in einem Dieselmotor der Beklagten [Motortyp OM 651]; Hinweisverfügung vom 23.03.2020 – 16a 79/19).

Der Beklagten oblag es, zum Vortrag der behaupteten Abschalteinrichtung in Form des sog. „Thermofensters“ näher vorzutragen. Dem ist die Beklagte mit der bloßen Angabe des von ihr mitgeteilten Temperaturbereiches zwischen 7 und 30 °C nicht nachgekommen. Die Beklagte hat – trotz Hinweis – nicht aufgezeigt, welche konkreten Auswirkungen die Reduzierung der Abgasrückführung auf die Schadstoffemission (NOx-Werte) hat.

Damit steht für das Gericht zugleich fest, dass die im streitgegenständlichen Fahrzeug applizierte u.a. (außen-)temperaturabhängige Steuerung der Abgasrückführung unter die Legaldefinition der Abschalteinrichtung des Art. 3 Nr. 10 VO 715/2007/EG fällt. Eine Abschalteinrichtung im Sinne dieser Norm ist gemäß Art. 5 Abs. 1 und 2 Satz 1 VO 715/2007/EG grundsätzlich verboten, sofern kein Ausnahmetatbestand nach Art. 5 Abs. 2 Satz 2 VO 715/2007/EG greift.

ii) Unerheblich ist dabei, in welchem Maß eine Verringerung der Abgasrückführung erfolgt, da Art. 3 Nr. 10 EG-VO 715/2007 eine solche Differenzierung nicht erlaubt und schlicht jede Veränderung der Wirksamkeit des Emissionskontrollsystems als Abschalteinrichtung zu qualifizieren ist (vgl. auch Prof. Dr. Martin Führ, Gutachterliche Stellungnahme für den Deutschen Bundestag – 5. Untersuchungsausschuss der 18. Wahlperiode; derselbe in NVwZ 2017, 265; ferner auch die Stellungnahme des Wissenschaftlichen Dienstes des Deutschen Bundestags „Abschalteinrichtungen in Personenkraftwagen“, Az.: WD 7 – 3000 – 031/16, S. 18; eine Abschalteinrichtung bejahend auch OLG Stuttgart, 30.07.2019 – 10 U 134/19).

iii) Anders als die Beklagte meint, wird mit der „Auslegung der Abgasrückführung die innermatorische Emissionskontrolle für die jeweiligen Betriebszustände“ nicht erst „definiert“ (Bl. 392 d.A.), weshalb es sich nach Ansicht der Beklagten um keine Abschalteinrichtung handele. Dieser Argumentationsversuch läuft darauf hinaus, den in der Verordnung nicht definierten Begriff des „Emissionskontrollsystems“ aus dem Kontext der Begriffsbestimmung der „Abschalteinrichtung“ herauszulösen und ihm einen eigenen, engeren Gehalt zuzuweisen. Für eine solche Sichtweise müsste es in der Verordnung besondere Anhaltspunkte geben. Daran fehlt es aber. Im Gegenteil: Die Unterscheidung „innermotorisch“ und „Emissionskontrolle“ widerspricht dem Wortlaut der Definition der „Abschalteinrichtung“, denn die in Art. 3 Nr. 10 EG (VO) 715/2007 aufgezahlten Parameter umfassen alle technischen Vorgänge (darunter mit der „Motordrehzahl“ einen eindeutig innermotorischer Faktor), die auf Entstehen und Verminderung der Emissionen einwirken. Dafür spricht auch die Begriffsbestimmung in Art. 3 Nr. 11 EG (VO) 715/2007. Sie definiert „emissionsmindernde Einrichtung“ als „die Teile eines Fahrzeugs, die die Auspuff- und Verdunstungsemissionen eines Fahrzeugs regeln und/oder begrenzen.“ Steuerungsvorgänge, die innermotorisch wirken, tragen dazu bei, die Auspuffemissionen zu regeln, sie sind daher Teil des Emissionskontrollsystems. Die vorgetragene Differenzierung findet somit im Verordnungstext keine Stütze (so überzeugend Prof. Führ in: NVwZ 2017, 265 (266)).

iv) Wer als Fahrzeughersteller von dem Verbot abweichen will, muss dies besonders rechtfertigen. Eine solche Abschalteinrichtung in Form eines „Thermofenster“ ist nur dann ausnahmsweise zulässig, wenn die Einrichtung notwendig ist, um den Motor vor Beschädigung zu schützen (Art. 5 Abs. 2 lit. a) EG-VO 715/2007). Dies ist vorliegend nicht der Fall.

Als Ausnahmetatbestand kommt hier allenfalls Art. 5 Abs. 2 lit. a) VO 715/2007/EG in Betracht. Indes liegt eine „Notwendigkeit“, um den Motor vor Beschädigung oder Unfall zu schützen und um den sicheren Betrieb des Fahrzeugs zu gewährleisten, nach dem Sinn und Zweck der Vorschrift auch dann nicht vor, wenn sich die Abschalteinrichtung durch Konzeption, Konstruktion oder Werkstoffwahl vermeiden lässt. Es ist demnach nicht schon ausreichend, dass überhaupt individuell technische Situationen auftreten, in denen die Abschalteinrichtung zum Motorschutz oder zum sicheren Betrieb erforderlich ist, sondern darüber hinaus ist unter Einbeziehung der zu dieser technischen Situation führenden Gründe erforderlich, dass auch diese notwendigerweise vorliegen, also generell unvermeidbar sind (diese Auslegung befürwortend auch die Stellungnahme des Wissenschaftlichen Dienstes des Deutschen (Bundestags „Abschalteinrichtungen in Personenkraftwagen“, Az.: WD 7 – 3000 – 031/16, S. 14 f.).

Eine Privilegierung einer Abschalteinrichtung aufgrund von Artikel 5 Absatz 2 Satz 2 lit. a) VO 715/2007/EG kommt mithin nach dem gebotenen objektiven und herstellerübergreifenden Maßstab nicht in Betracht, wenn aufgrund andersartiger Konstruktion oder durch den Einsatz zusätzlicher Bauteile das Abschalten des Emissionskontrollsystems unter Motorschutzgesichtspunkten entbehrlich würde (vgl. Stellungnahme des Wissenschaftlichen Dienstes des Bundestages, aaO. S. 32). Für das Vorliegen der Ausnahmevoraussetzungen des Art. 5 Abs. 2 Satz 2 lit. a) VO 715/2007/EG trifft die Beklagte zumindest eine sekundäre Darlegungslast, wenn nicht sogar die volle primäre Darlegungs- und Beweislast (in die letztere Richtung tendierend offenbar OLG Karlsruhe, Hinweisbeschlüsse vom 22.08.2019 – 17 U 257/18, juris Rn. 16, und 17 U 294/16, juris Rn. 13).

Im Einzelnen:

(1) Die VO 715/2007/EG wurde ausweislich des Erwägungsgrunds 1 erlassen, um die technischen Vorschriften für die Typgenehmigung von Kraftfahrzeugen hinsichtlich ihrer Emissionen zu harmonisieren. Ziel ist die Sicherstellung eines hohen Umweltschutzniveaus auf europäischer Ebene. Zur Verbesserung der Luftqualität und zur Einhaltung der Luftverschmutzungsgrenzwerte war nach Auffassung des EU-Gesetzgebers insbesondere eine erhebliche Minderung der Stickstoffoxidemissionen bei Dieselfahrzeugen erforderlich. Um die Ziele der EU für die Luftqualität zu erreichen, sind nach seiner Einschätzung fortwährende Bemühungen zur Senkung von Kraftfahrzeugemissionen erforderlich, weshalb die Industrie klare Informationen über die künftigen Emissionsgrenzwerte erhalten soll. Bereits die Verordnung selbst (und nicht erst künftige „weitere“ Anstrengungen und Durchführungsakte) verfolgt dabei auch das Ziel, dass sich die Grenzwerte auf das tatsächliche Verhalten der Fahrzeuge bei ihrer Verwendung beziehen (Erwägungsgrund 12) und dass die bei der Typgenehmigungsprüfung gemessenen Emissionen denen im praktischen Fahrbetrieb entsprechen (Erwägungsgrund 15). Diesem Zweck dient das Verbot von Abschalteinrichtungen in Art. 5 Abs. 2 VO 715/2007/EG, was zu der Auslegung führt, dass die Ausnahmenregelung des Art. 5 Abs. 2 Satz 2 VO 715/2007/EG – anders als die Beklagte meint und wie der BGH in seinem Hinweisbeschluss vom 08.01.2019 bestätigt – eng auszulegen ist (ebenso BGH, Hinweisbeschluss vom 08.01.2019 – VIII ZR 225/17, Rn. 11 u. 13). Wer als Fahrzeughersteller von dem Verbot abweichen will, muss dies besonders rechtfertigen. Eine Notwendigkeit i.S.d. Art. 5 Abs. 2 EG-VO 715/2007 liegt insbesondere auch dann nicht vor, wenn sich die Abschalteinrichtung durch Konzeption, Konstruktion oder Werkstoffwahl vermeiden lässt. Es ist demnach nicht schon ausreichend, dass überhaupt individuell technische Situationen auftreten, in denen die Abschalteinrichtung zum Motorschutz oder zum sicheren Betrieb erforderlich ist, sondern darüber hinaus ist unter Einbeziehung der zu dieser technischen Situation führenden Gründe erforderlich, dass auch diese notwendigerweise vorliegen, also generell unvermeidbar sind (diese Auslegung befürwortend auch die Stellungnahme des Wissenschaftlichen Dienstes des Deutschen Bundestags „Abschalteinrichtungen in Personenkraftwagen“, Az.: WD 7 – 3000 – 031/16, S. 14 f.).

(2) Der Verordnungsgeher ist bei dem Begriff der „Notwendigkeit“ i.S.d. Art. 5 Abs. 2 lit. a) EG-VO 715/2007 bewusst über die entsprechende Regelung in Ziffer 2.1.6 Satz 2 der zum Zeitpunkt der Verabschiedung der Emissionsgrundverordnung geltenden Fassung der UN/ECE-Regelung Nr. 83 hinausgegangen, in der zum Verneinen einer verbotenen Abschalteinrichtung bereits als ausreichend angesehen wurde, wenn „die Notwendigkeit der Nutzung der Einrichtung mit dem Schutz des Motors vor Beschädigungen oder Unfällen und der Betriebssicherheit des Fahrzeugs begründet wird“. Im Vergleich zu diesem allein auf eine vorgenommene Begründung abstellenden Wortlaut der Regelung Nr. 83 hat der Verordnungsgeber bei der Emissionsgrundverordnung mit dem Begriff der „Notwendigkeit“ einen strengeren, objektivierbaren Maßstab gewählt (so auch die Stellungnahme des Wissenschaftlichen Dienstes des Deutschen Bundestags „Abschalteinrichtungen in Personenkraftwagen“, Az.: WD 7 – 3000 – 031/16, S. 13).

v) Gemessen daran, ist die streitgegenständliche Abschalteinrichtung in Form eines Thermofensters nach Art. 5 Abs. 2 EG-VO 715/2007 unzulässig.

(1) Die Beklagte behauptet zwar, das Streitgegenständliche Thermofenster sei zum Bauteil- bzw. Motorschutz notwendig. Begründet wird dies mit einer sog. Versottungsgefahr. Damit kann die Beklagte aus den oben genannten Gründen nicht gehört werden. Sie legt schon nicht dar, dass die Versottungsgefahr (nicht) durch andere technische Maßnahmen – unabhängig davon, ob diese wirtschaftlich deutlich teurer wären – verhindert werden könnte. Die Beklagte trägt selbst vor, dass die Frage, ab wann und zu welchem Grad von einem erhöhten Kondensations- und damit Versottungsrisiko ausgegangen werden könne, stark von den einzelnen Fahrzeugen abhänge. Jedem Ingenieur obliege es, für einen konkreten Fahrzeugtyp eine Gesamtstrategie zu wählen. Dann stellt sich aber die Frage, ob sich nicht auch durch den Aufbau des Fahrzeugs, entsprechende Wahl des Materials, eine andere Auslegung der Abgasrückführung oder eine gezielte Steuerung der AGR-Kühlung die Versottungsgefahr mindern lässt, ohne dass dies zwingend dazu führen muss, dass die Abgasrückführung insgesamt nur in einem geringeren Umfang eingesetzt werden kann.

(2) Jedenfalls hat die Beklagte schon nicht vorgetragen, ob der Versottungsgefahr bei Außentemperaturen von unter +7°C und über +30°C auch durch eine geringere Reduzierung der AGR-Rate begegnet werden könnte, zumal in anderen Fahrzeugen der Beklagten gerichtsbekannt eine Reduzierung der Abgasrückführung gar nicht oder z.B. erst ab 0°C erfolgt und es damit offenkundig – entgegen des Vortrags der Beklagten – selbst bei der Beklagten andere technische Möglichkeiten gibt, die Abgasrückführung erst bei niedrigeren Temperaturen zu reduzieren. Auch konnte die Beklagte nicht darlegen, warum die Versottungsgefahr nur in wenigen Betriebsbereichen bestehe, während sie in anderen Betriebsbereichen – bei identischer Außentemperatur – nicht bestehen soll, da dort die AGR gerade nicht reduziert wird.

(3) Die Beklagte hat damit nicht hinreichend dargetan, dass nach dem Stand der Technik zum Zeitpunkt der Beantragung der Typgenehmigung die im streitgegenständlichen Fahrzeug applizierte außentemperaturabhängige Reduzierung der Abgasrückführung in der konkreten Ausgestaltung i.S.v. Art. 5 Abs. 2 lit. a) VO 715/2007/EG notwendig war, um den Motor vor Beschädigung oder Unfall zu schützen und um den sicheren Betrieb des Fahrzeugs zu gewährleisten.

Das Abstellen auf den Stand der Technik zum Zeitpunkt der Typgenehmigung verlangt den Herstellern auch nichts Unzumutbares ab. Denn jeder Hersteller ist frei, ob und wann er einen neuen Fahrzeugtyp herausbringt. Die Herstellung von Fahrzeugen auf Grundlage einer bereits erteilten Typgenehmigung wird nicht etwa unzulässig, nur weil sich danach der Stand der Technik fortentwickelt und Abschalteinrichtungen, die sich zum Zeitpunkt der Beantragung der Typgenehmigung noch als notwendig i.S.v. Art. 5 Abs. 2 lit. a) VO 715/2007/EG darstellten, zwischenzeitlich nicht mehr als notwendig angesehen werden können. Entschließt sich ein Hersteller jedoch dazu, einen neuen Fahrzeugtyp auf den Markt zu bringen – mit allen damit verbundenen neuen Vermarktungs- und Absatzpotenzialen, aber auch Ausfallrisiken -, dann muss er sich auch an dem messen lassen, was nach dem dann vorhandenen Stand der Technik möglich ist.

vi) Eine nach Art. 5 Abs. 2 VO 715/2007/EG unzulässige Abschalteinrichtung steht der Erteilung der EG-Typgenehmigung entgegen. Wurde sie gleichwohl erteilt, so kann das Kraftfahrtbundesamt Maßnahmen nach § 25 Abs. 2 und 3 EG-FGV ergreifen. Dass das streitgegenständische Fahrzeug zumindest bis dato nicht von einem verpflichtend angeordneten Rückruf betroffen ist, sondern lediglich Teil der von der Beklagten für Dieselfahrzeuge angebotenen „freiwilligen Kundendienstmaßnahme“ ist, bedeutet nicht, dass ein verpflichtender Rückruf von vornherein nicht drohte oder für die Zukunft sicher ausgeschlossen wäre, etwa selbst für den Fall, dass nicht genug Fahrzeughalter an der freiwilligen Servicemaßnahme der Beklagten teilnehmen sollten.

vii) Die Beklagte beruft sich zwar auf Vertrauensschutz und verweist darauf, dass sie alle in der Praxis des KBA erwarteten Angaben zu den Emissionskontrollsystemen gegenüber dem KBA gemacht habe. Indes reicht die Legalisierungswirkung der Typengenehmigung nicht weiter als das, was seinerzeit beantragt und genehmigt wurde. Eine Abschaltreinrichtung, die in den Typgenehmigungsunterlagen nicht konkret und unter Darstellung ihrer Auswirkungen auf die Emissionen beschrieben wurde, nimmt nicht an der Legalisierungswirkung teil (hierzu ausführlich VG Schleswig, Urt. V. 13.12.2017 – 3 A 59/17 -, Rn. 70 ff. bei juris). Ob die Beklagte die konkrete temperaturabhängige Abschalteinrichtung dem KBA offengelegt hat, trägt die Beklagte weder vor noch ist dies aus dem vorgelegten EG-Typengenehmigungsbogen erkennbar. Gerade an den entscheidenden Stellen („Die AGR-Menge wird durch folgende Parameter gesteuert: […] Lufttemperatur“) hat die Beklagte Schwärzungen vorgenommenen – Dies obwohl sie mit Verfügung vom 17.12.2020 (Bl. 244 ff.) darauf hingewiesen wurde, die Typengenehmigung und den entsprechenden Antrag für den Typ des streitgegenständlichen Fahrzeugs vorzulegen. Die Beklagte behauptet zudem schon nicht einmal, dass sie gegenüber dem KBA im Rahmen der Beantragung der Typgenehmigung auch weitere Einzelheiten angegeben hat, etwa dass beim streitgegenständlichen Fahrzeugtyp die Rate der Abgasrückführung bei Temperaturen von +7 °C und darunter oder ab +30 °C und darüber betriebspunktabhängig verändert wird und insbesondere, welche Auswirkungen dies auf die Stickoxidemissionen hat.

Dabei ordnete schon seinerzeit Art. 3 Abs. 9 der Durchführungsverordnung (EG) Nr. 692/2008 an, dass die Hersteller bei der Beantragung der Typgenehmigung der Genehmigungsbehörde nicht nur belegen müssen, dass die NOx-Nachbehandlungseinrichtung nach einem Kaltstart bei -7 °C innerhalb von 400 Sekunden eine für das ordnungsgemäße Arbeiten ausreichend hohe Temperatur erreicht, sondern darüber hinaus auch Angaben zur Arbeitsweise des Abgasrückführungssystems (AGR) machen müssen, „einschließlich ihres Funktionierens bei niedrigen Temperaturen“, wobei diese Angaben „auch eine Beschreibung etwaiger Auswirkungen auf die Emissionen“ umfassen müssen und auf Verlangen der Europäischen Kommission von der Genehmigungsbehörde vorzulegen sind. Dass die Beklagte diesen Beschreibungserfordernissen im Typgenehmigungsverfahren nachgekommen ist, ist nicht ersichtlich, so dass auch nicht ersichtlich ist, dass das Kraftfahrtbundesamt in die Lage versetzt wurde, die Zulässigkeit der Abschalteinrichtung im streitgegenständlichen Fahrzeug umfassend zu prüfen.

Das streitgegenständliche Fahrzeug verfügt nach Überzeugung des Gerichts über eine unzulässige Abschalteinrichtung i.S.d. Art. 3 Nr. 10, Art. 5 Abs. 2 EG-VO 715/2007 in Form des sog. „Thermofensters“.

3) Offenbleiben kann, ob im streitgegenständlichen Fahrzeug eine weitere unzulässige Abschalteinrichtung in Form einer allgemeinen Prüfstanderkennung oder der Funktion „hot restart“ verbaut ist.

b. Der Klägerpartei ist infolge des Inverkehrbringens des streitgegenständlichen Fahrzeugs ein Schaden entstanden:

1) Der eingetretene Schaden der Klägerpartei liegt bereits in dem Abschluss des Vertrages, der jedenfalls zu den damaligen Bedingungen von der Klägerpartei nach Überzeugung des Gerichts so in der Form bei Kenntnis aller Umstände nicht abgeschlossen worden wäre (so im Ergebnis auch LG Stuttgart, 26.09.2018 – 23 O 95/18; LG Hildesheim, 17.01.2017 – 3 O 139/16; LG Paderborn, 07.04.2017 – 2 O 118/16; LG Kleve, 31.03.2017 – 3 O 252/16; LG Bochum, 13.07.2017 – 8 O 366/16, jeweils zum „VW-Abgasskandal“).

2) Ein Schaden aufgrund einer sittenwidrigen Schädigung ist grundsätzlich im Rahmen der Differenzhypothese zu ermitteln, das heißt durch ein Gegenüberstellen der jetzigen Vermögenslage des Geschädigten und derjenige, die ohne eine Schädigung bestehen würde. Es kann jedoch ein Schaden auch dann vorliegen, wenn eigentlich eine objektive Werthaltigkeit der vertraglichen Gegenleistung vorliegt. Die Differenzhypothese muss nämlich stets einer normativen Kontrolle unterzogen werden, weil sie eine wertneutrale Rechenoperation darstellt. Der Schadensersatz dient aber dazu, den konkreten subjektiven Vermögensnachteil des Geschädigten auszugleichen.

4) Insoweit genügt jede Schadenszufügung im weitesten Sinne, also jede nachteilige Einwirkung auf die Vermögenslage in ihrer Gesamtheit und zwar in dem Zeitpunkt, in dem der Betroffene eine Entscheidung zu Lasten seines Vermögens trifft. Dabei ist auch eine subjektbezogene Betrachtung heranzuziehen. Nach dem subjektbezogenen Schadensbegriff stellt auch der Abschluss eines Rechtsgeschäftes, welches nicht den Zielen des Geschädigten entspricht, einen Schaden im Rahmen des § 826 BGB dar, ohne dass es im Ergebnis darauf ankäme, ob die erhaltene Leistung wirtschaftlich betrachtet hinter der Gegenleistung zurückbleibt oder nicht bzw. ob nachfolgend ein Ausgleich erfolgt.

5) Ein Schaden kann deshalb auch darin gesehen werden, dass jemand durch ein haftungsbegründendes Verhalten zum Abschluss eines Vertrages gebracht worden ist (BGH NJW-RR 2005, 611, 612). Es ist daher anerkannt, dass der Schaden auch darin liegen kann, dass ein – wäre eine Täuschung nicht erfolgt – ungewollter Vertrag abgeschlossen wird.

3) Hier hat die Klägerpartei ein Fahrzeug erworben, welches nicht ihren Vorstellungen entsprach und welches mit dem Risiko nachträglicher behördlicher Maßnahmen (bis hin zur Stilllegung wegen Nichtübereinstimmung mit dem genehmigten Typ) belastet war. Insoweit ist davon auszugehen, dass die Klägerpartei das streitgegenständliche Fahrzeug zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses so nicht erworben hätte, wenn sie die tatsächlichen Hintergründe gekannt hätte. Ein Käufer eines Kraftfahrzeugs – auch ein Zweitkäufer eines Gebrauchtwagens – kann nicht nur davon ausgehen, dass im Zeitpunkt des Erwerbs des Fahrzeugs die notwendige EG-Typgenehmigung formal vorliegt, sondern auch davon, dass kein nachträglicher Entzug oder eine nachträgliche Nebenbestimmung droht, weil die materiell- rechtlichen Genehmigungsvoraussetzungen bereits bei Erteilung nicht vorgelegen haben. Der diesbezügliche Vermögensschaden dar Klägerpartei liegt darin, dass sie in Unkenntnis des nicht gesetzeskonformen Einbaus einer unzulässigen Abschalteinrichtung mit den sich daraus ergebenden Folgen den streitgegenständlichen PKW erworben und damit einen ihm wirtschaftlich nachteiligen Vertrag geschlossen hat.

4) Ein Aufspielen eines Software-Updates am streitgegenständlichen Fahrzeug würde auch nicht dazu führen, dass ein Schaden nicht (mehr) vorliegt. Da der Schaden – wie gezeigt – im Abschluss des ungewollten Kaufvertrags liegt, kann ein nachträgliches Aufspielen eines Software-Updates diesen Schaden auch nicht mehr beseitigen. Die Klägerpartei kann die Rückgängigmachung des ihr entstandenen Schadens in der Form des Abschlusses eines unvorteilhaften Vertrages verlangen und muss sich nicht vom Schädiger das Festhalten an dem Vertrag aufdrängen lassen. Dies gilt umso mehr, als nicht feststeht, dass ein Software-Update ohne nachteilige Folgen, die möglicherweise erst nach einem längeren Dauerbetrieb auftreten, aufgespielt werden kann.

c. Die Klägerpartei hat diesen Schaden aufgrund einer Täuschungshandlung der Beklagten erlitten.

Erforderlich ist insoweit ein adäquat kausaler Zusammenhang unter Berücksichtigung des Schutzzwecks der Norm (BGH, 03.03.2008 – II ZR 310/06 -, Rn. 15, juris; MünchKommBGB/Wagner, 7. Aufl., § 826 Rn. 45 ff.). So liegt der Fall hier.

1) Schädigungshandlung ist das Inverkehrbringen des mit der streitgegenständlichen Abschalteinrichtung versehenen Fahrzeugs (OLG Karlsruhe Hinweisbeschluss, 05.03.2019 – 13 U 142/18).

Mit der Inverkehrgabe des Fahrzeugs bringt der Hersteller jedenfalls konkludent zum Ausdruck, dass das Fahrzeug entsprechend seinem objektiven Verwendungszweck im Straßenverkehr eingesetzt werden darf, das heißt über eine uneingeschränkte Betriebserlaubnis verfügt, deren Fortbestand nicht aufgrund bereits bei Auslieferung des Fahrzeugs dem Hersteller bekannter konstruktiver Eigenschaften gefährdet ist. Das setzt voraus, das nicht nur die erforderlichen Zulassungs- und Genehmigungsverfahren formal erfolgreich durchlaufen wurden, sondern auch, dass die für den Fahrzeugtyp erforderliche EG-Typgenehmigung nicht durch eine Täuschung des zuständigen KBA erschlichen worden ist und das Fahrzeug den für deren Erhalt und Fortdauer einzuhaltenden Vorschriften tatsächlich entspricht. Auch dies bestätigt der Hersteller zumindest konkludent mit der Inverkehrgabe (OLG Karlsruhe Hinweisbeschluss, 05.03.2019 – 13 U 142/18).

2) Denn bevor ein Kraftfahrzeughersteller berechtigt ist, ein Fahrzeug für die Nutzung im Straßenverkehr auf den Markt zu bringen, hat er die erforderlichen Zulassungs- und Genehmigungsverfahren erfolgreich zu absolvieren. Insbesondere ist die sogenannte EG-Typgenehmigung durch das KBA als zuständige Behörde (§ 2 EG-Fahrzeuggenehmigungsverordnung; im Folgenden: EG-FGV) einzuholen und eine Übereinstimmungsbescheinigung auszustellen (§ 27 Abs. 1 EG-FGV). Stellt das KBA nach Erteilung einer formell wirksamen Typgenehmigung fest, dass ein Fahrzeug nicht die materiellen Voraussetzungen für den genehmigten Typ einhält, kann es zur Beseitigung aufgetretener Mängel und zur Gewährleistung der Vorschriftsmäßigkeit auch bereits im Verkehr befindlicher Fahrzeuge zum einen gemäß § 25 Abs. 2 EG-FGV Nebenbestimmungen zur EG-Typgenehmigung anordnen oder gemäß § 25 Abs. 3 EG-FGV die EG-Typgenehmigung ganz oder teilweise widerrufen (vgl. Führ, Gutachterliche Stellungnahme für den Deutschen Bundestag vom 19.11.2016, S. 24 <4.3.3>; VG Magdeburg, Beschluss vom 02.07.2018 – 1 B 268/18, juris Rn. 11 f.; noch weitergehend für den Fall der Verwendung einer unzulässigen Abschalteinrichtung: Klinger, ZUR 2017, S. 131 <135 f.>: Erlöschen der Typgenehmigung kraft Gesetzes). Gemäß § 3 Abs. 1 S. 1 Fahrzeug-Zulassungsverordnung (im Folgenden: FZV) dürfen Fahrzeuge allerdings nur in Betrieb gesetzt werden, wenn sie zum Verkehr zugelassen sind, was gemäß § 3 Abs. 1 S. 2 FZV voraussetzt, dass sie einem genehmigten Typ entsprechen. Wird die EG-Typgenehmigung entzogen oder mit Nebenbestimmungen versehen, entspricht das Fahrzeug – im Fall der Nebenbestimmung: bis zur Nachrüstung – keinem genehmigten Typ mehr. Die Zulassungsbehörde kann dem Eigentümer oder Halter dann gemäß § 5 Abs. 1 FZV eine Frist zur Beseitigung der Mängel setzen oder den Betrieb des Fahrzeugs auf öffentlichen Straßen beschränken oder untersagen (so ausdrücklich OLG Karlsruhe Hinweisbeschluss, 05.03.2019 – 13 U 142/18).

3) Der Käufer eines Kraftfahrzeugs kann vor diesem Hintergrund nicht nur davon ausgehen, dass im Zeitpunkt des Erwerbs des Fahrzeugs die notwendige EG-Typgenehmigung formal vorliegt, sondern auch davon, dass keine nachträgliche Rücknahme oder Änderung droht, weil die materiellen Voraussetzungen bereits bei Erteilung nicht vorgelegen haben. Entsprechend dieser selbstverständlichen Käufererwartung ist der Inverkehrgabe des Fahrzeugs der Erklärungswert beizumessen, dass auch die materiellen Voraussetzungen für die Erteilung der EG-Typgenehmigung vorlagen (ähnlich OLG Köln, Beschluss vom 16.07.2018 – 27 U 10/18, juris Rn. 4 f.; Beschluss vom 03.01.2019 – 18 U 70/18).

4) Weil der Inverkehrgabe der dargestellte positive Erklärungswert zukommt, wird mit der Anknüpfung an das Inverkehrbringen auch nicht etwa auf eine Täuschung durch Unterlassen – Nichtaufklären über die eingesetzte Software – abgestellt, welches die Verletzung einer Offenbarungspflicht voraussetzte.

Das Fahrzeug verfügte entgegen dem konkludenten Erklärungswert der Inverkehrgabe vorliegend gerade nicht über eine dauerhaft ungefährdete Betriebserlaubnis, weil die installierte Motorsteuerungssoftware eine unzulässige Abschalteinrichtung i.S.d. Art. 5 Abs. 1 und 2 VO (EG) 715/2007 enthielt, weshalb die materiellen Voraussetzungen für die Erteilung der EG-Typgenehmigung nicht gegeben waren (OLG Karlsruhe Hinweisbeschluss v. 5.3.2019 – 13 U 142/18).

5) Mithin hat die Beklagte die Klägerpartei getäuscht.

d. Das Verhalten der Beklagten war sittenwidrig.

Sittenwidrig ist ein Verhalten, das nach seinem Gesamtcharakter, der durch umfassende Würdigung von Inhalt, Beweggrund und Zweck zu ermitteln ist, gegen das Anstandsgefühl aller billig und gerecht Denkenden verstößt. Dafür genügtes im Allgemeinen nicht, dass der Handelnde eine Pflicht verletzt und einen Vermögensschaden hervorruft. Vielmehr muss eine besondere Verwerflichkeit seines Verhaltens hinzutreten, die sich aus dem verfolgten Ziel, den eingesetzten Mitteln, der zutage getretenen Gesinnung oder den eingetretenen Folgen ergeben kann. Dabei kann es auf Kenntnisse, Absichten und Beweggründe des Handelnden ankommen, die die Bewertung seines Verhaltens als verwerflich rechtfertigen. Sie kann sich auch aus einer bewussten Täuschung ergeben (BGH, 28.06.2016 – VI ZR 536/15 -, Rn. 16, juris). Bezüglich des Anstandsgefühls aller billig und gerecht Denkenden kommt es wesentlich auf die berechtigten Verhaltenserwartungen im Verkehr an (Staudinger/Oechsler, BGB [2014], § 826, Rn. 31).

Das Gericht verkennt dabei nicht, dass allein das Vorhandensein einer unzulässigen Abschalteinrichtung nicht den Vorwurf der Sittenwidrigkeit begründet. Jedoch ergibt sich vorliegend die Sittenwidrigkeit des Handelns aus dem nach Ausmaß und Vorgehen besonders verwerflichen Charakter durch Ausnutzung des Vertrauens der Käufer in eine öffentliche Institution, nämlich das KBA, welches von der Beklagten ebenfalls durch nicht Offenlegung der unzulässigen Abschalteinrichtung bzw. Angabe falscher Daten im Zulassungsverfahren getäuscht wurde (dazu 1)) und unter Inkaufnahme nicht nur der Schädigung der Käufer (dazu 2)), welche dadurch ebenfalls getäuscht wurden (dazu 3)), sondern auch der Umwelt (dazu 4)), wobei auch die vorsätzliche Täuschung die Sittenwidrigkeit begründet (dazu 5)) (vgl. OLG Karlsruhe Hinweisbeschluss, 05.03.2019 – 13 U 142/18 zum „VW-Abgasskandal“).

1) Die Art und Weise der Verwendung der unzulässigen Abschalteinrichtung ist als verwerflich anzusehen: Durch die dem Inverkehrbringen der Fahrzeuge vorangegangene Täuschung der Typgenehmigungsbehörde zur Erlangung der EG-Typgenehmigung hat sich die Beklagte bei Verkauf der Fahrzeuge das Vertrauen der Käufer in den ordnungsgemäßen Ablauf des öffentlich-rechtlichen Genehmigungsverfahrens und damit auch in die Objektivität der staatlichen Behörde zunutze gemacht.

Die Beklagte hat das KBA im Rahmen des Typengenehmigungsverfahrens über das Vorliegen der unzulässigen Abschalteinrichtung getäuscht. Die Beklagte trägt zwar pauschal vor, sie habe alle erforderlichen Angaben dem KBA gegenüber im Rahmen des Typengenehmigungsverfahrens gemacht. Allein damit genügt sie ihrer sekundären Darlegungslast jedoch nicht. Das Gericht hat deshalb mit den Klägervortrag davon auszugehen, dass die Reduzierung der AGR-Rate, u.a. abhängig von der Außentemperatur, gegenüber dem KBA nicht angezeigt wurde. (siehe auch oben)

2) Die Verwerflichkeit des Handelns ergibt sich des Weiteren aus den resultierenden Folgen: Hier droht zum einen den Käufern erheblicher Schaden in Form der Stilllegung des erworbenen Fahrzeugs oder durch Anordnung nachträglicher Nebenbestimmungen (§ 25 Abs. 2 und 3 EG-FGV). Auch ein von der Beklagten etwaig angebotenes Software-Update stellt allein ein Angebot der Schadenswiedergutmachung dar und ist für die jeweiligen Käufer einerseits mit erheblichen Unannehmlichkeiten sowie Unsicherheiten über die Auswirkungen eines entsprechenden Software-Updates verbunden.

3) Auch das Ausmaß der Täuschung, nämlich der Einsatz der unzulässigen Abschalteinrichtung in einem Motortyp, der in einer außergewöhnlich hohen Zahl von Fahrzeugen verbaut wurde, mit der Folge einer entsprechend hohen Zahl getäuschter Käufer rechtfertigt das besondere Unwerturteil.

4) Überdies hat die Beklagte durch die Ausstattung einer außergewöhnlich hohen Zahl von Fahrzeugen mit dieser Abschalteinrichtung eine erhebliche Beeinträchtigung der Umwelt über die zugelassenen Emissionen hinaus in Kauf genommen (OLG Karlsruhe Hinweisbeschluss, 05.03.2019 – 13 U 142/18).

5) Schließlich liegt im vorliegenden Fall eine vorsätzliche Täuschung vor (hierzu unten), mit dem Ziel, unter Ausnutzung der Fehlvorstellung der Kunden hohe Absatzzahlen zu erreichen. Allein dieser Umstand rechtfertigte es schon, Sittenwidrigkeit im Sinne des § 826 BGB zu bejahen (vgl. BGH, Urteil vom 28.06.2016 – VI ZR 536/15, juris Rn. 17).

e. Auch die subjektiven Voraussetzungen für einen Anspruch aus § 826 BGB gegen die Beklagte sind zu bejahen (vgl. OLG Karlsruhe Hinweisbeschluss v. 5.3.2019 – 13 U 142/18 zum sog. VW-Abgasskandal). Die Beklagte hat die Klägerpartei vorsätzlich geschädigt. Sie muss sich das Verhalten ihrer Repräsentanten, deren Wissen als zugestanden anzusehen ist, zurechnen lassen.

1) In subjektiver Hinsicht setzt § 826 BGB Schädigungsvorsatz sowie Kenntnis der Tatumstände, die das Verhalten sittenwidrig erscheinen lassen, voraus.

i) Der erforderliche Schädigungsvorsatz bezieht sich darauf, dass durch die Handlung einem anderen Schaden zugefügt wird. Er enthält ein Wissens- und Wollenselement: Der Handelnde muss die Schädigung des Anspruchstellers gekannt bzw. vorausgesehen und in seinen Willen aufgenommen haben. Dabei setzt § 826 BGB keine Schädigungsabsicht im Sinne eines Beweggrundes oder Zieles voraus. Es genügt bedingter Vorsatz hinsichtlich der für möglich gehaltenen Schadensfolgen, wobei dieser nicht den konkreten Kausalverlauf und den genauen Umfang des Schadens, sondern nur Art und Richtung des Schadens umfassen muss. Auch insoweit ist zu berücksichtigen, dass ein Schaden im Sinne des § 826 BGB nicht nur in der Versetzung bestimmter Rechte oder Rechtsgüter liegt, sondern vielmehr jede nachteilige Einwirkung auf die Vermögenslage genügt, einschließlich der sittenwidrigen Belastung fremden Vermögens mit einem Verlustrisiko (st. Rspr., BGH, Urteil vom 13.09.2004 – II ZR 276/02, juris Rn. 38; Urteil vom 19.07.2004 – II ZR 402/02, juris Rn. 47).

Im Rahmen des § 826 BGB kann sich im Einzelfall aus der Art und Weise des sittenwidrigen Handelns, insbesondere dem Grad der Leichtfertigkeit des Schädigers, die Schlussfolgerung ergeben, dass er mit Schädigungsvorsatz gehandelt hat. Dies kann insbesondere dann naheliegen, wenn der Schädiger sein Vorhaben trotz starker Gefährdung des Rechtsguts durchgeführt hat und es dem Zufall überlässt, ob sich die erkannte Gefahr verwirklicht. Stets ist aber eine umfassende Würdigung sämtlicher Umstände erforderlich (BGH, Urteil vom 20.11.2012 – VI ZR 268/11, juris Rn. 33; Urteil vom 20.12.2011 – VI ZR 309/10, juris Rn. 11).

Für den getrennt davon erforderlichen subjektiven Tatbestand der Sittenwidrigkeit genügt die Kenntnis der tatsächlichen Umstände, die das Sittenwidrigkeitsurteil begründen (BGH, Urteil vom 13.09.2004 – II ZR 276/02, juris Rn. 36).

ii) Die Haftung einer juristischen Person aus § 826 BGB in Verbindung mit § 31 BGB setzt voraus, dass ein „verfassungsmäßig berufener Vertreter“ im Sinn des § 31 BGB den objektiven und subjektiven Tatbestand verwirklicht hat. Nach ständiger höchstrichterlicher Rechtsprechung ist der Begriff des „verfassungsmäßig berufenen Vertreters“ über den Wortlaut der §§ 30, 31 BGB hinaus weit auszulegen: „Verfassungsmäßig berufene Vertreter“ sind danach auch Personen, denen durch die allgemeine Betriebsregelung und Handhabung bedeutsame, wesensmäßige Funktionen der juristischen Person zur selbständigen, eigenverantwortlichen Erfüllung zugewiesen sind, so dass sie die juristische Person im Rechtsverkehr repräsentieren. Da es der juristischen Person nicht freistehe, selbst darüber zu entscheiden, für wen sie ohne Entlastungsmöglichkeit haften will, kommt es nicht entscheidend auf die Frage an, ob die Stellung des „Vertreters“ in der Satzung der Körperschaft vorgesehen ist oder ob er über eine entsprechende rechtsgeschäftliche Vertretungsmacht verfügt (sogenannte Repräsentantenhaftung, st. Rspr. BGH, Urteil vom 05.03.1998 – III ZR 183/96, juris Rn. 18; Urteil vom 30.10.1967 – VII ZR 82/65, juris Rn. 11; auch in der neueren Rechtsprechung zu § 826 BGB verweist der Bundesgerichtshof ausdrücklich unter Bezugnahme auf das Urteil vom 30.10.1967 auf die weite Auslegung des Begriffs „verfassungsmäßig berufener Vertreter“, vgl. BGH, Urteil vom 28.06.2016 – VI ZR 541/15, juris Rn. 14; Urteil vom 28.06.2016 – VI ZR 536/15, juris Rn. 13; OLG Karlsruhe Hinweisbeschluss, 05.03.2019 – 13 U 142/18).

2) Bei der Beklagten haben die dargestellten subjektiven Voraussetzungen für eine Haftung nach § 826 BGB vorgelegen. Die Beklagte hat mit Schädigungsvorsatz gehandelt und kannte die die Sittenwidrigkeit begründenden Umstände.

Aufgrund des maßgeblichen Sach- und Streitstands ist davon auszugehen, dass die Installation der Abschalteinrichtungen in der Motorsteuerungssoftware mit Wissen und Wollen eines oder mehrerer Mitglieder des Vorstands der Beklagten oder eines oder mehrerer Repräsentanten erfolgte und somit der Beklagten gemäß § 31 BGB zuzurechnen ist. Ebenfalls ist davon auszugehen, dass diese Mitglieder des Vorstands oder der oder die Repräsentanten auch in der Vorstellung handelten, dass die so ausgestatteten Motoren in Fahrzeugen der Beklagten eingebaut und für diese unter Täuschung der zuständigen Behörde die EG-Typgenehmigung beantragt würde, obwohl die materiellen Voraussetzungen hierfür nicht vorlagen, und die Fahrzeuge sodann veräußert werden würden.

Zwar hat insoweit grundsätzlich der Geschädigte die Darlegungs- und Beweislast für sämtliche Tatbestandsvoraussetzungen der Haftungsnorm. Hier trifft die Beklagte allerdings nach den von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätzen hinsichtlich der unternehmensinternen Entscheidungsprozesse eine sekundäre Darlegungslast (vgl. auch hierzu OLG Stuttgart, Hinweise im Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 08.05.2019 – 3 U 101/18).

i) Eine sekundäre Darlegungslast besteht nämlich dann, wenn der beweisbelasteten Partei näherer Vortrag nicht möglich oder zumutbar ist, während der Bestreitende alle wesentlichen Tatsachen kennt und es ihm zumutbar ist, nähere Angaben zu machen. Dies ist insbesondere dann anzunehmen, wenn die beweisbelastete Partei außerhalb des von ihr vorzutragenden Geschehensablaufs steht und keine nähere Kenntnis der maßgebenden Tatsachen besitzt, während der Gegner zumutbar nähere Angaben machen kann (vgl. BGH, 07.12.1998 – II ZR 266/97; BGH, 24.10.2014 – V ZR 45/13; vgl. auch OLG Karlsruhe, 05.03.2019 – 13 U 142/18 zum „VW-Abgasskandal“).

ii) Diese Voraussetzungen sind vorliegend gegeben. Die Klägerpartei kann nicht näher dazu vortragen, in welcher Organisationseinheit der Beklagten die unzulässige Abschalteinrichtung entwickelt, verwendet, verbaut worden ist, wer die Entscheidung dazu getroffen und wie die Entscheidung wann und an wen kommuniziert worden ist.

Unstreitig hingegen haben Mitarbeiter der Beklagten die streitgegenständliche Software in Kenntnis deren Funktionsweise in die Motorsteuerung der streitgegenständlichen Motorenreihe, die in Dieselfahrzeugen zum Einsatz kommen sollten, integriert. Die Funktionsweise widersprach jedoch dem Zweck des Verbots der Abschalteinrichtung gemäß Art. 5 Abs. 2 Satz 1 VO (EG) 715/2007.

Angesichts der Tragweite der Entscheidung über die riskante Gestaltung der Motorsteuerungssoftware, welche flächendeckend in vielen hunderttausend (oder Millionen) Fahrzeugen eingesetzt werden sollte, erscheint es fernliegend, dass die Entscheidung für eine rechtswidrige Software ohne Einbindung des Vorstands erfolgt und lediglich einem Verhaltensexzess untergeordneter Konstrukteure zuzuschreiben sein könnte. Es handelt sich der Sache nach um eine Strategieentscheidung mit außergewöhnlichen Risiken für den gesamten Konzern und auch massiven persönlichen Haftungsrisiken für die entscheidenden Personen, dem bei den untergeordneten Konstrukteuren kein in Anbetracht der arbeits- und strafrechtlichen Risiken annähernd adäquater wirtschaftlicher Vorteil gegenübersteht (vgl. OLG Karlsruhe Hinweisbeschluss, 05.03.2019 – 13 U 142/18 zum „VW-Abgasskandal“).

Wer die Zustimmung zur Entwicklung und zum Einsatz einer Software in der Motorsteuerung für Millionen von Neufahrzeugen erteilt, muss eine wichtige Funktion in einem Unternehmen haben und mit erheblichen Kompetenzen ausgestattet sein. Soweit es sich dabei nicht um einen Vorstand handelt, spricht im Hinblick auf das Gewicht der Entscheidung zumindest eine starke tatsächliche Vermutung dafür, dass es sich um einen Repräsentanten nach § 31 BGB i.S.d. höchstrichterlichen Rechtsprechung handelt, weil er Entscheidungen trifft, die üblicherweise der Unternehmensführung vorbehalten sind.

iii) Folge der sekundären Darlegungslast ist zum einen, dass der Anspruchsgegner sich nicht mit einem einfachen Bestreiten begnügen kann, sondern die tatsächliche Vermutung in zumutbarem Umfang durch substantiierten Gegenvortrag erschüttern muss. Genügt er dem nicht, gilt der Vortrag der Klagepartei als zugestanden (§ 138 Abs. 3 ZPO).

Zum anderen reduzieren sich bereits die Anforderungen an die Substantiierung der primären Darlegungen des Anspruchstellers auf die allgemeine Behauptung der maßgebenden Tatbestandsmerkmale. Würde man hingegen wie die Beklagte eine präzise Benennung der handelnden Personen fordern, liefen die Grundsätze der sekundären Darlegungslast regelmäßig leer. Denn zur sekundären Darlegungslast kann man nur gelangen, wenn der Anspruchsteller in der Lage ist, der ihn treffenden primären Darlegungslast zu genügen. Nach der Rechtsprechung finden die Grundsätze der sekundären Darlegungslast allerdings gerade dann Anwendung, wenn der Anspruchsteller außerhalb des maßgeblichen Geschehensablaufs steht und er die entscheidungserheblichen Tatsachen deshalb gerade nicht kennen kann (OLG Karlsruhe Hinweisbeschluss, 05.03.2019 – 13 U 142/18, m.w.N.)

iv) Die Klägerseite hat nach diesem Maßstab hinreichend substantiiert vorgetragen (1), die Beklagte aber nicht wirksam sekundär vorgetragen (2).

(1) Die Klägerpartei hat schlüssig vorgetragen, der Verstand der Beklagten hätte Kenntnis von dem Einsatz der unzulässigen Software gehabt und eine Schädigung der Käufer billigend in Kauf genommen. Gerade die Motorentwicklung sowie auch di Weiterentwicklung desselbigen gehören zu den wesentlichsten Entscheidungen eines Autoherstellers. Dieser Vortrag erfolgt – auch angesichts der oben dargestellten Umstände – auch nicht ohne greifbare Anhaltspunkte ins Blaue hinein.

(2) Die Beklagte ist der sie treffenden sekundären Darlegungslast nicht hinreichend nachgekommen, weshalb der Vortrag der Klägerseite als zugestanden gilt, § 138 Abs. 3 ZPO

Die Beklagte behauptet, die technischen Ausgestaltungsentscheidungen zum Emissionskontrollsystem im streitgegenständlichen Fahrzeug seien auf Mitarbeiterebene getroffen worden und nicht von verfassungsmäßig berufenen Vertretern. Dass der Vorstand demnach keine Kenntnis von der unzulässigen Abschalteinrichtung in Form des Thermofensters bzw. anderer unzulässiger Abschalteinrichtungen hatte, bestreitet die Beklagte demnach schon nicht ausdrücklich. Selbst wenn man zugunsten der Beklagten (gerade noch) mit ihrem vagen Vortrag davon ausgeht, dass der entsprechende Tatsachenvortrag der Klägerpartei zumindest den Umständen nach bestritten sein könnte und die entsprechende Tatsachenbehauptung der Klägerpartei noch als streitig anzusehen wäre, ist die Beklagte der ihr obliegenden sekundären Darlegungslast nicht nachgekommen.

Danach hat die Beklagte durch konkreten Tatsachenvortrag Umstände darzulegen, welche die für die Kenntnis des Vorstands sprechende tatsächliche Vermutung zu erschüttern vermögen. Dies umfasst vorliegend konkret die Benennung der Personen im Unternehmen, welche die Entwicklung der streitgegenständlichen Softwarefunktion beauftragt bzw. welche diese bei einem Zulieferer bestellt haben, sowie die Darstellung der üblichen Abläufe bei einer solchen Beauftragung sowie der Organisation von Entscheidungen solcher Tragweite. Der bloße Vortrag, die technische Ausgestaltungsentscheidung zum Emissionskontrollsystem sei auf Mitarbeiterebene getroffen worden und die Beklagte wähle die Aufgaben für ihre Mitarbeiter nach deren fachlichen Qualifikationen aus, ist insofern nicht ausreichend; zumal die Beklagte selbst ausführt, dass die Mitarbeiter dazu verpflichtet sind, wesentliche Fragestellungen mit ihren Vorgesetzten abzusprechen. Soweit die Beklagte sich auf einen Handlungsexzess eines untergeordneten Mitarbeiters berufen wollte, wären vor diesem Hintergrund Umstände erforderlicher gewesen vorzutragen, die geeignet sind, einen solchen Ablauf ohne Kenntnis weiterer, leitender Mitarbeiter hinreichend wahrscheinlich erscheinen zu lassen, insbesondere auch im Hinblick auf die erforderlichen Entwicklungsarbeiten, um eine derartige Software so zu kalibrieren, dass sie der Typgenehmigungsbehörde nicht auffällt – was ersichtlich zunächst gelungen ist (OLG Karlsruhe, 05.03.2019 – 13 U 142/18).

Im Rahmen ihrer sekundären Darlegungslast obliegt es der Beklagter auch, in zumutbarem Umfang Nachforschungen anzustellen. Sollte es ihr nicht möglich oder zumutbar sein, eine abschließende Klärung herbeizuführen, genügt es nicht, über das Scheitern zu informieren, sondern sie hat vielmehr konkret mitzuteilen, welche Kenntnisse sie dabei über die Umstände einer eventuellen Verletzungshandlung gewonnen hat. Dabei ist die Beklagte allein aus Compliance-Gesichtspunkten auch dazu verpflichtet, solche entsprechenden internen Ermittlungsmaßnahmen zu ergreifen. Indem sie etwaige bisherige interne Ermittlungsergebnisse unter Verschluss hält, verstößt die Beklagte gegen ihre sekundäre Darlegungslast, so dass das Gericht davon ausgeht, dass mindestens ein Mitglied des Vorstands bzw. ein verfassungsmäßig berufener Repräsentant i.S.d. § 31 BGB der Beklagten Kenntnis von der Entscheidung des serienmäßigen Einbaus der unzulässigen Abschalteinrichtung gehabt und dies gebilligt hat (ebenso: LG Köln, 18.07.2017 – 22 O 59/17; LG Hildesheim, 17.01.2017 – 3 O 139/16; LG Kleve, 31.03.2017 – 3 O 252/16; vgl. auch LG Stuttgart, 05.04.2018 – 7 O 28/17; LG Stuttgart, 30.10.2010 – 23 O 108/18, jeweils zum „VW-Abgasskandal“).

3) Gegen einen etwaigen den Vorsatz ausschließenden Rechtsirrtum der Akteure spricht vorliegend insbesondere, dass im Typengenehmigungsverfahren – anders lässt sich der diesbezügliche Beklagtenvortrag nicht verstehen – gerade keine näheren Angaben zum Funktionieren der Abgasrückführung außerhalb des Temperaturbereiches einschließlich der Auswirkungen auf die Emissionen getätigt wurden. Daran, dass die Angaben im Beschreibungsbogen mit den zuständigen Entwicklern und ihren Vorgesetzten abgestimmt waren, hat das Gericht keine Zweifel. Dass hierbei die Anforderungen des Art. 3 Abs. 9 VO 692/2008/EG schlicht übersehen wurden, behauptet auch die Beklagte nicht. Wenn aber trotz Kenntnis jener Bestimmung Angaben unterblieben sind, legt dies den Schluss nahe, dass dies bewusst erfolgt ist, um zu verhindern, dass die Typengenehmigungsbehörde (oder auch die Europäische Kommission im Falle eines diesbezüglichen Vorlageverlangens nach Art. 3 Abs. 9 Satz 6 VO 692/2008/EG) die betreffende Ausgestaltung der temperaturabhängigen Steuerung der Abgasrückführung beanstandet. Wer aber so vor geht, dem ist auch bewusst, dass ein späteres Bekanntwerden von Details der Steuerung zu einer nachträglichen Beanstandung und möglicherweise zu Maßnahmen nach Art. 25 EG-FGV führen kann, und der nimmt auch in Kauf, dass Fahrzeugkäufer sich bei Kenntnis dieses Risikos gegen einen Kauf eines Fahrzeugs vom betroffenen Typ entscheiden würden.

4) Es kann dahinstehen, ob die Beklagte für einen vorsatzausschließenden Rechtsirrtum auch dann primär darlegungs- und beweispflichtig ist (vgl. BGH, Urteil v. 16.06.1977 – III ZR 179/75 -, BGHZ 69, 123, Rn. 55 bei juris), wenn im Rahmen des § 826 BGB Schädigungsvorsatz und Sittenwidrigkeitsvorwurf gerade von dem Bewusstsein abhängen, dass eine bestimmte Steuerungsfunktion gegen europarechtliche Vorgaben verstößt oder zumindest verstoßen könnte. Andernfalls träfe die Beklagte aber auch insoweit zumindest eine sekundäre Darlegungslast, wie es dazu komme, dass die für die Entwicklung des Fahrzeugtyps und die Erlangung der Typgenehmigung verantwortlichen Personen seinerzeit auf die Rechtmäßigkeit der konkreten Ausgestaltung der außentemperaturabhängigen Reduzierung der Abgasrückführung im streitgegenständlichen Fahrzeugtyp und darauf, dass diese schon keine europarechtlichen und typengenehmigungsrechtlichen Probleme aufwerfen werde, vertraut hätten, obwohl diese entgegen den klaren Vorgaben des Art. 3 Abs. 9 VO 692/2008/EG gegenüber dem KBA nicht im Einzelnen offengelegt wurde.

f. Gemäß §§ 826, 249 BGB kann die Klägerpartei von der Beklagten Schadensersatz i.H.v. 13.427,92 € verlangen.

Die Klägerpartei ist nach § 249 Abs. 1 BGB so zu stellen, als ob das schädigende Ereignis nicht eingetreten wäre. Aufgrund der genannten Umstände steht zur Überzeugung des Gerichts fest, dass die Klägerpartei das Fahrzeug nicht erworben hätte, wenn ihm bekannt gewesen wäre, dass die EG-Typgenehmigung unter Einsatz einer unzulässigen Abschalteinrichtung erteilt wurde und daher die Stilllegung im Falle eines Widerrufs der Zulassung drohte. Hierfür spricht die allgemeine Lebenserfahrung, dass niemand unnötig derartig erhebliche Risiken eingeht, wenn ihm auf dem Markt vergleichbare Produkte ohne entsprechende Risiken angeboten werden.

Die Klägerpartei kann daher den von ihr zum Erwerb des Fahrzeugs gezahlten Kaufpreis i.H.v. 19.000,00 € sowie die zur Finanzierung aufgewendeten Zinsen i.H.v. 1.680,73 €, insgesamt also 20.680,73 €, von der Beklagten verlangen. Im Wege des Vorteilsausgleichs hat sie allerdings das erworbene Fahrzeug und die gezogenen Nutzungen herauszugeben (vgl. nur LG Stuttgart, 05.04.2018 – 7 O 28/17, LG Bochum, 29.12.2017 – I-6 O 96/17, LG Würzburg, 23.02.2018 – 71 O 862/16, LG Stuttgart, 30.10.2018 – 23 O 80/18, jeweils zum „VW-Abgasskandal“).

Unstreitig hat die Klägerpartei das Fahrzeug als Gebrauchtwagen mit einer Kilometerlaufleistung von 74.288 km erworben. Die Kilometerlaufleistung zum Schluss der mündlichen Verhandlung betrug 141.362 km.

Der Nutzungsvorteil errechnet sich aus dem Bruttokaufpreis von 19.000,00 € (Anlage K 1) multipliziert mit der seit Vertragsschluss gefahrenen Laufleistung des Fahrzeugs zum Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung von 67.074 km (141.362 km – 74.288 km) geteilt durch die vom Gericht gemäß § 287 ZPO unter Zugrundelegung einschlägiger Vergleichswerte (Reinking/Eggert, Der Autokauf, 13. Aufl., Rn. 3574) geschätzte Restlaufleistung. Das Gericht schätzt gemäß § 287 ZPO, dass ein Dieselfahrzeug des streitgegenständlichen Typs eine Gesamtfahrleistung von 250.000 km hat, sodass eine Restlaufleistung von 175.712 km besteht. Dies bedeutet, dass die Klägerpartei insgesamt einen Nutzungsvorteil i.H.v. 7.252,81 € gezogen hat, der in Abzug zu bringen ist.

Es besteht somit ein Anspruch in Höhe des Kaufpreises (19.000 €) und der Zinsen (1.680,73 €), abzüglich des Nutzungsvorteils i.H.v. 7.252,81 €, insgesamt also in Höhe von 13.427,92 € besteht.

Da die Klägerpartei in Klageantrag Ziff. 1 einen Anspruch i.H.v. 20.680,73 € geltend macht und diesen nicht in Höhe des Nutzungsvorteils reduziert hat, insbesondere auch nicht in Höhe des mittels Erledigungsfeststellungsklage (Klageantrag Ziff. 7) geltend gemachter Nutzungsvorteil (siehe unten), war die Klage im Übrigen abzuweisen.

2. Der Klägerpartei steht überdies auch ein Anspruch aus §§ 831 Abs. 1 S. 1, 249 BGB zu (vgl. auch OLG Karlsruhe, 05.03.2019 – 13 U 142/18; LG Stuttgart, 17.01.2019 – 23 O 172/18 – juris; LG Stuttgart, 17.01.2019 – 23 O 178/18 – juris).

a. Selbst wenn man entgegen dem Vorstehenden davon ausgehen würde, dass weder ein Vorstand noch ein sonstiger Repräsentant i.S.v. § 31 BGB bei der Beklagten von der Verwendung der unzulässigen Abschalteinrichtung im hier maßgeblichen Zeitpunkt Kenntnis hatte, dann würde die Beklagte der Klägerpartei gleichwohl in der vorgenannten Weise auf Schadensersatz haften. Denn die Entwicklung und Freigabe des Motors samt der unzulässigen Abschalteinrichtung für die Serienproduktion erfolgte bei der Beklagten letztlich auf der Arbeitsebene unterhalb der Repräsentanten. Es muss hier denknotwendig einen oder höchstwahrscheinlich sogar mehrere Mitarbeiter (Entwicklungsingenieure) bei der Beklagten gegeben haben, die von der Verwendung der unzulässigen Abschalteinrichtung („Thermofenster“) und der Nichtoffenlegung gegenüber dem KBA Kenntnis hatten. Diese Mitarbeiter sind Verrichtungsgehilfen der Beklagten i.S.v. § 931 Abs. 1 S. 1 BGB.

b. Sie haben die Klägerpartei gem. § 826 BGB vorsätzlich und sittenwidrig geschädigt (vgl. oben II. 1.), denn ihnen musste klar sein, dass der von ihnen entwickelte Motor mit der unzulässigen Abschalteinrichtung nicht den gesetzlichen Vorschriften entsprach. Auch einem rechtlichen nicht weiter Vorgebildeten leuchtet ein, dass eine Abschalteinrichtung, die bei üblichen Umweltbedingungen (insbesondere bei regelmäßig auftretende Außentemperaturen, die nahezu das gesamte Jahr über in der EU herrschen) eingreift und zu einer deutlichen Reduktion der Abgasrückführung führt und weit über die gesetzlichen Grenzwerte hinausgehende Abgasemissionen bedingt, der gesetzlichen Regelung der EG-VO 715/2007 zuwiderläuft und die Nichtoffenlegung im Zulassungsverfahren gesetzeswidrig ist.

c. Den Entwicklungsingenieuren war auch klar, dass der Motor samt der unzulässigen Abschalteinrichtung mit Beginn der Serienfertigung in Fahrzeugen mit EG-Typengenehmigung Verwendung finden würde. Ferner haben diese das KBA durch Nichtoffenlegung des Thermofensters im Zulassungsverfahren (dazu oben) getäuscht. Damit nahmen sie auch eine Schädigung der jeweiligen Fahrzeugerwerber billigend in Kauf, da ihnen klar war, dass bei Aufdeckung der unzulässigen Abschalteinrichtung mit behördlichen Maßnahmen zu rechnen war. Dies genügt für den erforderlichen Schädigungsvorsatz (vgl. nur Palandt/Sprau, BGB, 77. Auflage 2018, § 826, Rn. 11). Das Handeln der Entwicklungsingenieure als bewusstes Täuschungsverhalten (Einbau einer unzulässigen Abschalteinrichtung) genügt schon an sich für das Vorliegen der Sittenwidrigkeit (vgl. Palandt/Sprau, BGB, 77. Auflage 2018, § 826, Rn. 20; Reinking-Eggert, Der Autokauf, 13. Aufl. 2017, Rn. 1898d). Vorliegend treten jedoch, wie oben bereits ausgeführt noch weitere Umstände hinzu, die bei einer Gesamtwürdigung in jedem Fall zur Sittenwidrigkeit führen.

d. Den nach § 631 Abs. 1 S. 2 BGS zulässigen Entlastungsbeweis hat die Beklagte nicht geführt.

e. Nach § 831 Abs. 1 S. 1 BGB steht damit der Klägerpartei (ebenfalls) der zuerkannte Schadensersatzanspruch zu.

3. Letztlich wäre hinsichtlich der Frage, wer wann Kenntnis von der Entwicklung und dem Vertrieb des streitgegenständlichen Motors mit der streitgegenständlichen Abschalteinrichtung hatte, sogar eine Wahlfeststellung möglich und auch im Zivilrecht zulässig (BGH, Urteil vom 23. Juni 1987 – VI ZR 188/86, juris, Rn. 12; OLG Karlsruhe, 05.03.2019 – 13 U 142/18): Zumindest entweder Vorstände im aktienrechtlichen Sinne, sonstige Repräsentanten i.S.v. § 31 BGB oder einfache Mitarbeiter als Verrichtungsgehilfen i.S.v. § 831 Abs. 1 S. 1 BGB hatten die Kenntnis und damit letztlich den Schädigungsvorsatz gem. § 826 BGB. Die Beklagte würde daher in jedem Fall auf Schadensersatz haften, wobei offenbleiben könnte, bei wem genau die Kenntnis vorlag. Für den vorliegenden Fall kommt es darauf allerdings nicht an, da wie dargelegt die Kenntnis der Vorstände als zugestanden gilt und außerdem auch von einer Kenntnis von Verrichtungsgehilfen auszugehen ist.

4. Der Zinsanspruch i.H.v 5 Prozentpunkten seit Rechtshängigkeit (18.12.2019) folgt aus §§ 291, 288 Abs. 1 BGB. Rechtshängigkeitszinsen waren demnach seit dem 19.12.2019 zu gewähren.

5. Die erhobene Einrede der Verjährung durch die Beklagte greift nicht. Die Beklagte hat nicht substantiiert vorgetragen, ab wann die Klägerpartei Kenntnis von den den Anspruch begründenden Umständen gehabt haben soll.

III.

Der Klageantrag Ziff. 2 ist überwiegend begründet.

Der Klägerpartei stehen gegenüber der Beklagten Zinsen i.H.v. 4 % aus 17,80,00 € seit 02.08.2016, jeweils weitere Zinsen i.H.v. 4 % aus jeweils 288,00 € seit dem 01.10.2016, 01.11.2016, 01.12.2016, 31.12.2016, 01.02.2017, 01.03.2017, 01.04.2017, 03.05.2017, 01.06.2017, 01.07.2017, 01.08.2017, 01.09.2017, 03.10.2017, 01.11.2017, 01.12.2017, 30.12.2017, 01.02.2018, 01.03.2018, 04.04.2018, 01.05.2018, 01.06.2018, 03.07.2018, 01.08.2018, 01.09.2018, 02.10.2018, 01.09.2018, 01.12.2018, 29.12.2018, 01.02.2019, 01.03.2019, 02.04.2019, 01.05.2019, 01.06.2019, 02.07.2019, 01.08.2019, 03.09.2019, 01.10.2019, 01.11.2019, 03.12.2019, jeweils bis zum 18.12.2019 gem. § 849 BGB zu (vgl. auch OLG Köln, 27.06.2019 – 27 U 14/19).

2. Nach § 849 BGB kann der Versetzte, sofern wegen der Entziehung einer Sache der Wert oder wegen der Beschädigung einer Sache die Wertminderung zu ersetzen ist, Zinsen des zu ersetzenden Betrags von dem Zeitpunkt an verlangen, welcher der Bestimmung des Wertes zugrunde gelegt wird.

3. § 849 BGB erfasst jeden Sachverlust durch ein Delikt. Auch wenn der Schädiger den Geschädigten durch eine unerlaubte Handlung dazu bestimmt, eine Sache wegzugeben oder darüber zu verfügen, entzieht er sie ihm. § 849 BGB ist nach seinem Wortlaut nicht auf die Wegnahme beschränkt und verlangt nicht, dass die Sache ohne oder gegen den Willen des Geschädigten entzogen wird. Der Geschädigte muss auch nicht im Besitz der Sache gewesen sein. Eine Beschränkung auf den Verlust einer Sache ohne oder gegen den Willen des Geschädigten widerspräche auch dem Normzweck von § 849 BGB. Der Zinsanspruch soll mit einem pauschalierten Mindestbetrag den Verlust der Nutzbarkeit einer Sache ausgleichen, der durch den späteren Gebrauch derselben oder einer anderen Sache nicht nachgeholt werden kann. Der Geschädigte verliert die Sachnutzung gleichermaßen, wenn ihm eine Sache ohne seinen Willen entwendet wird und wenn er durch eine unerlaubte Handlung dazu gebracht wird, sie wegzugeben oder darüber zu verfügen (BGH, 26.11.2007 – II ZR 167/06).

4. Der Klägerpartei ist eine Sache entzogen worden. Sache im Sinne von § 849 BGB ist auch Geld (vgl. auch BGH, 12.06.2018 – KZR 55/16). § 849 BGB ist nicht durch § 90 BGB, wonach nur körperliche Gegenstände Sachen im Sinne des Gesetzes sind, auf die Entziehung von Bargeld beschränkt. Der Zweck des § 849 BGB, den später nicht nachholbaren Verlust der Nutzbarkeit einer Sache auszugleichen, erfasst jegliche Form von Geld. Von den Nutzungen eines hingegebenen Geldbetrags ist der Geschädigte nicht nur ausgeschlossen, wenn er mit Bargeld bezahlt hat, sondern auch, wenn er eine Zahlung auf andere Art und Weise geleistet hat. Auch wirtschaftlich besteht kein Unterschied zwischen der Übergabe von Bargeld, der Übergabe eines Schecks, der Einzahlung von Bargeld und einer Überweisung auf ein Konto (BGH, 26.11.2007 – II ZR 167/06; vgl. auch BGH, 12.06.2018 – KZR 55/16).

5. Wer demnach durch eine unerlaubte Handlung dazu bestimmt wird, Geld zu überweisen oder zu übergeben, kann vom Schädiger eine Verzinsung nach § 849 BGB beanspruchen (vgl. zu § 849 BGB betreffend den „VW-Abgasskandal“ auch OLG Köln, 27.06.2019 – 27 U 14/19 – juris Rn. 35 m.w.N. sowie LG Essen, 04.09.2017 – 16 O 245/16).

6. Dies ist der Fall. Die Beklagte hat die Klägerpartei durch eine unerlaubte Handlung nach § 826 BGB zur Bezahlung des Kaufpreises bzw. der Darlehensraten bestimmt, weshalb die Klägerpartei eine Verzinsung der Darlehensraten nach § 849 BGB verlangen kann.

7. Die Klägerpartei hat die Darlehensraten i.H.v. 288,00 € jeweils zu oben genannten Zeitpunkten, weshalb sie grundsätzlich einen Anspruch auf Verzinsung ab dem Tag nach der jeweiligen Ratenzahlung i.H.v. 4 % aus § 849 BGB verlangen kann.

IV.

Auf den Hilfsantrag Ziffer 3 kommt es mangels Bedingungseintritt vorliegend nicht an.

V.

Die mit Klageantrag Ziff. 4 begehrte Feststellung, dass die Beklagte mit der Rücknahme des im Klageantrag Ziffer 1 genannten Fahrzeugs im Verzug ist, ist begründet.

Die Beklagte befindet sich mit der Rücknahme des streitgegenständlichen Fahrzeugs gemäß § 293 BGB im Annahmeverzug. Da Leistungsort im Falle der Rückabwicklung der Ort ist, an dem sich die Kaufsache befindet, genügt gemäß § 295 BGB das „wörtliche“ Angebot des Klägers im Rahmen des Anwaltsschreibens vom 02.10.2019 (Anlage K 40), den Kaufpreis Zug um Zug gegen Rückübereignung des Fahrzeugs zurückzubezahlen.

VI.

Der Feststellungsantrag in Klageantrag Ziff. 5 ist begründet.

Der Anspruch der Klägerpartei beruht auf §§ 826, 831 BGB und damit auf einer vorsätzlichen, sittenwidrigen Schädigung.

VII.

Der Klageantrag Ziff. 6 ist in dem im Tenor ersichtlichen Umfang begründet und war im Übrigen abzuweisen.

Die Klägerpartei hat gemäß § 826 bzw. § 831 Abs. 1 S. 1, 249 BGB gegenüber der Beklagten grundsätzlich einen Anspruch auf Erstattung vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten i.H.v. 1.029,35 €.

Der Schadenersatzanspruch erfasst auch die erforderlichen Kosten einer Rechtsverfolgung. Hierbei hat das Gericht einen Gegenstandswert in Höhe von 13.427,92 € zugrunde gelegt und eine 1,3-fache Geschäftsgebühr, die Auslagenpauschale und die Umsatzsteuer angesetzt.

Da es sich vorliegend um ein Massenverfahren handelt, bei dem der wesentliche Aufwand beim Klägervertreter gleichzeitig für eine Vielzahl von Verfahren anfällt, und es sich bei den eingereichten Schriftsätzen ausschließlich um Textbausteine handelt, die überdies im Wesentlichen keinen entscheidungserheblichen Sachvortrag enthalten, ist ein höherer Ansatz als der Mittelsatz von 1,3 für die Geschäftsgebühr (Nr. 2300 Anlage 1 VV RVG) nicht gerechtfertigten.

VIII.

Die Erledigungsfeststellungsklage (Klagantrag Ziff. 7) ist i.H.v. 6.851,85 € begründet, weil in dieser Höhe aufgrund des während des Rechtsstreits zurückgelegter klägerischer Kilometer mit dem Fahrzeug teilweise Erledigung der Hauptsache eingetreten ist.

1. Die Klage war im Leistungsantrag im Klagantrag Ziff. 1 ursprünglich zulässig und begründet, soweit die Klägerpartei für die während des Rechtsstreits zurückgelegten Kilometer mit dem streitgegenständlichen Fahrzeug (Differenz von km-Leistung bei mdl. Verhandlung zur km-Leistung bei Klageinreichung) einen Anspruch hatte. Sie musste sich aufgrund der erhöhten Nutzungsentschädigung zum Ende der mündlichen Verhandlung die Nutzungsentschädigung erhöht anrechnen lassen. Vor dem erledigenden Ereignis stand der Klägerpartei jedoch ursprünglich für die zulässige Leistungsklage auch ein begründeter Anspruch zur Seite. Sie hat folglich einen Anspruch auf Feststellung, dass sich der Rechtsstreit insoweit erledigt hat.

Eine – hier teilweise – Erledigung der Hauptsache liegt nämlich dann vor, wenn die eingereichte Klage zulässig und begründet war, aber durch ein nach Eintritt der Rechtshängigkeit eingetretenes Ereignis gegenstandslos geworden ist.

2. Das ist hier der Fall. Der Antrag Ziff. 1 war zunächst in voller Höhe zulässig und begründet, weil der Anspruch auf Rückzahlung der vollen Darlehenssumme (voller Kaufpreis und Darlehenszinsen) bestand. Denn es findet keine automatische Verrechnung des Anspruchs auf Rückzahlung des Kaufpreises bzw. der Darlehenssumme mit dem Anspruch des Käufers auf Nutzungsersatz statt, vielmehr muss der Verkäufer letzteren geltend machen. Nichts anderes gilt auch für den Anspruch nach § 826 BGB. Teilweise unbegründet wurde die Klage insoweit mithin erst, als und nachdem die Beklagte im Rechtsstreit geltend macht, die Klägerpartei müsse sich eine Nutzungsentschädigung für die von ihm zwischenzeitlich gefahrenen Kilometer anrechnen lassen. Der Verkäufer/Schädiger ist nicht gezwungen von dieser Anrechnung im Rahmen der schadensersatzrechtlichen Vorteilsausgleichung Gebrauch zu machen, sondern kann sich darauf beschränken, den ihm zustehenden Gegenanspruch auf Nutzungsersatz im Wege der Einrede geltend zu machen (OLG Stuttgart, 06.09.2017 – 4 U 105/17 m.w.N.).

3. Zum Zeitpunkt der Klageerhebung betrug der Kilometerstand 74.288 km. Im Zeitpunkt des Schlusses der mündlichen Verhandlung lag der Kilometerstand zur Überzeugung des Gerichts bei 137.654 km (Differenz: 63.366 km als während des Rechtsstreits gefahrene Kilometerleistung).

Die anzurechnende Nutzungsentschädigung betrug damit unter Anwendung der o.g. Formel in Subtraktion der Werte zum Zeitpunkt bei Klageerhebung und zum Zeitpunkt des Schlusses der mündlichen Verhandlung mit einem (Differenz-) Betrag von 6.851,85 €, sodass sich der Rechtsstreit in dieser Höhe teilweise erledigt hat.

IX.

Die Entscheidung über die Kosten folgt aus § 92 Abs. 1 ZPO.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708 Nr. 11, 711, 709 S. 1, 2 ZPO.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 Abs. 2 Nr. 1 ZPO. Die Klägerpartei obsiegt mit dem Hauptantrag (Klagantrag Ziff. 1 und 7) in Höhe von 20.279,77 € (13.427,92 € + 6.851,85 €). Im Verhältnis zum Gebührenstreitwert ergäbe sich eine Quote von 2 % zu 98 % zugunsten der Klägerpartei. Die Beklagte hat in Anwendung von § 92 Abs. 2 Nr. 1 ZPO jedoch die gesamten Kosten des Rechtsstreits zu tragen, weil die klägerische Zuvielforderung verhältnismäßig geringfügig war und nur geringfügig höhere Kosten veranlasst hat.

Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit findet ihre Grundlage in § 709 S. 1 und 2 ZPO.

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