OLG Nürnberg
Az: 2 St OLG Ss 60/06
Beschluss vom 30.08.2006
Der 2. Strafsenat des Oberlandesgerichts Nürnberg hat in dem Strafverfahren wegen vorsätzlichen Fahrens ohne Fahrerlaubnis am 30. August 2006 einstimmig beschlossen:
I. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts N vom 15. Dezember 2005 im Ausspruch über die Gesamtstrafe aufgehoben. Mit aufgehoben wird der Kostenausspruch.
Die weitergehende Revision des Angeklagten wird als unbegründet verworfen.
II. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung an eine andere Strafkammer des Landgerichts N zurückverwiesen.
Gründe:
I.
Das Amtsgericht F hat den Angeklagten am 26.10.2005 „wegen vorsätzlichen Fahrens ohne Fahrerlaubnis in zwei Fällen unter Einbeziehung der Gesamtfreiheitsstrafe aus dem Urteil des Amtsgerichts F vom 20.7.2005 (Az.: 471 Ds 359 Js 28463/04) nach Auflösung der Gesamtfreiheitsstrafe“ zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von neun Monaten verurteilt. Die Vollstreckung der erkannten Gesamtfreiheitsstrafe wurde zur Bewährung ausgesetzt. Dem Angeklagten wurde auf die Dauer von einem Monat untersagt, im Straßenverkehr Kraftfahrzeuge jeglicher Art zu führen. Der Verwaltungsbehörde wurde untersagt, dem Angeklagten vor Ablauf von einem Jahr eine Fahrerlaubnis zu erteilen. Der bei der Tatausführung benutzte Pkw Porsche 928, Fahrgestellnummer … wurde, mit Ausnahme der Räder (Reifen und Felgen), eingezogen.
Die gegen dieses Urteil eingelegte, auf den Rechtsfolgenausspruch beschränkte Berufung des Angeklagten hat das Landgericht N am 15.12.2005 verworfen.
Mit seiner Revision rügt der Angeklagte die Verletzung materiellen Rechts.
II.
Die zulässig eingelegte (§ 341 Abs. 1 StPO) und begründete (§§ 344, 345 Abs. 2 StPO) Revision hat in der Sache nur bezüglich der verhängten Gesamtfreiheitsstrafe (zumindest vorläufig) Erfolg.
1. Die Berufung war wirksam auf den Rechtsfolgenausspruch beschränkt worden.
Nachdem das Landgericht ergänzende, Schuldumfang und Unrechtsgehalt konkretisierende Feststellungen zum Anlass der beiden Fahrten getroffen hat, ist die Beschränkung als rechtswirksam zu erachten.
2. Das Urteil leidet im Rechtsfolgenausspruch unter einem sachlich-rechtlichen Mangel, der allerdings ausschließlich die Gesamtfreiheitsstrafe betrifft.
a) Die Einziehung des Tatfahrzeugs ist – entgegen der Auffassung der Revision – nicht unverhältnismäßig.
Nach § 21 Abs. 3 StVG, der der allgemeineren Regelung in § 74 Abs. 1 StGB vorgeht, unterliegt die Entscheidung über die Einziehung dem pflichtgemäßen Ermessen des Gerichts („kann“) und damit stets dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz (vgl. Jagow in: Janiszewski/Jagow/Burmann Straßenverkehrsrecht 19. Aufl. § 21 StVG Rn. 14). Aus dem Urteil muss sich deshalb – jedenfalls dann, wenn der Einziehung, wie hier, für die Strafbemessung besondere Bedeutung zukommen kann – ergeben, aus welchen Gründen sie neben der Hauptstrafe angebracht und erforderlich ist und ob und in welchem Umfang sie bei der Festsetzung dieser Strafe mitberücksichtigt worden ist (BGH StV 1986, 58).
Zu berücksichtigen ist aber auch, dass die Strafzumessung grundsätzlich Sache des Tatrichters ist. Das Revisionsgericht hat auf die Sachrüge nur zu überprüfen, ob dem Tatrichter bei der Strafzumessung Rechtsfehler unterlaufen sind, ob er also etwa einen einschlägigen Rechtsbegriff verkannt hat, von unvollständigen, widersprüchlichen oder unrichtigen Erwägungen ausgegangen ist oder die Grenzen des ihm eingeräumten Beurteilungsspielraums sonst wie überschritten hat (stRspr. des OLG Nürnberg, vgl. Beschlüsse v. 25.10.2005 – 2 St OLG Ss 150/05, S. 3 f.; 2 St OLG Ss 20/06, S. 4 f.).
Die tatrichterlichen Erwägungen halten sich hier innerhalb dieses Beurteilungsspielraums.
aa) Das Landgericht hat – was die Revision auch nicht angreift – die wirtschaftliche Bedeutung der Einziehung des Pkw für den Angeklagten aufgeklärt und in ihrer Bedeutung für den Angeklagten erwogen, insbesondere ausreichende Feststellungen zum Wert des Pkw getroffen (vgl. KG Beschl. v. 6.10.1999 – 1 Ss 269/99 -juris). Es hat insoweit ausdrücklich festgestellt, dass diese Entscheidung für den Angeklagten keine existenzbedrohenden Auswirkungen haben kann, zumal der im Betrieb seiner Eltern beschäftige Angeklagte nicht befürchten muss, dass das von seinen Eltern zur Anschaffung des Pkw gewährte Darlehen zurückgefordert wird.
Soweit die Revision die Auffassung vertritt, dass die im Rahmen der Verhältnismäßigkeitsprüfung zusätzlich durchzuführende Abwägung mit dem Unrechtsgehalt der Tat und dem tatgegenständlichen Schuldvorwurf rechtsfehlerhaft ist, kann ihr nicht gefolgt werden. Zwar bestimmt § 74 b Abs. 1 StGB (deklaratorisch), dass die Einziehung in den Fällen des § 74 Abs. 2 Nr. 1 StGB nicht angeordnet werden darf, wenn sie zur Bedeutung der begangenen Tat und zum Vorwurf, der den von der Einziehung betroffenen Täter oder Teilnehmer trifft, außer Verhältnis steht. Diese allgemeine Einziehungsvorschrift ist auch in den Fällen des § 21 Abs. 3 StVG anzuwenden (§ 74 Abs. 4 StGB i.V.m. § 74 Abs. 2 Nr. 1 StGB). Unverhältnismäßig kann die Einziehung danach sein, wenn der Unrechtsgehalt der Tat und die Täterschuld so gering sind, dass demgegenüber der Entzug des Eigentums eine unangemessene Härte und damit ein inadäquates Übel bedeuten würde (Eser in: Schönke/Schröder StGB 27. Aufl. § 74 b Rn. 3). Insoweit verbieten sich allerdings schematisierende Betrachtungen. Sie werden dem Wesen der Strafzumessungsentscheidung nicht gerecht. Angesichts der durch das Landgericht verhängten Freiheitsstrafen von zwei und drei Monaten ist jedenfalls vorliegend ein Auseinanderklaffen von Tatschuld und Nebenstrafe nicht zu besorgen.
bb) Ebenfalls frei von Rechtsfehlern ist es, dass das Landgericht die Vorschrift des § 74 b Abs. 2 Nr. 3 StGB, in dem der Grundsatz der Erforderlichkeit gesondert Ausdruck gefunden hat, nicht explizit erörtert hat. Der Tatrichter ist nur gehalten, die bestimmenden Strafzumessungsgründe mitzuteilen. Eine erschöpfende Aufzählung aller in Betracht kommenden Erwägungen ist weder vorgeschrieben noch möglich. Daraus, dass ein für die Zumessung bedeutsamer Umstand nicht ausdrücklich angeführt worden ist, kann nicht ohne weiteres geschlossen werden, der Tatrichter habe ihn überhaupt nicht gesehen oder nicht gewertet (BGHSt 24, 268; BGHR StGB § 46 Abs. 2 Tatumstände 17).
Nachdem das Gesetz die Einziehung vorliegend sowohl auf Grund der Regelung in § 21 Abs. 3 Nr. 1 StVG als auch wegen § 21 Abs. 3 Nr. 3 StVG zulässt und angesichts der verhängten Einzelfreiheitsstrafen auch kein Bagatellfall in Rede steht, durfte das Tatgericht bei dieser Sachlage von einer ausdrücklichen Erörterung der Regelung in § 74 b Abs. 2 Nr. 3 StGB absehen.
b) Die Verhängung des Fahrverbots von einem Monat und die Festsetzung einer Sperrfrist von einem Jahr sind rechtlich nicht zu beanstanden.
Auch die Bildung der beiden Einzelfreiheitsstrafen begegnet keinen rechtlichen Bedenken.
c) Soweit die Revision sich gegen die Einziehung, die Verhängung des Fahrverbots, die Festsetzung der Sperrfrist und die Bildung der Einzelfreiheitsstrafen wendet, ist sie als unbegründet zu verwerfen.
d) Mit der Rüge der Nichtberücksichtigung der Einziehung bei der Bemessung der Gesamtfreiheitsstrafe kann der Revision aber ein zumindest vorläufiger Erfolg nicht versagt bleiben.
aa) Die Einziehung ist eine Nebenstrafe und somit Teil der Strafzumessung (BGH StV 1986, 58). Damit ist auch die Einziehung (nach § 21 Abs. 3 StVG) als Nebenstrafe im Rahmen der Strafzumessung zu berücksichtigen. Wird im Rahmen der Verurteilung die Einziehung eines dem Angeklagten gehörenden Gegenstandes angeordnet, hat das Tatgericht bei der Strafzumessung ausdrücklich zu erörtern, ob und ggf. in welchem Umfang die Einziehung strafmildernd zu berücksichtigen ist (BGHR StGB § 46 Abs. 1 Strafzumessung 1).
Zwar ist der Tatrichter nur gehalten, die bestimmenden Strafzumessungsgründe mitzuteilen (siehe oben II. 2. a. bb.). Deshalb sind nicht in jedem Fall nähere Darlegungen in den Urteilsgründen erforderlich. Sie können etwa dann entbehrlich sein, wenn das eingezogene Kraftfahrzeug zu einer Vielzahl von Straftaten benutzt wurde und sein Wert verhältnismäßig gering ist, so dass auszuschließen ist, dass der Vermögenseinbuße maßgebliche Bedeutung bei der Bemessung der Freiheitsstrafe(n) zukam. Einer ausdrücklichen Erörterung bedarf es daher dann nicht, wenn angesichts des Wertes des Gegenstandes die Einziehung die Bemessung der Strafe nicht wesentlich beeinflussen kann (BGHR StGB § 46 Abs. 1 Schuldausgleich 39; BGH NStZ 1985, 362; OLG Schleswig Beschl. v. 19.4.2002 – 1 Ss 38/02 – juris; Jagow in: Janiszewski/Jagow/Burmann a.a.O. § 21 StVG Rn. 15).
bb) So liegt der Fall hier aber nicht. Im Hinblick auf den nach den tatrichterlichen Feststellungen nicht nur absolut, sondern gerade im Verhältnis zur wirtschaftlichen Situation des Angeklagten erheblichen Wert des Fahrzeugs von EUR 14.000,- waren Ausführungen zum Gewicht der Vermögenseinbuße im Rahmen der Strafzumessung unentbehrlich. Der Rechtsfehler nötigt aber nur zur Aufhebung der Gesamtstrafe, da es in den Fällen, in denen der Täter wegen mehrerer Straftaten verurteilt wird (§ 53 StGB), in der Regel genügt, die Einziehung eines wertvollen Gegenstandes erst bei der Bemessung der Gesamtstrafe zu berücksichtigen (BGHR StGB § 46 Schuldausgleich 39). Ein Fall, in dem ausnahmsweise eine Ermäßigung allein der Gesamtstrafe nicht genügt, liegt hier nicht vor. Deshalb ist nur die Gesamtfreiheitsstrafe aufzuheben. Die ihr zugrunde liegenden Feststellungen konnten bestehen bleiben. Ergänzende Feststellungen sind aber noch möglich (vgl. BGHR a.a.O.).
III.
1. Eine Entscheidung nach Maßgabe von § 354 Abs. 1 a StPO selbst zu treffen ist dem Senat versagt. Da die Strafzumessungstatsachen zu den im Rahmen der nachträglichen Gesamtstrafenbildung einzubeziehenden Einzelstrafen (nach Auflösung der vom Amtsgericht R mit Urteil vom 20.7.2005 verhängten Gesamtfreiheitsstrafe von sechs Monaten) in dem Urteil des Landgerichts – obwohl dies unverzichtbar gewesen wäre (vgl. Tröndle/Fischer StGB 53. Aufl. § 55 Rn. 16) – nicht mitgeteilt werden, kann der Senat nicht überprüfen, ob die verhängte Gesamtfreiheitsstrafe angemessen ist.
2. Wegen des aufgezeigten Rechtsfehlers (§ 337 StPO) bei der Bildung der verhängten Gesamtfreiheitsstrafe ist das angefochtene Urteil im Ausspruch über die Gesamtfreiheitsstrafe sowie im Kostenausspruch aufzuheben (§§ 349 Abs. 4, 353 Abs. 1 StPO).
Die weitergehende Revision ist als unbegründet zu verwerfen (§ 349 Abs. 2 StPO). Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung an eine andere Strafkammer des Landgerichts N die auch über die Kosten des Rechtsmittels (Berufungs- und Revisionsverfahren) zu befinden haben wird, zurückverwiesen (§ 354 Abs. 2 StPO).