Landgericht Köln
Az: 13 S 253/10
Urteil vom 21.12.2011
Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Amtsgerichts Brühl vom 08.10.2010 – Az. 21 C 248/10 – teilweise abgeändert und insgesamt wie folgt neu gefasst:
Die Beklagte wird verurteilt, das Fahrzeug der Klägerin mit der Fahrzeugident-Nr. …so nachzubessern, dass sich zwischen der Stoßstange und der Heckklappe kein Wasser mehr sammeln kann und sich der Kofferraum auch bei Minusgraden öffnen lässt.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Die weitergehende Berufung wird zurückgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits beider Instanzen trägt die Beklagte.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Die Revision wird nicht zugelassen.
G r ü n d e :
I.
Die Kammer hat zusätzlich Beweis erhoben durch Einholung eines Gutachtens des Sachverständigen Professor … nebst dessen Ergänzung. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf das Gutachten vom 29.06.2011 (Bl. 133 ff. GA) nebst Ergänzungsgutachten vom 07.09.2011 (Bl. 183 ff. GA) Bezug genommen.
Von der weiteren Darstellung des Tatbestandes wird gemäß §§ 540 Abs. 2, 313a Abs. 1 S. 1 ZPO, § 26 Nr. 8 EGZPO abgesehen.
II.
Die Berufung ist zulässig und hat auch in der Sache ganz überwiegend Erfolg. Die Klage ist entgegen der Auffassung des Amtsgerichts bereits mit dem auf Mängelbeseitigung gerichteten Hauptantrag zulässig und begründet.
1.
Der Hauptantrag ist zunächst hinreichend bestimmt. Wird auf die Vornahme einer Handlung geklagt, so muss diese zwar hinreichend genau bezeichnet werden. Wird aber materiell-rechtlich nur ein Erfolg geschuldet, so genügt prozessual bereits die Angabe dieses Erfolgs. Daher muss bei geschuldeter Nachbesserung lediglich der zu beseitigende Mangel genau bezeichnet sein (vgl. OLG Koblenz, NJW-RR 1998, 1770; OLG Saarbrücken, NJW-RR 2010, 95; Musielak/Lackmann, ZPO, 7. Aufl. 2009, § 704 Rn. 6). Die Wahl einer hierzu geeigneten Maßnahme ist dann Sache des Schuldners, so dass die Benennung einer bestimmten Maßnahme die Klage sogar unbegründet machen könnte (etwa MK-ZPO/Becker-Eberhard, 3. Aufl. 2008, § 253 Rn. 138). Welchen konkreten Erfolg die Beklagte herbeiführen soll, wird nach Auffassung der Kammer vorliegend durch den Antrag ausreichend bezeichnet. Entgegen der Auffassung des Amtsgerichts wird dadurch der Rechtsstreit nicht unzulässig in das Vollstreckungsverfahren verlagert. Es ist nicht grundsätzlich geboten oder auch nur möglich, jeden künftigen Streit im Vollstreckungsverfahren auszuschließen. Wenn es nach materiellem Recht Sache des Verkäufers ist, zu bestimmen, wie er einen Mängel beseitigen will, kann die Frage, ob hierzu die zutreffenden Maßnahmen ergriffen wurden, im Streitfall zwangsläufig nur im Zwangsvollstreckungsverfahren von dem Prozessgericht als Vollstreckungsgericht entschieden werden. Es ist alleinige Sache des Käufers zu entscheiden, ob er sich diesem Risiko aussetzen will, indem er auf Mängelbeseitigung klagt statt von Rücktritts- oder Minderungsmöglichkeiten Gebrauch zu machen.
2.
Im Ergebnis mit Recht hat das Amtsgericht weiter angenommen, dass der Kaufgegenstand, ein Fahrzeug Ford Focus Tunier, mangelhaft sei. Allerdings hatte die Kammer hierzu ergänzend Beweis zu erheben, weil die entsprechenden Feststellungen des Amtsgerichts i.S.d. § 529 Abs. 1 Nr. 1 ZPO zweifelhaft waren:
Mangels vorliegend getroffener konkreter Vereinbarung zur Nutzbarkeit der Heckklappe im Winter richtet sich die Sollbeschaffenheit insoweit nach § 434 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 BGB, also nach der Eignung für die gewöhnliche Verwendung und der üblichen Beschaffenheit Sachen gleicher Art. Bei Konstruktionsfehlern an Kraftfahrzeugen kommt es bei der Beurteilung der Frage, ob ein Mangel im Sinne von § 434 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 BGB vorliegt, auf den derzeitigen Stand der Technik an. Der Stand der Technik, an dem sich ein Neufahrzeug messen lassen muss, wird einerseits nach dem Stand der Technik der Serie, aus der das Fahrzeug stammt, bestimmt, andererseits aber auch nach dem Stand der Technik anderer Fahrzeuge mit gleicher Zweckbestimmung und Fahrzeugklasse (OLG Brandenburg, NJW-RR 2007, 928; vgl. hierzu auch Reinking/Eggert, Der Autokauf, 10. Aufl. 2009, Rn. 200 ff.). Der Stand der Technik ist jedoch nicht zwangsläufig an der optimalen technischen Lösung ausgerichtet, denn für jedes technische Problem gibt es eine Bandbreite von technischen Möglichkeiten der Lösung, die noch vertragsgerecht sind. Entsprechend besteht für den Hersteller nur die Verpflichtung, ungeeignete Konstruktionen und Materialien, die dem Stand der Technik widersprechen, aus der Produktion zu nehmen. Im Übrigen bestimmt er die Konstruktion jedoch in seiner freien Entscheidung. Das Fahrzeug ist fehlerfrei, wenn es dem technischen Standard der jeweils vergleichbaren Wagenklasse entspricht. Konstruktionsbedingte Besonderheiten und Eigentümlichkeiten, die die Gebrauchstauglichkeit nicht beeinträchtigen, sind hingegen keine Mängel (OLG Brandenburg, a.a.O.; OLG Koblenz, NJW-RR 2003, 1380).
Danach kommt es hier darauf an, ob die Wasseransammlung in einer Rille der Stoßstange eine ungeeignete Konstruktion der Karosserie darstellt, die dem Stand der Technik, insbesondere dem technischen Standard der fraglichen Fahrzeugklasse, nicht mehr entspricht. Hierzu hatte das Amtsgericht keine Feststellungen getroffen. Aufgrund der von der Kammer durchgeführten Beweisaufnahme steht zu ihrer vollen Überzeugung (§ 286 ZPO) fest, dass die Fahrzeugkonstruktion des Bereichs der Heckklappe bzw. Heckstoßstange nicht dem Stand der Technik entspricht und den Rahmen der zulässigen Gestaltungsmöglichkeiten verlässt. Der Sachverständige Professor T, welcher der Kammer als besonders renommierter Experte bekannt ist, hat von den Parteien nicht angegriffen festgestellt, dass die Heckpartie, bei der die Stoßfängerhaut hinten höher als im Bereich der Heckklappe reicht, nicht optimal konstruiert sei. Kein vergleichbares Fahrzeug sei so konstruiert; technisch sei dies auch nicht nachvollziehbar, sondern allenfalls aus Gründen der Optik. Die Regenablauflöcher seien zudem zu schmal konzipiert, um den Ablauf von Wasser auch z.B. bei Verschmutzungen zu sichern. Aufgrund der durch sie ermöglichten Verhakung einer gebildeten Eiskante würden die Löcher sich sogar zusätzlich negativ auf die Öffnungsmöglichkeit der Heckklappe im Winter auswirken. Im Ergänzungsgutachten hat der Sachverständige weiter ausgeführt, dass jeder Laie wisse, dass sich in Vertiefungen Wasser sammeln und gefrieren könne, dass weiter jedem Konstrukteur bekannt sei, dass am Heck eines Pkw Unterdruck herrsche und Wasser sowie Schmutz angesaugt würden. Diese Probleme seien durch die vorhandenen Ablauflöcher nicht zu beherrschen. Diese Ausführungen hat der Sachverständige stimmig, plausibel und auch von den Parteien nicht angegriffen dahingehend zusammengefasst, dass es sich um eine „Fehlkonstruktion“ handele. Die Kammer tritt dieser in jeder Hinsicht nachvollziehbaren Beurteilung bei.
Die begehrte Nachbesserung ist schließlich auch nicht unmöglich. Der Sachverständige hat konkret aufgezeigt, dass der Mangel durch eine andere Gestaltung der Heckpartie durchaus behoben werden kann. Die erforderlichen Schlitze im Stoßfänger könnten durch einen kunststoffverarbeitenden Betrieb durchaus vorgenommen werden. Auch dies haben die Parteien nicht mehr in Frage gestellt.
3.
Ein Anspruch auf Ersatz vorgerichtlicher Rechtsanwaltskosten besteht aus den Gründen der amtsgerichtlichen Entscheidung, die insoweit auch nicht näher angegriffen wurden, hingegen nicht, so dass der Berufung insoweit der Erfolg zu versagen ist.
III.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 Abs. 2 Nr. 1 ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr. 10, 711, 713 ZPO, § 26 Nr. 8 EGZPO.
Gründe für eine Zulassung der Revision bestehen nicht: Die Rechtssache hat weder grundsätzliche Bedeutung i.S.d. § 543 Abs. 2 Nr. 1 ZPO noch erfordern die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung i.S.d. § 543 Abs. 2 Nr. 2 ZPO die Zulassung der Revision. Der Rechtsstreit betrifft lediglich die Anwendung gesicherter Rechtsgrundsätze auf den konkreten Einzelfall.
Streitwert für das Berufungsverfahren: 2.461,67 €