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Fahrzeugkauf durch Vollkaufmann – Mängelrüge

Rechtszeitige Rüge von Fahrzeugmängeln

OLG Köln – Az.: 3 U 129/19 – Beschluss vom 18.02.2020

1. Der Senat weist darauf hin, dass er beabsichtigt, die Berufung der Klägerin gegen das am 12.06.2019 verkündete Urteil der 18. Zivilkammer des Landgerichts Köln – Az. 18 O 409/18 – gem. § 522 Abs. 2 ZPO als unbegründet zurückzuweisen.

2. Die Klägerin erhält Gelegenheit zur Stellungnahme innerhalb von drei Wochen ab Zugang dieses Beschlusses.

Gründe

I.

Die Berufung der Klägerin hat offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg (§ 522 II 1 Nr. 1 ZPO). Es ist nicht ersichtlich, dass die angefochtene Entscheidung auf einer Rechtsverletzung beruht (§ 546 ZPO) oder nach § 529 ZPO zugrunde zu legende Tatsachen eine andere Entscheidung rechtfertigen (§ 513 I ZPO). Die Rechtssache hat auch keine grundsätzliche Bedeutung (§ 522 II 1 Nr. 2 ZPO). Ebenso wenig ist eine Entscheidung des Senats durch Urteil zur Fortbildung des Rechts oder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung (§ 522 II 1 Nr. 3 ZPO) oder aus anderen Gründen eine mündliche Verhandlung geboten (§ 522 II 1 Nr. 4 ZPO).

Das Landgericht hat die Klage aus den zutreffenden Gründen, auf die der Senat ausdrücklich Bezug nimmt, als unbegründet abgewiesen und einen Anspruch der Klägerin gegen beide Beklagte verneint. Die Berufung, mit der sich die Klägerin gegen die Abweisung ihrer Klage wendet, gibt aus Sicht des Senates ergänzend nur zu folgenden Ausführungen Anlass:

1.

Mit dem Landgericht ist der Senat der Auffassung, dass kaufvertragliche Ansprüche der Klägerin gegen die Beklagte zu 1) aus §§ 433, 434 I 2 Nr. 1, 2, 437 Nr. 2, 440, 323 BGB nicht bestehen. Zwar hat die Klägerin mit der Beklagten zu 1) unter dem 30.08.2016 einen Kaufvertrag über das streitgegenständliche Fahrzeug geschlossen. Dieses war zum Zeitpunkt der Auslieferung auch mängelbehaftet, weil es unstreitig mit einer vom Kraftfahrt-Bundesamt als unzulässig bewerteten Abschalteinrichtung versehen war, die seine Zulassung in Frage stellte und die Gefahr einer Stilllegung des Fahrzeuges begründete, sofern nicht ein Software Update aufgespielt wurde. Mit Rücksicht auf diese unzulässige Abschalteinrichtung ist das streitgegenständliche Fahrzeug zwischenzeitlich unstreitig aufgrund behördlicher Anordnung zurückgerufen worden. Dass dieser Umstand einen Sachmangel im Sinne des Kaufvertragsrechts begründet, hat der Bundesgerichtshof bereits entschieden (vgl. BGH NJW 2019, 1133). Dem schließt sich der Senat an.

2.

Trotz der Mangelhaftigkeit des streitgegenständlichen Fahrzeuges ist es der Klägerin vorliegend verwehrt, Gewährleistungsrechte gegen die Beklagte zu 1) geltend zu machen, weil sie es versäumt hat, den Mangel rechtzeitig gegenüber der Beklagten zu 1) zu rügen, § 377 I, III 1 HGB. Dies hat die Beklagte zu 1) auch bereits in ihrer Klageerwiderung unter Berufung auf die Vollkaufmannseigenschaft der Klägerin eingewandt (vgl. Seiten 20 ff. der Klageerwiderung, Bl. 71 ff. d.A.). Infolge der unterlassenen Rüge gilt das streitgegenständliche Fahrzeug auch in Ansehung des Mangels als genehmigt, § 377 III 2. Halbsatz HGB.

(a) Ist der Kauf – wie vorliegend – für beide Teile ein Handelsgeschäft, so hat der Käufer die Ware unverzüglich nach der Ablieferung durch den Verkäufer, soweit dies nach ordnungsmäßigem Geschäftsgang tunlich ist, zu untersuchen und, wenn sich ein Mangel zeigt, dem Verkäufer unverzüglich Anzeige zu machen, § 377 I HGB. Handelt es sich um einen verdeckten Mangel, d.h. einen solchen, der auch bei ordnungsgemäßer Untersuchung nicht in Erscheinung getreten wäre (vgl. hierzu Hopt in: Baumbach/Hopt, HGB, 38. Auflage, § 377 Rn. 38), ist er unverzüglich nach seiner Entdeckung anzuzeigen, § 377 III 2. Halbsatz HGB. Diese Vorschrift trägt dem Umstand Rechnung, dass verdeckte Mängel sinnvollerweise erst dann gerügt werden können, wenn sie sich später zeigen und der Käufer von ihnen Kenntnis erlangt (vgl. RGZ 99, 249, BGHZ 132, 175; OLG Brandenburg MDR 2013, 534). Daher beginnt die Rügefrist bei ihnen nicht wie sonst mit der Ablieferung der Kaufsache, sondern erst mit der Entdeckung des jeweiligen Mangels. Die Länge der Rügefrist ist entsprechend dem Normzweck des § 377 HGB daran zu bemessen, dem Verkäufer schnell Rechtssicherheit zu geben, ob mit Beanstandungen zu rechnen ist und entsprechende Dispositionen getroffen werden müssen oder er von einer problemlosen Abwicklung des Kaufvertrages ausgehen kann (vgl. hierzu Hopt in: Baumbach/Hopt, a.a.O., § 377 Rn. 32). Unverzüglich im Sinne des § 377 HGB handelt der Käufer vor diesem Hintergrund, wenn er ohne schuldhaftes Zögern tätig wird, vgl. § 121 BGB (Hopt in: Baumbach/Hopt, a.a.O., § 377 Rn. 23). Dabei kann mit Rücksicht auf die Vielfalt der denkbaren Sachverhaltsgestaltungen eine starre allgemeingültige Frist nicht abstrakt bestimmt werden. Sie ist vielmehr anhand der Gesamtumstände des jeweiligen Einzelfalles zu bemessen (Hopt in: Baumbach/Hopt, a.a.O., § 377 Rn. 23; BGHZ 132, 175; OLG Düsseldorf NJW-RR 1999, 1714). Bei verdeckten Mängeln wird dem Käufer im Allgemeinen ab dem Zeitpunkt der Entdeckung nur eine kurze Rügefrist von 1 bis 2 Tagen zugestanden (vgl. BGHZ 132, 175, wobei Wochenenden unberücksichtigt bleiben sollen; OLG Koblenz NJW-RR 2004, 1553; vgl. auch Hopt in: Baumbach/Hopt, a.a.O., § 377 Rn. 35). Darlegungs- und beweisbelastet für eine rechtzeitige Mängelrüge ist der Käufer (vgl. Oetker/Koch, HGB 6. Aufl. 2019, § 377 Rn. 144; Hopt in: Baumbach/Hopt, a.a.O., § 377 Rn. 55).

Nach Maßgabe der vorstehenden Grundsätze ist eine rechtzeitige Mängelrüge von der Klägerin in beiden Instanzen bereits nicht schlüssig dargetan. Es handelt sich bei der vorliegend in Rede stehenden Ausstattung des streitgegenständlichen Fahrzeuges mit einer unzulässigen Abschalteinrichtung um einen verdeckten Mangel im vorstehenden Sinne. Denn Mängel der Motorsteuerungssoftware wären im Rahmen der bei Ablieferung von dem Käufer vorzunehmenden Untersuchung nicht aufgefallen. Zu diesem Zeitpunkt waren abseits der allgemeinen medialen Berichterstattung über den Diesel-Abgasskandal unstreitig auch noch keine Verlautbarungen über die Betroffenheit des streitgegenständlichen Fahrzeuges von der Diesel-Abgasproblematik veröffentlicht worden. Beide Parteien beziehen sich vielmehr für den Zeitpunkt des Zutagetretens dieses Umstandes übereinstimmend auf die unter dem 27.07.2017 abgegebene Pressemitteilung der Bundesregierung über die Ausstattung von Porsche A Fahrzeugen mit einem 3,0 l Dieselmotor mit einer unzulässigen Abschalteinrichtung. Dass sie innerhalb einer Frist von 1 bis 2 Tagen nach diesem Zeitpunkt gegenüber der Beklagten zu 1) den Mangel ordnungsgemäß angezeigt hat, ist dem Vortrag der Klägerin nicht zu entnehmen. Zwar kann die Anzeige formfrei erhoben werden (vgl. Hopt in: Baumbach/Hopt, a.a.O., § 377 Rn. 43). Sie erfordert indes eine entsprechende Erklärung gegenüber dem Verkäufer oder einer von diesem empfangsbevollmächtigten Person (vgl. Hopt in: Baumbach/Hopt, a.a.O., § 377 Rn. 33). Eine derartige Erklärung gegenüber der Beklagten zu 1) noch im Juli 2017 behauptet die Klägerin ebenso wenig wie eine (deutlich) verspätete Kenntniserlangung ihrerseits von der Pressemitteilung der Bundesregierung. Soweit unstreitig unter dem 09.08.2017 eine telefonische Kontaktaufnahme zu der Beklagten zu 1) erfolgte, war dies zum einen bereits nicht mehr rechtzeitig im vorgenannten Sinne. Zum anderen behauptet auch die Klägerin keinen Gesprächsinhalt, der eine ordnungsgemäße Anzeige gemäß § 377 HGB darstellen würde. Dies hätte in inhaltlicher Hinsicht zumindest erfordert, dass die Anzeige den gerügten Mangel nach seiner Art und seinem Umfang hinreichend erkennen gelassen hätte (vgl. Hopt in: Baumbach/Hopt, a.a.O., § 377 Rn. 42 m.w.N.) und die Klägerin zugleich deutlich gemacht hätte, von den aus dem Mangel resultierenden Rechten Gebrauch machen zu wollen (vgl. Hopt in: Baumbach/Hopt, a.a.O., § 377 Rn. 42 m.w.N.). Derartiges ist dem Klägervortrag nicht zu entnehmen. Die Beklagte zu 1) hat dies im Gegenteil in ihrer Klageerwiderung (Seiten 20 ff. der Klageerwiderung, Bl. 71 ff. d.A.) in Abrede gestellt und behauptet, es habe sich nur um eine fernmündliche Anfrage der Klägerin gehandelt, ohne dass ein Mangel gerügt oder entsprechende Erklärungen getätigt worden seien. Diesem Vortrag ist die Klägerin in beiden Instanzen nicht entgegen getreten, auch nicht in der Berufungsbegründung (vgl. Seite 2 der Berufungsbegründung, Bl. 303 d.A.). Eine – ohnehin nicht mehr als unverzüglich anzusehende – schriftliche Korrespondenz ist klägerseits ab dem 11.01.2018 offenbar ebenfalls ausschließlich mit der Beklagten zu 2) geführt worden und nicht mit der Beklagten zu 1). An diese ist die Klägerin vielmehr erst wieder mit anwaltlichem Rücktrittsschreiben vom 05.10.2018 herangetreten (vgl. Anlage K 5, Bl. 62 ff. AH).

(b) Es kann auch nicht festgestellt werden, dass die Anzeige gemäß § 377 HGB ausnahmsweise entbehrlich gewesen wäre. Zwar ist anerkannt, dass in Ausnahmefällen eine ausdrückliche Rüge verzichtbar, weil überflüssig ist. Dies wird etwa in Fällen angenommen, in denen für den Verkäufer auch ohne explizite Rüge des Käufers klar zu erkennen ist, dass der Käufer die gelieferte Ware wegen eines bestimmten Mangels nicht akzeptiert. Den insoweit in der Kommentarliteratur genannten Fällen ist aber gemeinsam, dass der Käufer in ihnen stets jedenfalls ein Verhalten an den Tag gelegt hatte, das als konkludente Rüge gewertet werden konnte. Ohne ein solches Verhalten des Käufers wird man aus Sicht des Senates allenfalls in solchen Fällen, in denen für den Verkäufer erkennbar ausgeschlossen ist, dass sich der Käufer mit der gelieferten mangelhaften Sache abfinden wird, eine Mängelrüge unter dem Gesichtspunkt der „Förmelei“ für überflüssig halten können (vgl. Grunewald in: MünchKomm, HGB 3. Auflage, § 377 Rn. 85). Aus den gleichen Erwägungen mag man ferner an solche Fälle denken, in denen der Verkäufer gegenüber dem Käufer selbst Erklärungen des Inhalts abgibt, die Ware sei nicht ordnungsgemäß und er zugleich vorbehaltlos Nachbesserung bzw. eine andere von ihm zu erbringende Form der Ersatzleistung für den Mangel anbietet (vgl. BGH WM 1990, 2000; Hopt in: Baumbach/Hopt, a.a.O., § 377 Rn. 36, 46; Grunewald in: MünchKomm, a.a.O., § 377 Rn. 86). Von der Entbehrlichkeit der Mängelrüge kann in solchen Fällen aber nur dann ausgegangen werden, wenn diese Erklärungen zugleich erkennen lassen, dass auch der Verkäufer nicht davon ausgeht, dass der Käufer die Ware als Vertragsleistung genehmigen werde (BGH WM 1990, 2000; Grunewald in: MünchKomm, a.a.O., § 377 Rn. 86). Hierfür reicht weder aus, dass der Verkäufer um den Mangel weiß, noch dass sich dieser aus der eigenen Erklärung des Verkäufers ergibt (vgl. hierzu auch BGH NJW 1991, 2633; OLG Koblenz MDR 2015, 108; Grunewald in: MünchKomm, a.a.O., § 377 Rn. 86). Denn trotz der Kenntnis von dem Mangel kann der Verkäufer in Ermangelung gegenteiliger Erklärungen des Käufers grundsätzlich davon ausgehen, dass dieser die Ware akzeptieren wird. Etwas anderes kann nur dann gelten, wenn es sich um einen Mangel handelt, der schlechterdings als nicht akzeptabel angesehen werden muss. Dies vermag der Senat im vorliegenden Fall aber nicht zu erkennen. Zwar wusste die Beklagte zu 1) ab dem 27.07.2017 um die Ausstattung des streitgegenständlichen Fahrzeuges mit der unzulässigen Abschalteinrichtung und die behördliche Anordnung ihrer Entfernung. Ihr musste aber keineswegs bewusst sein, dass die Klägerin sich mit dem Aufspielen des von seiten der Herstellerin zu entwickelnden Software Updates nicht zufrieden geben und gleichwohl Rechte gegen die Beklagte zu 1) geltend machen würde. Dass eine Akzeptanz des Aufspielens des Software Updates nicht offenkundig ausgeschlossen war, ergibt sich bereits daraus, dass durchaus eine nicht unerhebliche Anzahl an Käufern in der gleichen Situation wie die Klägerin in eben dieser Weise verfahren sind und keine Gewährleistungsrechte gegenüber den Verkäufern im Klagewege geltend gemacht haben. Die Beklagte zu 1) hat der Klägerin auch keineswegs vorbehaltlos eine Nachbesserung oder eine andere Form der Gewährleistung angeboten, sondern sich in ihrem vorgerichtlichen Schreiben vom 10.08.2017 auf einen Verweis auf die Übernahme der vollen Verantwortung durch die Beklagte zu 2) und das von dieser zu entwickelnde Software Update beschränkt (vgl. Anlage K 3, Bl. 45 ff. AH).

(c) Die Beklagte zu 1) hat vorliegend auch nicht auf eine unverzügliche Mängelrüge durch die Klägerin verzichtet. Zwar bestehen keine grundsätzlichen rechtlichen Bedenken gegen die Zulässigkeit eines solchen Verzichts des Verkäufers (vgl. dazu Hopt in: Baumbach/Hopt, a.a.O., § 377 Rn. 47; BGH NJW 1991, 2633; Grunewald in: MünchKomm, a.a.O., § 377 Rn. 84; OLG Koblenz 2015, 108). Denn das Erfordernis der unverzüglichen Mängelrüge dient allein seinem Schutz, weshalb er sich seiner auch begeben kann. Zu fordern ist aber auch insoweit aus Sicht des Senates, dass der Verzicht – wenn er nicht ausdrücklich erklärt wird – sich zumindest stillschweigend aus einem wie auch immer gearteten Verhalten der Beklagten zu 1) ergibt, das mit einer gewissen Eindeutigkeit auf einen Verzichtswillen schließen lässt. Als Beispiele werden in Literatur und Rechtsprechung die vorbehaltlose Rücknahme der Kaufsache, das vorbehaltlose Versprechen der Nachbesserung sowie die Nichterhebung des Einwands der verspäteten Rüge durch den Verkäufer genannt (vgl. Hopt in: Baumbach/Hopt, a.a.O., § 377 Rn. 47; BGH NJW 1991, 2633; BGH NJW 1999, 1259; OLG Koblenz 2015, 108). Als nicht ausreichend angesehen wird hingegen die bloße Kenntnis des Verkäufers von dem Mangel (vgl. Hopt in: Baumbach/Hopt, a.a.O., § 377 Rn. 47) oder das bloße Verhandeln über die Rüge des Käufers zwecks gütlicher Einigung (vgl. Hopt in: Baumbach/Hopt, a.a.O., § 377 Rn. 47; Grunewald in: MünchKomm, a.a.O., § 377 Rn. 87; BGH NJW 1991, 2633; BGH NJW 1999, 1259; OLG Koblenz MDR 2015, 108) bzw. die nachträgliche Vereinbarung einer Begutachtung der Sache, respektive eines Probelaufs derselben (vgl. Hopt in: Baumbach/Hopt, a.a.O., § 377 Rn. 47; OLG Koblenz NJW-RR 2004, 1553). Den vorgenannten Verhaltensweisen fehlt es an der für einen Verzichtswillen des Verkäufers erforderlichen Eindeutigkeit. Sie können gleichermaßen lediglich Ausdruck des Wunsches des Verkäufers sein, den Versuch einer gütlichen Einigung zu unternehmen. Auch vorliegend vermag der Senat einen Verzichtswillen der Beklagten zu 1) nicht feststellen. Ein solcher kann insbesondere nicht der bloßen Kenntnis der Beklagten zu 1) von dem Mangel oder dem am 09.08.2017 geführten telefonischen Kontakt mit der Klägerin entnommen werden, da dieses nach den unwidersprochenen Behauptungen der Beklagten zu 1) keinen entsprechenden Inhalt hatte. Auch das vorprozessuale Schreiben an die Klägerin vom 10.08.2017 (Anlage K 3, Bl. 45 ff. AH) lässt derartiges nicht erkennen. Denn es verhält sich nicht zur kaufvertraglichen Gewährleistung und damit zu dem Verhältnis zwischen der Klägerin und der Beklagten zu 1), sondern allein zur Übernahme der vollen Verantwortung gegenüber den Kunden durch die Beklagte zu 2) und damit zu dem Verhältnis der Klägerin zu dieser. Die Beklagte zu 2) war aber losgelöst von kaufrechtlichen Gewährleistungsansprüchen und gänzlich unabhängig von jenen aufgrund behördlicher Anordnung zum Update aller Fahrzeuge verpflichtet, ohne dass dies die Frage der rechtzeitigen Mängelrüge im Verhältnis der Kaufvertragsparteien untereinander berührte. Nicht erkennen lässt das Schreiben vom 10.08.2017, dass die Beklagte zu 1) ihrerseits losgelöst von etwaigen Rügefristen für Gewährleistungsansprüche der Klägerin die Haftung übernehmen will. Auch Aussagen zur eigenen Haftung der Beklagten zu 1) und einer vorbehaltlosen Anerkennung derselben trifft dieses Schreiben nicht. Schließlich hat die Beklagte zu 1) auch den Einwand der verspäteten Mängelrüge bereits in der Klageerwiderung erhoben.

(d) Die Verpflichtung zur unverzüglichen Mängelanzeige entfällt vorliegend auch nicht mit Rücksicht auf eine arglistige Täuschung der Klägerin durch die Beklagte zu 1), § 377 V HGB. Zwar behauptet die Klägerin in beiden Instanzen, dass die Beklagte zu 1) sie über die Ausstattung des streitgegenständlichen Fahrzeuges mit der unzulässigen Abschalteinrichtung arglistig getäuscht habe. Belastbare tatsächliche Anhaltspunkte für diese Behauptung der Klägerin vermag der Senat ihrem Vortrag jedoch nicht zu entnehmen. Der klägerische Vortrag erschöpft sich vielmehr in der vagen und durch nichts belegten Behauptung, der Beklagten zu 1) müssten als „gut unterrichteter“ Vertragshändlerin mit Sicherheit die umfangreichen Manipulationen der VW-Gruppe aufgrund der gegen diese geführten Ermittlungsverfahren in Deutschland wie auch in den USA seit vielen Jahren bekannt gewesen sein; die Beweisaufnahme werde ergeben, dass die Beklagte zu 1) ebenso wie alle anderen Vertragshändler bereits im Dezember 2016 über die Manipulationen am streitgegenständlichen Fahrzeug unterrichtet gewesen sei und insoweit auch bereits ein umfassender Informationsaustausch zwischen den Beklagten stattgefunden habe (vgl. Seiten 3 ff., 7 der Klageschrift, Bl. 3 ff., 7 d.A. und Seiten 1 f. des Schriftsatzes vom 19.03.2019, Bl. 202 f. d.A.). Darüber hinaus verweist die Klägerin auf die unstreitigen zeitlichen Abläufe und vertritt die Auffassung, schon aus dem „zeitnah“ nach Abschluss des Kaufvertrages erfolgten Rückruf des streitgegenständlichen Fahrzeuges ergebe sich zwingend, dass die dem Rückruf zugrunde liegenden Erkenntnisse auch bereits bei Vertragsschluss vorgelegen hätten, weil die Prüfverfahren bereits zu diesem Zeitpunkt zwangsläufig so weit gediehen gewesen sein müssten, jedenfalls davon auszugehen sei. Bereits die vorstehend dem Vortrag der Klägerin entnommenen Formulierungen zeigen aus Sicht des Senates sehr deutlich, dass sich der Klägervortrag zu einer Kenntnis der Beklagten zu 1) bereits zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses auf bloße Vermutungen, Spekulationen und allgemeine Erwägungen beschränkt. Konkrete Tatsachen, etwa Einzelheiten zu dem behaupteten Informationsaustausch zwischen den Beklagten, benennt die Klägerin an keiner Stelle. Damit ist ihr Vortrag aber letztlich ohne Substanz. Auch in der Berufungsbegründung (dort Seite 4, Bl. 305 d.A.) trägt die Klägerin nicht ergänzend vor, sondern wiederholt lediglich ihre erstinstanzlichen Erwägungen. Es liegt aus Sicht des Senates aber keineswegs auf der Hand, dass Vertragshändler – vom wem auch immer – über frühzeitigere und bessere Erkenntnisse im Zusammenhang mit der behördlichen Prüfung von Fahrzeugen des von ihnen vertriebenen Fahrzeugherstellers verfügen als ihre Kunden. Auch die Klägerin lässt offen, woher diese Erkenntnisse stammen sollten. Über Erkenntnisse aus eigener Wahrnehmung hinsichtlich der Motorsteuerung im streitgegenständlichen Fahrzeug und ihrer konkreten Funktionsweise verfügte die Beklagte zu 1) als bloße Händlerin ersichtlich nicht, weil sie unstreitig in den Entwicklungs- und Herstellungsprozess nicht involviert war. Von behördlicher Seite war eine unmittelbare Vorab-Information der Vertragshändler ebenfalls nicht zu erwarten. Die mit der Prüfung befassten Behörden, insbesondere das Kraftfahrt-Bundesamt, werden diesbezüglich allenfalls in Kontakt mit der Beklagten zu 2) als der Herstellerin des betroffenen Fahrzeuges gestanden und diese ggf. vorab über das Prüfungsverfahren, vorläufige Prüfergebnisse und vorgefundene Auffälligkeiten informiert und hierzu angehört haben. Dass die Beklagte zu 2) diese etwaigen Vorab-Informationen bereits vor dem endgültigen Abschluss des Prüfungsverfahrens und lange vor der definitiven Entscheidung des Kraftfahrt-Bundesamtes über die Anordnung eines überwachten Rückrufs in den (überaus weiten und hinsichtlich der Weiterverbreitung dieser Informationen nicht mehr kontrollierbaren) Kreis der Vertriebshändler weitergegeben haben sollte, wie die Klägerin es behauptet, erscheint dem Senat nicht nahe liegend, sondern im Gegenteil sehr unwahrscheinlich. Konkrete Einzelheiten hinsichtlich des von ihr behaupteten Informationsflusses trägt die Klägerin auch nicht vor. Es kommt hinzu, dass dem Klägervortrag nicht einmal zu entnehmen ist, dass die Ergebnisse des Prüfverfahrens, die zur behördlichen Anordnung des Rückrufs führten, überhaupt bereits zum Zeitpunkt des streitgegenständlichen Kaufvertragsschlusses am 30.08.2016 oder zum Zeitpunkt der Auslieferung des streitgegenständlichen Fahrzeuges am 06.12.2016 vorlagen. Auch dies erscheint dem Senat vor dem Hintergrund der unstreitigen zeitlichen Abläufe eher unwahrscheinlich, weil andernfalls nicht recht verständlich wäre, warum es bis zur Anordnung des Rückrufes noch viele Monate gedauert hat, wenn doch die Prüfergebnisse bereits feststanden und das Vorhandensein einer unzulässigen Abschalteinrichtung durch sie bewiesen war. Die Klägerin teilt auch nicht mit, worauf sich ihre diesbezügliche Behauptung gründet. Schließlich erschließt sich auch der Verweis der Klägerin auf die öffentliche Medienberichterstattung über den VW-Abgasskandal dem Senat nicht. Denn zum einen bezog sich diese auf die Manipulation des Motors EA 189 der Volkswagen AG und nicht auf die hiervon zu unterscheidende Problematik des streitgegenständlichen Fahrzeuges. Zum anderen war die öffentliche Medienberichterstattung für Klägerin und Beklagte zu 1) in gleicher Weise zugänglich, so dass nicht ersichtlich ist, warum diese geeignet gewesen sein soll, der Beklagten zu 1) eine positive Kenntnis von der Betroffenheit des streitgegenständlichen Fahrzeuges zu vermitteln, der Klägerin aber nicht. Dass in der öffentlichen Medienberichterstattung zu einem Zeitpunkt vor dem 27.07.2017 bereits auf die Ausstattung des konkreten streitgegenständlichen Fahrzeuges mit einer unzulässigen Abschalteinrichtung hingewiesen worden wäre, ist weder ersichtlich noch dargetan.

Fahrzeugkauf durch Vollkaufmann
(Symbolfoto: Von Mikael Damkier/Shutterstock.com)

Die Klägerin kann sich in der gegebenen Situation auch nicht darauf zurückziehen, die Beklagte zu 1) sei im Rahmen einer sekundären Darlegungslast gehalten, zu dem Zeitpunkt ihrer Kenntniserlangung vorzutragen. Zwar ist in der Rechtsprechung anerkannt, dass die Gegenpartei ungeachtet der grundsätzlichen Darlegungslast eine sekundäre Darlegungslast trifft, soweit Sachverhalte in Rede stehen, zu denen die darlegungsbelastete Partei entschuldbar nicht weiter vortragen kann, weil sie außerhalb ihres Wahrnehmungsbereiches liegen, der Gegenpartei jedoch ergänzende Angaben unschwer möglich sind. Diese Grundsätze gelangen jedoch erst dann zur Anwendung, wenn seitens der darlegungsbelasteten Partei zumindest mit einiger Substanz vorgetragen worden ist und greifbare tatsächliche Anhaltspunkte für ihre Behauptungen gegeben sind. Sie sind hingegen nicht dazu gedacht, die darlegungsbelastete Partei gleichsam von dem Erfordernis eines schlüssigen Sachvortrags zu entbinden. Eben dies wäre im vorliegenden Fall jedoch die Konsequenz der Anwendung dieser  Grundsätze. Aus Sicht des Senates bleibt es damit dabei, dass auf der Grundlage des im vorliegenden Rechtsstreit unterbreiteten Sachvortrages der Eintritt in eine Beweisaufnahme ausscheidet, weshalb das Landgericht zu Recht hiervon abgesehen hat (vgl. Seite 5 des Urteils, Bl. 275 d.A.). Sie stellte sich in der gegebenen Situation im Gegenteil als zivilprozessual unzulässige Ausforschung dar. Es entspricht gefestigter höchstrichterlicher Rechtsprechung, dass ohne greifbare Anhaltspunkte für das Vorliegen eines bestimmten Sachverhalts willkürlich auf Geratewohl, gleichsam „ins Blaue hinein“ aufgestellte Behauptungen keine Veranlassung für den Eintritt in eine Beweisaufnahme zu geben vermögen (vgl. BGH NJW 1995, 2111; BGH NJW 1996, 394; BGH NJW 1996, 1541; BGH NJW-RR 2000, 208).

Das Landgericht ist schließlich auch zutreffend davon ausgegangen, dass sich die Beklagte zu 1) eine etwaige arglistige Täuschung durch die Beklagte zu 2) – dazu siehe unten – nicht gemäß § 166 I BGB zurechnen lassen muss. Die Beklagte zu 2) ist kein Vertreter bzw. Wissensvertreter der Beklagten zu 1), da sie am Abschluss des Vertrages nicht beteiligt ist. Eine Verhaltens- oder Wissenszurechnung kann auch nicht nach § 123 II BGB erfolgen, auch wenn die Beklagte zu 2) Herstellerin des Fahrzeuges und damit Dritte im Sinne dieser Vorschrift ist (vgl. Witt NJW 2017, 3681). Denn es kann nicht davon ausgegangen werden, dass die Beklagte zu 1) als Verkäuferin eine etwaige herstellerseitige Täuschung kannte oder kennen musste. Eine im Rahmen einer vorvertraglichen, bei Vorsatz gegenüber Gewährleistung nicht subsidiären Haftung (vgl. hierzu Palandt-Grüneberg, BGB 79. Aufl. 2020 § 311 Rdnr. 15 m.w.N.) im Hinblick auf § 278 BGB zu erwägende Zurechnung einer etwaigen Arglist des Herstellers greift gleichfalls nicht, weil dieser nicht als Erfüllungsgehilfe des Verkäufers anzusehen ist (vgl. BGH NJW 2014, 2183 ff.).

(e) Ist die Klägerin bereits gemäß § 377 III 2. Halbsatz HGB daran gehindert, kaufvertragliche Ansprüche gegen die Beklagte zu 1) geltend zu machen, bedarf die vom Landgericht in der angefochtenen Entscheidung (vgl. Seite 5 des Urteils, Bl. 275 d.A.) umfänglich erörterte und letztlich verneinte Frage der Entbehrlichkeit einer Fristsetzung zur Nacherfüllung gemäß § 323 II Nr. 3 BGB wegen Unzumutbarkeit einer Nacherfüllung für die Klägerin keiner abschließenden Entscheidung durch den Senat.

3.

Deliktische Ansprüche der Klägerin gegen die Beklagte zu 1) aus §§ 823 II, 826, 31 BGB scheiden nach den vorstehenden Erwägungen mangels schlüssigen Vortrags zu dem hierfür erforderlichen Vorsatz der Beklagten zu 1) ebenfalls aus.

4.

Auch soweit die Klägerin die Beklagte zu 2) als Herstellerin des streitgegenständlichen Fahrzeuges in Anspruch nimmt, hat das Landgericht in der angefochtenen Entscheidung auf der Grundlage des klägerseits unterbreiteten Sachverhalts Ansprüche der Klägerin zu Recht und mit zutreffender Begründung verneint. Insoweit kommen in Ermangelung unmittelbarer vertraglicher Beziehungen zwischen der Klägerin und der Beklagten zu 2) nur deliktische Ansprüche der Klägerin in Betracht, §§ 823 II, 826, 31 BGB, 263 StGB. Zu den Tatbestandsvoraussetzungen der vorgenannten Anspruchsgrundlagen hat die Klägerin indes nicht schlüssig vorgetragen. Es fehlt insoweit an einem hinreichenden Tatsachenvortrag zu dem sowohl für die vorsätzliche sittenwidrige Schädigung als auch für den Betrug erforderlichen Vorsatz der Beklagten zu 2). Ein solcher ist in beiden Instanzen nicht ansatzweise erfolgt.

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(a) Der zivilrechtliche Vorsatzbegriff enthält ein Wissens- und ein Wollenselement: Der Handelnde muss die Schädigung des Geschädigten gekannt bzw. vorausgesehen und zugleich in seinen Willen aufgenommen haben (sogenanntes voluntatives Element). Eine Schädigungsabsicht im Sinne eines Beweggrundes oder Zieles ist hingegen nicht erforderlich. Ausreichend ist vielmehr ein bedingter Vorsatz hinsichtlich der für möglich gehaltenen Schadensfolgen, wobei dieser nicht den konkreten Kausalverlauf und den genauen Umfang des Schadens, sondern nur Art und Richtung des Schadens umfassen muss. Ein Schaden im Sinn des § 826 BGB kann nicht nur in der Verletzung bestimmter Rechte oder Rechtsgüter liegen; es genügt vielmehr jede nachteilige Einwirkung auf die Vermögenslage des Geschädigten (st. Rspr., BGH, Urteil vom 13.09.2004 – Az. II ZR 276/02, zitiert nach juris; BGH, Urteil vom 19.07.2004 – Az. II ZR 402/02, zitiert nach juris). Im Rahmen des § 826 BGB kann sich im Einzelfall aus der Art und Weise des sittenwidrigen Handelns, insbesondere dem Grad der Leichtfertigkeit des Schädigers die Schlussfolgerung ergeben, dass dieser mit Schädigungsvorsatz gehandelt hat. Letzteres kann insbesondere dann naheliegen, wenn der Schädiger sein Vorhaben trotz erkannt starker Gefährdung des Rechtsguts durchgeführt und es dem Zufall überlassen hat, ob sich die erkannte Gefahr verwirklicht. Stets ist aber eine umfassende Würdigung sämtlicher Umstände erforderlich (BGH, Urteil vom 20.11.2012 – Az. VI ZR 268/11, zitiert nach juris; BGH, Urteil vom 20.12.2011 – Az. VI ZR 309/10, zitiert nach juris). Daneben ist im Rahmen des § 826 BGB in subjektiver Hinsicht die Kenntnis derjenigen tatsächlichen Umstände erforderlich, die das Sittenwidrigkeitsurteil begründen (BGH, Urteil vom 13.09.2004 – Az. II ZR 276/02, zitiert nach juris).

(b) Die Haftung einer juristischen Person wie der Beklagten zu 2) wegen Vorsatzes setzt gemäß § 31 BGB voraus, dass ein „verfassungsmäßig berufener Vertreter“ im Sinne des § 31 BGB den objektiven und subjektiven Tatbestand der in Rede stehenden Anspruchsgrundlage verwirklicht hat. Der Vorwurf der Sittenwidrigkeit lässt sich nicht dadurch begründen, dass unter Anwendung der Grundsätze der Wissenszurechnung und -zusammenrechnung auf die „im Hause“ der juristischen Person vorhandenen Kenntnisse abgestellt wird. Insbesondere lässt sich eine die Sittenwidrigkeit begründende bewusste Täuschung nicht durch mosaikartiges Zusammenrechnen der bei verschiedenen Mitarbeitern der juristischen Person vorhandenen Kenntnisse konstruieren. Die erforderlichen Wissens- und Wollenselemente müssen vielmehr kumuliert bei einem Mitarbeiter vorliegen, der zugleich als „verfassungsmäßig berufener Vertreter“ im Sinne des § 31 BGB anzusehen ist und auch den objektiven Tatbestand verwirklicht hat (BGH, Urteil vom 28.06.2016 – VI ZR 536/15, zitiert nach juris). Nach ständiger höchstrichterlicher Rechtsprechung ist der Begriff des „verfassungsmäßig berufenen Vertreters“ weit auszulegen: „Verfassungsmäßig berufene Vertreter“ sind danach auch Personen, denen durch die allgemeine Betriebsregelung und Handhabung bedeutsame, wesensmäßige Funktionen der juristischen Person zur selbständigen, eigenverantwortlichen Erfüllung zugewiesen sind, so dass sie die juristische Person im Rechtsverkehr repräsentieren. Da es der juristischen Person nicht freisteht, selbst darüber zu entscheiden, für wen sie ohne Entlastungsmöglichkeit haften will, kommt es nicht entscheidend auf die Frage an, ob die Stellung des „Vertreters“ in der Satzung der Körperschaft vorgesehen ist oder ob er über eine entsprechende rechtsgeschäftliche Vertretungsmacht verfügt (sogenannte Repräsentantenhaftung, st. Rspr. BGH, Urteil vom 05.03.1998 – Az. III ZR 183/96, zitiert nach juris; BGH, Urteil vom 30.10.1967 – Az. VII ZR 82/65, zitiert nach juris). Auch in der neueren Rechtsprechung zu § 826 BGB verweist der Bundesgerichtshof ausdrücklich unter Bezugnahme auf das Urteil vom 30.10.1967 auf die weite Auslegung des Begriffs des „verfassungsmäßig berufenen Vertreters“ (vgl. BGH, Urteil vom 28.06.2016 – Az. VI ZR 541/15, zitiert nach juris; BGH, Urteil vom 28.06.2016 – Az. VI ZR 536/15, zitiert nach juris).

(c) Nach Maßgabe dieser Grundsätze vermag der Senat zwar entgegen der Auffassung des Landgerichts in der angefochtenen Entscheidung in objektiver Hinsicht ein schädigendes Verhalten der Beklagten zu 2) zu erkennen. Denn diese hat unstreitig den zugekauften Motor mit der unzulässigen Motorsteuerung in das streitgegenständliche Fahrzeug eingebaut und dieses in den Verkehr gebracht. Nicht zu erkennen vermag der Senat hingegen nach Maßgabe der vorskizzierten Grundsätze auf der Grundlage des klägerischen Vortrages die subjektiven Tatbestandsvoraussetzungen einer deliktischen Haftung. Die Klägerin hat es in beiden Instanzen versäumt, hierzu substantiiert vorzutragen. Zwar behauptet sie auch im Hinblick auf die Beklagte zu 2) deren vollumfängliche Kenntnis von der Ausstattung des streitgegenständlichen Fahrzeuges mit der unzulässigen Abschalteinrichtung. Ihre Behauptungen erschöpfen sich indes auch im Hinblick auf sie in den gleichen pauschalen und allgemeinen Erwägungen, die von ihr für die behauptete Kenntnis der Beklagten zu 1) angeführt werden. Dass und aus welchen Gründen diese Erwägungen nicht stichhaltig sind und einer Tatsachengrundlage entbehren, hat der Senat bereits zu Ziffer 2 dieses Beschlusses ausführlich dargelegt. Selbst wenn man im Hinblick auf die der Herstellung des Fahrzeuges und auch seiner Prüfung durch das Kraftfahrt-Bundesamt deutlich näher als die Beklagte zu 1) stehende Beklagte zu 2) davon ausgehen wollte, dass die Beklagte zu 2) – wie dies im Fall des Motors EA 189 der Volkswagen AG bezüglich letzterer von der überwiegenden instanzgerichtlichen Rechtsprechung angenommen wird – eine sekundäre Darlegungslast im Hinblick auf die Umstände und den Zeitpunkt ihrer Kenntniserlangung trifft, so hat die Beklagte zu 2) jedenfalls im Rahmen der Berufungserwiderung (dort Seiten 9 ff., Bl. 366 ff. d.A.) dezidiert einerseits zu der Entwicklung und Produktion des Motors des streitgegenständlichen Fahrzeuges durch ihren Vertragspartner, und andererseits zu den Umständen der Kenntniserlangung von Auffälligkeiten, respektive der Unzulässigkeit der Motorsteuerung vorgetragen. Sie hat insoweit substantiiert behauptet, bis zum 08.06.2017 gestützt auf Aussagen ihres Vertragspartners von der Ordnungsmäßigkeit des in dem streitgegenständlichen Fahrzeug verbauten Motors und seiner Motorsteuerung ausgegangen zu sein (vgl. hierzu Seiten 12 ff. der Berufungserwiderung, Bl. 369 ff. d.A.). Dieser erstmals im Berufungsrechtszug erfolgte Vortrag der Beklagten zu 2) ist auch – obschon neu – zuzulassen, § 531 II Nr. 2 ZPO. Denn angesichts des Umstandes, dass die Beklagte zu 2) in 1. Instanz schriftsätzlich die Rechtsauffassung vertreten hat, der Klägervortrag sei bereits aufgrund seiner fehlenden Substanz nicht geeignet, eine sekundäre Darlegungslast ihrerseits zu begründen, hätte es in prozessualer Hinsicht eines entsprechenden Hinweises des Landgerichts bedurft, § 139 ZPO. Dieser ist augenscheinlich nur deshalb unterblieben, weil sich das Landgericht der Rechtsauffassung der Beklagten zu 2) angeschlossen hat. Angesichts des ergänzenden Sachvortrages wäre es nunmehr an der Klägerin, abseits ihrer allgemeinen Erwägungen substantiiert und konkret Vortrag zu halten und unter Beweis zu stellen, dass und wodurch welche für die Beklagte zu 2) handelnden Personen bereits (deutlich) vor dem 08.06.2017 Kenntnis von der Unzulässigkeit der in dem streitgegenständlichen Fahrzeug verbauten Motorsteuerung erhalten haben, ggf. wann. Dies liegt im Falle der Beklagten zu 2) aus Sicht des Senates trotz ihrer Zugehörigkeit zum Volkswagen-Konzern auch nicht in gleicher Weise nahe wie bei der Volkswagen AG, da die Beklagte zu 2) unstreitig weder den streitgegenständlichen Motor entwickelt oder produziert hat noch überhaupt im Bereich der Entwicklung und Herstellung von Dieselmotoren tätig ist, sondern diese lediglich fertig von anderen Konzernunternehmen bezogen hat und bezieht. Ein solcher Klägervortrag ist bislang nicht ansatzweise erfolgt.

(d) Selbst wenn man mit Rücksicht auf die Konzernverbundenheit der Beklagten zu 2) mit der Herstellerin des streitgegenständlichen Motors und die bestehenden personellen Verflechtungen innerhalb des Volkswagen-Konzerns auf der Führungsebene von einer vollumfänglichen Kenntnis der Beklagten zu 2) von der konkreten Funktionsweise der in Rede stehenden Motorsteuerung und den für diese maßgeblichen Parametern ausgehen wollte, würde dies aus Sicht des Senates nicht ohne weiteres einen Rückschluss auf einen Schädigungsvorsatz der Beklagten zu 2) zulassen. Anders als das LG Wuppertal es in dem klägerseits zu den Akten gereichten Urteil vom 07.08.2019 (WM 2019, 1806) ohne nähere Begründung gesehen hat, ist der Senat der Auffassung, dass die Feststellung eines deliktischen Vorsatzes der Beklagten zu 2) gemäß §§ 826, 823 II, 31 BGB über die Feststellung ihrer positiven Kenntnis von der konkreten Funktionsweise der Motorsteuerung hinaus zugleich auch erfordert, dass die verantwortlichen Organe der Beklagten zu 2) die rechtlichen Erwägungen, die der Einstufung der Abschalteinrichtung als unzulässig im Sinne der Verordnung (EG) Nr. 715/2007 durch das Kraftfahrt-Bundesamt zugrunde liegen, in den wesentlichen Zügen nachvollzogen und diese gleichsam billigend in Kauf genommen haben. Insoweit muss angesichts der kontrovers geführten Diskussion über Inhalt und Reichweite der Verordnung (EG) Nr. 715/2007, insbesondere im Hinblick auf die Ausnahmevorschrift des Art. 5 II lit. a) der vorgenannten Verordnung, auch die im Bereich des Denkbaren liegende Möglichkeit einer seinerzeitigen falschen Gesetzesauslegung und -anwendung durch die verantwortlichen Organe der Beklagten zu 2) in Betracht gezogen werden, die selbst im Falle einer fahrlässigen oder gar grob fahrlässigen Verkennung der Rechtslage die Annahme eines Schädigungsvorsatzes im Sinne der §§ 823 II BGB, 826, 31 BGB, 263 StGB hinderte. Auch für ein solches Bewusstsein fehlt es an der Darlegung konkreter Anhaltspunkte seitens der Klägerin. Dass ein solches Bewusstsein dann gegeben ist, wenn die unzulässige Abschalteinrichtung – wie im Fall des Motors EA 189 der Volkswagen AG – auf eine gezielte Verfälschung der Prüfergebnisse gerichtet ist, bedarf aus Sicht des Senates keiner vertieften Begründung. Das streitgegenständliche Fahrzeug enthält jedoch unstreitig keine Umschaltlogik, wie sie in dem Motor EA 189 der Volkswagen AG enthalten war. Dass die in dem streitgegenständlichen Motor verbaute Abschalteinrichtung in vergleichbarer Weise auf eine gezielte Verfälschung der Prüfergebnisse gerichtet ist, ist dem Klägervortrag nicht zu entnehmen. Dieser verhält sich im Gegensatz mit keinem Wort zu der konkreten Funktionsweise der streitgegenständlichen Motorsteuerung und den ihr zugrunde liegenden Parametern. Es kann im hiesigen Rechtsstreit auch nicht die im unstreitigen Tatbestand des Urteils des LG Krefeld enthaltene – einer Umschaltlogik in ihren tatsächlichen Auswirkungen sehr nahe kommende – Funktionsweise der Motorsteuerung zugrunde gelegt werden (vgl. LG Krefeld, Urteil vom 20.11.2019 – Az. 2 O 54/18 -, zitiert nach juris). Denn diese ist im hiesigen Rechtsstreit in beiden Instanzen nicht Gegenstand des Parteivortrages gewesen. Vielmehr haben bislang einzig die Beklagten zu der Funktionsweise der in Rede stehenden Abschalteinrichtung vorgetragen (vgl. etwa den Vortrag der Beklagten zu 1) in der Klageerwiderung, Seite 7 f., Bl. 58 f. d.A.). Ihr Vortrag lässt die der Entscheidung des LG Krefeld zugrunde gelegte Funktionsweise aber ebenso wenig erkennen wie eine dem Motor EA 189 der Volkswagen AG nahe kommende tatsächliche Wirkung der streitgegenständlichen Abschalteinrichtung.

II.

Die Klägerin erhält Gelegenheit, zu diesem Hinweis binnen drei Wochen ab Zugang dieses Beschlusses Stellung zu nehmen. Auf die Möglichkeit der Rücknahme der Berufung zum Zweck der Ersparnis eines Teils der im zweiten Rechtszug anfallenden Gerichtsgebühren (statt 4 fallen nur 2 Gerichtsgebühren an – Nr. 1222 KV zu § 3 II GKG) wird ausdrücklich hingewiesen.

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