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Fahrzeugkaufvertrag – Arglistiges Verschweigen eines Mangels und Gewährleistungsausschluss

OLG Jena – Az.:  1 U 862/12 – Urteil vom 30.10.2014

1. Auf die Berufung des Klägers hin wird das Urteil des Landgerichts Meiningen vom 03.09.2012 abgeändert und der Beklagte verurteilt, Zug um Zug gegen Herausgabe des Pkw P, Fahrgestellnummer XXX, an den Kläger… € zuzüglich Zinsen in Höhe von 5 % über dem Basiszinssatz seit dem 07.06.2011 und außergerichtliche Auslagen des Klägers in Höhe von … € zu zahlen.

2. Der Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreites zu tragen.

3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

4. Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf … € festgesetzt.

Gründe

I.

Hinsichtlich des Sachverhaltes nimmt der Senat gem. § 540 Abs. 1 Nr. 1 ZPO auf den Tatbestand des mit der Berufung angegriffenen Urteiles Bezug.

Mit Urteil vom 03.09.2012 hat das Landgericht die Klage abgewiesen.

Zur Begründung hat das Landgericht ausgeführt, dass der Kläger gegen den Beklagten keinen Anspruch auf Rückabwicklung des Pkw-Kaufvertrages vom 13.05.2011 habe, da sich der Beklagte wirksam auf den vereinbarten Ausschluss der Sachmängelhaftung berufen könne und der Vertrag vom Kläger nicht wirksam angefochten worden sei.

Fahrzeugkaufvertrag - Arglistiges Verschweigen eines Mangels und Gewährleistungsausschluss
Symbolfoto: Von Zoriana Zaitseva/Shutterstock.com

Der vom Kläger geltend gemachte Anspruch auf Rückabwicklung des Kaufvertrages wäre nur dann begründet gewesen, wenn der vereinbarte Haftungsausschluss wegen Sachmängel aufgrund einer arglistigen Täuschung des Beklagten nicht greifen, oder, wenn der Kläger den Kaufvertrag wirksam wegen einer arglistigen Täuschung des Beklagten angefochten hätte. Bei den Anspruchsgrundlagen sei gemein, dass dem Kläger die Beweislast für die arglistige Täuschung durch den Beklagten obliege. Hierzu müsse der Kläger nachweisen, dass der Beklagte trotz positiver Kenntnis der behaupteten Mängel am Fahrzeug diese entgegen einer bestehenden Offenbarungspflicht verschwiegen oder ausdrücklich deren Abwesenheit zugesichert habe. Dieser Nachweis sei dem Kläger im Ergebnis der durchgeführten Beweisaufnahme nicht gelungen.

Die Zeugin Ka habe zwar bestätigt, dass sie das streitgegenständliche Fahrzeug mit einem erheblichen Schaden an der Hinterachse verkauft habe. Dieser Verkauf sei aber nicht an den Beklagten erfolgt. Vielmehr habe die Zeugin das Fahrzeug an einen Dritten veräußert. Möglicherweise habe der Beklagte das Fahrzeug von diesem Dritten erworben. Ausgeschlossen sei aber nicht, dass der Beklagte das Fahrzeug von einer noch unbekannten weiteren Person gekauft habe. Zum Ablauf des Erwerbs des Fahrzeuges durch den Beklagten habe die Zeugin H ausgesagt. Diese habe glaubhaft erklärt, dass der Beklagte in ihrem Beisein das Fahrzeug von einem Ausländer gekauft habe, wobei Mängel des Fahrzeuges nicht offenbart worden seien. Darüber hinaus habe die Zeugin bestätigt, dass auch auf der Fahrt nach Hause keine Auffälligkeiten am Fahrzeug festgestellt worden seien. Es könne daher im Ergebnis der Beweisaufnahme nicht davon ausgegangen werden, dass der Beklagte vor Abschluss des streitgegenständlichen Kaufvertrages von den vom Kläger behaupteten Mängeln Kenntnis gehabt habe.

Gegen dieses Urteil hat der Kläger form- und fristgerecht Berufung eingelegt. Zur Begründung hat er ausgeführt, dass der vereinbarte Haftungsausschluss hinsichtlich Sachmängel vorliegend nicht greifen könne, da der Beklagte um die Mängel gewusst haben müsse. Es sei somit von einer arglistigen Täuschung auszugehen. Gemäß der einhelligen Auffassung in der Rechtsprechung obliege dem Verkäufer eines Fahrzeuges bei Kenntnis von Mängeln eine Offenbarungspflicht. Der Beklagte habe solche Mängel aber nicht offenbart. Der Beklagte hätte die festgestellten Mängel an der Einspritzanlage und am Motor bemerken müssen. Er habe dies aber lediglich auf eine defekte Lambdasonde geschoben.

Der Kläger beantragt daher, unter Aufhebung des Urteils des Landgerichtes den Beklagten zu verurteilen, Zug um Zug gegen Herausgabe des Pkw P, Fahrgestellnummer XXX, an den Kläger … € zuzüglich 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz seit dem 07.06.2005 und außergerichtliche Auslagen in Höhe von … € zu zahlen.

Der Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.

Der Beklagte verteidigt das erstinstanzliche Urteil unter Wiederholung und Bezugnahme auf seinen Vortrag in I. Instanz.

Der Senat hat Beweis erhoben durch Einvernahme der Zeugen Ü, G und H. Hinsichtlich des Inhalts der Zeugenaussage wird auf das Protokoll der öffentlichen Sitzung des Senates vom 25.04.2013 Bezug genommen. Der Senat hat weiter Beweis erhoben durch Einvernahme des Zeugen M. Hinsichtlich des Inhaltes der Zeugenaussage wird auf das Protokoll der öffentlichen Sitzung des Senates vom 29.08.2013 Bezug genommen. Des Weiteren hat der Senat Beweis erhoben durch Einholung eines Sachverständigengutachtens. Hinsicht des Inhalts des Gutachtens wird auf das schriftliche Gutachten des Dipl. Ing. A vom 02.05.2014 und auf dessen ergänzende Stellungnahme, eingegangen bei Gericht am 29.07.2014, Bezug genommen.

II.

Die zulässige Berufung ist begründet. – Dem Kläger steht gem. den §§ 280 Abs. 1, 3, 281 Abs. 1 S. 1, 434 Abs. 1 S. 2, 437 Nr. 3, 440 BGB ein Schadenersatzanspruch in Höhe von … € Zug um Zug gegen Rückgabe des Pkw P zu.

Aufgrund des vom Senat eingeholten Sachverständigengutachtens des Dipl. Ing. A steht zur Überzeugung des Senates fest, dass der streitgegenständliche Pkw zum Zeitpunkt des Verkaufes an den Kläger einen Mangel an der Einspritzdüse hatte, der dem Beklagten bekannt war oder hätte bekannt sein müssen.

Insoweit kann sich der Beklagte nicht auf den vereinbarten Gewährleistungsausschluss berufen, da er den Sachmangel arglistig verschwiegen hat. Nach § 444 BGB kann sich ein Verkäufer auf eine Vereinbarung, durch welche die Rechte des Käufers wegen eines Mangels ausgeschlossen oder beschränkt werden, u. a. dann nicht berufen, wenn er den Mangel arglistig verschwiegen hat. Arglist i.S.d. § 444 BGB setzt zumindest Eventualvorsatz voraus (vgl. etwa BGH, Urteil vom 15.06.2012 – V ZR 198/11); leichtfertige oder grobe Unkenntnis genügt dagegen nicht (vgl. BGH Urteil vom 16.03.2005 – V ZR 18/11). Ein arglistiges Verschweigen ist danach gegeben, wenn der Verkäufer den Mangel kennt oder ihn zumindest für möglich hält und zugleich weiß oder doch damit rechnet oder billigend in Kauf nimmt, dass der Käufer den Mangel nicht kennt und bei Offenbarung den Vertrag nicht oder nicht mit dem vereinbarten Inhalt geschlossen hätte (vgl. BGH, Urteil vom 10.06.1983 – V ZR 592/81; Urteil vom 07.03.2003 – V ZR 437/01).

Für die Frage der Arglist ist damit vorliegend allein entscheidend, ob der Beklagte den Mangel kannte. Dies ist der Fall gewesen. Der Sachverständige Dipl. Ing. A führt in seinem Gutachten vom 02.05.2014 aus, dass das streitgegenständliche Fahrzeug einen Defekt an der Einspritzanlage und am Abgasturbolader gehabt habe. Beide Defekte seien beim Verkauf des Fahrzeuges vorhanden oder zumindest, was den Turbolader angehe, in Gestalt der zugesetzten Schmierölleitung angelegt gewesen. Den Schaden am Abgasturbolader habe der Beklagte nicht bemerken müssen. Dieser sei erst nach der plötzlichen Zerstörung der Läuferwelle offenbar geworden, wenn der Beklagte schnell fahren habe wollen. Bei niedriger Last und Geschwindigkeit müsse ein Laie den Fehler nicht erkennen. Entgegen den Ausführungen des Beklagten in seinem nicht nachgelassenen Schriftsatz vom 24.10.2014 kommt der Gutachter aber zu dem Ergebnis, das die Beeinträchtigung an der Einspritzanlage dem Beklagten nicht habe verborgen geblieben sein können. Die MIL-Lampe habe aufgeleuchtet. Diese zeige einen Schaden am Gemischaufbereitungssystem oder dem Motormanagement an. Über eine Lambdasonde habe das Fahrzeug nicht verfügt. Das Aufleuchten der MIL sei auf einen Defekt an der Einspritzanlage zurückzuführen.

Diesen Mangel hätte der Beklagte dem Kläger offenbaren müssen. Allein der Umstand, dass auch dem Kläger das Aufleuchten der MIL-Leuchte bekannt gewesen war, hat den Beklagten nicht von dieser Offenbarungspflicht befreit. Soweit der Beklagte in seinem nicht nachgelassenen Schriftsatz vom 24.10.2014 im Hinblick darauf, dass im Kaufvertrag lediglich ein Defekt an der Lambdasonde angegeben worden ist, darauf abstellt, dass beide Parteien sich über die Art des Mangels geirrt hätten, vermag ihn das nicht von seiner Offenbarungspflicht zu befreien. Dabei kann dahingestellt bleiben, ob dieser Defekt auf Veranlassung des Klägers oder des Beklagten in dem Kaufvertrag aufgenommen worden ist, da letztendlich der Beklagte den Kaufvertrag so unterschrieben hat, so dass er sich diese Erklärung zurechnen lassen muss. Dass der Käufer bei Abschluss des Kaufvertrages gleichfalls davon ausgegangen sein mag, dass das Aufleuchten der MIL-Lampe auf einen Defekt an der Lamdasonde zurückzuführen ist, hat den Beklagten nicht von seiner Offenbarungspflicht befreit, da dem Kläger der wirkliche Mangel bei Abschluss des Kaufvertrages nicht bekannt gewesen war.

Weiter kann nicht davon ausgegangen werden, dass der Kläger den Kaufvertrag auch bei ordnungsgemäßer Aufklärung abgeschlossen hätte. Zum Zeitpunkt des Abschlusses des Kaufvertrages war nämlich der Defekt an der Einspritzdüse dem Kläger durch den Beklagten nicht offenbart worden. Dem steht auch nicht der vom Sachverständigen festgestellte Reparaturversuch des Klägers an der Einspritzdüse entgegen. Daraus ergibt sich nicht zwingend der Schluss, dass der Kläger einen Mangel an dieser bei Offenbarung durch den Beklagten bei Abschluss des Kaufvertrages hingenommen hätte. Vielmehr liegt der Schluss nahe, dass der Kläger den Kaufvertrag nicht oder nicht zu diesem Kaufpreis abgeschlossen hätte.

Auf die Berufung des Klägers war somit das landgerichtliche Urteil abzuändern und der Beklagte antragsgemäß zu verurteilen. Der nicht nachgelassene Schriftsatz des Beklagten vom 24.10.2014 hat keinen Anlass gegeben, die mündliche Verhandlung gemäß § 156 ZPO wieder zu eröffnen.

Der Zinsausspruch ist aus den §§ 286 Abs. 1, 288 Abs. 1 BGB begründet; der Anspruch auf Erstattung vorgerichtlicher Anwaltskosten ergibt sich ebenfalls unter dem Gesichtspunkt des Verzuges.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 Abs. 1 ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf den §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.

 

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