Erfüllungsort Kaufpreisrückzahlung sowie Fahrzeugrückgabe
Oberlandesgericht Jena – Az.: 4 U 1208/19 – Urteil vom 09.04.2020
1. Auf die Berufung des Klägers wird das am 22.10.2019 verkündete Urteil des Landgerichts Gera – 3 O 532/19 – aufgehoben.
Die Sache wird zur weiteren Verhandlung und Entscheidung an das Landgericht Gera zurückverwiesen, das auch über die Kosten des Berufungsverfahren zu entscheiden hat.
2. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Gründe
Der Kläger begehrt im Wege der Rückabwicklung eines Kaufvertrags über ein Fahrzeug die Rückzahlung des Kaufpreises und den Ersatz weiterer Schäden. Der Beklagte, der Verkäufer des Fahrzeugs, macht widerklagend Transportkosten sowie Standgeld geltend.
I.
Für den Sachstand, zum Vorbringen der Parteien und zu den vor dem Landgericht gestellten Anträgen wird auf den Tatbestand des erstinstanzlichen Urteils verwiesen (§ 540 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 ZPO).
Das Landgericht Gera hat die Klage mit Urteil vom 22.10.2019 abgewiesen, da die örtliche Zuständigkeit des Landgerichts nicht begründet sei.
Der Kläger hat gegen dieses ihm am 25.10.2019 zugestellte Urteil mit Schriftsatz vom 25.11.2019, der am selben Tag beim Thüringer Oberlandesgericht eingegangen ist, Berufung eingelegt. Nach Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist bis zum 27.01.2020 hat der Kläger die Berufung unter dem 27.01.2020 begründet.
Er ist der Auffassung, dass das Landgericht Gera für sein Klagebegehren örtlich zuständig sei.
Der Kläger beantragt, das Urteil des Landgerichts Gera vom 22.10.2019, Az.: 3 O 532/19, aufzuheben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Landgericht Gera zurück zu verweisen.
Hilfsweise begehrt der Kläger die Abänderung des Urteils des Landgerichts Gera vom 22.10.2019, Az.: 3 O 532/19 – und die Verurteilung des Klägers wie erstinstanzlich beantragt.
Der Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.
Der Beklagte verteidigt die erstinstanzliche Entscheidung.
Beide Parteien haben einer Entscheidung im schriftlichen Verfahren nach § 128 Abs. 2 ZPO zugestimmt. Der Kläger hat mit Schriftsatz vom 09.03.2020 hilfsweise die Verweisung an das Landgericht Schwerin beantragt. Mit Beschluss vom 13.03.2020 hat der Senat die Entscheidung im schriftlichen Verfahren angeordnet und als Zeitpunkt, der der mündlichen Verhandlung entspricht, den 30.03.2020 bestimmt.
II.
Die Berufung ist zulässig und auch begründet. Sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils sowie zur Zurückverweisung an das Landgericht Gera gemäß § 538 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 ZPO. Das Landgericht hat lediglich über die Zulässigkeit entschieden und der Kläger die Zurückverweisung beantragt.
1. Das Landgericht hätte die Klage nicht wegen fehlender örtlicher Zuständigkeit als unzulässig abweisen dürfen. Der Kläger durfte gemäß § 35 ZPO nach seiner Wahl die Klage vor dem Landgericht Gera erheben, weil dort der Gerichtsstand des Erfüllungsorts gegeben ist (§ 29 Abs. 1 ZPO).
Nach der Regelung des § 29 Abs. 1 ZPO ist für Streitigkeiten aus einem Vertragsverhältnis auch das Gericht zuständig, an dem die streitige Verpflichtung zu erfüllen ist. Der insofern maßgebliche Ort richtet sich nach dem materiellen Recht (vgl. OLG Hamm, Urteil vom 20. Oktober 2015 – I-28 U 91/15 -, Rn. 27, juris). Maßgeblich können spezielle gesetzliche Regelungen, vertragliche Regelungen und – nachrangig – die allgemeine Vorschrift des § 269 Abs. 1 BGB sein.
Nach dem vom Kläger zur Klagebegründung vorgetragenen Sachverhalt soll ihm gegen den Beklagten ein Anspruch auf Rückzahlung des Kaufpreises von 7.995 EUR sowie daneben auf Schadensersatz zustehen, weil er wirksam von dem am 02.08.2018 mit dem Beklagten geschlossenen Kaufvertrag über das Fahrzeug BMW X3 zurückgetreten sei.
Das materielle Recht über den Kaufvertrag enthält keine abschließende Regelung, an welchem Ort die hier streitige Verpflichtung zur Rückzahlung des Kaufpreises zu erfüllen ist. Abzustellen ist vielmehr auf § 269 Abs. 1 BGB. Danach richtet sich der Ort für die Leistung nach der von den Parteien getroffenen Bestimmung oder nach den Begleitumständen, die sich insbesondere aus der Natur des Schuldverhältnisses ergeben. Wenn sich insoweit keine Feststellungen treffen lassen, bildet der Wohnsitz des Verkäufers, der vermeintlich die Rückzahlung des Kaufpreises schuldet, den maßgeblichen Leistungsort.
Die Parteien haben hier bei Abschluss des Kaufvertrages keine ausdrückliche Bestimmung getroffen, wie im Falle der Rückabwicklung des Vertrages zu verfahren sei. Sie haben lediglich für die Übergabe und Übereignung nach § 433 Abs. 1 Satz 1 BGB die Niederlassung des Beklagten bestimmt (vgl. K 1). Nicht geregelt ist hingegen der Leistungsort beim Vorliegen von Mängeln. Jedoch kann den Parteien der mutmaßliche Wille unterstellt werden, dabei nach den einschlägigen gesetzlichen Bestimmungen vorgehen zu wollen. Dann ergibt sich aus §§ 346, 323, 440, 437, 434, 433 BGB, dass ein Käufer bei wirksamer Ausübung des gesetzlichen Rücktrittsrechts einen Anspruch auf Rückzahlung des Kaufpreises Zug um Zug gegen Rückgabe und Rückübereignung der Kaufsache hat (vgl. OLG Hamm, Urteil vom 20. Oktober 2015 – I-28 U 91/15 – Rn. 28 – 30, juris), so wie der Kläger dies hier auch beantragt hat.
Die herrschende Auffassung in der jüngeren obergerichtlichen Rechtsprechung geht davon aus, dass die Rückzahlung des Kaufpreises ebenso wie die Rückgabe der Sache an dem sogenannten „Austauschort“ zu erfolgen hat, nämlich dort, wo sich die veräußerte Sache im Zeitpunkt der Rücktrittserklärung vertragsgemäß befindet (vgl. jeweils mit weiteren Nachweisen auch aus der Literatur: OLG Hamm, Urteil vom 27. November 2019 – 31 U 114/18 – Rn. 77; OLG München, Urteil vom 04. Oktober 2018 – 24 U 1279/18 – Rn. 7, 10; OLG Stuttgart, Urteil vom 13. Januar 2016 – 9 U 183/15 – Rn. 3 f.; OLG Hamm, Urteil vom 20. Oktober 2015 – I-28 U 91/15 – Rn. 33; OLG Bamberg, Beschluss vom 24. April 2013 – 8 SA 9/13 – Rn. 21; Schleswig-Holsteinisches Oberlandesgericht, Urteil vom 04. September 2012 – 3 U 99/11 – Rn. 18; juris). Dabei handelt es sich regelmäßig um den Wohnsitz des Käufers (vgl. die aufgeführte Rechtsprechung). Dieser Auffassung schließt sich der Senat unter Hinweis auf die überzeugende Argumentation in den aufgeführten Entscheidungen an.
Damit wäre zunächst die Zuständigkeit des Landgerichts Gera begründet gewesen. Denn dort befand sich das Fahrzeug nach dem Willen beider Parteien nach der beiderseitigen Erfüllung der Verpflichtungen aus § 433 BGB.
Dieser Gerichtsstand besteht auch trotz des Bemühens des Klägers um eine Nacherfüllung, in dessen Zuge das Fahrzeug zu dem Beklagten verbracht worden ist und wo es sich weiterhin befindet, fort. Zwar mag sich während der Phase der Nacherfüllung der vertragsgemäße Erfüllungsort ändern, jedoch ist jedenfalls nach dem Abschluss der Mängelbeseitigung oder nach der Weigerung, diese durchzuführen, der vertragsgemäße Standort weiterhin am Wohnsitz des Klägers, unabhängig davon, wo sich das Fahrzeug tatsächlich befindet.
Nach einer jüngeren Entscheidung des Bundesgerichtshofes, ist der Erfüllungsort für die Nacherfüllung (§ 439 Abs. 1 BGB), soweit keine besonderen vertraglichen Vereinbarungen getroffen worden sind, der Wohn- und Geschäftssitz des Schuldners (vgl. BGH, Urteil vom 19. Juli 2017 – VIII ZR 278/16 – Rn. 21 ff., juris). Das bedeutet, dass der Kläger, wenn er einen Nacherfüllungsanspruch geltend gemacht hätte, vor dem Landgericht Schwerin hätte klagen müssen. Der Kläger begehrt mit seiner Klage jedoch keine Nacherfüllung.
Zum Zeitpunkt des Rücktritts befand sich das Fahrzeug dann aber nicht (mehr) vertragsgemäß bei dem Beklagten. Das wäre nur dann der Fall gewesen, wenn der Beklagte den Nacherfüllungsanspruch anerkannt und die Mängelbeseitigung durchgeführt hätte (vgl. BGH, a.a.O.). Dieses Ansinnen hat der Beklagte jedoch nach der Untersuchung der Kaufsache, die ihm der Kläger grundsätzlich ermöglichen musste (vgl. BGH, a.a.O.), mit Schreiben vom 16.10.2018 abgelehnt (vgl. B 1). Ab diesem Zeitpunkt befand sich das Fahrzeug dann nicht mehr vertragsgemäß bei dem Beklagten. Dementsprechend hat der Beklagte den Kläger zur Abholung des Fahrzeugs aufgefordert. Das zeigt, dass auch der Beklagte davon ausgegangen ist, dass der Ort, wo sich das Fahrzeug vertragsgemäß befinden solle, der Wohnort des Klägers sei. Auf den tatsächlichen Standort des Fahrzeugs kommt es, ebenso wie vor dem Nacherfüllungsbegehren, nicht an, da es auf den nach dem Willen der Parteien vertragsgemäßen Standort ankommt. Dieser ist und bleibt am Wohnort des Klägers. Zum Zeitpunkt der Rücktrittserklärung hätte sich das Fahrzeug nach dem Willen der Parteien (wieder) daher am Wohnort des Klägers befinden müssen. Hier müsste der Leistungsaustausch erfolgen.
Dagegen spricht auch nicht die Entscheidung des Reichsgerichts vom 18. Februar 1902 – III 397/01 – (juris), denn dort wird ebenfalls darauf abgestellt, wo sich die Ware nach dem Willen der Parteien befindet. Dies ist bei einem Fahrzeugkauf – wie bereits oben dargelegt – regelmäßig am Wohnort des Käufers. Ein nicht erfolgreiches Nacherfüllungsansinnen oder auch eine fehlgeschlagene Mängelbeseitigung führen zu keiner diesbezüglichen Willensänderung. Auch das vom Landgericht zitierte Oberlandesgericht München (vgl. Urteil vom 04. Oktober 2018 – 24 U 1279/18 – Rn. 7, juris) stellt darauf ab, an welchem Ort sich die Kaufsache nach beiderseitiger Erfüllung vertragsgemäß befindet. Auch das wäre hier der Wohnort des Klägers, an dem sich das Fahrzeug nach ordnungsgemäßer Erfüllung bzw. Nacherfüllung wieder befinden würde.
Die vom Landgericht aufgeführten praktischen Erwägungen, nämlich, dass es widersinnig sei, das Fahrzeug zunächst zum Käufer zu verbringen, dort den Vertrag rückabzuwickeln und dann das Fahrzeug wieder zum Beklagten zu verbringen, sind nicht von der Hand zu weisen. Gleichwohl ist der Nacherfüllungsanspruch nach dem Willen der Parteien und auch nach den Regelungen der § 434 ff. BGB von dem Rückabwicklungsverhältnis zu trennen mit der Folge, dass sich auch der vertragsgemäße Standort ändern kann. Zudem spricht die etwaige tatsächliche Abwicklung des Kaufvertrags nicht zwingend für die Ansicht des Landgerichts. Im Fall einer Entscheidung zugunsten des Klägers bliebe es den Parteien unbenommen, das Fahrzeug nach Rückzahlung des Kaufpreises beim Beklagten zu belassen und die Rückabwicklung auf diese Weise zu vereinfachen. Bei Unterliegen des Klägers wäre das Fahrzeug ohnehin beim Beklagten abzuholen. Die Begutachtung im Rahmen der Beweisaufnahme kann ebenso durch einen im Landgerichtsbezirk Schwerin ansässigen Sachverständigen erfolgen. Dem schriftlichen Gutachten folgt auch nicht stets eine mündliche Anhörung des Sachverständigen. Im Übrigen können diese berechtigten verfahrensrechtlichen Überlegungen die materiell-rechtlichen Regelungen zum Erfüllungsort nicht überlagern.
Damit verbleibt es dabei, dass das Landgericht Gera nach § 29 Abs. 1 ZPO auch örtlich zuständig ist.
2. Der Rechtsstreit ist noch nicht entscheidungsreif. Eine Sachentscheidung durch den Senat kann nicht erfolgen.
3. Eine Kostenentscheidung ist nicht veranlasst, das Urteil ist für vorläufig vollstreckbar zu erklären (vgl. OLG München, Urteil vom 04. Oktober 2018 – 24 U 1279/18 – Rn. 6 f., juris)
4. Die Revision war nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen des § 543 Abs. 2 ZPO nicht vorliegen (vgl. OLG München a.a.O., Rn. 14, 18). Im Übrigen hat der Senat lediglich über die Frage der Zuständigkeit entschieden, die der Revision nicht zugänglich ist, § 545 Abs. 2 ZPO (vgl. OLG München a.a.O.).
Beschluss
Der Streitwert wird für das Berufungsverfahren auf 10.732,48 € festgesetzt.