Bundesgerichtshof
Az: VIII ZR 310/08
Urteil vom 10.03.2010
Der VIII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung vom 10. März 2010 für Recht erkannt:
Die Revision des Klägers gegen das Urteil des 26. Zivilsenats des Kammergerichts vom 29. Oktober 2008 wird zurückgewiesen.
Der Kläger hat die Kosten des Revisionsverfahrens zu tragen.
Von Rechts wegen
Tatbestand:
Der Kläger kaufte von der Beklagten, einer Renault-Niederlassung, auf der Grundlage einer Bestellung vom 23. April 2005 einen Renault-Neuwagen zum Preis von 18.500 EUR brutto. Das Fahrzeug wurde ihm am 10. Juni 2005 gegen Zahlung des Kaufpreises übergeben.
Mit Schreiben vom 23. Juni 2005 beanstandete der Kläger Mängel im Bereich der Elektronik des Fahrzeugs. Die Beklagte antwortete mit Schreiben vom 27. Juni 2005, dass ihr die Mängel nicht bekannt seien, und bat den Kläger, ihr das Fahrzeug nochmals zur Prüfung vorzustellen. Dem kam der Kläger nicht nach. Er vertrat im Schreiben vom 3. Juli 2005 die Auffassung, es sei ihm unzumutbar, sich auf Nachbesserungen einzulassen, weil er befürchte, dass Defekte der Elektronik trotz Nachbesserungen immer wieder auftreten würden; mit dieser Begründung verlangte er unter Fristsetzung bis zum 11. Juli 2005 „eine komplette Lieferung eines anderen Fahrzeuges, das der Bestellung entspricht“. Weiter heißt es in dem Schreiben:
„Selbstverständlich kann Renault – früher oder später – das Fahrzeug untersuchen lassen – dies sofort, falls Sie sich mit einer Ersatzlieferung, wie von mir jetzt verlangt, einverstanden erklären.“
Die Beklagte antwortete mit Schreiben vom 13. Juli 2005, sie könne auf die vom Kläger begehrte Ersatzlieferung nicht eingehen, erklärte sich aber für den Fall, dass nachweislich ein Mangel vorliegen sollte, zu dessen Beseitigung bereit; sie bot an, das Fahrzeug durch ihren hauseigenen Abschleppdienst abzuholen und dem Kläger für die Zeit des Werkstattaufenthalts einen kostenfreien Ersatzwagen zu stellen. Im Anschluss an das Schreiben des Klägers vom 15. Juli 2005, mit dem dieser nochmals darauf beharrte, dass ihm ein Anspruch auf Mangelbeseitigung in Form der Ersatzlieferung eines kompletten Neuwagens zustehe, bestand die Beklagte mit Schreiben vom 20. Juli 2005 darauf, dass der Kläger ihr, bevor sie weitere Schritte einleiten könne, Gelegenheit geben müsse, das Fahrzeug in ihrem Haus zu überprüfen und gegebenenfalls auftretende Mängel zu beseitigen. Nach weiterer Korrespondenz erklärte der Kläger mit Schreiben vom 30. November 2005 den Rücktritt vom Kaufvertrag.
Der Kläger begehrt mit seiner Klage die Rückzahlung des Kaufpreises abzüglich Nutzungswertersatz Zug um Zug gegen Rückgabe des Fahrzeugs sowie die Feststellung des Annahmeverzugs und der Verpflichtung der Beklagten, die dem Kläger infolge der Nichtrücknahme des Fahrzeugs bereits entstandenen und noch entstehenden Schäden zu ersetzen. Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Die Berufung des Klägers hat keinen Erfolg gehabt. Mit der vom Senat zugelassenen Revision verfolgt der Kläger sein Klagebegehren weiter.
Entscheidungsgründe:
Die Revision hat keinen Erfolg.
I.
Das Berufungsgericht hat im Wesentlichen ausgeführt:
Der Kläger habe keinen Anspruch auf Rückabwicklung des Kaufvertrags und Schadensersatz, weil der mit Schreiben vom 30. November 2005 erklärte Rücktritt vom Vertrag unwirksam sei. Es könne dahingestellt bleiben, ob die Beklagte die vom Kläger geforderte Nacherfüllung in Form der Lieferung eines neuen Renault, wie das Landgericht angenommen habe, wegen unverhältnismäßig hoher Kosten gemäß § 439 Abs. 3 BGB wirksam verweigert habe. Denn jedenfalls habe der Kläger Nacherfüllung gemäß § 439 Abs. 1 BGB nicht verlangen können, da er sich selbst nicht vertragsgerecht verhalten habe. Nachdem der Kläger im Schreiben vom 3. Juli 2005 die Lieferung eines anderen Fahrzeugs verlangt habe, sei er verpflichtet gewesen, dem Wunsch der Beklagten, das Fahrzeug zu untersuchen, nachzukommen, damit diese ihr weiteres Verhalten – insbesondere in Bezug auf die Frage, ob ein Mangel gegeben sei, welcher Aufwand gegebenenfalls für dessen Beseitigung erforderlich sein würde und ob sie von ihrem Verweigerungsrecht gemäß § 439 Abs. 3 BGB Gebrauch machen wolle – sachgerecht hätte abstimmen können.
Die Beklagte habe eine zuverlässige Beurteilung der gerügten Mängel nur nach eigener Überprüfung des Fahrzeugs treffen können; angesichts der vielfältigen Ursachen, die für die vom Kläger gerügten Fehlfunktionen in Betracht kämen, sei der Beklagten eine Ferndiagnose nicht mit der erforderlichen Zuverlässigkeit möglich gewesen. Für den Kläger sei aufgrund der Umstände erkennbar gewesen, dass der erstmals mit Schreiben vom 27. Juni 2005 geäußerte Wunsch der Beklagten, das Fahrzeug auf die gerügten Mängel hin überprüfen zu können, deren berechtigtem Interesse entsprochen habe. Der Kläger habe demgegenüber im Schreiben vom 3. Juli 2005 ausdrücklich eine Untersuchung des Wagens davon abhängig gemacht, dass die Beklagte der von ihm verlangten Ersatzlieferung zustimme, und habe auch im weiteren Verlauf keine Prüfung des Fahrzeugs zugelassen. Damit habe er die Untersuchung des Pkw faktisch verweigert, weil er diese von einer Bedingung abhängig gemacht habe, auf die die Beklagte nicht habe einzugehen brauchen. Durch diese Verhaltensweise habe der Kläger seine vertragliche Nebenpflicht auf Mitwirkung und Rücksichtnahme verletzt. Rechtsfolge sei, dass die Beklagte die Nacherfüllung in der Form der Ersatzlieferung gemäß § 439 Abs. 1 BGB habe verweigern können, was sie mit Schreiben vom 13. Juli 2005 getan habe. Ein Rücktrittsrecht des Klägers sei damit nicht gegeben.
II.
Diese Beurteilung hält rechtlicher Nachprüfung stand. Dem Kläger stehen die geltend gemachten Ansprüche auf Rückabwicklung des Kaufvertrages und Schadensersatz nicht zu. Das Berufungsgericht hat mit Recht angenommen, dass der vom Kläger mit Schreiben vom 30. November 2005 erklärte Rücktritt vom Vertrag nicht wirksam ist, weil der Kläger es versäumt hat, der Beklagten in einer den gesetzlichen Anforderungen entsprechenden Weise Gelegenheit zur Nacherfüllung (§ 439 BGB) zu geben.
Das Recht des Käufers, vom Vertrag gemäß § 437 Nr. 2 BGB nach den Bestimmungen der §§ 440, 323 BGB zurückzutreten, setzt nach § 323 Abs. 1 BGB grundsätzlich voraus, dass der Käufer dem Verkäufer zuvor erfolglos eine angemessene Frist zur Nacherfüllung (§ 439 BGB) bestimmt hat. Der darin zum Ausdruck kommende Vorrang der Nacherfüllung folgt für die Gestaltungsrechte des Rücktritts und der Minderung (§ 437 Nr. 2 BGB) sowie für die Ansprüche des Käufers auf Schadensersatz statt der Leistung und auf Ersatz vergeblicher Aufwendungen (§ 437 Nr. 3 BGB) aus dem Umstand, dass diese Rechte des Käufers regelmäßig den Ablauf einer dem Verkäufer gesetzten Frist zur Nacherfüllung voraussetzen (BGHZ 162, 219, 221, 226 f. m.w.N.; vgl. auch Begründung zum Schuldrechtsmodernisierungsgesetz, BT-Drs. 14/6040, S. 94 f., 221, 230). An einem den Anforderungen der § 323 Abs. 1, § 439 Abs. 1 BGB entsprechenden Nacherfüllungsverlangen des Klägers fehlt es, so dass die Voraussetzungen für ein Rücktrittsrecht des Klägers nach § 437 Nr. 2 in Verbindung mit § 323 BGB nicht erfüllt sind.
1.
Gemäß § 439 Abs. 1 BGB kann der Käufer als Nacherfüllung nach seiner Wahl die Beseitigung des Mangels oder die Lieferung einer mangelfreien Sache verlangen. Eine Beseitigung des Mangels durch die Beklagte hat der Kläger nicht verlangt, sondern abgelehnt. Zur Lieferung einer mangelfreien Sache hat der Kläger die Beklagte in seinen Schreiben vom 3. und 15. Juli 2005 zwar unter Fristsetzung aufgefordert. Mit diesen Aufforderungen ist der Kläger jedoch seiner Obliegenheit, der Beklagten Gelegenheit zur Nacherfüllung zu geben, nicht in gehöriger Weise nachgekommen.
Das Erfordernis eines Nacherfüllungsverlangens als Voraussetzung für die Rechte des Käufers aus § 437 Nr. 2 und 3 BGB umschreibt keine Vertragspflicht, sondern eine Obliegenheit des Käufers (Senatsurteil vom 21. Dezember 2005 – VIII ZR 49/05, NJW 2006, 1195, Tz. 20; Reinking/Eggert, Der Autokauf, 10. Aufl., Rdnr. 350). Diese Obliegenheit, der der Käufer im eigenen Interesse nachzukommen hat, wenn er die in § 437 Nr. 2 und 3 BGB aufgeführten Rechte geltend machen will, beschränkt sich nicht auf eine mündliche oder schriftliche Aufforderung zur Nacherfüllung, sondern umfasst auch die Bereitschaft des Käufers, dem Verkäufer die Kaufsache zur Überprüfung der erhobenen Mängelrügen für eine entsprechende Untersuchung zur Verfügung zu stellen. Der Verkäufer ist nicht verpflichtet, sich auf ein Nacherfüllungsverlangen des Käufers einzulassen, bevor dieser ihm nicht Gelegenheit zu einer solchen Untersuchung der Kaufsache gegeben hat. Denn dem Verkäufer soll es mit der ihm vom Käufer einzuräumenden Gelegenheit zur Nacherfüllung gerade ermöglicht werden, die verkaufte Sache darauf zu überprüfen, ob der behauptete Mangel besteht und ob er bereits im Zeitpunkt des Gefahrübergangs vorgelegen hat, auf welcher Ursache er beruht sowie ob und auf welche Weise er beseitigt werden kann (vgl. § 439 Abs. 3 BGB), und hierzu gegebenenfalls Beweise zu sichern (BGHZ aaO, 228; Senatsurteil vom 21. Dezember 2005, aaO, Tz. 21). Der Verkäufer kann von der ihm zustehenden Untersuchungsmöglichkeit nur Gebrauch machen, wenn ihm der Käufer die Kaufsache zu diesem Zweck zur Verfügung stellt.
Der Kläger hat der Beklagten keine Gelegenheit zu einer Untersuchung des Fahrzeugs im Hinblick auf die erhobenen Mängelrügen gegeben. Er hat eine Untersuchung durch die Beklagte in unzulässiger Weise von der Bedingung abhängig gemacht, dass sich die Beklagte zuvor mit der vom Kläger gewählten Art der Nacherfüllung – der Lieferung eines neuen Fahrzeugs – einverstanden erklärt. Darauf brauchte sich die Beklagte nicht einzulassen. Der Verkäufer ist nicht verpflichtet, der vom Käufer gewählten Art der Nacherfüllung zuzustimmen, bevor er Gelegenheit gehabt hat, die Kaufsache auf die vom Käufer gerügten Mängel zu untersuchen. Dies folgt bereits daraus, dass der Verkäufer erst aufgrund einer solchen Untersuchung beurteilen kann, ob die gerügten Mängel bestehen und bereits bei Gefahrübergang vorgelegen haben; nur unter dieser Voraussetzung ist der Verkäufer überhaupt zur Nacherfüllung verpflichtet. Darüber hinaus bedarf es der vorherigen Untersuchung auch im Hinblick auf die vom Käufer gewählte Art der Nacherfüllung. Denn von den Feststellungen des Verkäufers zur Ursache eines etwa vorhandenen Mangels und dazu, ob und auf welche Weise dieser beseitigt werden kann, hängt ab, ob sich der Verkäufer auf die vom Käufer gewählte Art der Nacherfüllung einlassen muss oder ob er sie nach § 275 Abs. 2 und 3 oder § 439 Abs. 3 BGB verweigern kann.
2.
Das Vorbringen der Revision rechtfertigt keine andere Beurteilung.
a)
Die Revision meint, der Kläger sei nach allgemeinen Grundsätzen nicht verpflichtet, die Beklagte mit den für sie erforderlichen Informationen zu versorgen, die sie benötige, um entscheiden zu können, ob sie auf das Verlangen des Klägers nach Ersatzlieferung eingehen oder sich auf die Einrede aus § 439 Abs. 3 BGB berufen wolle; vielmehr habe sie darüber allein aufgrund der vom Kläger dargelegten Mängelsymptome entscheiden können und müssen. Dieser Auffassung kann nicht gefolgt werden. Sie ist mit § 439 BGB und der dargelegten Senatsrechtsprechung zu dieser Bestimmung (BGHZ aaO; Senatsurteil vom 21. Dezember 2005, aaO) nicht vereinbar. Auf eine „Ferndiagnose“ allein auf der Grundlage der Beanstandungen des Klägers brauchte sich die Beklagte, wie das Berufungsgericht mit Recht angenommen hat, nicht einzulassen.
b)
Entgegen der Auffassung der Revision ist der Anspruch des Verkäufers auf eine vorherige Untersuchung des Fahrzeugs nicht davon abhängig, dass der Verkäufer dem Käufer gegenüber zuvor darlegt, warum aus seiner Sicht die Voraussetzungen des § 439 Abs. 3 BGB gegeben sein könnten. Abgesehen davon, dass Darlegungen zur Unverhältnismäßigkeit der Kosten für die vom Käufer gewählte Art der Nacherfüllung eine vorherige Untersuchung der Kaufsache voraussetzen, dient diese Untersuchung auch nicht lediglich der Prüfung der Voraussetzungen des § 439 Abs. 3 BGB, sondern bereits der vorgelagerten Feststellung, ob überhaupt ein Mangel gegeben ist und bei Gefahrübergang vorgelegen hat (BGHZ aaO). Dass die Beklagte eine Untersuchung des Fahrzeugs gerade zu diesem Zweck verlangte, ergibt sich bereits aus ihrem ersten Schreiben vom 27. Juni 2005.
c)
Die Obliegenheit des Klägers, der Beklagten das Fahrzeug zur Untersuchung zur Verfügung zu stellen, ist schließlich auch nicht aufgrund der tatsächlichen Umstände des vorliegenden Einzelfalls ausgeschlossen. Die Revision meint, der Kläger habe das Fahrzeug der Beklagten deshalb nicht zur Untersuchung zu überlassen brauchen, weil er Anlass zu der Befürchtung gehabt habe, dass diese den Mangel nicht lediglich untersuchen, sondern auch (durch Nachbesserung) beseitigen werde, womit der Kläger nicht einverstanden gewesen sei. Eine solche Befürchtung des Klägers rechtfertigte es jedoch nicht, eine Untersuchung des Fahrzeugs durch die Beklagte zu verweigern. Denn falls die Beklagte zu der vom Kläger geforderten Ersatzlieferung verpflichtet sein sollte, hätte sie sich durch eine gegen den Willen des Klägers vorgenommene Mangelbeseitigung durch Nachbesserung von dieser Pflicht nicht befreien können. Davon abgesehen hat das Berufungsgericht festgestellt, dass die Schreiben der Beklagten, in denen diese eine Beseitigung etwaiger Mängel angeboten hat, nach dem objektiven Empfängerhorizont nicht dahin zu verstehen sind, dass die Beklagte das Fahrzeug auch ohne Einverständnis des Klägers reparieren würde. Rechtsfehler dieser tatrichterlichen Würdigung der zwischen den Parteien geführten Korrespondenz werden von der Revision nicht aufgezeigt und sind auch nicht ersichtlich.