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Im falschen Grab beerdigt – hat der Eigentümer dieses Grabes einen Umbettungsanspruch?

OVG NW

Az.: 19 A 1320/98

Beschluß vom 10.11.1998

Vorinstanz: VG Gelsenkirchen – Az.: 14 K 4610/95


Leitsätze:

1. Zum Anspruch eines Grabstättennutzungsberechtigten auf Folgenbeseitigung durch Umbettung einer durch rechtswidriges Handeln der Friedhofsverwaltung auf seiner Grabstätte bestatteten fremden Leiche.

2. Der Folgenbeseitigungsanspruch entfällt insoweit, als seine Verwirklichung sich als unzulässige Rechtsausübung darstellt.

3. Das Grabstättennutzungsrecht fällt in einem Kernbereich (Nutzung zur Bestattung, Grabanlage und Errichtung eines Grabmals) unter den Schutz des Art. 14 Abs. 1 GG.

4. Dem Umbettungsverlangen des Grabstättennutzungsberechtigten kann Art. 1 Abs. 1 GG entgegenstehen, der den Schutz der Totenruhe des Verstorbenen erfordert.

5. Im Rahmen des bei der Kollision zweier grundrechtsgeschützter Rechtsgüter vorzunehmenden verhältnismäßigen Ausgleichs nach den Kriterien der Zumutbarkeit ist der Schutz der Totenruhe gegenüber dem Grabstättennutzungsrecht vorrangig, wenn dieses Recht nicht.vollständig, sondern nur in einem trennbaren Teilbereich entzogen wird und der vom Grabstättennutzungsberechtigten angestrebte Erfolg auf andere zumutbare Weise erreicht werden kann.

6. Nach dem Verlust des Bestattungsrechts an der belegten Grabstelle verbleibt dem Nutzungsberechtigten das Grabgestaltungsrecht.

7. Das aus Art. 2 Abs. 1 GG herzuleitende Recht der Totenfürsorge des überlebenden Ehemannes, dessen verstorbene Ehefrau in einer fremden Grabstätte beigesetzt wurde, umfaßt nicht das Gestaltungsrecht an der fremden Grabstelle.


Die Klägerin ist Nutzungsberechtigte einer dreistelligen Familienwahlgrabstätte, neben der sich die zweistellige Grabstätte des Beigeladenen befindet. Nach dem Tod der Ehefrau des Beigeladenen ließ die Friedhofsverwaltung der Beklagten infolge eines Irrtums die neben der Grabstätte des Beigeladenen gelegene Grabstelle auf der Grabstätte der Klägerin ausheben und für die Bestattung vorbereiten, die dann dort erfolgte. Als die Klägerin dies bemerkt hatte und von der Beklagten die Umbettung der Leiche verlangte, weigerte sich der Beigeladene unter Berufung auf den Schutz der Totenruhe, der Umbettung des Leichnams seiner Frau in seine eigene Grabstätte zuzustimmen. Daraufhin erhob die Klägerin Klage mit dem Antrag, die Beklagte zu verpflichten, die von ihr zur Nutzung erworbene Grabstelle durch Umbettung des Leichnams freizuräumen. Das VG wies die Klage ab. Die dagegen eingelegte Berufung hatte keinen Erfolg.

Aus den Gründen:

Die als Leistungsklage zulässige Klage ist nicht begründet. Die Beklagte ist nicht zu verpflichten, die von der Klägerin zur Nutzung erworbene Grabstelle durch Umbettung des Leichnams der Ehefrau des Beigeladenen freizuräumen.

Die Voraussetzungen eines öffentlich-rechtlichen Folgenbeseitigungsanspruchs der Klägerin sind zwar gegeben. Dieser Folgenbeseitigungsanspruch entfällt hier aber ausnahmsweise insoweit, als er auf die von der Klägerin begehrte Wiederherstellung des vor der rechtswidrigen Amtshandlung vorhandenen Zustandes gerichtet ist, weil sich nach der materiellen Rechtslage das Verlangen der Rückgängigmachung der durch die rechtswidrige Amtshandlung der Beklagten bewirkten Beisetzung der Leiche der verstorbenen Ehefrau des Beigeladenen auf der Grabstätte der Klägerin, d.h. das Verlangen der Umbettung, als eine unzulässige Rechtsausübung darstellt. Ob der Folgenbeseitigungsanspruch in anderer Weise zu erfüllen ist, bedarf hier keiner Klärung, weil, eine andere Leistung der Beklagten als die Umbettung der Leiche von der Klägerin nicht begehrt wird.

Im einzelnen gilt folgendes:

Der aus Art. 20 Abs. 3 GG entwickelte Folgenbeseitigungsanspruch folgt aus der grundsätzlichen Verpflichtung der vollziehenden Gewalt, die rechtswidrigen Folgen ihrer rechtswidrigen Amtshandlungen zu beseitigen.

Zur Entwicklung dieses Rechtsinstituts und zum Anspruchsinhalt im einzelnen: BVerwG, Urteil vom 19.7.1984 – 3 C. 81.82. -, BVerwGE 69, 366 = DÖV 1985, 28 = DVB1. 1984, 1178 = BayVBL. 1985, 54.

Hier bestand die rechtswidrige Amtshandlung der Beklagten darin, daß ihre Friedhofsverwaltung infolge eines Irrtums anläßlich der Bestattung der verstorbenen Ehefrau des Beigeladenen, dessen zweistellige Grabstätte sich neben der dreistelligen Wahlgrabstätte der Klägerin befindet, das äußere, an die Grabstätte des Beigeladenen angrenzende Grab auf der Grabstätte der Klägerin für die Beerdigung hergerichtet und damit die Bestattung der Verstorbenen dort bewirkt hat. Diese rechtswidrige Handlungsweise hatte unmittelbar zur Folge, daß das Grabstättennutzungsrecht der Klägerin insofern beeinträchtigt wurde, als sie eine bis dahin freie Grabstelle ihrer Grabstätte nicht mehr für eine Bestattung entsprechend ihrer Wahl nach Maßgabe der Friedhofsordnung nutzen kann.

Der demnach bestehende Folgenbeseitigungsanspruch ist grundsätzlich auf die Beseitigung der rechtswidrigen Folgen des Tuns der vollziehenden Gewalt gerichtet und verpflichtet die vollziehende Gewalt nach dem Grundsatz der Naturalherstellung, der in § 249 Abs. 1 BGB einen gesetzlichen Niederschlag gefunden hat, zur Herstellung des Zustandes, der bestünde, wenn sie die rechtswidrigen Folgen nicht herbeigeführt hätte.

Vgl. BVerwG, aaO.

Der Zustand, der vor der rechtswidrigen Handlung der Beklagten bestand, wäre hier durch eine Wiederfreimachung der rechtswidrig belegten Grabstelle auf der Grabstätte der Klägerin im Wege einer Umbettung der dort bestatteten Leiche herzustellen. Der Wiederherstellung dieses Zustandes stehen jedoch Rechtsnormen entgegen, die das Begehren der Klägerin als unzulässige Rechtsausübung erscheinen lassen. Der Folgenbeseitigungsanspruch entfällt nach allgemeiner Meinung insoweit, als seine Verwirklichung sich als eine unzulässige Rechtsausübung darstellt, etwa weil die Wiederherstellung des früheren Zustandes im Wege der Beseitigung der eingetretenen Folgen nach der materiellen Rechtslage ausgeschlossen ist.

Vgl. BVerwG, Urteil vom 6.9.1988 – 4 C 26,.88 -, DVB1. 1989, 44 (45).

Das ist hier der Fall.

Dem Verlangen der Klägerin nach Umbettung des Leichnams der Ehefrau des Beigeladenen steht Art. 1 Abs. 1 GG entgegen, der mit dem Schutz der unantastbaren Würde des Menschen auch den Schutz der Totenruhe des Verstorbenen fordert.

Vgl. BVerwG, Urteil vom 26.6.1974 – VII C 36.72 -, BVerwGE 45, 224 (230); Beschluß vom 20.12.1977 – VII B 188.76 -, Buchholz 408.2 Nr. 6.

Die Umbettung einer einmal beigesetzten Leiche kann grundsätzlich nur aus ganz besonderen Gründen verlangt werden.

Vgl. OVG NW, Beschluß vom 28.11.1991 – 19 A 1925/90 -, NWVBI. 1992, 261 m.w.N.; Hess. VGH, Urteil vom 7.9.1993 – 11 UE 1118/92 -, DVB1. 1994, 218 (222).

Bei der Entscheidung des Friedhofsträgers über die Frage, ob der Anspruch auf Umbettung aus solchen besonderen Gründen gerechtfertigt ist, kommt es auf die Besonderheiten der Interessenlage an, insbesondere darauf, ob der geltend gemachte Anspruch unter Berücksichtigung der gesamten Sachlage der herrschenden sittlichen Auffassung entspricht, ob dem Antragsteller erhebliche Umstände zur Seite stehen und der Wunsch auf andere Weise nicht erfüllt werden kann. Durch Abwägung der jeweiligen Umstände ist ein gerechter Ausgleich zwischen dem Gebot der Totenruhe und dem Bedürfnis des Antragstellers zu suchen.

Gaedke, Handbuch des Friedhofs- und Bestattungsrechts, 7. Aufl., S. 220.

In Anwendung dieser Grundsätze liegt hier ein besonders wichtiger Grund für das Umbettungsbegehren der Klägerin, der der durch Art. 1 Abs. 1 GG geschützten Totenruhe der verstorbenen Ehefrau des Beigeladenen vorgehen würde, nicht vor.

Der Klägerin ist zwar aufgrund des grundsätzlich bestehenden Folgenbeseitigungsanspruchs ein erhebliches Interesse an der Umbettung der Leiche der Ehefrau des Beigeladenen zuzuerkennen, zumal durch das rechtswidrige Handeln der Beklagten Grundrechte der Klägerin beeinträchtigt wurden.

Das der Klägerin verliehene Grabstättennutzungsrecht, das nach einhelliger Auffassung als subjektiv-öffentliches Sondernutzungsrecht anzusehen ist,

BVerwG, Urteil 8.7.1960 – VII C 123.59 -, BVerwGE 11, 68 (71 f.); Urteil vom 8.3.1974 –VII C 73.72 -, Buchholz 408.3 Nr. 2 = DÖV 1974, 390 f.; OVG NW, Urteil vom 15.11.1991 – 19 A 1492/88 – NWVBI. 1992, 214 und Urteil vom 17.1.1992 – 19 A 31/90 fällt nach der Rechtsprechung des erkennenden Senats

vgl. im einzelnen: OVG NW, Urteil vom 16.10.1992 – 19 A 2415/90 zumindest in einem Kernbereich unter den Schutz des Art. 14 Abs. 1 GG. Dieser Kernbereich des als Äquivalent für die Gebührenzahlung erworbenen Rechts besteht in der Befugnis, die Grabstätte nach Maßgabe der jeweils. geltenden Friedhofsordnung – vorbehaltlich der Veränderbarkeit der Friedhofsordnung für die Zukunft und der zeitlichen Beschränkbarkeit dieses Rechts für die Bestattung, Grabanlage und Errichtung eines Grabmals oder anderer Grabeinrichtungen zu nutzen. Jedenfalls in diesem Kernbereich des gegen kostendeckende Geldzahlung erworbenen Grabstättennutzungsrechts entspricht die dem Nutzungsberechtigten eingeräumte Rechtsposition so sehr derjenigen eines Eigentümers oder Erbbauberechtigten, daß ihre Entziehung dem rechtsstaatlichen Gehalt des Art. 14 GG widerspricht..

Trotzdem kann die Verletzung des durch Art. 14 GG geschützten Grabstättennutzungsrechts der Klägerin nicht zur Anerkennung . eines ganz besonderen Grundes für die Umbettung des Leichnams der Ehefrau des Beigeladenen führen. Im Rahmen des bei der Kollision zweier grundrechtsgeschützter Rechtsgüter vorzunehmenden verhältnismäßigen Ausgleichs nach den Kriterien der Zumutbarkeit vgl. dazu im einzelnen: BVerfG, Urteil vom 28.5.1993 – 2 BvF 2/90, 4/92, 5/92 -, NJW 1993, 1751 (1754) ist der Schutz der Totenruhe nämlich gegenüber dem Grabstättennutzungsrecht der Klägerin vorrangig. Dies ergibt sich aus folgenden Überlegungen:

Auszugehen ist davon, daß der, den Schutz der Totenruhe gewährleistende Art. 1 Abs. 1 GG aufgrund des durch Art. 79 Abs. 3 GG geschaffenen Wertsystems einen besonderen unantastbaren Rang hat, wodurch Art. 1 GG zu den „tragenden Konstitutionsprinzipien“ gehört.

Vgl. BVerfG, Urteil vom 16.1.1957 – 1 BvR 253/56 -, BVerfGE 6, 32 (36); vgl. auch Maunz/Dürig, GG-Kommentar, Art. 1 Abs. 1 Rdnr. 11; 15.

Die Rücksichtnahme auf die Gefühle der Hinterbliebenen verbieten es der Friedhofsverwaltung in der Regel, gegen den Willen des Ehegatten oder eines anderen nahen Verwandten des Verstorbenen – wie hier gegen den Willen des Beigeladenen – der Umbettung zuzustimmen oder diese zu bewirken.

Vgl. Gaedke, aaO. S. 219.

Zwar hat die Friedhofsverwaltung in besonderen Fällen das Recht, Umbettungen, die im öffentlichen Interesse erforderlich sind, innerhalb des Friedhofs auch gegen den Willen der Angehörigen vorzunehmen. Aber auch ,hier ist der Grundsatz zu beachten, daß die Wahrung der Totenruhe grundsätzlich allen anderen Gesichtspunkten vorgeht und ausnahmsweise eine Umbettung nur vorgenommen werden darf, wenn der angestrebte Erfolg anders nicht zu erreichen ist und wirklich zwingende Gründe die Maßnahme bedingen.

Vgl. Gaedke, aaO. S. 222.

Es bedarf hier keiner Erörterung, ob die Pflicht der Beklagten zur Erfüllung des grundsätzlich bestehenden Folgenbeseitigungs anspruchs der Klägerin ein öffentliches Interesse im vorstehenden Sinne begründen kann. Wenn man dies unterstellt, ergibt dieses öffentliche Interesse keinen wirklich zwingenden Grund für die Umbettung, weil der Klägerin das Unterbleiben der Umbettung eher zumutbar ist als die Mißachtung der Totenruhe der verstorbenen Ehefrau des Beigeladenen gegen dessen erklärten Willen hingenommen werden kann. Zum einen wird der Klägerin das durch Art. 14 Abs.. 1 GG geschützte Grabstättennutzungsrecht nicht vollständig, sondern nur teilweise entzogen. Zum anderen läßt sich der von der Klägerin angestrebte Erfolg auch auf andere Weise als durch die von ihr begehrte Umbettung erreichen. Dies ergibt sich im einzelnen aus folgendem:

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Durch das rechtswidrige Handeln der Beklagten wurde der Klägerin der Kernbereich ihres Grabstättennutzungsrechts für die durch die Beisetzung der verstorbenen Ehefrau des Beigeladenen in Anspruch genommene Grabstelle nicht vollständig, sondern nur in einem – trennbaren – Teilbereich entzogen. Nicht mehr ausüben kann die Klägerin das Bestattungsrecht auf dieser Grabstelle. Geblieben ist ihr jedoch das Grabgestaltungsrecht; an dessen Ausübung im Einklang mit der Friedhofsordnung und den allgemeinen Grundsätzen einer würdigen Grabgestaltung sie angesichts des ihr für alle Grabstellen verbliebenen, von ihr gegen Geldzahlung erworbenen und nicht ohne Rechtsgrundlage entziehbaren Grabstättennutzungsrechts nicht gehindert werden darf. Das erhebliche Interesse der Klägerin am Fortbestand dieses Grabgestaltungsrechts an der mit einer fremden Person belegten Grabstelle – das dem Beigeladenen den Entschluß erleichtern könnte, der Umbettung seiner Ehefrau in seine eigene Grabstätte zuzustimmen – ergibt sich bereits daraus, daß sie gegen den Beigeladenen vor dem (zuständigen) Amtsgericht eine Klage auf Beseitigung der von diesem vorgenommenen Bepflanzungen und Einfriedigungen der Grabstelle erhoben hat. Dieses Grabgestaltungsrecht ist nicht etwa – wie das Amtsgericht in dem auf die Klage ergangenen nicht rechtskräftigen Urteil meint – „in analoger Anwendung des § 275 BGB durch die Beerdigung … in dieser Grabstätte untergegangen“, weil einer Trennung zwischen unterirdischem Bestattungsrecht und oberirdischem Grabgestaltungsrecht das Totenfürsorgerecht des Beigeladenen entgegenstehe. Zum einen ist der Untergang eines – wie hier noch ausübbaren – Grundrechts als Folge eines rechtswidrigen behördlichen Handelns der Rechtsordnung fremd: Zum anderen sind einzelne Nutzungsmöglichkeiten durchaus – so im Bergbau und Wasserrecht – vom Eigentum abspaltbar, wobei dem Eigentümer die übrigen Nutzungsmöglichkeiten verbleiben. Zum dritten wird das aus Art. 2 Abs. 1 GG herzuleitende Recht der Totenfürsorge,

vgl. BVerwG, Beschluß vom 20.12.1977 aaO.; OVG NW, Beschluß vom 28.11.1991 aaO., zu dem grundsätzlich das Recht der Gestaltung der Grabstelle gehört, u. a. durch die verfassungsmäßige Ordnung beschränkt. Vgl. OVG NW, Beschluß vom 11.4.1997 – 19 A 1211/96 -, NVwZ 1998, 869 = NWVBI. 1987, 399 m.w.N.

Hier beschränkt die verfassungsmäßige Ordnung das Totenfürsorgerecht des Beigeladenen in der Weise, daß ihm nach der materiellen Rechtslage ein Grabstättennutzungs- und Grabgestaltungsrecht für die Grabstelle, in der seine verstorbene Ehefrau beigesetzt wurde, nicht zusteht, mag er auch ein Abwehrrecht gegen die Umbettung seiner verstorbenen Ehefrau geltend machen können, bei dem es sich um deren aus Art. 1 Abs. 1 GG herzuleitendes, ihre Menschenwürde über ihren Tod hinaus schützendes Recht der Totenruhe handelt. Vielmehr gehört das Grabgestaltungsrecht an dieser Grabstelle zu dem durch Art. 14 GG geschützten Kern des Grabstättennutzungsrechts, das die Klägerin von der Beklagten durch Vertrag und gegen Geldzahlung erworben hat, das die Beklagte demgemäß zu achten hat und an dessen Grenze das Totenfürsorgerecht des Beigeladenen endet. Auch nach § 2 Abs. 5 Satz 3 der (einschlägigen) Satzung über das Friedhofs- und Bestattungswesen, wonach an Grabstätten nur Rechte nach dieser Friedhofsordnung bestehen, hat die Klägerin als alleinige Nutzungsberechtigte die Rechte an der Grabstelle inne und nicht der Beigeladene.

Dem kann nicht entgegengehalten werden, daß es dem allgemeinen Sittlichkeits- und Pietätsempfinden widerspräche, den oberen Teil einer Grabfläche vom unterirdischen Teil zu trennen. Vielmehr ist der Beigeladene im Rahmen des nach den obenstehenden Grundsätzen bei der Kollision zweier grundrechtsgeschützter Rechtsgüter vorzunehmenden verhältnismäßigen Ausgleichs nach

den Kriterien der Zumutbarkeit darauf zu verweisen, daß es ihm zumutbar ist, sein Totenfürsorgerecht in der Weise auszuüben, daß er der verstorbenen Ehefrau etwa dadurch gedenkt, daß er auf der unmittelbar benachbarten Grabstelle auf seiner eigenen Grabstätte ein Grabmal aufstellen läßt und Blumen pflanzt. Bei den vielfach anzutreffenden Familien-Wahlgrabstätten mit mehreren Grabstellen befindet.sich der Grabstein häufig nur auf einem Teil der Grabstellen, auf die er sich bezieht. Will der Beigeladene sich damit nicht begnügen, sondern außer der Wahrung der Totenruhe seiner verstorbenen Ehefrau erreichen, daß ein Grabstein direkt auf der von ihr belegten Grabstelle aufgestellt oder diese Grabstelle von ihm in irgendeiner Weise gestaltet werden kann, dann ist ihm zuzumuten, sich durch eine Zustimmung zur Umbettung des Leichnams seiner Ehefrau in seine eigene Grabstätte das angestrebte Gestaltungsrecht an derselben Grabstelle zu verschaffen, in der seine verstorbene Ehefrau bestattet ist, ohne daß das eigentumsähnliche Grabgestaltungsrecht der Klägerin beeinträchtigt werden müßte. Dies ist dem Beigeladenen um so mehr zumutbar, als die Umbettung wahrscheinlich nicht einmal die Ausgrabung des Leichnams erfordert, sondern durch „Verschieben des Sarges auf der Sohle“ erfolgen kann.

Der Verzicht auf die mit der Klage verfolgte Umbettung ist der Klägerin – abgesehen von dem teilweisen Fortbestand des eigentumsähnlichen Grabstättennutzungsrechts – zum anderen auch deshalb zumutbar, weil der von der Klägerin angestrebte Erfolg sich auf andere ihr zumutbare Weise als durch die begehrte Umbettung erreichen läßt. Sie hat die Wahlgrabstätte erklärtermaßen erworben, um „mit dem verstorbenen Ehemann und der Schwester nebeneinander begraben werden“ zu können. Diesem Begehren kann und will die Beklagte dadurch Rechnung tragen, daß sie der Klägerin gebührenfrei das Nutzungsrecht an zwei weiteren Grabstellen überträgt, die sich oben an die. Querseite der beiden mit dem Ehemann und der Schwester der Klägerin belegten Grabstellen entweder in Längs- oder Querlage anschließen. Diese Lösung würde es der Klägerin ermöglichen, unmittelbar anschließend an das Grab ihres Ehemannes – oder bei Querlage der Grabstelle unmittelbar anschließend an die Gräber des Ehemannes und der Schwester – begraben zu werden. Damit wird den Interessen der Klägerin zwar nicht vollständig, aber so weitgehend Genüge getan, daß sich die Verwirklichung ihres die Totenruhe der Ehefrau des Beigeladenen störenden Folgenbeseitigungsanspruchs gegen die Beklagte als unzulässige Rechtsausübung darstellen würde.

Soweit sich die Wiederherstellung des vor der rechtswidrigen Amtshandlung vorhandenen Zustandes – wie hier aus Rechtsgründen als unzulässige Rechtsausübung darstellt, kann dies grundsätzlich nicht zum Vorteil des an sich zur Folgenbeseitigung. Verpflichteten gereichen. Ist die Herstellung des früheren Zustandes – wie hier – aus rechtlichen Gründen ausgeschlossen, so hat der von der rechtswidrigen Amtshandlung Betroffene einen Anspruch auf einen angemessenen Ausgleich. Vgl. BVerwG, Urteil vom 14.4.1989 – 4 C 34.88 -, DÖV 1989, 774 (775).

Ob die Klägerin als angemessenen Ausgleich die Zurverfügungstellung an ihre Grabstätte angrenzender Grabstellen oder nach der in § 251 Abs. 1 BGB enthaltenen Regelung eine Geldleistung verlangen kann, bedarf hier keiner Klärung, da ihr Klagebegehren nicht darauf gerichtet ist.

Abschließend sei noch darauf hingewiesen, daß die Klägerin sich zur Durchsetzung ihres Klageantrags nicht auf ihr Totenfürsorgerecht für ihre verstorbenen und auf ihrer Grabstelle beigesetzten Angehörigen berufen kann. Sie konnte und kann ihr Totenfürsorgerecht für diese Angehörigen im Rahmen der verfassungsmäßigen Ordnung ausüben, daraus aber keinen Anspruch auf Beeinträchtigung verfassungsmäßig geschützter Rechte anderer wie hier der Totenruhe der verstorbenen Ehefrau des Beigeladenen – herleiten.

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