BGH
Az.: VIII ZR 416/12
Urteil vom 06.11.2013
Der VIII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung vom 18. September 2013 für Recht erkannt:
Die Revision der Beklagten gegen das Urteil der 1. Zivilkammer des Landgerichts Gießen vom 7. November 2012 wird zurückgewiesen.
Die Beklagten haben die Kosten des Revisionsverfahrens zu tragen.
Von Rechts wegen
Tatbestand:
Die Beklagten waren von Anfang 2007 bis Juli 2009 Mieter einer Doppelhaushälfte der Klägerin in B. . Sie hatten das Objekt in weißer Farbe frisch renoviert übernommen, strichen danach einzelne Wände des Mietobjekts in kräftigen Farben (rot, gelb, blau) an und gaben es in diesem Zustand bei Mietende zurück. Die Klägerin ließ im August 2009 die farbig gestalteten Wände zunächst mit Haftgrund und dann alle Wand- und Deckenflächen zweimal mit Wandfarbe überstreichen. Sie wendete hierfür einen Betrag von 3.648,82 Euro auf.
Soweit hier noch von Interesse, hat die Klägerin – unter teilweiser Verrechnung mit der von den Beklagten geleisteten Kaution – Zahlung von 1.836,46 Euro nebst Zinsen begehrt; die Beklagten haben widerklagend die Rückzahlung der zu Beginn des Mietverhältnisses geleisteten Kaution verlangt.
Das Amtsgericht hat Klage und Widerklage abgewiesen. Auf die Berufung der Klägerin hat das Landgericht das erstinstanzliche Urteil dahin abgeändert, dass die Beklagten – soweit hier noch von Interesse – an die Klägerin 874,30 Euro nebst Zinsen zu zahlen haben; die weitergehende Berufung der Klägerin und die Berufung der Beklagten hat es zurückgewiesen. Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision erstreben die Beklagten hinsichtlich der Klage die Wiederherstellung der amtsgerichtlichen Entscheidung und verfolgen im Übrigen ihren Widerklageantrag weiter.
Entscheidungsgründe:
Die Revision hat keinen Erfolg.
I.
Das Berufungsgericht hat zur Begründung seiner Entscheidung im Wesentlichen ausgeführt:
Der Klägerin stehe gegen die Beklagten ein Anspruch auf Zahlung in Höhe von 874,30 Euro aus § 280 Abs. 1, § 546 BGB zu.
Unabhängig davon, ob der Mieter zur Durchführung von Schönheitsreparaturen verpflichtet sei, stelle es eine Vertragsverletzung dar, wenn der Mieter das Mietobjekt in einem farblichen Zustand zurückgebe, welcher die Grenzen des normalen Geschmacks überschreite. Dies sei vorliegend der Fall. Die Beklagten hätten einzelne Wände des Mietobjekts in kräftigen Farben gestrichen, was eine Neuvermietung in diesem Zustand praktisch unmöglich gemacht habe. Auch der Nachmieter, der Zeuge D. , habe die farbigen Wände nicht behalten wollen.
Entgegen der Auffassung der Beklagten sei eine Vertragspflichtverletzung auch dann gegeben, wenn sich der ausgefallene farbliche Zustand durch Schönheitsreparaturen im Sinne des § 28 Abs. 4 Satz 3 der Zweiten Berechnungsverordnung (mithin auch durch Neutapezieren) beseitigen lasse und keine darüber hinausgehenden Instandsetzungsarbeiten erforderlich seien. Vorliegend müsse die Vertragsverletzung schon darin gesehen werden, dass die Rückgabe in dem farblich auffälligen, veränderten Zustand erfolgt sei, welcher die Grenzen des normalen Geschmacks überschreite.
Durch die Vertragspflichtverletzung der Beklagten sei der Klägerin unter Berücksichtigung eines Abzugs neu für alt ein Schaden in Höhe von 2.676,66 Euro entstanden. Zwar habe die Klägerin als Vermieterin bei Beendigung des Mietverhältnisses mangels wirksamer Vereinbarung der Parteien keinen Anspruch gegen die Beklagten auf Renovierung des Hauses oder auf Zahlung eines anteiligen Betrages hierfür gehabt. Jedoch stehe nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme fest, dass die Beseitigung der farblichen Gestaltung einen zusätzlichen Aufwand (Vorstreichen mit Haftgrund, zweimaliges Streichen) erfordert habe. Dennoch sei der Schaden der Klägerin nicht in voller Höhe, sondern nur in Höhe von 2.676,66 Euro entstanden. Denn von dem Schaden in Höhe der Malerkosten von 3.648,82 Euro sei ein Abzug neu für alt vorzunehmen, weil die Klägerin durch die Zahlung des Schadensersatzes im Ergebnis eine vollständig renovierte Wohnung zurückerhalte, obwohl sie keinen Anspruch gegen die Beklagten auf Durchführung der Schönheitsreparaturen oder auf Zahlung eines anteiligen Betrages hierfür gehabt habe und sie deshalb ohne die farbliche Verunstaltung der Beklagten ein unrenoviertes Haus mit normalen Gebrauchsspuren nach einer Nutzungsdauer von rund 2 ½ Jahren zurückerhalten hätte.
Unter Verrechnung mit der Kaution ergebe sich zugunsten der Klägerin ein Betrag von 874,30 Euro. Insoweit sei die Klage begründet, während die Widerklage unbegründet sei.
II.
Diese Beurteilung hält rechtlicher Nachprüfung jedenfalls im Ergebnis stand. Die Revision ist daher zurückzuweisen.
Die Beklagten sind wegen der Rückgabe des – mit neutral (hier: weiß) gestrichenen Wänden übernommenen – Mietobjekts in einem ausgefallenen farblichen Zustand, der eine Neuvermietung der Wohnung praktisch unmöglich machte, weil er für viele Mieter nicht akzeptabel ist, gegenüber der Klägerin schadensersatzpflichtig. Das vertragswidrige Verhalten (§§ 535, 280 Abs. 1, § 241 Abs. 2, § 242 BGB) der Beklagten bei Beendigung des Mietverhältnisses besteht darin, dass sie die Pflicht, auf das berechtigte Interesse der Klägerin an einer baldigen Weitervermietung der zurückgegebenen Doppelhaushälfte in der gebotenen Weise Rücksicht zu nehmen, verletzt haben. Zu Recht hat das Berufungsgericht daher einen Anspruch der Klägerin gegen die Beklagten auf Ersatz der anteiligen Renovierungskosten in Höhe von 2.676,66 Euro bejaht und die Beklagten unter Berücksichtigung des ihnen zustehenden Mietkautionsrückzahlungsanspruchs zur Zahlung von 874,30 Euro verurteilt.
1. Eine ungewöhnliche Farbwahl bei der Dekoration einzelner Räume führt nach allgemeiner Meinung (vgl. Senatsurteil vom 18. Juni 2008 – VIII ZR 224/07, NJW 2008, 2499 Rn. 18 mwN; Staudinger/Emmerich, BGB, Neubearb. 2011, § 535 Rn. 109a) zu einer vom Vermieter nicht hinzunehmenden Verschlechterung der zurückgegebenen Mieträume, wenn eine Weitervermietung der Wohnung in diesem Zustand praktisch unmöglich ist. So hat auch der Senat bereits ausgesprochen, dass dem Vermieter vor dem Hintergrund einer beabsichtigten Weitervermietung ein Interesse daran, die Wohnung am Ende des Mietverhältnisses mit einer Dekoration zurückzuerhalten, die von möglichst vielen Mietinteressenten akzeptiert wird, nicht abzusprechen ist und der Mieter nach Treu und Glauben gemäß § 242 BGB gehalten ist, eine von ihm angebrachte ungewöhnliche Dekoration bei Rückgabe der Wohnung wieder zu beseitigen (Senatsurteile vom 13. Januar 2010 – VIII ZR 48/09, NJW 2010, 674 Rn. 16; vom 22. Oktober 2008 – VIII ZR 283/07, NJW 2009, 62 Rn. 17; vom 18. Juni 2008 – VIII ZR 224/07, aaO).
2. Der Mieter ist gemäß § 241 Abs. 2, § 280 Abs. 1 BGB zum Schadensersatz verpflichtet, wenn er eine in neutraler Dekoration übernommene Wohnung mit einem farbigen Anstrich zurückgibt.
a) Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts und der Revisionserwiderung ergibt sich dies allerdings nicht aus § 546 Abs. 1 BGB. Diese Vorschrift enthält keine Regelung darüber, in welchem Zustand die Wohnung zurückzugeben ist, da der Zustand der Wohnung für die Rückgabe selbst ohne Bedeutung ist. Nach der vom Gesetz getroffenen Regelung kann der Vermieter wegen Veränderung oder Verschlechterung der Mietsache zwar Schadensersatz verlangen, nicht aber die Rücknahme der Mietsache ablehnen (Senatsurteil vom 10. Januar 1983 – VIII ZR 304/81, BGHZ 86, 204, 209 f. zur Vorgängerregelung in § 556 BGB; Staudinger/Rolfs, BGB, Neubearb. 2011, § 546 Rn. 19).
b) Im Ansatzpunkt ähnlich wie das Berufungsgericht, sieht Langenberg (Langenberg, Schönheitsreparaturen, Instandsetzung und Rückbau, 4. Aufl., 1. Teil, E, V 373) die Rückgabe eines Mietobjekts in einem Zustand, der beim Vermieter zusätzliche Kosten für die dekorative Herrichtung auslöst, als Vertragsverletzung im Sinne des § 241 Abs. 2 BGB an. Diese bestehe nicht darin, dass der Mieter die Schönheitsreparaturen während der Mietzeit nach seinen sehr singulären Vorstellungen durchführe, sondern in der Rückgabe in einem Zustand, der es nicht ermögliche, allein mit den üblichen Vorarbeiten die Dekoration zu erneuern. In diesem Fall versuche der Mieter, die zusätzlichen Kosten, die aus der Selbstverwirklichung durch Farbwahl und sonstige Gestaltung stammten, auf den Vertragspartner abzuwälzen (Langenberg, aaO). Dagegen wird eingewandt (Eisenschmid, WuM 2010, 459, 466 f.), dass das, was während der Mietzeit erlaubt sei, bei Ende des Mietverhältnisses nicht zu einer Vertragsverletzung werden könne.
c) Zutreffend ist insoweit zwar, dass der Mieter Veränderungen oder Verschlechterungen der Mietsache dann nicht nach § 538 BGB zu vertreten hat, wenn sie durch einen vertragsgemäßen Gebrauch herbeigeführt werden (Senatsurteil vom 5. März 2008 – VIII ZR 37/07, NJW 2008, 1439 Rn. 21), und dass die farbliche Gestaltung der Mieträume während der Dauer des Mietverhältnisses dem Mieter überlassen ist, somit zum vertragsgemäßen Gebrauch einer angemieteten Wohnung gehört (Senatsurteile vom 21. September 2011 – VIII ZR 47/11, WuM 2011, 618 Rn. 8; vom 18. Juni 2008 – VIII ZR 224/07, aaO Rn. 17).
Der Mieter verletzt jedoch seine Pflicht zur Rücksichtnahme nach § 241 Abs. 2, § 242 BGB, wenn er die in neutraler Dekoration übernommene Wohnung bei Mietende in einem Zustand zurückgibt, der von vielen Mietinteressenten nicht akzeptiert wird. Der Schadenersatzanspruch des Vermieters beruht in diesem Fall auf §§ 535, 280 Abs. 1, § 241 Abs. 2, § 242 BGB. Der Schaden des Vermieters besteht darin, dass er die für breite Mieterkreise nicht akzeptable Art der Dekoration beseitigen muss.
Vermieter und Mieter müssen bei der Gebrauchsüberlassung beziehungsweise Nutzung der Wohnung auf die Interessen des jeweils anderen Vertragspartners Rücksicht nehmen (§ 241 Abs. 2, § 242 BGB). So hat der Mieter das berechtigte Interesse, die Wohnung während der Mietzeit nach seinem persönlichen Geschmack zu dekorieren, während das berechtigte Interesse des Vermieters dahin geht, die Wohnung bei Beendigung des Mietverhältnisses in einem Dekorationszustand zurückzuerhalten, der dem Geschmack eines größeren Interessentenkreises entspricht und somit einer baldigen Weitervermietung nicht entgegensteht (Senatsurteil vom 22. Februar 2012 – VIII ZR 205/11, NJW 2012, 1280 Rn. 12; Senatsbeschlüsse vom 14. Dezember 2010 – VIII ZR 198/10, WuM 2011, 96 Rn. 3, sowie VIII ZR 218/10, WuM 2011, 212 Rn. 3).
d) Entgegen der Auffassung der Revision (ebenso Eisenschmid, aaO) folgt aus der Entscheidung des Senats zum vertragsgemäßen Gebrauch der Mietwohnung im Falle des Rauchens (Senatsurteil vom 5. März 2008 – VIII ZR 37/07, NJW 2008, 1439) nichts anderes. Denn diese Entscheidung betraf die Frage, wann beim Rauchen die Grenzen des vertragsgemäßen Gebrauchs überschritten sind; dort hat der Senat entschieden, dass Rauchen nicht mehr als vertragsgemäßer Gebrauch der Mietsache anzusehen ist („exzessives Rauchen“), wenn die damit verbundenen negativen Auswirkungen auf die Mietsache Schäden verursachen, die über die Abnutzung der Dekoration hinausgehen und sich dementsprechend nicht mehr durch bloße Ausführung von Schönheitsreparaturen beseitigen lassen (Senatsurteil vom 5. März 2008 – VIII ZR 37/07, aaO Rn. 23). Darum geht es hier indes nicht.
Exzessives Rauchen führt zu einer übermäßigen Abnutzung der Mieträume, die Beseitigungsmaßnahmen erfordert, die über normale Schönheitsreparaturen hinausgehen. Um Abnutzung der Mieträume geht es bei deren farblicher Gestaltung in ungewöhnlichen Farben jedoch nicht. Maßnahmen zu deren Beseitigung sind deshalb im Rechtssinne auch keine Schönheitsreparaturen. Das zeigt schon die schlichte Überlegung, dass das berechtigte Interesse des Vermieters, die Wohnung am Ende des Mietverhältnisses mit einer Dekoration zurückzuerhalten, die von möglichst vielen Mietinteressenten akzeptiert wird, auch dann ohne Einschränkung zu bejahen ist, wenn der Mieter die Wohnung vor der Rückgabe in ungewöhnlichen Farben frisch renoviert hat.
3. Die vom Berufungsgericht getroffenen Feststellungen zur Schadenshöhe werden von der Revision nicht beanstandet und begegnen auch im Übrigen keinen Bedenken. Zutreffend berücksichtigt das Berufungsgericht, dass die Beklagten nicht für Abnutzungserscheinungen, die auf einem vertragsgemäßen Mietgebrauch beruhen, aufzukommen haben, sondern nur die darüber hinausgehenden Mehrkosten unter Berücksichtigung eines Abzugs „neu für alt“ ersetz- en müssen (vgl. Senatsurteil vom 13. Januar 2010 – VIII ZR 48/09, aaO Rn. 16).