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Fassadennachbesserung – Vorschussanspruch

 Oberlandesgericht Hamm

Az.: 19 U 93/04

Urteil vom 01.02.2005

Vorinstanz: Landgericht Detmold, Az.: 1 O 569/01


Die Berufung der Beklagten gegen das am 7.06.2004 verkündete Urteil der Zivilkammer I. des Landgerichts Detmold wird zurückgewiesen.

Auf die Widerklage wird festgestellt, dass die Beklagte berechtigt ist, wegen nachfolgend aufgelisteter Mängel nachzubessern:

– an der Außenfassade sind Ausführungsmängel vorhanden und durch Feuchtigkeitseinwirkungen Verfleckungen bzw. Vergrünungen und Veralgungen aufgetreten;

– auf den nordseitigen Außenputzflächen im Innenhof haben sich durch von den Geländerstäben ablaufendes Niederschlagswasser Schmutzrinnsale gebildet;

– bei der Betonabgrenzungsmauer des Parkplatzes sind die Tragösenvertiefungen zu erkennen;

– in die vorhandenen Lichtschachtmulden an der Zuwegung zum Kinderspielplatz dringt Oberflächenwasser ein;

– die Außenwand vor und unterhalb der Lichtschächte ist undicht;

– bei den Trockner-Abluftrohren fehlen Gitterblenden;

– die Heizkesselverkleidung ist verbeult;

– die Wandnischen in den Schrankflächen im Treppenhaus sind nicht gestrichen;

– die Holzpfosten der Pergola sind nicht fachgerecht befestigt. Es fehlt insbesondere eine Aussteifungsdiagonale in den lastaufnehmenden Feldern.

Von den Kosten des Berufungsverfahrens tragen die Kläger 1/3 und die Beklagte 2/3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Kläger dürfen eine Vollstreckung der Beklagten wegen der Kosten abwenden durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

Gründe

Gemäß § 540 Abs. 1 Nr. 1 ZPO wird auf das angefochtene Urteil Bezug genommen.

Der Beklagte meint in der Berufung, das Landgericht habe übersehen, dass den Klägern kein Vorschussanspruch mehr zustehe. Nach unbestritten gebliebenem Sachvortrag der Kläger sei eine Fristsetzung mit Ablehnungsandrohung erfolgt. Dennoch habe der Prozessbevollmächtigte der Kläger trotz rechtlichen Hinweises des Prozessbevollmächtigten der Beklagten ausdrücklich einen Vorschussanspruch geltend gemacht.

Für den Fall, dass der Senat der Auffassung sei, dass es noch nicht zu einer Ablehnungsandrohung gekommen sei, werde Hilfs-Widerklage erhoben.

Deren Zulässigkeit gemäß § 533 ZPO sei gegeben, weil ein neuer Rechtsstreit vermieden werde.

Sei es noch nicht zur Ablehnungsandrohung gekommen, habe die Beklagte noch ihr Nachbesserungsrecht. Das wolle sie ausüben. Die Kläger gingen allerdings darauf nicht ein, wie deren bisheriges Verhalten auf Nachbesserungsangebote der Beklagten zeige.

Die Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen; hilfsweise widerklagend: festzustellen, dass die Beklagte berechtigt ist, die Mängel nachzubessern, wie sie im Tenor aufgelistet sind.

Die Kläger beantragen, die Berufung zurückzuweisen; die Hilfs-Widerklage abzuweisen.

Das Landgericht habe zu Recht zur Zahlung eines Kostenvorschusses gemäß § 633 Abs. 3 BGB a.F. verurteilt. Die Beklagte befinde sich im Verzug, weil sie mehrfach ernsthaft und endgültig die Mängelbeseitigung abgelehnt habe.

Selbst wenn man davon ausgehe, dass § 633 Abs. 3 BGB nicht anwendbar sei, so ergebe sich der Anspruch doch aus § 635 BGB.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die gewechselten Schriftsätze mit Anlagen und die Protokolle der Sitzungen verwiesen.

II.

Die Berufung der Beklagten hat keinen Erfolg, ihre Widerklage ist zulässig und begründet.

1. Die Kläger haben nach wie vor einen Vorschussanspruch aus den §§ 633 Abs. 3 i.V.m. § 242 BGB a.F.. Ein Verlust gemäß § 634 Abs. 1 S. 3 letzter HS. BGB a.F. des Mangelbeseitigungs- bzw. Ersatzvornahmeanspruchs ist bisher nicht eingetreten. Es ist seitens der Kläger weder eine Frist mit Ablehnungsandrohung gemäß § 634 Abs. 1 BGB a.F. gesetzt worden, noch haben sie für den Fall, dass eine solche Fristsetzung gemäß § 634 Abs. 2 BGB entbehrlich wäre, der Beklagten irgendwie mitgeteilt, nunmehr keine Nachbesserung mehr zu verlangen, sondern einen Gewährleistungsanspruch geltend zu machen (s.d. Palandt/Sprau 59. A., § 633 Rn 6).

Entgegen dem Vortrag der Beklagten in der Berufung war es in erster Instanz auch nicht unstreitig, dass die Schreiben des jetzigen Prozessbevollmächtigten der Kläger, die zur Nachbesserung aufforderten, eine Fristsetzung mit Ablehnungsandrohung enthielten. Sowohl in dem Schriftsatz vom 6.11.2002, als auch im Schriftsatz vom 4.06.2004 hat die Beklagte – zu Recht – darauf hingewiesen, dass von einer Ablehnungsandrohung in den Schreiben mit Fristsetzungen keine Rede sei.

Auch wenn der schriftsätzliche Vortrag der Kläger von Ablehnungsandrohung sprach, so wird doch ausdrücklich und ganz konkret auf bestimmte zur Mangelbeseitigung auffordernde Schreiben Bezug genommen. Diese konkreten Schreiben ergänzen damit den Sachvortrag, so dass sich aus dem gesamten zu würdigenden Klagevortrag ergibt, dass der geltend gemachte Vorschussanspruch mangels Ablehnungsandrohung schlüssig ist.

Irgend eine Mitteilung der Kläger an die Beklagte, wegen deren ständiger Weigerung nunmehr keinen Vorschussanspruch gegen sie mehr geltend machen zu wollen, sondern Schadensersatz, ist nicht vorgetragen oder ersichtlich. Vielmehr haben die Kläger stets und auch noch in der Berufungsinstanz ausdrücklich die Zahlung eines Vorschusses verlangt und lediglich hilfsweise Schadensersatz.

2. Die Widerklage der Beklagten ist gemäß § 533 ZPO zulässig, da sie sachdienlich ist. Die Kläger haben sich auf die inzwischen vorliegenden Angebote der Beklagten, Nachbesserungen auszuführen, geweigert, die Nachbesserung durch sie vornehmen zu lassen. Auch wenn diese Weigerung möglicherweise wegen nicht ausreichenden Angebotes bisher zu Recht erfolgt ist, so vermeidet die begehrte Feststellung doch weiteren grundsätzlichen Streit, der sich bereits jetzt ankündigt.

Die Widerklage ist begründet, da – wie oben ausgeführt – die Beklagte ihr Mangelbeseitigungsrecht bisher nicht verloren hat.

Der Senat folgt nicht dem im Urteil des 7. Senates des BGH vom 27.02.2003 (BauR 2003, 693) ausgesprochenen obiter dictum, das er im Urteil vom 27.11.2003 (BauR 2004, 501) bestätigt hat, ohne dass es für die Entscheidung im Ergebnis darauf ankam. Danach soll ein Unternehmer, der sich mit der Mängelbeseitigung in Verzug befindet, auch bei einem BGB-Werkvertrag automatisch keinen Anspruch mehr haben, den Mangel selbst nachzubessern. In seinem Urteil vom 16.09.1999 (BauR 2000, 98) hat der BGH entsprechend den gesetzlichen Regelungen ausgeführt, dass das Nachbesserungsrecht des Unternehmers bis zu dem Zeitpunkt, in dem der Besteller nach § 634 BGB a.F. zu Gewährleistungsrechten übergegangen ist, nicht erlischt. Zwar hält der BGH (BauR 2003, 695) ausdrücklich an diesem Grundsatz fest, meint jedoch der Auftraggeber des im Verzug gemäß § 633 Abs. 1 BGB a.F. befindlichen Unternehmers sei nicht verpflichtet, dessen Angebot zur Mängelbeseitigung anzunehmen.

Hierin sieht der Senat einen Widerspruch zur Systematik des Gesetzes. Weder das Werkvertragsrecht noch das BGB im allgemeinen sehen als normierte Rechtsfolge des Verzuges den Verlust des Leistungsrechtes des Schuldners vor. Der Verzug berechtigt den Gläubiger aber nicht ohne Vorliegen weiterer Voraussetzungen, die Leistungserbringung durch den Schuldner bei Fortbestehen des Vertrages abzulehnen. Vielmehr steht im Schuldverhältnis dem Recht der einen Seite eine Pflicht der anderen Seite, die Ausübung des Rechtes zu dulden, gegenüber. Der Annahme eines Angebotes zur Mangelbeseitigung durch den Besteller bedarf es nicht mehr, weil die gegenseitigen Rechte und Pflichten sich aus dem Werkvertrag ergeben. Bis zum Übergang auf die Gewährleistungsrechte durch den Auftraggeber hat der sich im Verzug mit der Mängelbeseitigung befindliche Unternehmer sogar die Möglichkeit, einen – bereits titulierten -Vorschussanspruch gemäß § 633 Abs. 3 BGB a.F. des Auftraggebers entfallen zu lassen, wenn er die geschuldete Leistung in einer den Annahmeverzug des Bauherren begründenden Weise anbietet (OLG Oldenburg, MDR 1999, 994 m.w.Nw; OLG Koblenz NJW-RR 1996, 1299).

Es ist auch kein Bedürfnis dafür ersichtlich, von diesem Grundsatz für die Anwendung des § 633 Abs. 3 BGB abzuweichen. Der Auftraggeber allein hat es in der Hand, durch Schaffung der weiteren Voraussetzungen – Übergang zu den Gewährleistungsrechten – das Mängelbeseitigungsrecht des Schuldners untergehen zu lassen. Ein Übergang vom Nachbesserungsanspruch zu den Gewährleistungsansprüchen ergibt sich nicht aus dem Verhalten des Unternehmers, sondern allein aus demjenigen des Bestellers, der sein Wahlrecht ausüben muss und diesen Entschluss auch dem Unternehmer mitteilen muss (BGH NJW-RR 1990, 1301). Er kann zum Beispiel auf die Forderung nach Schadensersatz – eventuell mit gleichzeitiger Feststellung der Ersatzpflicht wegen weiterer noch unentdeckter Schäden – übergehen, womit der Unternehmer seine Erfüllungspflicht und sein Nachbesserungsrecht verliert.

Seit langem ist zudem in Rechtsprechung und Literatur anerkannt, dass der Unternehmer in bestimmten Situationen unter Anwendung des Grundsatzes von Treu und Glauben aus § 242 BGB sein Nachbesserungsrecht verlieren kann, wenn die weitere Nachbesserung durch den Unternehmer für den Besteller unzumutbar ist (Palandt/Sprau 61. Aufl. § 634 Rn 4), was wesentlich von den Umständen des Einzelfalles abhängt (Werner/Pastor 10. Aufl. Rn 1588 m.w.Nw.). Damit ist die Möglichkeit gegeben, auf besondere Fälle angemessen reagieren zu können, ohne – systemwidrig – einen automatischen Rechtsverlust bei Verzug einzuführen.

Auch soweit der BGH an eine Nichtdurchsetzbarkeit des Nachbesserungsrechtes gedacht haben sollte, kann dem nicht gefolgt werden. Eine Nichtdurchsetzbarkeit eines Rechtes setzt eine gesetzliche Regelung voraus, wie etwa bei der Verjährung. Eine solche ist für das Nachbesserungsrecht des Unternehmers, auch wenn ersieh im Verzug mit der Mangelbeseitigung befindet, nicht ersichtlich.

Im vorliegenden Fall ist auch unter Berücksichtigung des Rechtsgrundsatzes von Treu und Glauben nach § 242 BGB ein Verlust des Nachbesserungsrechts der Beklagten nicht eingetreten. Zwar hat die Beklagte jahrelang die Existenz von Mängeln bestritten und dies in den Schreiben ihrer Prozessbevollmächtigten zum Ausdruck gebracht. Sie hat allerdings nach dem erstinstanzlichen Urteil das Bestreiten von Mängeln nicht mehr aufrecht erhalten und in der Senatssitzung erläutert, dass sie als Bauträgerin ihre für die Mängel letztlich verantwortlichen Subunternehmer vor dem erstinstanzlichen Urteil nicht habe dazu bewegen können, Mängel freiwillig zu beseitigen. Die Subunternehmer würden allerdings die nunmehrige gerichtliche Feststellung von Mängeln akzeptieren und seien jetzt zur Beseitigung bereit.

Hinzu kommt, dass das erstinstanzliche Verfahren und insbesondere das selbstständige Beweisverfahren auch tatsächlich nicht die Existenz jedes von den Klägern behaupteten Mangels bestätigt hat. Umstände, nach denen ihnen die Mängelbeseitigung durch die Beklagte unzumutbar ist, haben die Kläger nicht hinreichend dargelegt.

III.

Die Entscheidungen zur Kostentragung und vorläufigen Vollstreckbarkeit beruhen auf den §§ 97 Abs. 1, 708 Nr. 10, 711 ZPO.

Die Revision zur Widerklage wird zugelassen.

Durch die oben erläuterte Abweichung des Senats von der neuen Rechtsprechung des 7. Senats des BGH sind die Zulassungsgründe des § 543 Abs. 2 ZPO gegeben.

 

 

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