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WEG – Fassadenumbau mit Wintergarten

AG Charlottenburg

Az.: 73 C 220/10

Urteil vom 26.10.2012


1. Der Beschluss der Wohnungseigentümerversammlung vom 01. Dezember 2010 der Wohnungseigentümergemeinschaft … Berlin, zu TOP 4 (Schließung des Erkers im Bereich der Wohnung … ) wird für ungültig erklärt.

2. Die Beklagten haben die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Beklagten können die Zwangsvollstreckung gegen sich durch Sicherheitsleistung in Höhe des beizutreibenden Betrages abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in dieser Höhe leistet.

Tatbestand

Die Parteien sind die Eigentümer der Wohnungseigentümergemeinschaft … … … in Berlin-…. Die Klägerin ist Eigentümerin einer Wohnung. Eigentümer der Wohnung Nr. 3 dieser Wohnanlage ist der Beklagte … . Die Wohnung des Beklagten … verfügt über einen offenen Erkerbereich.

Der Eigentümer … beabsichtigt, diesen Bereich zu verglasen und zu verschließen. Den Bereich will er anschließend als Wintergarten nutzen. Wegen der Einzelheiten seiner Pläne wird auf die Baubeschreibung der Architekten … u.a. vom 08. Juni 2010, Bl. 34 u. 35 d. A. verwiesen.

Das Gebäude steht unter Denkmalschutz. Das Bezirksamt Charlottenburg-Wilmersdorf von Berlin hat als untere Denkmalschutzbehörde mit Bescheid vom 13. Juli 2010 die Zustimmung zur Loggienverglasung entsprechend den Plänen des Beklagten … erteilt. Wegen der Einzelheiten dieses Bescheides wird auf Bl. 36 d. A. verwiesen. Wegen der Einzelheiten der Fassade, die hier streitgegenständlich ist, wird auf das Lichtbild Bl. 37 d. A. verwiesen.

Der Beklagte … beantragte bei der Wohnungseigentümergemeinschaft eine Genehmigung dieser Baumaßnahme. Zu TOP 4 der Eigentümerversammlung vom 01. Dezember 2010 beschloss die Mehrheit der Eigentümer, diese Maßnahme zu genehmigen. Dabei stimmten mehr als ¾ aller stimmberechtigten Wohnungseigentümer und mehr als die Hälfte der Miteigentumsanteile in der Gemeinschaft für den Beschluss.

Gegen diesen Beschluss richtet sich nunmehr die Klage der Klägerin, die am 30. Dezember 2010 bei Gericht einging und mit einem Schriftsatz begründet wurde, der am 25. Januar 2011 bei Gericht einging.

Sie ist der Meinung, es handele sich bei der beabsichtigten Schließung um eine unzulässige bauliche Veränderung. Diese störe auch die Einheitlichkeit der Fassade und sei daher unzulässig.

Sie beantragt, wie erkannt.

Die Beklagten beantragen, die Klage abzuweisen.

Sie sind der Auffassung, der von dem Beklagten … beabsichtigte Eingriff begründe keinen Nachteil für die übrigen Eigentümer. Dass der Gesamteindruck der Wohnanlage nicht nachteilig verändert werde, ergebe sich bereits aus dem Bescheid des Denkmalamts. Außerdem handele es sich um eine Modernisierungsmaßnahme, da Isolierglas- und Schallschutzfenster eingebaut werden sollen, was den Gebrauchswert der Wohnung erhöhe, Heizenergie einspare und Schutz vor Witterungs- und Feuchtigkeitseinflüssen biete.

Wegen des weiteren Vortrags der Parteien wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen verwiesen.

Entscheidungsgründe

Die Anfechtungsklage ist gemäß § 43 Nr. 4 WEG zulässig. Sie ist auch innerhalb der Fristen des § 46 Abs. 1 WEG in Verbindung mit § 167 ZPO erhoben und begründet worden.

Sie ist auch inhaltlich begründet.

Bei der von dem Eigentümer … beabsichtigten Maßnahme handelt es sich um eine unzulässige bauliche Veränderung. Gemäß § 22 Abs. 1 S. 1 WEG können bauliche Veränderungen und Aufwendungen, die über die ordnungsmäßige Instandhaltung oder Instandsetzung des gemeinschaftlichen Eigentums hinausgehen, nur dann beschlossen oder verlangt werden, wenn jeder Wohnungseigentümer zustimmt, dessen Rechte durch die Maßnahmen über das in § 14 Nr. 1 WEG bestimmte Maß hinaus nicht beeinträchtigt werden. Die Pläne des Eigentümers … beinhalten einen Eingriff in die Fassade und die Errichtung neuer Außenfenster für die Wohnanlage. Die Pläne betreffen damit Teile des Gebäudes, die für dessen Bestand oder Sicherheit erforderlich sind bzw. dem gemeinschaftlichen Gebrauch dienen und damit gemäß § 5 Abs. 2 WEG zwingend Teil des Gemeinschaftseigentums sind. Die beabsichtigte Maßnahme beeinträchtigt sämtliche Eigentümer, also auch die Klägerin, die der Maßnahme unstreitig nicht zugestimmt hat, über das bei einem geordneten Zusammenleben unvermeidliche Maß hinaus (§ 14 Nr. 1 WEG). Dies ergibt sich zur Überzeugung des Gerichts aus dem vorgelegten Lichtbild. Die hier streitgegenständliche Fassade macht trotz des im 1. OG bereits geschlossenen Erkerbalkons ein durchaus noch einheitlichen Eindruck. Die im 1. OG bereits angebrachte Balkonverglasung stört diese Einheitlichkeit erheblich und beeinträchtigt das Aussehen der Fassade nachteilig. Dieser Eindruck würde sich noch verschlimmern, wenn die Maßnahme im 2. OG, also in der Wohnung des Beklagten …, ähnlich durchgeführt würde. Insoweit kann es auch nicht darauf ankommen, ob die Erkerbalkone anderer Gebäudeteile bereits entsprechend verschlossen wurden. Eine bauliche Veränderung liegt grundsätzlich schon dann vor, wenn das Aussehen auch nur einer Fassade deutlich merkbar und wie im vorliegenden Fall in ästhetischer Hinsicht auch eindeutig nachteilig verändert wird. Daher kommt es auch nicht auf die zwischen den Parteien streitige Frage an, ob die Veränderung im 1. OG unterhalb der Wohnung … vor oder nach Begründung von Wohnungseigentum am streitgegenständlichen Grundstück erfolgt ist. Hier liegt also auch nach der strengsten hierzu vertretenen Auffassung eine nachteilige Veränderung des optischen Erscheinungsbilds des Gemeinschaftseigentums vor (Zum Meinungsstand Bärmann/Merle, WEG, 11. Aufl., § 22 Rdnr. 185 f.).

Die denkmalschutzrechtliche Genehmigung erging öffentlich-rechtlich unbeschadet der privaten Rechte Dritter. Sie ist daher im vorliegenden Zusammenhang ohne Bedeutung.

Eine bauliche Veränderung kann aber gemäß § 22 Abs. 2 S. 1 WEG beschlossen werden, wenn es sich um eine Modernisierung handelt. Eine solche liegt hier aber nicht vor. Dem steht nicht entgegen, dass die doppelt qualifizierte Mehrheit, die die genannte Norm voraussetzt, hier unstreitig erreicht ist. Es handelt sich nämlich nicht um eine Modernisierungsmaßnahme. Gemäß der Legaldefinition in § 22 Abs. 2 WEG sind dies Maßnahmen, die entsprechend § 559 Abs. 1 BGB dem mietrechtlichen Modernisierungsbegriff unterfallen oder der Anpassung des gemeinschaftlichen Eigentums an den Stand der Technik dienen und die Eigenart der Wohnanlage nicht ändern und die Eigentümer auch nicht unbillig beeinträchtigen. Um eine solche Maßnahme handelt es sich hier jedoch nicht. Die Verglasung von offenen Balkonen oder Loggien ist insbesondere keine Modernisierung im Sinne des Mietrechts. Auch wenn zugunsten der Beklagten hier unterstellt wird, dass die Maßnahme wegen des Einbaues der modernen Fenster eine energiesparende Wirkung hat, handelt es sich doch um eine Umgestaltung der Räume, die vom Sinn und Zweck des mietrechtlichen Modernisierungsbegriffs nicht erfasst ist. Es handelt sich um eine grundlegende Umgestaltung der Sache, da es Zweckbestimmung einer offenen Loggia ist, sich im Freien aufhalten zu können, ohne seine Wohnung zu verlassen. Derartige Verglasungen von Loggien bzw. Balkonen sind daher mietrechtlich in der Regel keine Modernisierungen (vgl. AG Hamburg-Altona, Urteil vom 07. August 2007, Az: 316 C 425/06, BeckRS 2008, 00050). Dies führt bei der wohnungseigentumsrechtlichen Beurteilung aber auch dazu, dass in der Regel eine Balkonverglasung keine Modernisierungsmaßnahme im Sinne des § 22 Abs. 2 WEG ist (AG Konstanz, Urteil vom 13. März 2008, Az: 12 C 17/07, BeckRS 2008, 05982), denn die weitere Tatbestandsalternative des § 22 Abs. 2 S. 1 WEG, nämlich die Anpassung des Gemeinschaftseigentums an den Stand der Technik, liegt insoweit nicht vor. Es ist keineswegs Stand der Technik, dass man regelmäßig alle Balkone und offenen Loggien verglast, um sie in Wintergärten o. Ä. zu verwandeln. Energiespareffekte könnten unter größerer Schonung des Gemeinschaftseigentums auch dann erzielt werden, wenn lediglich die bereits vorhandenen Türen und Fenster zur Loggia modernisiert würden. Der Verschließung des Bereichs bedarf es dafür nicht.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 ZPO, diejenige über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf § 709 ZPO.

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