OLG Brandenburg, Az.: 12 U 222/15, Urteil vom 01.12.2016
Auf die Berufung des Klägers wird das am 3. Dezember 2015 verkündete Urteil der 4. Zivilkammer des Landgerichts Frankfurt/Oder – 14 O 257/12 – teilweise abgeändert.
Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger ein Schmerzensgeld in Höhe von 10.000 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 14.09.2012 zu zahlen.
Es wird festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, dem Kläger sämtliche aus der fehlerhaften Behandlung resultierenden weiteren materiellen Schäden zu ersetzen, soweit die Ansprüche nicht auf Sozialversicherungsträger oder sonstige Dritte übergehen oder bereits übergegangen sind.
Die Beklagte wird verurteilt, den Kläger von den nach dem RVG nicht konsumierten vorgerichtlichen Kosten bei den Prozessbevollmächtigten in Höhe von 1.369,10 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 14.09.2012 freizustellen.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Die weitergehende Berufung wird zurückgewiesen.
Von den Kosten des Rechtsstreits haben der Kläger 3/4 und die Beklagte 1/4 zu tragen.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Jede Partei darf die gegen sie gerichtete Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die andere Partei vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Gründe
I.
Der Kläger nimmt die Beklagte wegen einer nach seiner Behauptung fehlerhaften Behandlung in der Zeit vom 24.02.2010 bis zum 16.03.2010 im Krankenhaus der Beklagten, in deren Rahmen dem Kläger eine Genesis-Knie-TEP-Prothese links aufgrund eines Kniebinnenschadens implantiert worden ist, auf Schadensersatz und Schmerzensgeld sowie auf die Feststellung der Ersatzpflicht für weitere materielle und immaterielle Schäden in Anspruch.
Der Kläger macht geltend, die Prothese sei bei der am 25.02.2010 durchgeführten Operation nicht fachgerecht implantiert worden, sondern nach der Operation sei eine Valgusfehlstellung von 15° verbunden mit einer Rotationsfehlstellung verblieben, weshalb am 16.11.2010 eine Revisionsoperation habe vorgenommen werden müssen. Dadurch habe sich eine Verlängerung der Behandlung um neun Monate ergeben. Der Kläger macht darüber hinaus geltend, infolge des fehlerhaften Eingriffs habe er seinen Beruf als Wasserbauwerker und Schichtleiter nicht mehr ausüben können und sei nunmehr dauerhaft arbeitsunfähig. Aufgrund seines schlechten Gesundheitszustandes habe er sein im Jahre 2006 erworbenes Haus verkaufen müssen und lebe nunmehr in einer Mietwohnung. Er begehrt ein Schmerzensgeld von mindestens 40.000 € sowie die Feststellung der Ersatzpflicht der Beklagten für weitere materielle Schäden für Vergangenheit und Zukunft sowie nicht vorhersehbare immaterielle Zukunftsschäden.
Auf die tatsächlichen Feststellungen des angefochtenen Urteils wird im Übrigen gemäß § 540 Abs. 1 Nr. 1 ZPO Bezug genommen.
Das Landgericht hat die Klage abgewiesen und zur Begründung ausgeführt, dem Kläger stünden die geltend gemachten Ansprüche nicht zu. Zwar sei die Beklagte vom Facharztstandard abgewichen, indem sie vor der Operation keine Planungsskizze auf der Grundlage präoperativer Röntgenbilder erstellt habe. Darüber hinausgehende Fehler der Beklagten seien nicht festzustellen. In der vom gerichtlichen Sachverständigen festgestellten Fehlstellung liege kein Behandlungsfehler, sondern lediglich die mögliche Folge eines Behandlungsfehlers. Auch das Vorgehen während der Operation sei nicht fehlerhaft gewesen. Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme sei die Kammer nicht davon überzeugt, dass der vom Sachverständigen festgestellte Planungsfehler zu der Außenrotationsfehlstellung und einer valgischen Kniegelenksachse von 13,55° geführt habe. Nach den Ausführungen des Sachverständigen seien auch bei einer einwandfreien Planung Achsenfehler nicht auszuschließen. Deshalb könne nicht mit dem erforderlichen Grad von Gewissheit festgestellt werden, dass sich das Risiko im Streitfall verwirklicht und der Planungsfehler die Fehlstellung tatsächlich herbeigeführt habe. Dem Kläger kämen im Streitfall keine Beweiserleichterungen zugute. Ein grober Behandlungsfehler liege nach den Ausführungen des Sachverständigen nicht vor. Wegen der weiteren Einzelheiten der Begründung wird auf den Inhalt der Entscheidungsgründe Bezug genommen.
Gegen das ihm am 14.12.2015 zugestellte Urteil hat der Kläger mit einem am 18.12.2015 per Telefax beim Brandenburgischen Oberlandesgericht eingegangenen Schriftsatz Berufung eingelegt und sein Rechtsmittel – nach auf rechtzeitigem Antrag verlängerter Frist bis zum 14.03.2016 – mit einem am 09.03.2016 eingegangenen Schriftsatz begründet.
Mit der Berufung verfolgt der Kläger seine erstinstanzlich geltend gemachten Ansprüche in vollem Umfang weiter. Er rügt, das Landgericht habe verkannt, dass der gerichtlich bestellte Sachverständige bestätigt habe, dass die Beklagte vom Facharztstandard abgewichen sei, indem sie vor der Operation keine Planungsskizze erstellt habe. Der Sachverständige habe auch festgestellt, dass eine präoperative Planzeichnung eine höhere Sicherheit hätte bieten können. Der Sachverständige habe darüber hinaus festgestellt, dass die bei dem Kläger vorliegende Tuberositas nicht in ausreichender Weise berücksichtigt worden und es dadurch zu einem Achsenfehler und einer Rotationsfehlstellung gekommen sei. Die Revisionsoperation und die damit verbundenen Beeinträchtigungen und Schmerzen beruhten somit ebenfalls auf der fehlerhaften Erstbehandlung vom 25.02.2010. Der Sachverständige habe eindeutig festgestellt, dass es zu einer behandlungsfehlerhaften Einstellung des Valguswinkels gekommen sei. Diesen festgestellten Behandlungsfehler habe das Landgericht nicht berücksichtigt.
Der Kläger vertieft seine Auffassung, dass auch das Vorgehen während der Operation fehlerhaft gewesen sei. Der Sachverständige habe eindeutig festgestellt, dass die postoperativen Röntgenbilder gezeigt hätten, dass gegen den fachärztlichen Standard gehandelt worden sei. Ein weiterer Behandlungsfehler liege in einer unterlassenen computertomografischen Messung, die nach der Operation vom 25.02.2010 hätte stattfinden müssen. Der Kläger ist der Auffassung, dass jedenfalls in der Gesamtschau der Behandlung eine grobe Unterschreitung des Facharztstandards vorliege, die aus objektiver ärztlicher Sicht nicht mehr verständlich erscheine, weil sie einem Arzt schlechterdings nicht unterlaufen dürfe. Aus diesem Grunde stünden ihm entgegen der Auffassung des Landgerichts Beweiserleichterungen bis hin zur Beweislastumkehr zu.
Der Kläger beantragt, das Urteil des Landgerichts Frankfurt/Oder vom 03.12.2015 zum Az.: 14 O 257/12 abzuändern und
1. die Beklagte zu verurteilen, an ihn ein angemessenes Schmerzensgeld zu zahlen, dessen Höhe in das pflichtgemäße Ermessen des Gerichts gestellt wird, mindestens aber 40.000 € betragen soll, nebst Zinsen aus dem zugesprochenen Schmerzensgeldbetrag in Höhe von 5 Prozent punkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit;
2. festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, ihm sämtliche aus der fehlerhaften Behandlung resultierende weiteren materiellen Schäden für Vergangenheit und Zukunft, sowie die nicht vorhersehbaren immateriellen Zukunftsschäden zu ersetzen, soweit diese Ansprüche nicht auf Sozialversicherungsträger oder sonstige Dritte übergehen oder bereits übergegangen sind;
3. die Beklagte zu verurteilen, ihn von den nach dem RVG nicht konsumierten vorgerichtlichen Kosten bei den Prozessbevollmächtigten in Höhe von 3.324,56 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit freizustellen.
Die Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält das landgerichtliche Urteil für zutreffend. Im Berufungsverfahren allein zu prüfende Fehler bei der Beweiswürdigung seien weder dargetan noch sonst ersichtlich. Das ärztliche Vorgehen könne im Ergebnis allenfalls als einfach behandlungsfehlerhaft qualifiziert werden. Die Bewertung durch den Sachverständigen rechtfertige jedoch nicht einmal die Annahme eines einfachen Behandlungsfehlers, da er zu keinem Zeitpunkt habe genau beschreiben können, weshalb die von ihm geforderte Skizze das Risiko eines unbefriedigenden Operationsergebnisses im Hinblick auf die Fehlstellung gemindert hätte.
Der Senat hat ergänzend Beweis erhoben durch eine nochmalige Anhörung des Sachverständigen Dr. Sch… . Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 03.11.2016 Bezug genommen.
II.
Die zulässige, insbesondere form- und fristgerecht gemäß den §§ 517 ff. ZPO eingelegte Berufung des Klägers hat nur teilweise Erfolg.
Dem Kläger steht gegen die Beklagte ein Anspruch auf Schadensersatz sowie Zahlung eines angemessenen Schmerzensgeldes aus den §§ 280 Abs. 1, 278, 253 Abs. 2 BGB i.V.m. mit dem abgeschlossenen Behandlungsvertrag bzw. den §§ 823 Abs. 1, 831 Abs. 1, 253 Abs. 2 BGB zu. Der Senat ist nach eigenständiger Würdigung der vom Landgericht durchgeführten Beweisaufnahme sowie aufgrund der von ihm durchgeführten ergänzenden Beweisaufnahme davon überzeugt (§ 286 ZPO), dass die Kniegelenksprothese während der Operation am 25.02.2010 fehlerhaft eingesetzt wurde und es deshalb zu einer Verlängerung der Behandlung um neun Monate und der Notwendigkeit einer Revisionsoperation gekommen ist. Die weiteren vom Kläger geltend gemachten Folgeschäden sind jedoch nicht mehr kausal auf einen Behandlungsfehler der Beklagten zurückzuführen.
Ein Behandlungsfehler ist nach dem Ergebnis der durchgeführten Beweisaufnahme darin zu sehen, dass nach den gutachterlichen Feststellungen des Sachverständigen Dr. Sch… bei der Implantation der Kniegelenkprothese am 25.02.2010 im Hause der Beklagten gegen den fachärztlichen Standard verstoßen wurde, indem die tibiale Prothesenkomponente mit einem nicht exakt messbaren Außenrotationsfehler eingesetzt wurde, wodurch es zu einer Valgus-Fehlstellung von 13,55° gekommen ist, die die Toleranzgrenze deutlich überschreitet. Zwar handelt es sich bei dem Auftreten einer Fehlstellung um ein typisches Komplikationsrisiko bei der Implantation einer Knieprothese. Der Sachverständige hat jedoch auch auf ausdrückliche Nachfrage durch den Senat im Termin zur mündlichen Verhandlung eindeutig klargestellt, dass es sich im Fall des Klägers um ein für den Operateur vermeidbaren und damit auch vorwerfbaren Fehler handelt, da der Operateur intraoperativ die fehlerhafte Winkeleinstellung hätte erkennen können und müssen, da anderenfalls es nicht zu einer Rotationsfehlstellung in einem nicht mehr tolerierbaren Bereich gekommen wäre. Der Sachverständige hat hierzu ausgeführt, dass aus den vorliegenden Unterlagen nicht mehr eindeutig erkennbar sei, an welcher Stelle und zu welchem Zeitpunkt der Operation der Fehler unterlaufen sei, weshalb er in seinem schriftlichen Gutachten bestätigt habe, dass der Operationsbericht ein fachgerechtes Vorgehen beschreibe. Hinzu kommt, dass im Falle des Klägers aufgrund der besonderen anatomischen Situation durch die Versetzung der Tuberositas eine erschwerte Ausgangssituation bestand, die nach der Einschätzung des Sachverständigen jedoch nicht in ausreichender Art und Weise berücksichtigt wurde.
Der Senat hat keine Bedenken, die sorgfältig getroffenen und überzeugend begründeten Feststellungen des Sachverständigen seiner Entscheidung zugrunde zu legen. Der Sachverständige hat in seinen Ausführungen entgegen der Auffassung der Beklagten zwischen dem Terminus eines Behandlungsfehlers und einer Fehlstellung zu unterscheiden vermocht und den von ihm verwendeten Begriff des Fehlers im Sinne eines dem durchführenden Operateur vorwerfbaren Verhaltens benutzt, wie im Termin zur mündlichen Verhandlung vor dem Senat deutlich geworden ist. Die Feststellungen des gerichtlichen Sachverständigen stehen auch in Übereinstimmung mit den von dem im Schlichtungsverfahren beauftragten Gutachter getroffenen Feststellungen und der Einschätzung der Schlichtungsstelle für Arzthaftpflichtfragen der norddeutschen Ärztekammern in ihrem Schreiben vom 17.01.2012 (Anlage K 2, Bl. 32 ff. GA). Soweit das Landgericht der Meinung ist, bei der festgestellten Achsenfehlstellung handele es sich nicht um einen Behandlungsfehler, sondern lediglich um die Folge eines Behandlungsfehlers, vermag der Senat dem nicht zu folgen. Der Sachverständige Dr. Sch… hat bereits in seinem schriftlichen Gutachten hinreichend zum Ausdruck gebracht, dass er von einem nicht mehr fachgerechten Vorgehen im Rahmen der Operation am 25.02.2010 ausgeht. Insoweit lagen hinreichende Anhaltspunkte im Sinne des § 529 Abs. 1 Nr. 1 ZPO vor, die Zweifel an der Richtigkeit und Vollständigkeit der tatsächlichen Feststellungen des Landgerichts begründen.
2.
Soweit das Landgericht einen Behandlungsfehler darin gesehen hat, dass im Streitfall entgegen der einschlägigen Leitlinie keine präoperative Planungsskizze auf der Grundlage präoperativer Röntgenbilder erstellt wurde, hat der Sachverständige Dr. Sch…, dazu im Termin zur mündlichen Verhandlung vor dem Senat befragt, seine erstinstanzlich getätigte Äußerung, dass im Unterlassen einer präoperativen Planzeichnung ein der Beklagten vorzuwerfender Fehler liege, dahingehend relativiert, dass eine Planung häufig nicht präoperativ, sondern intraoperativ anhand von Messungen und Röntgenbildern vorgenommen wird und es letztlich der Entscheidung des jeweiligen Operateurs vorbehalten ist, eine solche präoperative Planzeichnung zu fertigen. Insoweit handele es sich bei der einschlägigen Leitlinie nur um eine Empfehlung. Im Hinblick darauf erscheint bereits fraglich, ob im Streitfall in dem Unterlassen einer präoperativen Planung bereits ein Abweichen vom fachärztlichen Standard zu sehen ist. Dies kann jedoch letztlich offen bleiben. Selbst wenn man von einem Behandlungsfehler ausgeht, ist dieser jedenfalls nicht kausal für die eingetretene Valgusfehlstellung geworden (dazu sogleich).
Weitere Behandlungsfehler sind nicht festzustellen. Soweit der Kläger mit der Berufungsbegründung rügt, es habe keine computertomografische Abklärung nach dem 25.02.2010 stattgefunden, ist nicht ersichtlich, dass auch bei Durchführung einer solchen computertomografischen Abklärung der weitere Heilungsverlauf ein anderer gewesen wäre, insbesondere die Revisions-OP vom 16.11.2010 vermieden worden wäre. Auch der Vorwurf, die Revisionsoperation sei nicht indiziert gewesen, ist jedenfalls gegenüber der Beklagten unbegründet, da nach dem eigenen Vorbringen des Klägers die Revisionsoperation nicht im Hause der Beklagten durchgeführt wurde und auch sonst nicht vorgetragen ist, dass die Beklagte dem Kläger zur Vornahme der Revisionsoperation geraten hat. Im Übrigen hat der gerichtliche Sachverständige die medizinische Indikation der Revisions-OP bejaht, wenn eine konservative Behandlung – wie im Streitfall – offenbar nicht zum Erfolg geführt hat.
3.
Die fehlerhafte Implantation der Kniegelenksprothese hat nach den Feststellungen des gerichtlichen Sachverständigen zu einer Behandlungsverlängerung um neun Monate und der Notwendigkeit der Folgeoperation vom 16.11.2010, die bei korrekter Implantation nicht erforderlich gewesen wäre, geführt. Bei dem Einwand der Beklagten, die Fehlstellung wäre in dem eingetretenen Ausmaß auch bei einem korrekten Operationsverlauf eingetreten, handelt es sich um den Einwand der hypothetischen Kausalität bzw. des rechtsmäßigen Alternativverhaltens, für den die Beklagte beweisbelastet ist. Diesen Beweis hat sie nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme nicht erbracht.
Darüber hinaus steht jedoch nicht fest, dass der Behandlungsfehler für die von dem Kläger geltend gemachten weiteren gesundheitlichen Beeinträchtigungen und Schmerzen ursächlich geworden ist. Der Sachverständige Dr. Sch… hat ausgeführt, dass auch bei einer korrekten Implantation der Kniegelenksprothese aufgrund des bei dem Kläger vorhandenen chronischen Schmerzsymptoms davon auszugehen sei, dass auch in diesem Fall die vom Kläger angegebenen Beschwerden und Einschränkungen fortbestünden und mit hoher Wahrscheinlichkeit mit einem gleichartigen postoperativen Verlauf zu rechnen gewesen wäre. Hierzu vom Senat im Termin zur mündlichen Verhandlung ergänzend befragt, hat der Sachverständige angegeben, es wäre mit 80 %er Wahrscheinlichkeit zu einem ähnlichen Verlauf gekommen. Zwar genügt zum Nachweis der Kausalität für die geltend gemachten Folgeschäden zugunsten des Klägers eine überwiegende Wahrscheinlichkeit (§ 287 ZPO). Nach dem Beweisergebnis kann jedoch nicht davon ausgegangen werden, dass die geltend gemachten Folgeschäden, insbesondere der Eintritt der Erwerbsunfähigkeit und die Notwendigkeit des Hausverkaufs, mit überwiegender Wahrscheinlichkeit auf die fehlerhafte Behandlung im Hause der Beklagten zurückzuführen sind.
Auch hinsichtlich der unterlassenen präoperativen Planung hat der Kläger den Nachweis der Kausalität nicht geführt. Der Sachverständige hat hierzu ausgeführt, dass auch im Falle einer Durchführung einer präoperativen Planung das Risiko einer Achsenfehlstellung nicht immer vermieden werden kann und bei einem erfahrenen Operateur eine korrekte Implantation auch ohne eine präoperative Vermessung und Planzeichnungen hätte erreicht werden können. Der Kläger kann sich im Streitfall auch nicht mit Erfolg auf eine Beweislastumkehr wegen eines groben Behandlungsfehlers der Beklagten berufen. Grundsätzlich erstreckt sich die bei einem groben Behandlungsfehler in Betracht zu ziehende Umkehr der Beweislast nur auf den Beweis der Ursächlichkeit des Behandlungsfehlers für den haftungsbegründenden Primärschaden, der ohne die Beweislastumkehr dem Patienten nach § 286 ZPO obläge. Auf den Kausalzusammenhang zwischen dem schädigenden Ereignis der Folge einer körperlichen oder gesundheitlichen Primärschädigung und weiteren Gesundheitsschäden erstreckt sich die Beweislastumkehr grundsätzlich nicht (vgl. Geiß/Greiner, Arzthaftpflichtrecht, 7. Aufl., Rn. B 262). Primärschaden ist im Streitfall jedoch, wie das Landgericht zutreffend erkannt hat, die eingetretene Valgusfehlstellung. Hinsichtlich dieser Primärschädigung ist der Nachweis der Kausalität jedoch bereits geführt, so dass es des Rückgriffs auf eine Beweislastumkehr wegen eines groben Behandlungsfehlers insoweit nicht bedarf.
Unabhängig davon liegt ein grober Behandlungsfehler auch nicht vor. Das Unterlassen der präoperativen Planungsskizze ist – wenn überhaupt – allenfalls als einfacher Behandlungsfehler zu qualifizieren. Bei der fehlerhaften Implantation handelt es sich ebenfalls nicht um ein ärztliches Verhalten, das eindeutig gegen gesicherte medizinische Erkenntnisse und bewährte ärztliche Behandlungsregeln und Erfahrungen verstößt und deshalb aus objektiver Sicht nicht mehr verständlich erscheint, weil es einem Arzt schlechterdings nicht unterlaufen darf. Vielmehr hat der Sachverständige nachvollziehbar dargelegt, dass Winkel- und Rotationsfehlstellungen im Rahmen einer Kniegelenk-Endoprothetik häufiger vorkommen, und deshalb die Fehleinschätzung, die dem Operateur bei der Operation am 25.02.2010 unterlaufen sei, nicht als besonders schwerwiegend einzuschätzen sei, auch im Hinblick auf die erschwerte Situation infolge der Vorerkrankungen des Klägers.
4.
Die kausal auf den Behandlungsfehler der Beklagten zurückzuführenden Schmerzen und Beeinträchtigungen des Klägers rechtfertigen im Streitfall ein Schmerzensgeld in Höhe von 10.000 €.
Bei der Bemessung des Schmerzensgeldes ist in erster Linie dessen Ausgleichsfunktion zu beachten. Insoweit kommt es auf die Höhe und das Maß der Lebensbeeinträchtigung an. Maßgeblich sind Größe, Heftigkeit und Dauer der Schmerzen, Leiden, Entstellungen und psychische Beeinträchtigungen, wobei Leiden und Schmerzen wiederum durch die Art der Primärverletzung, die Zahl und Schwere der Operationen, die Dauer der stationären und der ambulanten Heilbehandlungen, den Zeitraum der Arbeitsunfähigkeit und die Höhe des Dauerschadens bestimmt werden (vgl. BGH VersR 1955, 615; Küppersbusch/Höher, Ersatzansprüche bei Personenschaden, 12. Aufl., Rn. 274 ff.). Dabei muss die Entschädigung zur Art und Dauer der erlittenen Schäden in eine angemessene Beziehung gesetzt werden (vgl. BGH VersR 1976, 968; OLG Hamm MDR 2003, 1249). Schließlich ist das Schmerzensgeld an Urteilen für vergleichbare Fälle zu orientieren (vgl. BGH VersR 1970, 134; Küppersbusch/Höher, a.a.O, Rn. 281). Im Streitfall hat die fehlerhafte Implantation zu einer Behandlungsverlängerung um neun Monate, die Durchführung einer zweiten Revisionsoperation sowie eine anschließende erneute Reha-Maßnahme geführt. Während dieser Zeit musste der Kläger mit weiterhin bestehenden Schmerzen und Bewegungseinschränkungen sowie der Ungewissheit leben, ob die infolge der fehlerhaften Erstoperation eingetretene Fehlstellung sich durch einen erneuten Eingriff wieder würde beseitigen lassen. Hinzu kommt das Erfordernis eines weiteren körperlichen Eingriffes, der ansonsten nicht notwendig gewesen wäre, verbunden mit den damit verbundenen üblichen Risiken. Der Kläger hat zudem vorgetragen, dass er während dieser Zeit nicht in der Lage war, seine Tochter entsprechend zu betreuen. Dagegen kann im Rahmen der Bemessung des Schmerzensgeldes nicht berücksichtigt werden, dass das Leben des Klägers aufgrund der fehlerhaften Behandlung im Hause der Beklagten wegen des erlittenen Arbeitsplatzverlustes, der eintretenden Erwerbsunfähigkeit und der Notwendigkeit des Verkaufs seines Hauses und Umzugs in eine Mietwohnung „vollständig aus dem Ruder gelaufen“ sei, da nicht feststeht, dass diese Umstände – wie vorstehend ausgeführt – kausal auf die Fehlbehandlung im Hause der Beklagten zurückzuführen sind. Ebenso können die beim Kläger nunmehr noch verbliebenen Bewegungseinschränkungen (Gang- und Standunsicherheit, Einschränkungen bei den allgemeinen Haushaltstätigkeiten) nicht berücksichtigt werden, da nicht feststeht, dass diese Einschränkungen ohne die fehlerhafte Behandlung nicht eingetreten wären. Auch liegt ein grober Behandlungsfehler, wie vorstehend ausgeführt, nicht vor. Der Senat hält unter den gegebenen Umständen im Streitfall ein Schmerzensgeld in Höhe von 10.000 € für angemessen, aber auch ausreichend. Dabei orientiert sich der Senat an den als vergleichbar anzusehenden Entscheidung des OLG Stuttgart vom 04.06.2002 (14 U 86/01, zitiert nach Hacks/Wellner/Häcker, Schmerzensgeldbeträge, 34. Aufl. Nr. 2518), in der bei einer fehlerhaften Positionierung eines Kreuzbandimplantates mit der Folge einer weiteren Knieoperation ein Schmerzensgeld von seinerzeit 8.000 € zuerkannt wurde, sowie an der Entscheidung des OLG Frankfurt vom 23.05.2006 (8 U 29/05, zitiert nach Hacks/Wellner/Häcker, a.a.O. Nr. 2524), das bei einem fehlerhaften Einsatz einer Kreuzbandplastik mit der Folge von zwei Re-Arthroskopien und dauerhaften Bewegungseinschränkungen und Beschwerden ein Schmerzensgeld von 10.000 € zuerkannt hat.
5.
Der Feststellungsantrag ist gemäß § 256 Abs. 1 ZPO zulässig und hinsichtlich der Feststellung der Ersatzpflicht für materielle Schäden auch begründet. Hinsichtlich des beantragten immateriellen Vorbehaltes war die Klage jedoch abzuweisen, da nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme nicht feststeht, dass weitere zukünftige immaterielle Beeinträchtigungen aus der verzögerten Behandlung noch eintreten können, die zum jetzigen Zeitpunkt aus medizinischer Sicht vorhersehbar sind, und durch den ausgeurteilten Schmerzensgeldbetrag nicht abgegolten sind.
6.
Der Kläger kann ferner die Freihaltung von ihm entstandenen vorgerichtlichen Rechtsanwaltsgebühren verlangen, jedoch nur auf der Grundlage eines Gegenstandswertes von geschätzt 20.000 €. Es handelt sich um eine überdurchschnittlich schwierige Angelegenheit, so dass der Ansatz einer Geschäftsgebühr von mehr als 1,3 gerechtfertigt ist.
Der Zinsanspruch beruht auf § 291 BGB.
7.
Der Schriftsatz der Beklagten vom 17.11.2016 gibt dem Senat keine Veranlassung zur Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung gemäß § 156 ZPO.
III.
Die Nebenentscheidungen beruhen auf den §§ 92 Abs. 1, 97 Abs. 1, 708 Nr. 10, 711 ZPO.
Gründe für die Zulassung der Revision nach § 543 Abs. 2 ZPO liegen nicht vor. Die Entscheidung des Senats betrifft einen Einzelfall, der ohne Bedeutung für vergleichbare Rechtsstreite ist, so dass der Rechtssache weder grundsätzliche Bedeutung zukommt (§ 543 Abs. 2 Nr. 1 ZPO), noch die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts erfordern (§ 543 Abs. 2 Nr. 2 ZPO).
Der Gebührenstreitwert für das Berufungsverfahren wird gemäß § 3 ZPO i.V.m. § 47 Abs. 1 Satz 1 GKG auf bis zu 140.000 € festgesetzt.