LG Osnabrück, Az.: 7 O 609/14
Urteil vom 31.10.2014
1. Der Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 32.291,66 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 14.06.2014 Zug um Zug gegen die Übertragung der Beteiligungsanteile an der … (Medienbriefe …) zu zahlen.
Der Beklagte wird darüber hinaus verurteilt, den Kläger von etwaigen Ansprüchen der …, auf Rückzahlung erfolgter Ausschüttungen aus den vorgenannten Beteiligungen freizustellen.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
2. Der Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.
3. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.
4. Der Streitwert wird auf bis zu 40.000,00 € festgesetzt.
Tatbestand
Die Parteien streiten um die Rückabwicklung einer typischen stillen Beteiligung an einer GmbH.
Der Beklagte ist alleiniger Geschäftsführer und Gesellschafter der inzwischen insolventen … . Diese gab eine kostenlose Zeitung unter dem Namen „…“ heraus, welche (jedenfalls auf Dauer) durch Werbeanzeigen finanziert werden sollte und zuletzt eine wöchentliche Auflage von mehr als 230.000 Exemplaren hatte. Zur Deckung ihres Kapitalbedarfs gab die … bereits seit 1996 sogenannte „Medienbriefe“ an private Anleger aus, welche eine Vereinbarung zwischen der GmbH und einem privaten Anleger über eine Einlage von jeweils 5.000,00 € (bzw. ursprünglich 5.000,00 DM) in Form einer (typischen) stillen Beteiligung dokumentierten. Die ersten Medienbriefe waren noch als Darlehen an die GmbH ausgestaltet, erst nach einer Intervention der BaFin (wohl im Jahr 1997) erfolgte der Wechsel zur stillen Gesellschaftsbeteiligung, weil dem Beklagten bzw. der GmbH Bankgeschäfte untersagt waren. Die zu den Medienbriefen jeweils im Einzelfall Unterzeichneten Gesellschaftsverträge sahen vor, dass die Einlage mit einer Frist von drei Monaten zum 30.06. oder zum 31.12. eines jeden Jahres gekündigt werden konnte. Ebenfalls jeweils zum 30.06. und zum 31.12. eines jeden Jahres erhielten die Anleger einer „Vorabvergütung“, die unter den im Laufe der Zeit abgeschlossenen Beteiligungen zwischen 4,75 % und 6,25 % variierte. Insgesamt zeichneten im Laufe der Jahre bis Ende Mai 2013 ca. 500 Anleger Medienbriefe, teilweise sogar in größerer Anzahl (vereinzelt sogar bis zu 30 Stück).
Den Vertrieb der Medienbriefe und die Beratung der Anleger übernahm der Beklagte persönlich. In der Regel meldeten sich die Interessenten zunächst telefonisch bei der Verlagsgesellschaft und bekamen daraufhin einen Termin bei dem Beklagten, der sodann in den Geschäftsräumen der Verlagsgesellschaft ein Beratungsgespräch mit den Anlageinteressenten durchführte.
Im Herbst 2009 interessierte sich auch der Kläger, der auf der Suche nach einer für ihn geeigneten Geldanlage war, für die Medienbriefe und nahm Kontakt zur … auf.
Am 10.11.2009 fand sodann ein persönliches Beratungsgespräch des Klägers mit dem Beklagten statt, aufgrund dessen der Kläger sich zum Erwerb von acht Medienbriefen entschloss. Er unterzeichnete die Gesellschaftsverträge zu den Medienbriefen, welche u. a. folgende Regelungen enthalten:
„§ 2 Art der Beteiligung
Der stille Gesellschafter ist nicht Gesellschafter der GmbH und am Gesellschaftsvermögen nicht beteiligt. Die von ihm geleistete Einlage geht in das Vermögen der GmbH über. Bei Beendigung dieses Gesellschaftsverhältnisses erhält er seine Einlage – zuzüglich Gewinn- oder abzüglich Verlustanteil, gem. § 4 Abs. b – zurück. Darüberhinausgehende Ansprüche an die Gesellschaft hat der Gesellschafter nicht, es sei denn, dass nicht ausgeschüttete rückständige Gewinnanteile vorhanden sind. Diese sind gleichzeitig zum Nennwert auszuzahlen. Dem stillen Gesellschafter ist bekannt, dass noch weitere stille Gesellschafter zu entsprechenden Bedingungen an der Gesellschaft beteiligt sind.
§ 3 Vergütung
Als Vorabvergütung zahlt der Verlag an den stillen Gesellschafter 6,25 % (in Worten: sechskommazweifünf) Prozent p. a. Die Zahlung erfolgt jeweils zum 30. Juni und zum 31. Dezember eines jeden Jahres.
§ 4 Gewinn- und Verlustverteilung
Die Gewinn- und Verlustverteilung wird wie folgt vereinbart:
a) Bemessungsgrundlage ist das handelsrechtliche Jahresergebnis vor Ertragsteuern nach Abzug der an die stillen Gesellschafter gezahlten Vorabvergütungen zum Bilanzstichtag.
b) Von dem sich ergebenden Gewinn entfällt auf jeden einzelnen stillen Gesellschafter der Teil, der sich aus dem Verhältnis seines Anteils zu den gesamten stillen Gesellschaftern ergibt. Sollte sich das stille Gesellschaftsverhältnis nicht über das gesamte Jahr erstrecken, erhält er seinen Anteil für jeden vollen Zinstag anteilig.“
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die bei der Akte befindlichen Ablichtungen der Medienbriefe (Anlage K 3, Anlagenband) verwiesen. Im Laufe der Jahre wurden dem Kläger insgesamt „Renditen“ in Höhe von 7.708,34 € ausgezahlt.
Aufgrund einer Berichterstattung in der … über ein Ermittlungsverfahren gegen den Beklagten wegen des Verdachts der Insolvenzverschleppung kündigte der Kläger – wie zahlreiche andere Inhaber von Medienbriefen auch – Ende Mai 2013 seine Beteiligung.
Am 23.01.2014 stellte der Beklagte für die … einen Eigenantrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahren, woraufhin das Amtsgericht … die vorläufige Insolvenzverwaltung anordnete. Mit Beschluss vom 18.03.2014 wurde über das Vermögen der GmbH das Insolvenzverfahren eröffnet. Der Insolvenzverwalter, …, verlangt inzwischen von den Anlegern die Rückzahlung ausgekehrter Vorabausschüttungen für die letzten 4 Jahre vor dem Insolvenzantrag (sowie eventuell in den Fällen, in denen stille Beteiligung gekündigt und der Einlagebetrag vollständig zurückgezahlt wurde, auch die Rückerstattung dieser Gelder).
Bis Ende 2012 hatte die GmbH auf Veranlassung des Beklagten sämtlichen Anlegern, die ihre Beteiligung kündigten, entgegen den gesellschaftsvertraglichen Regelungen die volle Einlage – trotz der erheblichen Verluste im operativen Geschäft ohne jegliche Berücksichtigung eines Verlustanteils – ausgezahlt. Es wurde also nie die in § 2 des Gesellschaftsvertrages vorgesehene Abrechnung des Guthabens bei Beendigung der stillen Beteiligung vorgenommen. Auch erhielten die stillen Gesellschafter zu keinem Zeitpunkt eine konkrete Abrechnung anhand des handelsrechtlichen Jahresergebnisses, wie sie § 4 des Gesellschaftsvertrages vorsieht. Vielmehr verblieb es stets bei der zum 30.06. und zum 31.12. jeweils ausgezahlten „Vorabvergütung“.
Seit dem Jahr 2001 wiesen die Handelsbilanzen der … durchgehend negative Ergebnisse aus.
In seinem 1. Bericht vom 28.05.2014 hat der Insolvenzverwalter anhand der Bilanzen ab dem Jahr 2001 die Umsätze, das Ergebnis der gewöhnlichen Geschäftstätigkeit und die Einlagen der stillen Gesellschafter wie folgt festgestellt:
…………………
Auch der Kläger wurde inzwischen durch Schreiben des Insolvenzverwalters vom 05.09.2014 (Anlage K 19, im Anlagenband) zur Rückzahlung der in den letzten vier Jahren vor dem Insolvenzantrag vereinnahmten „Vorabvergütungen“ nebst Zinsen (insgesamt 7.654,80 €) in Anspruch genommen.
Mit der Klage begehrt er die Rückzahlung seiner Einlage abzüglich der erfolgten Ausschüttungen Zug um Zug gegen Übertragung der Beteiligungen, die Freistellung von etwaigen Rückzahlungsansprüchen der … sowie eine Wertberichtigung.
Der Kläger ist der Ansicht, der Beklagte sei ihm sowohl unter vertraglichen als auch unter deliktischen Gesichtspunkten zum Ersatz sämtlicher ihm aus der Kapitalanlage entstandenen Vermögensnachteile verpflichtet. Der Beklagte habe ihn im Rahmen des Beratungsgespräches in keiner Weise anlegergerecht beraten. Über die wesentlichen Risiken der Beteiligung habe er ihn nicht aufgeklärt, insbesondere nicht über das Risiko eines Totalverlustes. Er – der Kläger – habe in dem Beratungsgespräch deutlich gemacht, dass es ihm um eine sichere Anlage gehe, was der Beklagte auch bestätigt und den Eindruck erweckt habe, er bekäme sein eingezahltes Geld auf jeden Fall zurück und es bestehe insoweit so gut wie kein Risiko. Auch über sonstige Risiken sei nicht aufgeklärt worden. Die „Rendite“ sei als eine Ausschüttung dargestellt worden, die dem Anleger verbleibe. Es sei mit keinem Wort darauf hingewiesen worden, dass es sich um gewinnunabhängige Entnahmen handele, die möglicherweise später zurückgefordert werden können. Der Beklagte habe es pflichtwidrig unterlassen, den Kläger darauf hinzuweisen, dass bereits zum Zeitpunkt der Zeichnung der Medienbriefe die … in erheblichem Maße zumindest bilanziell überschuldet war und dass das laufende Verlagsgeschäft der Gesellschaft regelmäßig weitere Verluste produzierte. Auch sei nicht darauf hingewiesen worden, dass ein Gewinnabführungsvertrag mit der … bestehe. Der Kläger ist der Ansicht, der Beklagte habe all dies unaufgefordert offenlegen müssen. Zudem sei entgegen dem Vortrag der Beklagten keinem einzigen Anleger der (erst im Mai 2007 auf Veranlassung der BaFin erstellte) Verkaufsprospekt zur Verfügung gestellt worden, schon gar nicht sei das Anlagemodell anhand dieses Prospektes erläutert worden.
Bei dem Kapitalanlagemodell der Medienbriefe handele es sich um ein sittenwidriges Schneeballsystem, welches die Voraussetzungen des § 826 BGB erfülle. Dies ergebe sich bereits aus dem vom Beklagten selbst in Auftrag gegebenen Gutachten der … vom 25.10.2013 (in Auszügen als Anlage K 6 im Anlagenband). Der Anteil der Beteiligungen habe sich durchgehend nur an den finanziellen Bedürfnissen der … und des Beklagten persönlich orientiert. Die Gesellschaft habe über Jahre hinweg lediglich Verluste erwirtschaftet, nennenswerte stille Reserven habe es nicht gegeben. Das Gutachten … sei daher auch nur unter restriktiven und wenig realistischen Bedingungen zu einer positiven Fortführungsprognose gelangt. Der Untergang des Unternehmens sei aufgrund der Ausgestaltung als Schneeballsystem von vornherein vorprogrammiert gewesen, was dem Beklagten auch bewusst gewesen sei.
Darüber hinaus sei der Beklagte auch insoweit schadensersatzpflichtig, als er trotz gesetzlicher Verpflichtung keinen Katalog verwendet habe. Er hafte daher bereits unter dem Gesichtspunkt der Prospekthaftung. Ferner hafte er deliktisch, weil er (abgesehen von der vorsätzlichen sittenwidrigen Schädigung gem. § 826 BGB) sowohl den Tatbestand des Betruges als auch denjenigen des Kapitalanlagebetruges erfüllt und auch gegen die Vorschriften des UWG verstoßen sowie entgegen § 15a InsO des Insolvenzantrag verspätet gestellt habe. In der Konsequenz habe er den Kläger so zu stellen, als wenn dieser die Kapitalanlagen nie gezeichnet hätte.
Der Kläger beantragt,
1. den Beklagten zu verurteilen, an ihn 32.291,66 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit Zug um Zug gegen die Übertragung der Beteiligungsanteile an der …, zu zahlen;
2. den Beklagten zu verurteilen, an den Kläger Kosten der außergerichtlichen Vertretung in Höhe von 2.314,19 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen;
3. den Beklagten zu verurteilen, den Kläger von etwaigen bekannten oder auch unbekannten Ansprüchen der …, freizustellen;
4. den Beklagten zu verurteilen, an den Kläger 2.077,42 € als Wertberichtigung zu zahlen.
Der Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.
Er bestreitet, dass es sich bei dem von ihm entwickelten Anlagemodell der Medienbriefe um ein Schneeballsystem handele. Dies folge schon daraus, dass die Anleger nicht gegen eine Werbeprämie in den Vertrieb der Medienbriefe eingeschaltet worden seien. Über 16 Jahre lang habe die … beim Vertrieb der Medienbriefe stets ihre vertraglichen Verpflichtungen gegenüber den stillen Gesellschaftern in vollem Umfang erfüllt. Allein aufgrund einer Berichterstattung der konkurrierenden „…“, insbesondere eines Artikels vom 30.05.2013, sei es dazu gekommen, dass plötzlich unvorhersehbar viele Medienbriefinhaber ihre Anteile gekündigt und eine Auszahlung der Anlage begehrt hätten. Eine solche Entwicklung habe der Beklagte nicht vorhersehen können und müssen. Auch der Umstand, dass die Jahresabschlüsse die Jahre 2006 bis 2011 eine negative Entwicklung zeigten, belege nicht, dass die Anteile der Anleger nicht sicher und ohne weiteres rückzahlbar gewesen wären.
Die … habe mit den Medienbriefen nämlich ein langfristiges Geschäftsziel verfolgt, welches schließlich von der … in ihrem Gutachten unter gewissen Voraussetzungen auch positiv eingestuft worden sei. Man habe nämlich darauf gesetzt, dass der stetige Auflagenrückgang kostenpflichtiger Tageszeitungen (wie etwa der …) aufgrund der vermehrten Nutzung des Internets zur Erlangung tagesaktueller Nachrichten dazu führe, dass Anzeigenkunden ihre Anzeigen zunehmend in der kostenlos verteilten „…“ erscheinen lassen, so dass mit der stetig rückläufigen Verkaufszahl der Tageszeitungen ein stetig steigender Nutzen der … einhergehe. Bei einer entsprechenden Weiterentwicklung wäre – so der Beklagte – ab dem Jahr 2015 ein positives Betriebsergebnis erzielt worden. Die weitere Entwicklung wäre, so meint er, vergleichbar mit börsennotierten Unternehmen wie … oder … verlaufen.
Trotz der bilanziellen Überschuldung sei eine Überschuldung und Zahlungsunfähigkeit im insolvenzrechtlichen Sinne bis Ende November 2013 zu keinem Zeitpunkt eingetreten. Die Gesellschaft habe über erhebliche stille Reserven verfügt. Allein die Zuspitzung der Berichterstattung in der … habe dazu geführt, dass das System wider Erwarten zusammengebrochen sei.
Im Übrigen habe er, auch wenn er sich an den Inhalt der einzelnen Beratungsgespräche nicht mehr erinnere, sämtliche Anleger sowohl anlegergerecht als auch anlagengerecht beraten und über alle mit der Anlage verbundenen Risiken ordnungsgemäß aufgeklärt. Er habe den Anlegern erläutert, was eine stille Gesellschaft ist und welche Risiken mit einer stillen Beteiligung verbunden sind, und sie auch über das Risiko des Totalverlustes aufgeklärt. Auch habe er den Anlegern erläutert, dass bei seinem Finanzierungskonzept das operative Geschäft der … mit den stillen Gesellschaftsanteilen finanziert werde, was er gegenüber den Anlegern jeweils damit begründet habe, dass er bei der … oder anderen ortsansässigen Kreditinstituten aufgrund des negativen Einflusses der … keine Finanzierung für das operative Geschäft erhalte. Der Beklagte bestreitet, dass der Kläger in dem Beratungsgespräch darauf hingewiesen hat, dass es ihm um eine sichere Anlage gehe. Auf Nachfrage seien dem Kläger vielmehr sämtliche Risiken erläutert worden. Zu jedem Anleger habe er wörtlich gesagt: „Wenn der Verlag pleite ist, ist auch Ihre Beteiligung verloren.“ Keinesfalls habe er den Eindruck erweckt, dass der Anleger sein Geld auf jeden Fall wiederbekomme und keine Risiken bestünden. Grundlage des Gespräches sei – jedenfalls Mitte Jahre 2007, wie der Beklagte inzwischen seinen Vortrag einschränkte – jeweils der von ihm auf Veranlassung der BaFin im Mai 2007 erstellte Verkaufsprospekt gewesen.
Der Beklagte meint, er habe den Kläger nicht auf die bilanzielle Überschuldung und den Gewinnabführungsvertrag hinweisen müssen, zumal der Kläger nicht Gesellschafter der … geworden sei. Er habe weder den Insolvenzantrag verspätet gestellt noch den Kläger in irgendeiner Weise getäuscht. Keinesfalls habe er den Vorsatz gehabt, den Kläger sittenwidrig zu schädigen. Der Kläger habe zudem nicht schlüssig dargelegt, inwieweit eine etwaige verspätete Insolvenzantragstellung im Sommer 2013 kausal für die von ihm geltend gemachten Schäden sei.
Darüber hinaus ist der Beklagte der Ansicht, der Kläger habe selbst bei Bestehen einer Anspruchsgrundlage keinen Anspruch auf Rückzahlung der Einlage, sondern allenfalls einen Anspruch auf Berechnung und Auszahlung eines Auseinandersetzungsguthabens, da es sich um eine mehrgliedrige stille Gesellschaft handele und die Grundsätze der fehlerhaften Gesellschaft anzuwenden seien.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.
Das Gericht hat die Parteien persönlich gemäß § 141 ZPO angehört. Wegen des Ergebnisses der Parteianhörung wird auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 11.09.2014 (Bl. 62 – 74 d. A.) verwiesen.
Entscheidungsgründe
Die zulässige Klage ist begründet.
I.
Der Beklagte ist dem Kläger zunächst unter dem Gesichtspunkt der (vor-) vertraglichen Pflichtverletzung (§§ 241 Abs. 2, 311 Abs. 2, 3 BGB) zur Rückzahlung der gezahlten Einlage (40.000,00 €) abzüglich der erfolgten Ausschüttungen (7.708,34 €), d.h. eines Betrages von 32.291,66 €, Zug um Zug gegen Übertragung der Rechte aus den beiden stillen Beteiligungen verpflichtet.
1.
Aufgrund des unstreitigen Parteivorbringens, insbesondere des umfangreichen Vortrages des Beklagte in der Klageerwiderung zu der angeblich durch ihn durchgeführten Beratung und Aufklärung des Klägers, geht das Gericht davon aus, dass hier zumindest konkludent ein Beratungsvertrag zustande gekommen ist. Allerdings spricht einiges dafür, dass ein Beratungsvertrag nicht mit dem Beklagten persönlich, sondern mit der von ihm als Geschäftsführer vertretenen … geschlossen wurde, weil er in dem Beratungsgespräch als Geschäftsführer der GmbH auftrat. Letztlich kann dies aber dahinstehen, denn ein zur Rücksichtnahme auf die Interessen des Klägers verpflichtendes Schuldverhältnis (§ 241 Abs. 2 BGB) mit dem Beklagten persönlich ist im Rahmen der Anbahnung der Zeichnung der Medienbriefe und des Abschlusses der Gesellschaftsverträge zu diesen jedenfalls deshalb zustande gekommen, weil der Beklagte in besonderem Maße Vertrauen für sich in Anspruch genommen und dadurch den Vertragsschluss erheblich beeinflusst hat (§ 311 Abs. 3 Satz 2 BGB).
Nach ständiger Rechtsprechung haftet bei der Anlagenvermittlung ebenso wie bei der Anbahnung sonstiger Vertragsverhältnisse auch der Vertreter persönlich nach den Grundsätzen der culpa in contrahendo, wenn er entweder selbst wirtschaftlich stark am Vertragsschluss interessiert ist und aus dem Geschäft einen eigenen Nutzen erstrebt oder in besonderem Maße persönliches Vertrauen in Anspruch genommen hat (BGH, BB 1978, 1031 ff.; OLG Hamm, Beschl. vom 13.10.1992, 24 U 30/92; Palandt/Grüneberg, BGB, 72. Aufl., § 311 Rn. 60 ff.; s. auch BGH, Urteil vom 13.12.2005, KZR 12/04; BGH, Urteil vom 01.07.1991, II ZR 180/90, jeweils bei Juris). Dies gilt auch für den Geschäftsführer einer GmbH, mit der der eigentliche Vertrag geschlossen wird (vgl. BGH, Urteil vom 06.06.1994, II ZR 292/91, bei Juris).
Die Variante der Inanspruchnahme persönlichen Vertrauens setzt allerdings voraus, dass der Vertreter dem anderen Teil über das allgemeine „Verhandlungsvertrauen“ hinaus eine zusätzliche, gerade von ihm persönlich ausgehende Gewähr für die Seriosität und die Erfüllung des Geschäfts oder die Richtigkeit und Vollständigkeit der Erklärungen, die für den Willensentschluss des anderen Teils bedeutsam geworden sind, geboten oder wenn er in ihm zurechenbarer Weise den Eindruck vermittelt hat, er werde persönlich mit seiner Sachkunde die ordnungsgemäße Abwicklung des Geschäfts selbst dann gewährleisten, wenn der andere Teil dem Geschäftsherrn nicht oder nur wenig vertraut oder sein Verhandlungsvertrauen sich als nicht gerechtfertigt erweist (BGH, Urteil vom 29.01.1992, VIII ZR 80/91, bei Juris, Rz.13; OLG Hamm, a.a.O., Rz. 6).
Dass der Beklagte hier in diesem Sinne ein besonderes persönliches Vertrauen in Anspruch genommen hat, steht zur Überzeugung des Gerichts fest aufgrund der Angaben der Parteien im Rahmen ihrer persönlichen Anhörung sowie aufgrund der bei den Akten befindlichen Schriftstücke und Unterlagen.
Der Kläger hat im Rahmen seiner persönlichen Anhörung erklärt, er habe bis zu dem Beratungsgespräch erwogen, vier Medienbriefe (für 20.000,00 €) zu erwerben, wozu er allerdings noch nicht fest entschlossen gewesen sei. Aufgrund des in dem Gespräch gewonnenen Eindrucks von dem Beklagten habe er sich dann aber entschlossen, nicht nur vier, sondern gleich acht Medienbriefe (für 40.000,00 €) zu zeichnen. Der Beklagte habe nämlich einen „sympathischen und vertrauenserweckenden Eindruck“ gemacht, ihm die beiderseitigen Vorteile erklärt und auf die lange Geschichte der Medienbriefe verwiesen. Auch wenn ihm durchaus klar gewesen sei, dass er sich an einem Unternehmen beteiligte und dies gewisse Risiken mit sich bringe, habe er zu dem Beklagten ein Vertrauen gehabt, „wie man es sonst einer Bank entgegenbringt“, denn das Geschäft des Beklagten sei nach seinem Eindruck über Jahre hinweg sehr gut gelaufen. Für sein Vertrauen maßgeblich war nach den für das Gericht durchaus glaubhaften Angaben des Klägers auch, dass die … seit 1984 durchgehend unter der Leitung des Beklagten gelaufen sei. Nach seinem Umzug nach … habe er festgestellt, dass die … selbst dort zu erhalten war, woraus er auf einen enormen Zuwachs des Unternehmens geschlossen habe.
Das Gericht ist aufgrund der Gesamtheit der Schilderungen des Klägers davon überzeugt, dass es sich bei dem besonderen Vertrauen nicht lediglich um einen einseitigen Eindruck des Klägers handelte, sondern das der Beklagte im Rahmen des Gespräches mit dem Kläger – wie in den Gesprächen mit anderen Anlegern auch – den Eindruck des erfahrenen und seit langen Jahren durchgehend erfolgreichen Verlegers erweckte.
Der Beklagte nahm hier nicht nur das im gewöhnlichen Geschäftsverkehr allgemein vorauszusetzende „Verhandlungsvertrauen“ in Anspruch, sondern das Vertrauen in die persönlichen Fähigkeiten und die persönliche Zuverlässigkeit des – vermeintlich – seit vielen Jahren erfolgreichen Verlegers und Geschäftsmannes ….
Er bot dem Kläger hiermit eine zusätzliche, gerade von ihm persönlich ausgehende Gewähr für die Seriosität und Erfüllung des Geschäfts. Aufgrund des hierdurch begründeten persönlichen Schuldverhältnisses zwischen den Parteien war der Beklagte nicht nur – wie es sonst der Regelfall ist, vgl. BGH, Urteil vom 01.907.1991, II ZR 180/90) – als Vertreter der GmbH verpflichtet, deren Beratungs- und Aufklärungspflichten zu erfüllen, sondern ihn trafen eigene, persönliche Pflichten zur anlage- und anlegergerechten Beratung und Aufklärung des Klägers.
2.
Der Beklagte hat den Kläger jedenfalls nicht anlagegerecht (objektgerecht) beraten. Nach ständiger Rechtsprechung des BGH (vgl. etwa BGH, Urteil vom 21.03.2005, II ZR 140/03, bei Juris, Rz. 36 m.w.N.) muss einem Anleger für seine Beitrittsentscheidung ein zutreffendes Bild über das Beteiligungsobjekt vermittelt werden, d.h. er muss über alle Umstände, die für seine Anlageentscheidung von wesentlicher Bedeutung sind oder sein können, insbesondere über die mit der angebotenen speziellen Beteiligungsform verbundenen Nachteile und Risiken zutreffend, verständlich und vollständig aufgeklärt werden.
Im vorliegenden Fall bedeutet dies, dass der Beklagte den Kläger insbesondere auch im Einzelnen darüber aufzuklären hatte, welche Risiken mit einer Beteiligung an der Verlagsgesellschaft im Hinblick auf das eingezahlte Kapital, welches nach § 2 des Gesellschaftsvertrages in das Vermögen der GmbH überging, bestanden. Der Beklagte hatte den Kläger darüber aufzuklären, dass ein Totalverlustrisiko bestand. Er hatte weiter darüber aufzuklären, dass es sich bei den „Vorabvergütungen“ um gewinnunabhängige Ausschüttungen handelte, welche noch mit etwaigen Verlusten zu verrechnen und ggf. zurückzuzahlen waren.
Nach Auffassung des Gerichts hatte der Beklagte den Kläger darüber hinaus auch ungefragt darüber aufzuklären, dass die GmbH zum Zeitpunkt seines Beitritts bereits seit Jahren in erheblichem Maße bilanziell überschuldet war und aus dem laufenden Geschäft seit Jahren keinerlei Gewinne, sondern nur Verluste erzielt hatte. Dies gilt auch unter Berücksichtigung des Umstandes, dass die Insolvenzreife Ende 2009 noch nicht vorgelegen haben dürfte, dies allerdings nur deshalb, weil der Gesellschaft durch die Ausgabe weiterer Medienbriefe jährlich immer mehr Fremdkapital zugeführt wurde, die der im Tatbestand wiedergegebenen Aufstellung des Insolvenzverwalters deutlich zu entnehmen ist. Aufgrund der schnellballsystemartigen Ausgestaltung des Anlagemodells (s. dazu unter II.) bestand nämlich bereits im Jahr 2009 – die Handelsbilanz weist für dieses Jahr einen nicht durch Eigenkapital gedeckten Fehlbetrag von 2.681.901,01 € und für das Vorjahr 2008 einen solchen von immerhin schon 2.506.485,26 € aus – die naheliegende Gefahr, dass im Falle der Kündigung einer größeren Anzahl von stillen Beteiligungen des gesamte Unternehmen kollabieren konnte mit der Folge, dass auch die Einlagen verloren gewesen wären. Zum Zeitpunkt des Beratungsgesprächs am 10.11.2009 lagen dem Beklagten als Geschäftsführer die Handelsbilanzen zumindest bis einschließlich 2008 vor.
Aufgrund des Ergebnisses der Parteianhörung ist das Gericht davon überzeugt, dass der Beklagte den Kläger – wie auch alle weiteren Anleger – nicht ansatzweise darüber aufgeklärt hat, wie risikoreich der Erwerb von Medienbriefen war.
Der Beklagte hat seinen in der Klageerwiderung erfolgten Vortrag, er habe sämtliche Anleger – auch den Kläger – anhand des im Mai 2007 erstellten Verkaufsprospektes umfassend aufgeklärt, auf den Vorhalt, dass es diesen Prospekt zum Zeitpunkt des Beratungsgespräches noch gar nicht gab, für die vor Mai 2007 gezeichneten Medienbriefe zurückgenommen. Für die Fälle danach hat er seinen Vortrag im Rahmen der persönlichen Anhörung dahingehend eingeschränkt, dass er den Prospekt zumindest in seinem Büro vorrätig gehabt habe und dass diejenigen Anleger, die einen Prospekt haben wollten, einen solchen auch bekommen hätten.
Der Kläger hat im Rahmen seiner persönlichen Anhörung auf Vorhalt des Prospektes aus dem Anlagenband zu der beigezogenen Akte 7 O 615/14 glaubhaft erklärt, diesen „definitiv nie gesehen“ zu haben. Glaubhaft ist diese Angabe auch deshalb, weil sämtliche anderen bisher vom Gericht angehörten Anleger, und zwar auch diejenigen, die – wie der Kläger – die Medienbriefe erst ab Mitte 2007 zeichneten, ebenfalls übereinstimmend angegeben haben, nie einen solchen Prospekt zu Gesicht bekommen zu haben. Soweit der Beklagte im Termin erklärt hat, er habe den Prospekt irgendwo in seinem Büro liegen gehabt, verkennt er den Sinn und Zweck eines Verkaufsprospektes grundlegend. Nicht ohne Grund hatte die BaFin ihm auferlegt, einen solchen Prospekt zu erstellen. Offensichtlich hat der Beklagte dem Kläger und den weiteren Anlegern den Prospekt deshalb nicht zugänglich gemacht, weil in diesem – wie das Gericht anhand der beigezogenen Akte 7 O 615/14 feststellen konnte – die mit der Anlage verbundenen Risiken einschließlich des Totalverlustrisikos durchaus dargestellt werden. Der Prospekt hätte sicherlich manchen Anleger abgeschreckt, schon weil in ihn teilweise das Gegenteil dessen stand, was der Beklagte im Rahmen der Beratungsgespräche suggerierte.
Schon durch die pflichtwidrig unterlassene Verwendung des Prospektes hat der Beklagte seine Aufklärungspflichten gravierend verletzt.
Der Beklagte hat in seiner Anhörung allerdings weiterhin behauptet, er habe – auch wenn er sich aufgrund der Vielzahl im Laufe der Jahre ausgegebener Medienbriefe an den Inhalt der einzelnen Beratungsgespräche nicht mehr erinnere – jeden Anleger über das Wesen einer stillen Beteiligung und über die damit verbundenen Risiken einschließlich des Totalverlustrisikos („Wenn der Verlag pleite ist, ist auch Ihre Beteiligung verloren“) umfassend aufgeklärt.
Das Gericht glaubt dem Beklagten zwar, dass er sich an den Inhalt der einzelnen Beratungsgespräche nicht mehr erinnern kann, war überaus lebensnah ist, insbesondere (aber nicht nur) dann, wenn dieses Gespräch – wie bei dem Kläger – bereits etliche Jahre zurückliegt. Keinesfalls vermag das Gericht jedoch der Behauptung des Beklagten Glauben zu schenken, er habe alle Anleger – auch den Kläger – über die Risiken aufgeklärt.
Dem stehen bereits die Schilderungen des Klägers im Rahmen seiner persönlichen Anhörung entgegen, der sich an den Inhalt des Beratungsgespräches nach seinen Angaben noch sehr gut erinnern konnte, was trotz des Zeitablaufes auch glaubhaft ist, weil dieses Gespräche für den Kläger – ganz anders als für den Beklagten – eben eine „singuläre Erfahrung“ war.
Ihm sei es – so der Kläger – zwar bewusst gewesen, dass er sich an einem Unternehmen beteiligte und dies gewissen Risiken mit sich bringt, nicht jedoch, dass eine solche mit der Gefahr eines Totalverlustes verbunden ist. Hierüber sei er von dem Beklagten nicht informiert worden. Er habe sich allenfalls vorgestellt, dass im Falle einer schlechten Geschäftsentwicklung die Rendite zeitweise ausfallen könnte. Der Beklagte habe ihm auch nicht erklärt, dass es sich bei der „Rendite“ um eine gewinnunabhängige Vorabausschüttung handele. Auch den Regelungen zur Verlustbeteiligung in §§ 2 und 4 des Gesellschaftsvertrages zum Medienbrief habe er angesichts der Schilderungen des Beklagten keine weitere Bedeutung zugemessen, sondern sie so verstanden, dass in Zukunft bei schlechter Geschäftsentwicklung Renditeverluste eintreten könnte. Keinesfalls sei ihm klar gewesen, dass bereits ausgezahlte Vorabausschüttungen eventuell zurückgefordert werden können. Wenn ihm das Totalverlustrisiko mitgeteilt worden wäre – so der Kläger -, hätte er bei dem Beklagten kein Geld angelegt, sondern wäre „sofort wieder gegangen“. Auch von einer möglichen Insolvenz des Verlages sei mit keinem Wort die Rede gewesen.
Das Gericht ist aufgrund der Angaben des Klägers davon überzeugt, dass sich das Gespräch so abgespielt hat, wie der Kläger es geschildert hat. Im Gegensatz zu dem Beklagten hatte der Kläger – glaubhaft – eine konkrete Erinnerung. Er war nach Überzeugung des Gerichts trotz seines offenkundigen Interesses am Ausgang des Rechtsstreits bestrebt, den Verlauf des Gesprächs wahrheitsgemäß zu schildern, wobei er hinsichtlich einzelner Punkte auch durchaus gewisse Unsicherheiten einräumte. Bestätigt wird die Glaubhaftigkeit seiner Angaben dadurch, dass sämtliche anderen bislang vom Gericht in den Parallelverfahren angehörten Medienbrief-Anleger den Inhalt ihrer Beratungsgespräche mit dem Beklagten, insbesondere dessen mangelnde Hinweise auf Risiken, ganz ähnlich schilderten.
Auch die praktische Handhabung des Beklagten spricht dafür, dass er dem Kläger und den anderen Anlegern schon in den Beratungsgesprächen eine „sichere Rendite“ vorgespiegelt hat: Jahr für Jahr wurden die 6,25 % ausgezahlt, ohne dass jemals die im Gesellschaftsvertrag vorgesehene jährliche Abrechnung anhand des handelsrechtlichen Jahresergebnisses vorgenommen worden wäre. Die Anleger hatten daher überhaupt keinen Anlass, sich ihre Verträge noch einmal kritisch anzusehen. Wenn die „Rendite“ somit in der praktischen Handhabung wie ein fester Zins behandelt wurde, liegt es nahe, dass sie schon während des Beratungsgespräches in dieser Weise dargestellt wurde.
Erstaunlich ist auch, dass der Beklagte in einem Parallelverfahren in der mündlichen Verhandlung am 30.10.2014 nunmehr zu Protokoll gegeben hat, er habe den Anlegern in den Beratungsgesprächen mitgeteilt, dass er auf die jährliche Abrechnung verzichte, weil dies einen viel zu großen Aufwand mit sich bringe. Damit räumt der Beklagte selbst ein, dass er den Anlegern eine Art „festen Zins“ versprochen hat!
Ebenfalls bestätigt wird die systematische Irreführung der Anleger durch den Beklagten hinsichtlich der mit der stillen Beteiligung verbundenen Risiken durch die Werbeschreiben, die inzwischen zu den Akten gelangt sind. So heißt es etwa in einem Schreiben vom 13.11.2006 (Anlage K 18): „Jeder Medienbrief hat einen Wert von 5.000,- Euro. Darauf zahlen wir Ihnen eine Rendite von 6,25 Prozent pro Jahr, jeweils zum 30.06. und 31.12. ohne weitere Gebühren oder sonstige Kosten. Alle weiteren Gewinne (!) bleiben im Unternehmen.“ Wenn hier von „weiteren Gewinnen“ die Rede ist, wird unmissverständlich suggeriert, dass es sich auch bei der unmittelbar zuvor genannten „Rendite“ (d.h. den Vorabausschüttungen oder -Vergütungen) um bereits erwirtschaftete Gewinne handelt, so dass der Kunde den Eindruck bekommt, er dürfe diese Ausschüttungen aus dem vermeintlich erfolgreichen Verlagsgeschäft in jedem Falle behalten. Dieselben Formulierungen finden sich in diversen späteren Schreiben an die Anleger (etwa Anlage K 18a – Schreiben vom 02.05.2013 oder Anlage K 18b – Schreiben vom 24.07.2012), in denen darüber hinaus sogar noch kurz vor dem Kollaps des Anlagemodells von einem „stabilen Wert“ der Medienbriefe und von einer „sicheren und rentablen Anlageform“ die Rede ist. Wenn der Beklagte aber sogar schriftlich die Medienbriefe über Jahre hinweg als sichere Anlage und als Erfolgsmodell beschreibt, so erscheint umso glaubhafter, dass er in den Beratungsgesprächen ein mindestens ebenso positives Bild einer sicheren Anlage zeichnete.
Dass der Beklagte den Kläger oder andere Anleger über die erhebliche und seit Jahren bestehende bilanzielle Überschuldung zum Zeichnungszeitpunkt aufgeklärt hat, behauptet er selbst nicht. In seiner persönlichen Anhörung hat er sogar erklärt, die Verlagsgesellschaft habe bis zu dem … -Artikel vom 30.05.2013 „gut dagestanden“. Diese Behauptung ist angesichts der Feststellungen des Insolvenzverwalters und der von dem Beklagten selbst beauftragten Wirtschaftsprüfungsgesellschaft … schlichtweg unhaltbar.
Nach Überzeugung des Gerichts hat der Beklagte seine Aufklärungspflichten in eklatanter Weise verletzt.
3.
Das Verschulden des Beklagten wird gem. § 280 Abs. 1 Satz 2 BGB vermutet. Das Gericht ist allerdings sogar davon überzeugt, dass der Beklagte den Kläger – wie zahlreiche andere Anleger auch – sogar vorsätzlich über die wahre Eigenart seines „Geschäftsmodells“ im Unklaren ließ (s. dazu unter II.).
4.
Die Rechtsfolge des Schadensersatzanspruches ist, dass der Beklagte den Kläger so zu steilen hat, als habe dieser die Medienbriefe nie gezeichnet. Er hat dem Kläger somit die Einlage abzüglich der von diesem bereits erhaltenen „Vorabvergütungen“ zu erstatten. Im Gegenzug hat der Kläger dem Beklagten – wie im Klageantrag angeboten – die Rechte aus den Beteiligungen zu übertragen, welche de facto wertlos sind.
Entgegen der Auffassung des Beklagten stehen die sog. Grundsätze der fehlerhaften Gesellschaft einem Anspruch des Klägers auf Rückerstattung der Einlagen nicht entgegen, unabhängig davon, ob es sich hier um zweigliedrige oder mehrgliedrige stille Gesellschaften handelte. Diese Grundsätze sind – worauf das Gericht im Termin hingewiesen hatte – allenfalls bei einer Rückabwicklungsklage gegen die Gesellschaft anzuwenden, nicht jedoch bei einer persönlichen Inanspruchnahme des Geschäftsführers auf Schadensersatz.
II.
Der vorgenannte Anspruch des Klägers ist auch unter dem Gesichtspunkt der vorsätzlichen sittenwidrigen Schädigung (§ 826 BGB) begründet.
Der Beklagte hat nach Überzeugung des Gerichts den Kläger ebenso wie zahlreiche andere Medienbriefe-Anleger vorsätzlich sittenwidrig geschädigt, indem er sich bzw. „seine“ GmbH unter sittenwidriger Ausnutzung des Gewinnstrebens dieser Anleger auf deren Kosten durch ein von ihm konzipiertes, initiiertes und über Jahre hinweg durch zunehmende Täuschungshandlungen am Leben gehaltenes „Schneeballsystem“ bereichert hat. Die Bedienung der Beteiligungen war nicht durch eine eigene Ertragskraft der „…“ gewährleistet, sondern konnte nur durch die stetige Ausgabe weiterer Medienbriefe erfolgen.
Es handelt sich zwar nicht um ein strafbares Schneeballsystem i.S.d. § 16 Abs. 2 UWG (sog. progressive Kundenwerbung), weil die Anleger nicht in den Vertrieb weiterer Medienbriefe eingeschaltet wurden, wohl aber um ein sittenwidriges Schneeballsystem im weiteren Sinne (vgl. hierzu etwa OLG Düsseldorf, Urteil vom 26.04.2012, 6 U 73/11, bei Juris). Anlagesysteme mit Schneeballcharakter sind dadurch gekennzeichnet, dass den Anlegern die versprochenen Renditen nicht aus erwirtschafteten Gewinnen gezahlt werden können, sondern lediglich aus den Einlagen immer weiterer Anleger, die später ebenfalls die Anlage zeichnen. Solange nur einzelne Anleger ihre Einlage zurückfordern, kann diese ebenfalls noch problemlos aus den Einlagen von Neuanlegern erstattet werden. Wenn jedoch irgendwann eine größere Zahl von Anlegern – weshalb auch immer – versucht, ihre Einlagen zurückzuerhalten, bricht das System zwangsläufig zusammen, weil wirtschaftlich „nichts dahinter steht“. Genau dies ist hier ab Mai 2013 geschehen, als die Presseberichterstattung über eine mögliche Insolvenz der … – wie der Beklagte selbst vorträgt – dazu führte, dass durch eine Vielzahl von Kündigungen mehrere Millionen Euro aus dem Gesellschaftsvermögen abgezogen wurden.
Dass es sich um ein – von Anfang an oder jedenfalls in den Jahren nach 2001 gewolltes – Schneeballsystem handelte, zeigt sich bereits darin, dass ausweislich der im Tatbestand wiedergegebenen Feststellungen des Insolvenzverwalters die Summe der Einlagen aus stillen Beteiligungen von 1.650.664 € im Jahr 2001 jährlich um mehrere Hunderttausend Euro anstieg (mit Ausnahme eines geringfügigen Rückganges 2006/2007), bis sie im Jahr 2013 schließlich 8.407.500 € erreichte. Die Richtigkeit dieser Zahlen ist zwischen den Parteien unstreitig. Diese stetig wachsende Fremdfinanzierung steht in keinem Verhältnis zu dem Ergebnis der gewöhnlichen Geschäftstätigkeit, welches zumindest seit 2001 durchgehend negativ war und schließlich ab 2011 ganz tief in die roten Zahlen rutschte.
Wie der Insolvenzverwalter … in seinem Bericht vom 28.05.2014 (Anlage K 11) ausführt, gingen in dem gesamten Zeitraum die erheblichen Verluste aus der gewöhnlichen Geschäftstätigkeit zu Lasten der Einlagen der stillen Gesellschafter, welche praktisch aufgezehrt wurden. Weiter heißt es in dem Bericht:
„Die Motivation der stillen Gesellschafter; Einlagen zu leisten und diese vor allem auch in der Gesellschaft zu belassen, hatte ihren Grund in den jährlich ausgezahlten Vorabvergütungen. Diese hielten sich mit Anteilen von 4,75 % bis 6,25 % des eingelegten Kapitals weit über den in den letzten Jahren durch Einlagen bei Banken erzielbaren Verzinsungen. Dies mag die stillen Gesellschafter motiviert haben, zu einem erheblichen Teil ihre Einlagen in der Gesellschaft zu belassen. Konkrete Jahresabrechnungen, aus denen sich die tatsächlich eingetretenen Verluste ergeben hätten, erhielten die stillen Gesellschafter nicht. Denn nach dem Inhalt der „Medienbriefe“ erhielten die Gesellschafter zwar eine Vorabvergütung. Die Verzinsung des eingelegten Kapitals sollte sich jedoch letztlich nach der Gewinn- und Verlustrechnung des Unternehmens richten. Diese, von der Gesellschaft versäumte Darstellung der eingetretenen Verluste hätte allerdings wohl eine vermehrte Kündigung der stillen Beteiligungen ausgelöst. Dies sollte seitens der Geschäftsleitung der Insolvenzschuldnerin offensichtlich vermieden werden.“ (Hervorhebung hier)
Diese Einschätzung des Insolvenzverwalters teilt das Gericht in vollem Umfang. Anders ist es nämlich nicht zu erklären, weshalb entgegen den eindeutigen vertraglichen Vereinbarungen in den Gesellschaftsverträgen zu den Medienbriefen bei den Ausschüttungen mehr als 10 Jahre lang nie eine Jahresabrechnung anhand des tatsächlichen Betriebsergebnisses (unter Einbeziehung der erheblichen Verluste!) erfolgte und darüber hinaus entgegen den – auch insoweit eindeutigen – vertraglichen Regelungen in § 2 der Gesellschaftsverträge offensichtlich in keinem einzigen Fall einem ausscheidenden „Stillen“ (nur) das ihm tatsächlich zustehende Guthaben (Einlage zzgl. Gewinn- bzw. abzgl. Verlustanteil), sondern stets die volle Einlage ohne jegliche Rücksicht auf die seit langer Zeit eingetretenen hohen Verluste ausgezahlt wurde. Soweit der Beklagte im Rahmen seiner persönliche Anhörung erklärte, ihm sei bei der Veranlassung der Auszahlungen an die ausscheidenden Gesellschafter nicht bewusst gewesen, dass diese keinen Anspruch auf Rückzahlung der vollen Einlage hatten, ist dies gänzlich unglaubhaft. Er selbst hat schließlich das System der Medienbriefe und der zugehörigen Gesellschaftsverträge konzipiert, er allein führte die Geschäfte „seiner“ Verlagsgesellschaft. Die Auszahlung der vollen Einlage nach Kündigungen sowie das Unterlassen der jährlichen Abrechnung mit den Anlegern unter Berücksichtigung des tatsächlichen Jahresergebnisses hatte nach Überzeugung des Gerichts nur einen einzigen Zweck: Die übrigen Anleger sollten „bei der Stange gehalten“ werden, um zu verhindern, dass es angesichts des stetigen Minusgeschäfts der Verlagsgesellschaft zu einer größeren Anzahl von Kündigungen kommt, welche auch lange vor 2013 bereits zur Folge gehabt hätte, dass das gesamte Konstrukt zusammenbricht.
Eine wirtschaftliche Substanz hatte die Verlagsgesellschaft zumindest in den Jahren seit 2001 zu keinem Zeitpunkt. Dies ergibt sich unzweideutig aus den Feststellungen des Insolvenzverwalters und wird durch das vom Beklagten selbst in Auftrag gegebene Gutachten der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft … (Anlage K 6) gestützt, auch wenn dieses offenbar erst die Jahre ab 2009 im Blick hatte. Auch in diesem Gutachten wird ausgeführt, dass die Gesellschaft ihren Finanzbedarf vollständig (!) über die Einlagen typisch stiller Gesellschafter gedeckt habe. Die Gesellschaft habe in den vergangenen Jahren „das operative Geschäft und die Vergütungen an die typisch stillen Gesellschafter durch die Aufnahme weiterer stiller Gesellschafter beglichen“ (Seite 14 des Gutachtens). Die Behauptung des Beklagten im Rahmen seiner persönlichen Anhörung, die halbjährlichen Renditen und die Einlagerückerstattungen nach Kündigungen seien „aus den Erträgen unserer Tätigkeit“ bzw. „aus dem laufenden Geschäft“ gezahlt worden, ist damit ad absurdum geführt. Solche Erträge gab es nicht. Es gab zwar über Jahre hinweg eine nicht unerhebliche Liquidität, jedoch beruhte diese einzig darauf, dass immer weitere Medienbriefe ausgegeben wurden.
Soweit der Beklagte unter Hinweis auf das knappe und kaum nachvollziehbare Schreiben des Steuerberaters … (Anlage B 1) pauschal behauptet, die Gesellschaft habe über „erhebliche stille Reserven“ verfügt, ist die durch Feststellungen des Insolvenzverwalters und das Gutachten … klar widerlegt, wo ausgeführt ist, dass es keine nennenswerten stillen Reserven gebe. Die Stellungnahme … bezieht sich auch lediglich auf die Frage der Insolvenzreife und enthält hinsichtlich der stillen Reserven lediglich eine mit keinem Wort näher begründete „Einschätzung“. Auch der Beklagte trägt nichts dazu vor, worin diese Reserven denn bestanden haben sollen, so dass der Vortrag völlig unsubstantiiert ist. Es besteht kein Anlass, ein Sachverständigengutachten einzuholen, zumal mit dem Bericht der Insolvenzverwalters und dem Gutachten … bereits zwei sachverständige Einschätzungen vorliegen, die zum selben Ergebnis gelangen.
Dass es sich um eine schneeballsystemartige Anlageform handelte, wird schließlich auch dadurch bestätigt, dass die Anzahl der ausgegebenen Medienbriefe – wie der Beklagte im Termin einräumte – zu keinem Zeitpunkt zahlenmäßig begrenzt wurde, obwohl den Anlegern das Gegenteil suggeriert wurde, auch wenn der Anleger mit der Unterzeichnung des Gesellschaftsvertrages bestätigen musste, dass ihm das Vorhandensein weiterer stiller Beteiligungen bekannt sei. So wurde etwa bei den „Jubiläums-Medienbriefen“ in dem Schreiben vom 13.11.2006 explizit mit der „streng limitierten“ Anzahl geworben. Auch etwa in den Unterlagen zur Bilanzbesprechung 2008 (Anlage K 24) wird der Eindruck erweckt, dass nur aufgrund erfolgter Kündigungen neue Medienbriefe ausgegeben werden können.
Im Übrigen sind die in den jährlichen Bilanzbesprechungen dargestellten positiven Betriebsergebnisse offensichtlich falsch, weil sie in krassem Widerspruch zur Handelsbilanz für das jeweilige Geschäftsjahr stehen. So wurde ausweislich der Anlage K 24 z.B. für das Jahr 2008 ein positives Betriebsergebnis von 45.844,81 € in der Bilanzbesprechung dargestellt, obwohl die Handelsbilanz für dieses Jahr Verluste aus der gewöhnlichen Geschäftstätigkeit von deutlich mehr als 200.000,00 € aufweist. Auch dies bestätigt den Schneeballcharakter, denn offensichtlich wurde hier mit – vorsichtig ausgedrückt – „geschönten“ Zahlen gearbeitet, um die Anleger „bei der Stange zu haften“. Der Beklagte vermochte diese Diskrepanz jedenfalls nicht zu erklären. Selbst in den letzten Bilanzbesprechungen (für die Jahre 2011 und 2012) wurde noch der Eindruck eines florierenden Unternehmens erweckt (vgl. Anlagen K 12 und K 13). So hat der Beklagten den Anlegern bei der „Geschäftsbesprechung“ für das Jahr 2012 im Frühjahr 2013 vorgespiegelt, dass im Jahr 2012 ein positives Betriebsergebnis von immerhin noch 42.568,53 € und im Vorjahr 2011 ein positives Betriebsergebnis von 81.361,55 € erwirtschaftet worden sei, und sich hierbei auf die „Zahlen der Handelsbilanz“ berufen (vgl. Seite 9 der Anlage K 13). Die im Bundesanzeiger veröffentlichte Handelsbilanz für das Geschäftsjahr 2011 (Anlage K 4) wie jedoch für dieses Jahr bereits einen Jahresfehlbetrag von ca. – 700.000,00 € aus, von den hohen Verlustvorträgen aus den Vorjahren ganz zu schweigen.
Unstreitig war der Beklagte der alleinige Initiator der Medienbriefe. Wie er selbst im Termin angab und ausweislich der Schilderungen des Klägers (wie auch der weiteren Anleger in den Parallelverfahren) in den Beratungsgesprächen jeweils den Anlegern erklärte, hat er dieses Konzept entwickelt, weil er insbesondere in den frühen Jahren der … – angeblich aufgrund der Einflussnahme der konkurrierenden … – von den ortsansässigen Banken keine Kredite bekam und im Übrigen für Bankkredite auch höhere Zinsen hätte zahlen müssen.
Das Gericht ist auch davon überzeugt, dass der Beklagte vorsätzlich handelte und eine Schädigung des Klägers wie auch der anderen Anleger zumindest billigend in Kauf nahm. Ein vorsätzliches Handeln im Sinne des § 826 BGB setzt nicht voraus, dass der Schädiger die die Sittenwidrigkeit seines Handelns begründenden Umstände positiv kennt, sondern es reicht aus, dass er sich dieser Kenntnis bewusst verschließt. Ob mit Schädigungsvorsatz gehandelt wird, kann sich aus der Art und Weise des sittenwidrigen Handelns ergeben. Von vorsätzlichem Handeln ist auszugehen, wenn der Schädiger so leichtfertig gehandelt hat, dass er eine Schädigung des anderen Teils in Kauf genommen haben muss (OLG Düsseldorf, Urteil vom 27.01.2012, 16 U 163/10, bei Juris, m.w.N.).
Der Beklagte hat – wie ausgeführt – das System der Medienbriefe konzipiert und selbst den Vertrieb der Medienbriefe und die Beratung der Anleger vorgenommen. Als alleiniger Geschäftsführer und Gesellschafter waren ihm die Bilanzen bekannt. Er wusste, dass – zumindest – seit dem Jahr 2001 in keinem einzigen Jahr ein positives Geschäftsergebnis erzielt worden ist. Entgegen den vertraglichen Vereinbarungen zahlte er den Anlegen halbjährlich die „Vorabvergütungen“ aus, ohne jemals die vereinbarte Abrechnung anhand des handelsrechtlichen Jahresergebnisses vorzunehmen. Auch ausscheidenden Anlegern zahlte er entgegen den von ihm selbst vorgegebenen Vereinbarungen die volle Einlage ohne Berücksichtigung der Verlustbeteiligung aus.
Da der Beklagte die Bilanzen kannte, wusste er, dass diese Auszahlungen einzig und allein aus den Einlagen weiterer stiller Gesellschafter finanziert werden konnten. Durch diese „großzügigen“ Zahlungen auf Kosten der verbleibenden und neu hinzukommenden Anleger (was diese freilich nicht wussten) verhinderte der Beklagte nach Überzeugung des Gerichts über Jahre hinweg zielgerichtet und auch erfolgreich den Abzug größerer Mengen von Fremdkapital. Spätestens ab 2008 – wahrscheinlich auch vorher – präsentierte der Beklagten den Anlegern bei den jährlichen Bilanzbesprechungen mit derselben Intention offensichtlich bewusst falsche Ergebnisse, so dass diese keine Veranlassung sahen, in die veröffentlichten Bilanzen zu sehen. Im Rahmen sämtlicher Beratungsgespräche stellte der Beklagte, wie neben dem Kläger auch alle anderen inzwischen vom Gericht in den Parallelverfahren angehörten Anleger glaubhaft erklärten, die Anlage als sicher dar und verschwieg systematisch die erheblichen Risiken, und zwar von Anfang an.
Nach Überzeugung des Gerichts lässt eine Gesamtbetrachtung aller Umstände nur den Schluss zu, dass der Kläger von Beginn an oder zumindest seit etwa 2003, als schon mehrere Jahre lang nur Verluste erwirtschaftet worden waren und die Anzahl stiller Beteiligung kontinuierlich gewachsen war, eine Schädigung der Anleger für den – von ihm freilich nicht erwünschten – Fall einer Kündigung zahlreicher Beteiligungen billigend in Kauf nahm. Er ging zumindest derart leichtfertig mit dem Geld der Anleger um, dass der Schluss gerechtfertigt ist, er habe eine solche Schädigung in Kauf genommen.
Soweit der Beklagte behauptet, er sei – richtigerweise – davon ausgegangen, dass sein Konzept langfristig von Erfolg gekrönt gewesen und ohne den Artikel der … vom 30.05.2014 ab dem Jahr 2015 ein positives Betriebsergebnis erzielt worden wäre, handelt es sich offensichtlich um eine ins Blaue hinein erhobene Schutzbehauptung, die zudem im deutlichem Widerspruch zu dem steht, was der Beklagte den Anlegern bei den Bilanzbesprechungen vorspiegelte, nämlich dass es 2007, 2008 und in all den anderen Jahren auch jeweils bereits ein positives Ergebnis gegeben habe. Wenn die Gesellschaft aus ihrer gewöhnlichen Geschäftstätigkeit schon seit 2001 nur Verluste erzielte, die ab 2011/2012 exorbitant anstiegen, ist nicht nachzuvollziehen, weshalb sich dies ab 2015 plötzlich hätte ändern sollen.
Der Behauptung des Beklagten, mit dem Auflagenrückgang kostenpflichtiger Tageszeitungen durch die zunehmende Nutzung des Internets wäre mit einem stetig wachsenden Erfolg seiner … im Anzeigengeschäft einhergegangen, steht im Übrigen auch wieder das von ihm selbst eingeholte Gutachten … entgegen: Dort ist nämlich auf Seite 14 unter dem Stichwort „Strategiekrise“ ausgeführt, dass die neuen Medien auch für die „…“ eine Konkurrenz darstellten, welche zum Rückgang der Preise für Anzeigen und Prospektbeilagen führe. Die … habe auf diese Konkurrenz nicht reagieren können, so dass das notwendige Wachstum nicht erreicht worden sei. Der Beklagte hatte somit keinerlei Veranlassung, daran zu glauben, dass sich ab 2015 alles zum Guten wenden würde.
Rechtsfolge des Anspruchs ist auch hier, dass der Beklagte dem Kläger Zug um Zug gegen Übertragung der Rechte aus der Beteiligung die Einlage abzüglich der erfolgten Vorabausschüttungen zurückzuzahlen hat. Die Grundsätze der fehlerhaften Gesellschaft sind, wie oben ausgeführt, nicht einschlägig.
Ob der Beklagte darüber hinaus auch konkrete Schutzgesetze i.S.d. § 823 Abs. 2 BGB verletzt hat (etwa §§ 263, 264a StGB) – wofür einiges spricht -, kann dahinstehen.
Randnummer91
Eine etwaige verspätete Insolvenzantragstellung dürfte allerdings nicht kausal für den geltend gemachten Schaden sein, denn Ende 2009 wird bei der GmbH – dank der stetigen Zuführung weiteren Fremdkapitals in Form stiller Beteiligungen – noch keine Insolvenzreife Vorgelegen haben.
III.
Im Rahmen des dem Kläger – wie vorstehend dargelegt – zustehenden Schadensersatzanspruches hat der Beklagte ihn auch von Rückzahlungsansprüchen der … hinsichtlich der bereits ausgezahlten Vorabvergütungen freizustellen, wie sie nunmehr der Insolvenzverwalter für die letzten vier Jahre vor dem Insolvenzantrag geltend macht. In der mündlichen Verhandlung hatte das Gericht darauf hingewiesen, dass der Freistellungsantrag aus der Klageschrift nicht hinreichend konkret gefasst sei, weil er sich dem Wortlaut nach auf alle denkbaren Ansprüche der …, ganz gleich welcher Art, beziehe. Der Kläger hat daraufhin mit nachgelassenem Schriftsatz vom 14.10.2014 einen einschränkend formulierten Freistellungsantrag mitgeteilt, der freilich in dieser Form in der mündlichen Verhandlung nicht gestellt wurde.
Gleichwohl hält das Gericht einen Wiedereintritt in die mündliche Verhandlung zwecks erneuter Antragstellung ebenso wenig für angezeigt wie eine teilweise Klageabweisung bezüglich des Freistellungsantrags. Der Termin gestellte Antrag ist nämlich auslegungsfähig, weil sich den Ausführungen des Klägers in der Klageschrift unter III. hinreichend deutlich entnehmen lässt, welche Ansprüche der Kläger meint, nämlich etwaige Ansprüche der GmbH auf Rückzahlung der erfolgten Vorabausschüttungen, wie sie nunmehr der Insolvenzverwalter geltend macht. Das Gericht hat daher den Antrag entsprechend ausgelegt und insoweit antragsgemäß erkannt.
IV.
Unbegründet ist allerdings der Klageantrag zu 4., mit dem der Kläger die zusätzliche Zahlung einer „Wertberichtigung“ begehrt. Wie den Ausführungen in der Klageschrift unter V. zu entnehmen ist, beansprucht der Kläger mit dieser Forderung letztlich einen Inflationsausgleich für den Wertverlust, den die mit der Klage geltend gemachte Hauptforderung von nominell 32.291,67 € in der Zeit von 2009 bis 2014 erlitten haben soll.
Ein Kaufkraftverlust wäre nämlich im Zweifel bei jeder anderen Geldanlage ebenso eingetreten, jedenfalls hat der Kläger nichts Gegenteiliges vorgetragen (vgl. hierzu OLG Frankfurt, Urteil vom 08.08.2014, 23 U 190/13, bei Juris, Rz. 39 – 41 m.w.N.). Für einen Kaufkraftverlust hat der Beklagte zumindest unter Schutzzweckgesichtspunkten daher nicht einzustehen. Das Risiko eines Wertverlustes hat der Kläger selbst zu tragen.
Zu einem konkret entgangenen Gewinn aus einer alternativen Kapitalanlage hat der Kläger nichts vorgetragen.
V.
Der Zinsanspruch begründet aus §§ 288 Abs. 1, 291 BGB. Der Kläger beansprucht Zinsen erst seit Rechtshängigkeit.
Als adäquaten Folgeschaden seines deliktischen Verhaltens hat der Beklagte dem Kläger auch die diesem entstandenen vorgerichtlichen Anwaltskosten zu erstatten, allerdings nur in Höhe von 1.590,91 € (1,3-Geschäftsgebühr aus einem Gegenstandswert von bis zu 40.000,00 € zzgl. Auslagenpauschale und MWSt.). Die geltend gemachte 1,9-Gebühr erscheint überhöht.
VI.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 Abs. 2 Nr. 1 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf § 709 ZPO.