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Sozialhilfe und Beihilfe zum Fernseherkauf

VERWALTUNGSGERICHT GÖTTINGEN

Az.: 2 A 2021/02

Urteil vom 06.08.2002


In der Verwaltungsrechtssache hat das Verwaltungsgericht Göttingen – 2. Kammer – auf die mündliche Verhandlung vom 6. August 2002 für Recht erkannt:

Der Beklagte wird verpflichtet, dem Kläger eine einmalige Beihilfe in Höhe von 15,34 € (30,- DM) zu zahlen. Soweit der fernmündliche Bescheid des Beklagten vom 24.11.1998 und der Widerspruchsbescheid des Niedersächsischen Landesamtes für Zentrale Soziale Aufgaben vom 11.12.2001 dem entgegenstehen, werden sie aufgehoben.

Der Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens; Gerichtskosten werden nicht erhoben.

Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar.

Der Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des gegen ihn festzusetzenden Kostenerstattungsbetrages abwenden, wenn nicht der Kläger zuvor Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Tatbestand:

Der Kläger erhält seit dem 02.01.1997 Hilfe zur Überwindung besonderer Schwierigkeiten gemäß § 72 BSHG. Er erhielt darüber hinaus für ein am 02.05.1997 erworbenes Radiogerät eine einmalige Beihilfe in Höhe von 24,99 DM.

Am 11.05.1998 beantragte der Kläger beim Beklagten die Gewährung einer einmaligen Beihilfe für die Anschaffung eines Fernsehgerätes. Daraufhin bewilligte der Beklagte dem Kläger fernmündlich am 24.11.1998 gemäß § 21 Abs. 1 a Nr. 6 BSHG eine einmalige Beihilfe in Höhe von 120,00 DM für den Kauf eines gebrauchten Fernsehgerätes.

Gegen diesen fernmündlichen Bescheid legte der Kläger am 30.11.1998 Widerspruch ein, da er die Beihilfe für zu niedrig hielt. Mit Schreiben vom 26.01.2000 an den Beklagten übersandte der Kläger eine Quittung für ein am 07.12.1999 gekauftes Fernsehgerät zu einem Preis von 299,00 DM. Der Kläger vertrat in dem Schreiben die Meinung, dies sei ein angemessener Preis für ein gebrauchtes Fernsehgerät.

Das Niedersächsische Landesamt für Zentrale Soziale Aufgaben wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 11.12.2001 zurück. Zur Begründung führte es aus, der Kläger habe nach § 21 Abs. 1 a Nr. 6 BSHG grundsätzlich einen Anspruch auf eine einmalige Beihilfe zum Erwerb eines gebrauchten Fernsehgerätes. Es sei nicht zu beanstanden, dass der Beklagte hierfür einen Höchstbetrag in Höhe von 150,00 DM zugrunde gelegt habe. In Flohmarktspalten von Tageszeitungen würden Fernsehgeräte oftmals sogar zu einem noch niedrigeren Preis angeboten und auch im Zuge von Haushaltsauflösungen äußerst günstig abgegeben. Darüber hinaus bewege sich dieser Betrag in dem Rahmen, in dem die Rechtsprechung bisher eine Beihilfe zur Beschaffung eines gebrauchten Fernsehgerätes zugesprochen habe. Von den 150,00 DM habe der Beklagte aber zu Recht die bereits 1997 gewährte Beihilfe für die Anschaffung eines Radiogerätes in Höhe von 24,99 DM in Abzug gebracht. Bei der Beihilfe für ein Radiogerät handele es sich um eine gleichgerichtete Leistung, durch die nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts die Beihilfe für das Fernsehgerät eingeschränkt werden könne.

Der Kläger hat am 18.01.2002 Klage erhoben.

Zur Begründung führt er aus, es sei ihm nicht möglich gewesen, ein günstigeres Fernsehgerät zu erwerben. Den Differenzbetrag zwischen dem Kaufpreis von 299,- DM und der bewilligten Beihilfe von 179,00 DM habe ihm eine Nachbarin geliehen. Nachdem er zunächst die Zahlung einer weiteren Beihilfe i.H.v. 91,52 € (179,- DM) beantragt hatte, beantragt er nunmehr, den mündlichen Bescheid des Beklagten vom 24.11.1998 und den Widerspruchsbescheid des Niedersächsischen Landesamtes für Zentrale Soziale Aufgaben vom 11.12.2001 aufzuheben und den Beklagten zu verpflichten, an den Kläger 15,34 € (30,00 DM) zu zahlen.

Der Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.

Zur Begründung bezieht er sich auf den Widerspruchsbescheid des Niedersächsischen Landesamtes für Zentrale Soziale Aufgaben vom 1112.2001.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Gerichtsakte und die Verwaltungsvorgänge des Beklagten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die Klage hat Erfolg.

Dem Kläger steht gemäß § 21 Abs. 1 a Nr. 6 BSHG gegenüber dem Beklagten ein Anspruch auf Gewährung einer weiteren Beihilfe in Höhe von 15,34 € (30,- DM) – und damit eine Beihilfe in Höhe von insgesamt 76,69 € (150,- DM) – für die Anschaffung eines gebrauchten Fernsehers zu.

Nicht zu beanstanden ist, dass der Beklagte die einmalige Beihilfe für die Anschaffung eines Fernsehgerätes der Höhe nach grundsätzlich auf 150,- DM begrenzt. Zu diesem Preis sind im Landkreis Göttingen gebrauchte Fernseher zu erwerben; mehr als die Kostenübernahme für ein gebrauchtes Fernsehgerät kann der Kläger im Rahmen des § 21 Abs. 1 a Nr. 6 i.V.m. § 12 Abs. 1 S. 2 BSHG nicht vom Beklagten verlangen.

Der Beklagte war aber nicht berechtigt, die Beihilfe im vorliegenden Fall zu kürzen, weil er dem Kläger im Jahr 1997 bereits eine einmalige Beihilfe in Höhe von 24,99 DM für den Erwerb eines Radiogerätes gewährt hatte. Dies folgt nicht aus dem vom Beklagten zitierten Urteil des BVerwG vom 18.12.1997 (5 C 7/95). Dort hatte das Bundesverwaltungsgericht die sozialhilferechtliche Notwendigkeit eines Fernsehgerätes grundsätzlich bejaht. Ein Fernsehgerät sei ein Gebrauchsgut zur Erfüllung von persönlichen Bedürfnissen des täglichen Lebens und gehöre zum Bedarf für den notwendigen Lebensunterhalt im Sinne von § 12 Abs. 1 BSHG, wenn es in vertretbarem Umfange den Beziehungen zur Umwelt und der Teilnahme am kulturellen Leben diene (§ 12 Abs. 1 S. 2 BSHG). Der Sozialhilfeträger müsse prüfen, ob der begehrte Gegenstand sozialhilferechtlich notwendig, hier ob das begehrte Fernsehgerät (in anderen Fällen das Radiogerät, das Fahrrad, das Gesellschaftsspiel) für Beziehungen zur Umwelt oder eine Teilnahme am kulturellen Leben in vertretbarem Umfange erforderlich sei. Da der konkrete Bedarf aus der Bedarfsgruppe der persönlichen Bedürfnisse des täglichen Lebens von den persönlichen Vorstellungen und Wünschen des Hilfeempfängers abhänge, könne die Notwendigkeitsprüfung gegenständlich für jeden Hilfeempfänger nur gesondert erfolgen. Dabei sei es dem Sozialhilfeträger verwehrt, die vom Hilfeempfänger gewählte Art und Weise der Beziehungen zur Umwelt und der Teilnahme am kulturellen Leben daraufhin zu prüfen, ob sie sinnvoll oder zweckmäßig seien. Vielmehr stehe dem Sozialhilfeträger nur eine Entscheidung über den vertretbaren Umfang, also in Bezug auf den vertretbaren finanziellen Aufwand zu.

Den vertretbaren finanziellen Aufwand für ein Fernsehgerät hat der Beklagte insofern beschränkt, als er die Beihilfe auf den Erwerb eines gebrauchten Fernsehers bis zu einer Höchstgrenze von 150,- DM begrenzt hat. Raum für weitere Beschränkungen sieht das Gericht nicht. Zwar heißt es in dem Urteil des BVerwG der Entscheidungsspielraum des Sozialhilfeträgers über den vertretbaren finanziellen Aufwand könne im Einzelfall bereits durch vorangegangene gleichgerichtete einmalige Leistungen eingeschränkt sei. Das BVerwG lässt jedoch offen, was unter solchen gleichgerichteten Leistungen zu verstehen ist. Aus dem Urteil geht nicht hervor, welche Fälle dem Bundesverwaltungsgericht vorschwebten. Nach Auffassung des Gerichts handelt es sich bei einmaligen Beihilfen für ein Radiogerät und ein Fernsehgerät jedenfalls nicht um gleichgerichtete Leistungen, da Fernseh- und Radiogeräte nicht den gleichen Zweck erfüllen. Der Fernseher ist ein akustisch-visuelles Medium zur Information, Bildung und Unterhaltung. Ein Radio dient zwar auch der Information, Bildung und Unterhaltung, aber ausschließlich auf akustischem Wege. Der Beklagte durfte deshalb die Beihilfe für das Fernsehgerät nicht um die im Jahr 1997 bewilligte Beihilfe für ein Radiogerät kürzen.

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 154 Abs. 1, 188 S. 2 VwGO; die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.

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