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Feuergefährliche Arbeiten – Anscheinsbeweis für Verursachung eines Brandschadens

Millionenschaden nach Baustellenbrand in Passau: Ein Flüssiggasbrenner und feuergefährliche Arbeiten wurden Handwerkern zum Verhängnis. Nun müssen sie für die Flammen auf der Baustelle geradestehen – so das Urteil.

Zum vorliegenden Urteil Az.: 9 U 2443/24 | Schlüsselerkenntnis | FAQ  | Glossar  | Kontakt

Das Wichtigste in Kürze

  • Gericht: OLG München
  • Datum: 04.02.2025
  • Aktenzeichen: 9 U 2443/24 Bau e
  • Verfahrensart: Berufungsurteil
  • Rechtsbereiche: Schadensersatzrecht, Versicherungsrecht, Baurecht

Beteiligte Parteien:

  • Kläger: Ein Gebäudeversicherer, der für seine Versicherungsnehmerin (eine Wohnungs- und Grundstücksgesellschaft) Schadensersatzansprüche wegen eines Brandschadens geltend macht.
  • Beklagte: Parteien (darunter ein für Abdichtungs- und Spenglerarbeiten beauftragtes Unternehmen), die für den Brandschaden verantwortlich gemacht werden.

Worum ging es in dem Fall?

  • Sachverhalt: In der Nacht vom 8. auf den 9. Juli 2020 brach auf der Baustelle einer neuen Wohnanlage in P. ein Feuer aus. Die Gebäude befanden sich im Bau (Fenster/Türen verbaut, verputzt, eingerüstet, aber noch ohne Strom- und Wasseranschluss). Die Klägerin ist die Versicherung der Bauherrin.
  • Kern des Rechtsstreits: Die Versicherung forderte von den Beklagten Ersatz für den Schaden, der durch das Feuer entstanden ist. Es ging darum, ob die Beklagten für diesen Brandschaden haften müssen.

Was wurde entschieden?

  • Entscheidung: Das Gericht stellte fest, dass die Beklagten gemeinsam verpflichtet sind, der Versicherung und der Bauherrin den gesamten Schaden zu ersetzen, der durch den Brand entstanden ist und möglicherweise noch entstehen wird. Das vorherige Urteil des Landgerichts Passau wurde damit abgeändert.
  • Folgen: Die Beklagten müssen den Brandschaden bezahlen und die gesamten Kosten des Rechtsstreits tragen. Das Urteil kann sofort vollstreckt werden; die Beklagten können dies aber vorläufig durch Hinterlegung einer Sicherheit verhindern, es sei denn, die Klägerin leistet ebenfalls Sicherheit. Eine Überprüfung des Urteils durch den Bundesgerichtshof (Revision) ist nicht erlaubt.

Der Fall vor Gericht


Brand auf Baustelle: OLG München sieht Haftung bei Handwerkern

Dachdecker Brandursache. Gasbrenner, Feuergefahr, Sicherheitsrisiko.
Haftung bei Brandschäden durch Handwerker | Symbolbild: KI-generiertes Bild

Ein nächtlicher Großbrand auf einer Baustelle in Passau führte zu einem komplexen Rechtsstreit. Das Oberlandesgericht (OLG) München hat nun entschieden, dass die ausführende Handwerksfirma und ihre Mitarbeiter für den Millionenschaden haften. Das Urteil vom 04.02.2025 (Az.: 9 U 2443/24 Bau e) hebt eine anderslautende Entscheidung der Vorinstanz auf und stützt sich maßgeblich auf die Grundsätze des Anscheinsbeweises.

Hintergrund des Rechtsstreits

In der Nacht vom 8. auf den 9. Juli 2020 brach auf dem Gelände einer im Bau befindlichen Wohnanlage in der R.-Straße in Passau ein Feuer aus. Der Brand verursachte erheblichen Schaden an dem Gebäudekomplex, der aus drei aneinandergebauten Abschnitten mit gemeinsamer Tiefgarage bestand. Die Gebäude waren bereits weit fortgeschritten, aber noch nicht an Strom und Wasser angeschlossen.

Die Klägerin ist die Gebäudeversicherung der Eigentümerin, der Wohnungs- und Grundstücksgesellschaft P. mbH. Sie hat bereits erhebliche Summen zur Schadensregulierung an ihre Versicherungsnehmerin geleistet und geht von einem Gesamtschaden von über 1,5 Millionen Euro aus. Sie fordert diesen Betrag nun von den Beklagten zurück.

Bei den Beklagten handelt es sich um ein Handwerksunternehmen (Beklagte zu 1)) sowie zwei seiner Mitarbeiter (Beklagte zu 2) und zu 3)). Die Firma war von der Eigentümerin mit Abdichtungs- und Spenglerarbeiten an der Wohnanlage beauftragt worden.

Feuergefährliche Arbeiten als Brandursache?

Am Tag vor dem Brand, dem 8. Juli 2020, führten die beiden beklagten Mitarbeiter Arbeiten an den Freisitzen eines Gebäudeteils durch. Diese Tätigkeiten beinhalteten das Aufbringen von Bitumenbahnen. Dabei erhitzte einer der Mitarbeiter die Unterseite der Bahnen mit einem Flüssiggasbrenner, während der andere die erhitzten Bahnen verlegte.

Die Tätigkeiten der Beklagten am Brandtag

Diese feuergefährlichen Arbeiten wurden laut Gerichtsakten zwischen 11:15 Uhr und 11:30 Uhr abgeschlossen. Die beiden Handwerker verließen die Baustelle gegen 14:00 Uhr. Den Flüssiggasbrenner ließen sie – wenn auch mit geschlossenem Ventil und Regler – auf dem Freisitz zurück, also in dem Bereich, in dem sie zuvor gearbeitet hatten.

Der Weg durch die Instanzen

Die Gebäudeversicherung machte die Ansprüche zunächst außergerichtlich bei der Haftpflichtversicherung der Handwerksfirma geltend, diese lehnte eine Haftung jedoch ab. Daraufhin reichte die Versicherung Klage beim Landgericht Passau ein.

Das Landgericht Passau (Az. 1 O 211/22) wies die Klage am 27. Juni 2024 ab. Die Richter dort sahen es als nicht ausreichend bewiesen an, dass die Arbeiten der Beklagten den Brand verursacht hatten. Zwar prüften sie die Anwendung eines Anscheinsbeweises, kamen aber zu dem Schluss, dieser sei erschüttert.

Zweifel an der alleinigen Ursache

Zur Begründung führte das Landgericht an, es bestehe die ernsthafte Möglichkeit einer alternativen Brandursache. Die Baustelle sei relativ frei zugänglich gewesen, etwa über das Baugerüst oder die Tiefgarage. Zeugen hatten zudem berichtet, dass sich wiederholt Jugendliche, besonders abends und nachts, auf dem Gelände aufgehalten hätten. Eine Brandstiftung durch Dritte sei daher nicht auszuschließen.

OLG München hebt Urteil auf: Anscheinsbeweis greift

Gegen das Urteil des Landgerichts legte die Gebäudeversicherung Berufung beim OLG München ein – mit Erfolg. Das OLG änderte die erstinstanzliche Entscheidung grundlegend ab und stellte die Haftung der Beklagten fest.

Die Entscheidung des Oberlandesgerichts

Das OLG München stellte fest, dass die Beklagten als Gesamtschuldner verpflichtet sind, der Klägerin und ihrer Versicherungsnehmerin den gesamten Schaden zu ersetzen, der durch den Brand entstanden ist und zukünftig noch entstehen wird. Gesamtschuldner bedeutet, dass die Versicherung die volle Schadenssumme von jedem der drei Beklagten (Firma und Mitarbeitern) fordern kann, diese intern aber einen Ausgleich untereinander vornehmen müssen.

Begründung: Nähe von Gefahr und Schaden entscheidend

Obwohl die genauen Urteilsgründe des OLG im vorliegenden Auszug nicht vollständig wiedergegeben sind, lässt sich die Entscheidung nachvollziehen. Das OLG sah offenbar die Voraussetzungen für einen Anscheinsbeweis als gegeben und nicht als widerlegt an. Ein Anscheinsbeweis erleichtert die Beweisführung, wenn ein bestimmter Geschehensablauf typischerweise auf eine bestimmte Ursache oder ein Verschulden hindeutet.

Bei feuergefährlichen Arbeiten, wie dem Hantieren mit einem Gasbrenner, ist bekannt, dass sie ein hohes Brandrisiko bergen. Wenn kurz nach solchen Arbeiten in unmittelbarer räumlicher Nähe ein Brand ausbricht, spricht nach allgemeiner Lebenserfahrung viel dafür, dass die Arbeiten die Ursache waren. Der enge zeitliche und räumliche Zusammenhang zwischen den Schweißarbeiten und dem Brand begründete hier offenbar den Anscheinsbeweis.

Alternative Brandursachen nicht konkret genug

Im Gegensatz zum Landgericht sah das OLG die bloße Möglichkeit einer Brandstiftung durch Dritte anscheinend nicht als ausreichend an, um diesen Anscheinsbeweis zu erschüttern. Dafür wären konkretere Anhaltspunkte erforderlich gewesen, die über die allgemeine Zugänglichkeit der Baustelle und die gelegentliche Anwesenheit von Jugendlichen hinausgehen. Die abstrakte Gefahr einer Brandstiftung besteht auf vielen Baustellen.

Das OLG betonte damit indirekt die hohe Sorgfaltspflicht, die bei feuergefährlichen Arbeiten einzuhalten ist. Dazu gehört nicht nur die sichere Ausführung der Arbeit selbst, sondern auch eine gründliche Kontrolle des Arbeitsbereichs nach Beendigung der Tätigkeit, um Glimmnester oder unbemerkte Brandherde auszuschließen. Das Zurücklassen des Brenners, selbst gesichert, könnte als Indiz gewertet worden sein.

Konsequenzen des Urteils

Die Konsequenz der OLG-Entscheidung ist, dass die beklagte Firma und ihre beiden Mitarbeiter nun für den Millionenschaden aufkommen müssen. Sie tragen zudem die gesamten Kosten des Rechtsstreits beider Instanzen.

Das Urteil ist Vorläufig vollstreckbar. Das bedeutet, die Klägerin kann die Zwangsvollstreckung betreiben, um ihre Forderungen durchzusetzen. Die Beklagten können dies nur abwenden, wenn sie eine hohe Sicherheitsleistung (110 % des vollstreckbaren Betrags) hinterlegen.

Eine Revision zum Bundesgerichtshof wurde vom OLG München nicht zugelassen. Damit ist das Urteil Rechtskräftig, sofern die Beklagten nicht erfolgreich Nichtzulassungsbeschwerde beim BGH einlegen.

Bedeutung für Betroffene

Dieses Urteil hat erhebliche praktische Bedeutung für verschiedene Akteure im Baubereich.

Was bedeutet das Urteil für Bauherren und Versicherer?

Für Bauherren und deren Gebäudeversicherer stärkt das Urteil die Position in Fällen, in denen nach feuergefährlichen Arbeiten ein Brand ausbricht. Der Anscheinsbeweis erleichtert die Durchsetzung von Schadensersatzansprüchen gegen die ausführenden Handwerksbetriebe erheblich. Es muss nicht mehr jede alternative, rein theoretische Brandursache aufwendig widerlegt werden.

Versicherer, die wie die Klägerin in Vorleistung getreten sind, können ihre Regressansprüche gegen die Verursacher leichter durchsetzen. Dies kann dazu beitragen, die Schadenslast für die Versichertengemeinschaft und damit potenziell auch die Prämien stabil zu halten.

Signalwirkung für Handwerksbetriebe und deren Mitarbeiter

Für Handwerksbetriebe, insbesondere solche, die regelmäßig Schweiß-, Löt-, Trenn- oder andere Heißarbeiten durchführen, unterstreicht das Urteil die enormen Haftungsrisiken. Es mahnt zu äußerster Sorgfalt bei der Durchführung solcher Arbeiten und insbesondere bei der Nachkontrolle des Arbeitsbereichs.

Das Urteil zeigt, dass auch ohne direkten Augenzeugenbeweis für den Zündvorgang eine Haftung begründet sein kann, wenn der Ablauf typisch für eine Brandentstehung durch die Arbeiten ist. Die bloße Behauptung, Dritte könnten den Brand gelegt haben, reicht zur Entlastung nicht aus, wenn keine konkreten Beweise vorliegen.

Mitarbeiter haften neben dem Arbeitgeber persönlich als Gesamtschuldner, was existenzbedrohend sein kann. Die Bedeutung von klaren Sicherheitsvorschriften, Schulungen und deren konsequenter Einhaltung wird durch dieses Urteil nochmals unterstrichen. Eine gute Betriebshaftpflichtversicherung ist für solche Betriebe unerlässlich.


Die Schlüsselerkenntnisse

Das Urteil zeigt, dass bei feuergefährlichen Arbeiten auf Baustellen das unbeaufsichtigte Zurücklassen von Geräten wie Gasbrennern haftungsrechtliche Folgen haben kann, selbst wenn ein Sicherheitsdienst die Baustelle bewacht. Ein Anscheinsbeweis für die Brandverursachung durch den zurückgelassenen Gasbrenner wurde angenommen, wobei die theoretische Möglichkeit einer Fremdeinwirkung diesen nicht entkräften konnte. Die Entscheidung verdeutlicht die hohe Sorgfaltspflicht bei feuergefährlichen Arbeiten und die Verantwortung, gefährliche Werkzeuge nach Arbeitsende sicher zu verwahren.

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Haftung für Brandschäden auf der Baustelle?

Werden auf Baustellen feuergefährliche Arbeiten durchgeführt, besteht stets ein erhöhtes Risiko von Brandschäden. Die Haftungsfrage ist oft komplex, insbesondere wenn die Brandursache unklar ist und Dritte Zugang zur Baustelle hatten. In solchen Fällen kann die Beweisführung schwierig sein und die Durchsetzung von Schadensersatzansprüchen erheblich erschweren.

Unsere Kanzlei unterstützt Sie bei der juristischen Bewertung Ihres individuellen Falls und der Durchsetzung Ihrer Ansprüche. Wir analysieren die Sachlage, prüfen die Erfolgsaussichten und vertreten Ihre Interessen gegenüber Versicherungen und anderen Beteiligten – sachkundig und engagiert.

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FAQ - Häufig gestellte Fragen zum Thema

Häufig gestellte Fragen (FAQ)

Welche Sorgfaltspflichten haben Handwerker bei feuergefährlichen Arbeiten?

Handwerker müssen bei allen Arbeiten, insbesondere bei solchen mit Brandgefahr (wie Schweißen, Löten, Trennschleifen oder Arbeiten mit offener Flamme), besondere Vorsicht walten lassen, um Schäden zu vermeiden. Diese Pflicht zur Sorgfalt ergibt sich aus dem Vertrag mit Ihnen und aus allgemeinen gesetzlichen Vorgaben.

Grundlegende Verantwortung des Handwerkers

Ein Handwerker ist verpflichtet, seine Arbeit fachgerecht und sicher auszuführen. Das bedeutet konkret bei feuergefährlichen Arbeiten:

  • Gefahren erkennen und bewerten: Der Handwerker muss vor Beginn der Arbeiten prüfen, welche Brandrisiken an Ihrem Objekt bestehen. Er muss die Umgebung genau anschauen und mögliche Gefahrenquellen identifizieren.
  • Anerkannte Sicherheitsstandards einhalten: Er muss sich an die üblichen und bewährten Vorgehensweisen und Sicherheitsstandards im Handwerk halten. Das sind zum Beispiel technische Regeln oder Unfallverhütungsvorschriften (wie die der Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung – DGUV), die festlegen, wie solche Arbeiten sicher durchgeführt werden.

Konkrete Schutzmaßnahmen bei Feuergefahr

Um Brände zu verhindern, muss der Handwerker geeignete Schutzmaßnahmen ergreifen. Dazu gehören typischerweise:

  • Arbeitsbereich sichern: Alle brennbaren Materialien (wie Holz, Papier, Textilien, Dämmstoffe) müssen ausreichend weit entfernt werden. Ist das nicht möglich, müssen sie sicher abgedeckt werden, zum Beispiel mit speziellen Brandschutzdecken oder nicht brennbaren Platten.
  • Umgebung schützen: Öffnungen, Fugen oder Ritzen in Wänden und Decken müssen abgedichtet werden, damit keine Funken oder Hitze in andere Bereiche (z.B. Hohlräume, Dachböden, Nachbarräume) gelangen können. Stellen Sie sich vor, Funkenflug durch eine kleine Ritze könnte einen Schwelbrand im Dämmmaterial auslösen.
  • Geeignete Löschmittel bereithalten: Für den Notfall müssen passende Feuerlöscher oder andere Löschmittel (wie Wasser oder Sand) direkt am Arbeitsplatz griffbereit sein.
  • Arbeiten überwachen: Während der feuergefährlichen Arbeiten muss der Bereich beaufsichtigt werden. Je nach Risiko kann auch eine ständige Brandwache durch eine zweite Person erforderlich sein.
  • Nachkontrolle durchführen: Auch nach Abschluss der Arbeiten ist Vorsicht geboten. Der Handwerker muss den Arbeitsbereich und die angrenzenden Bereiche sorgfältig kontrollieren, um sicherzustellen, dass keine unbemerkten Glutnester entstanden sind (sogenannte Brandnachschau). Diese Kontrolle muss je nach Risiko auch noch einige Zeit nach Arbeitsende wiederholt werden.

Qualifikation und Absprachen

Der Handwerker darf für feuergefährliche Tätigkeiten nur Personal einsetzen, das dafür ausreichend unterwiesen und qualifiziert ist. Oft ist es auch notwendig, dass der Handwerker vor Beginn solcher Arbeiten eine schriftliche Erlaubnis einholt (z.B. einen „Erlaubnisschein für feuergefährliche Arbeiten“ oder „Heißarbeiten“), besonders in gewerblichen Objekten oder wenn dies vertraglich oder durch den Auftraggeber gefordert wird. Eine klare Absprache mit Ihnen als Auftraggeber über die geplanten Arbeiten und Sicherheitsvorkehrungen ist ebenfalls Teil seiner Pflichten.

Verletzt ein Handwerker diese Sorgfaltspflichten fahrlässig und entsteht dadurch ein Brand, kann er für den entstandenen Schaden haftbar sein. Die genauen Anforderungen an die Sorgfalt hängen immer von den konkreten Umständen der Arbeit und der Umgebung ab.


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Was bedeutet „Anscheinsbeweis“ im Zusammenhang mit Brandschäden und Handwerkerarbeiten?

Der Anscheinsbeweis ist eine Methode, die Gerichten die Beweisführung in bestimmten Situationen erleichtert. Normalerweise muss die Person, die einen Anspruch geltend macht (zum Beispiel auf Schadensersatz), alle dafür notwendigen Tatsachen voll beweisen. Beim Anscheinsbeweis genügt es unter bestimmten Umständen, einen typischen Geschehensablauf nachzuweisen, der nach allgemeiner Lebenserfahrung auf eine bestimmte Ursache oder ein bestimmtes Verschulden schließen lässt.

Wie funktioniert der Anscheinsbeweis bei Brandschäden durch Handwerker?

Stellen Sie sich vor, ein Handwerker führt in einem Gebäude feuergefährliche Arbeiten durch, zum Beispiel Schweiß- oder Lötarbeiten. Kurze Zeit später bricht genau in diesem Bereich ein Feuer aus. Hier kann der Anscheinsbeweis relevant werden.

Wenn ein enger zeitlicher und räumlicher Zusammenhang zwischen den feuergefährlichen Arbeiten und dem Brandausbruch besteht, spricht nach der allgemeinen Lebenserfahrung vieles dafür, dass die Arbeiten den Brand verursacht haben. Man geht also aufgrund des typischen Ablaufs davon aus, dass der Handwerker den Brand verursacht hat, auch wenn niemand direkt gesehen hat, wie der Funke übergesprungen ist.

Welche Voraussetzungen müssen erfüllt sein?

Damit ein Gericht den Anscheinsbeweis anwenden kann, müssen bestimmte Voraussetzungen gegeben sein:

  1. Es muss ein Sachverhalt feststehen, der nach der allgemeinen Lebenserfahrung typischerweise auf eine bestimmte Ursache oder ein Verschulden hindeutet (z.B. Brand nach Schweißarbeiten).
  2. Dieser typische Ablauf muss gerade den Schluss auf den konkret zu beweisenden Umstand zulassen (also dass diese Arbeiten diesen Brand verursacht haben).
  3. Es dürfen keine ernsthaften Zweifel an diesem typischen Ablauf bestehen. Das bedeutet, es dürfen keine anderen Umstände bekannt sein, die ebenfalls als ernsthafte Brandursache in Betracht kommen könnten.

Was bedeutet der Anscheinsbeweis für die Beweislast?

Normalerweise trägt der Geschädigte (z.B. der Hauseigentümer) die volle Beweislast. Er müsste also nachweisen, dass der Handwerker den Brand pflichtwidrig verursacht hat.

Greift jedoch der Anscheinsbeweis, kommt es zu einer Beweiserleichterung für den Geschädigten: Es wird zunächst vermutet, dass der Handwerker den Brand verursacht hat. Die Beweislast kehrt sich gewissermaßen um.

Nun liegt es am Handwerker (oder dessen Versicherung), diesen Anschein zu erschüttern. Er muss also Tatsachen vortragen und gegebenenfalls beweisen, die die ernsthafte Möglichkeit eines anderen, atypischen Geschehensablaufs nahelegen. Gelingt ihm das, entfällt der Anscheinsbeweis, und der Geschädigte muss wieder den vollen Beweis erbringen. Gelingt es ihm nicht, bleibt die Vermutung bestehen, dass er den Brand verursacht hat.


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Wie können sich Handwerker gegen eine Haftung bei Brandschäden absichern?

Handwerker können für Brandschäden haften, die durch ihre Arbeiten verursacht werden. Um dieses Risiko zu minimieren und sich gegen Haftungsansprüche abzusichern, sind verschiedene Maßnahmen wichtig. Diese umfassen sowohl vorbeugende organisatorische Schritte als auch eine passende Versicherung.

Sorgfalt und Sicherheit bei der Arbeit

Die wichtigste Absicherung ist die Vermeidung von Bränden durch sorgfältiges Arbeiten. Das bedeutet konkret:

  • Einhaltung von Sicherheitsstandards: Arbeiten Sie immer nach den anerkannten Regeln der Technik und den geltenden Sicherheitsvorschriften, insbesondere bei brandgefährlichen Tätigkeiten wie Schweißen, Löten oder Trennschleifen.
  • Vorbereitung des Arbeitsplatzes: Sorgen Sie für einen sauberen und sicheren Arbeitsbereich. Entfernen Sie brennbare Materialien oder decken Sie diese sorgfältig ab. Halten Sie geeignete Löschmittel (z.B. Feuerlöscher, Löschdecke) griffbereit.
  • Einholung von Erlaubnissen: Bei bestimmten „Heißarbeiten“ kann eine schriftliche Erlaubnis des Auftraggebers oder eine interne Freigabe erforderlich sein (oft „Feuererlaubnisschein“ genannt). Klären Sie dies im Vorfeld ab.
  • Mitarbeiterschulung: Stellen Sie sicher, dass Ihre Mitarbeiter regelmäßig geschult werden – sowohl im sicheren Umgang mit den verwendeten Werkzeugen und Materialien als auch in Bezug auf Brandschutzmaßnahmen und das Verhalten im Brandfall.
  • Nachkontrolle: Kontrollieren Sie den Arbeitsbereich nach Abschluss der Arbeiten und auch einige Zeit später auf mögliche Glutnester oder versteckte Brandherde.

Die gewissenhafte Einhaltung dieser Sorgfaltspflichten ist entscheidend, da eine Haftung oft dann eintritt, wenn nachweislich fahrlässig gehandelt wurde, also die erforderliche Sorgfalt nicht beachtet wurde.

Versicherungsschutz: Die Betriebshaftpflichtversicherung

Eine Betriebshaftpflichtversicherung ist für Handwerksbetriebe unerlässlich. Sie tritt grundsätzlich dann ein, wenn Ihr Betrieb oder Ihre Mitarbeiter einem Dritten (z.B. dem Kunden) einen Schaden zufügen und Sie dafür verantwortlich sind. Bei Brandschäden ist dabei besonders wichtig:

  • Ausreichende Deckungssumme: Brandschäden können sehr teuer werden und schnell Millionensummen erreichen. Achten Sie darauf, dass die Versicherungssumme hoch genug ist, um auch große Schäden an Gebäuden, Inventar oder sogar Personenschäden abzudecken. Prüfen Sie die vereinbarte Summe regelmäßig und passen Sie sie gegebenenfalls an.
  • Einschluss relevanter Risiken: Stellen Sie sicher, dass Ihre Versicherungspolice Schäden durch brandgefährliche Tätigkeiten (sogenannte Heißarbeiten) ausdrücklich einschließt. Lesen Sie die Versicherungsbedingungen genau durch, um eventuelle Ausschlüsse oder besondere Obliegenheiten (Pflichten, die Sie als Versicherungsnehmer erfüllen müssen, z.B. Einhaltung bestimmter Sicherheitsvorschriften) zu kennen. Werden diese Obliegenheiten verletzt, kann der Versicherungsschutz gefährdet sein.

Eine gute Betriebshaftpflichtversicherung prüft im Schadensfall für Sie, ob die gegen Sie gerichteten Ansprüche berechtigt sind. Sie wehrt unberechtigte Forderungen ab (passiver Rechtsschutz) und bezahlt berechtigte Ansprüche bis zur Höhe der vereinbarten Deckungssumme.

Dokumentation als Nachweis

Dokumentieren Sie die durchgeführten Sicherheitsmaßnahmen, insbesondere bei risikoreichen Arbeiten. Dazu können Fotos vom gesicherten Arbeitsbereich, schriftliche Einweisungen der Mitarbeiter oder die Dokumentation der eingeholten Feuererlaubnis gehören. Diese Nachweise können im Streitfall sehr wertvoll sein, um zu belegen, dass Sie und Ihre Mitarbeiter die gebotene Sorgfalt haben walten lassen.


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Welche Rolle spielt eine alternative Brandursache bei der Haftung von Handwerkern?

Eine alternative Brandursache spielt eine zentrale Rolle bei der Frage, ob ein Handwerker für einen Brandschaden haftet. Wenn nach Arbeiten eines Handwerkers ein Brand ausbricht, liegt oft der Verdacht nahe, dass die Arbeiten die Ursache waren. Juristisch spricht man hier unter Umständen von einem Anscheinsbeweis. Kann jedoch eine andere, ebenso plausible Ursache für den Brand ernsthaft in Betracht gezogen werden, kann dies diesen Anscheinsbeweis erschüttern und die Haftung des Handwerkers entfallen lassen.

Der Anscheinsbeweis – Was bedeutet das?

Normalerweise muss derjenige, der Schadensersatz fordert (also der Geschädigte), beweisen, dass der Handwerker den Schaden verursacht hat und dafür verantwortlich ist. Das kann bei Bränden schwierig sein, da die Ursache oft nicht eindeutig feststellbar ist.

Der Anscheinsbeweis ist hier eine Beweiserleichterung: Wenn ein bestimmter Geschehensablauf typischerweise auf eine bestimmte Ursache oder ein bestimmtes Verschulden hindeutet, wird zunächst davon ausgegangen, dass diese Ursache bzw. dieses Verschulden vorliegt.

  • Beispiel: Ein Elektriker führt Arbeiten an der Hauselektrik durch. Kurz darauf bricht in genau diesem Bereich ein Feuer aus. Hier spricht der erste Anschein dafür, dass die Arbeiten des Elektrikers brandursächlich waren, weil dies ein typischer Ablauf ist, wenn bei solchen Arbeiten Fehler passieren. Der Geschädigte muss dann nicht mehr im Detail nachweisen, welchen konkreten Fehler der Handwerker gemacht hat.

Wie kann eine alternative Brandursache den Anscheinsbeweis erschüttern?

Der Anscheinsbeweis greift nur, wenn der Geschehensablauf wirklich typisch ist und keine anderen ernsthaften Ursachen infrage kommen. Gelingt es dem Handwerker (oder seiner Versicherung) darzulegen, dass eine andere Ursache für den Brand ebenso ernsthaft möglich ist, wird der Anscheinsbeweis erschüttert.

  • Wichtig ist: Es muss sich um eine konkrete und plausible alternative Ursache handeln. Reine Spekulationen oder sehr unwahrscheinliche Szenarien reichen in der Regel nicht aus.
  • Beispiel: Der Handwerker weist nach, dass zum Brandzeitpunkt ein schweres Gewitter mit Blitzschlaggefahr herrschte oder dass ein altes, nicht von ihm bearbeitetes Elektrogerät im Brandbereich einen bekannten Defekt hatte, der ebenfalls typischerweise Brände auslösen kann.

Wird eine solche ernsthafte alternative Möglichkeit aufgezeigt, ist der Geschehensablauf nicht mehr typisch für ein Verschulden des Handwerkers. Die Beweiserleichterung des Anscheinsbeweises entfällt.

Anforderungen an den Beweis einer alternativen Brandursache

Der Handwerker muss die alternative Brandursache nicht voll beweisen. Er muss aber Tatsachen vortragen, aus denen sich die ernsthafte Möglichkeit einer anderen Ursache ergibt.

  • Das bedeutet, er muss mehr tun, als nur vage Vermutungen anzustellen. Er muss konkrete Anhaltspunkte liefern, warum eine andere Ursache (z.B. ein technischer Defekt eines anderen Geräts, Brandstiftung durch Dritte, ein Naturereignis) plausibel ist.
  • Ob diese Anhaltspunkte ausreichen, um den Anscheinsbeweis zu erschüttern, prüft das Gericht im Einzelfall.

Wenn der Anscheinsbeweis erfolgreich erschüttert wurde, liegt die volle Beweislast wieder beim Geschädigten. Dieser muss dann konkret nachweisen, dass саме die Arbeiten des Handwerkers den Brand verursacht haben, was oft sehr schwierig ist.

Die Frage nach alternativen Brandursachen ist daher ein entscheidender Punkt in Gerichtsverfahren um Brandschäden nach Handwerkerarbeiten.


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Was kann ich als Bauherr oder Eigentümer tun, um mich vor Brandschäden durch Handwerker zu schützen?

Als Bauherr oder Eigentümer haben Sie verschiedene Möglichkeiten, aktiv dazu beizutragen, das Risiko von Brandschäden durch Handwerkerarbeiten zu verringern. Vorausschauendes Handeln und klare Absprachen sind hierbei entscheidend.

Sorgfältige Auswahl und klare Absprachen

Die Auswahl eines qualifizierten und zuverlässigen Handwerksbetriebs ist ein erster wichtiger Schritt. Achten Sie auf Referenzen, nachweisbare Qualifikationen (wie z.B. einen Meisterbrief) und Erfahrung, insbesondere wenn feuergefährliche Arbeiten wie Schweißen, Löten oder Trennschleifen anstehen.

Halten Sie alle Vereinbarungen schriftlich im Vertrag fest. Dies betrifft nicht nur die auszuführenden Arbeiten selbst, sondern auch konkrete Sicherheitsvorkehrungen. Legen Sie fest, welche Schutzmaßnahmen der Handwerker bei bestimmten Tätigkeiten zu ergreifen hat. Dazu gehört beispielsweise das Abdecken brennbarer Materialien, das Freihalten von Fluchtwegen oder die Einhaltung spezifischer Brandschutzvorschriften.

Versicherungsschutz prüfen

Ein wichtiger Punkt ist der Versicherungsschutz des Handwerkers. Fragen Sie gezielt nach einer Betriebshaftpflichtversicherung und lassen Sie sich deren Bestehen nachweisen, zum Beispiel durch eine Kopie der Versicherungspolice oder eine Bestätigung des Versicherers. Achten Sie darauf, dass die Deckungssumme ausreichend hoch ist, um auch größere Schäden, wie sie bei einem Brand entstehen können, abzudecken. Prüfen Sie, ob die Versicherung auch sogenannte Tätigkeitsschäden, also Schäden, die direkt durch die Arbeit des Handwerkers entstehen, einschließt.

Während der Bauphase aufmerksam sein

Informieren Sie den Handwerker vor Beginn der Arbeiten über besondere Gegebenheiten oder Gefahrenquellen auf Ihrer Baustelle oder in Ihrem Gebäude (z.B. den Verlauf von Leitungen, die Lagerung brennbarer Stoffe).

Achten Sie während der Ausführung der Arbeiten darauf, ob die vereinbarten Sicherheitsmaßnahmen eingehalten werden. Werden feuergefährliche Arbeiten durchgeführt, sollten Sie überprüfen, ob beispielsweise Löschmittel bereitstehen und empfindliche Bereiche ausreichend geschützt sind. Bei besonders risikoreichen Arbeiten wie Schweißarbeiten kann die Anwesenheit einer Brandwache sinnvoll sein, die auch nach Beendigung der Arbeiten noch für eine gewisse Zeit die Arbeitsstelle kontrolliert.

Eine laufende Dokumentation der durchgeführten Arbeiten und der getroffenen Sicherheitsvorkehrungen, zum Beispiel durch Fotos oder Einträge in ein Bautagebuch, kann im Schadensfall hilfreich sein.

Durch diese Maßnahmen können Sie als Bauherr oder Eigentümer einen wesentlichen Beitrag zur Prävention von Brandschäden leisten und Ihre Eigenverantwortung wahrnehmen.


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Hinweis: Bitte beachten Sie, dass die Beantwortung der FAQ Fragen keine individuelle Rechtsberatung ersetzen kann. Haben Sie konkrete Fragen oder Anliegen? Zögern Sie nicht, uns zu kontaktieren – wir beraten Sie gerne.


Glossar - Juristische Fachbegriffe kurz und knapp einfach erklärt

Glossar


Juristische Fachbegriffe kurz erklärt

Anscheinsbeweis

Der Anscheinsbeweis ist eine Beweiserleichterung im Zivilprozess. Er kommt zur Anwendung, wenn ein bestimmter Sachverhalt nach der allgemeinen Lebenserfahrung typischerweise auf eine bestimmte Ursache oder ein bestimmtes Verschulden schließen lässt. Liegen die Voraussetzungen vor, wird vermutet, dass der typische Geschehensablauf auch im konkreten Fall gegeben war, ohne dass der Kläger den vollen Beweis erbringen muss. Im vorliegenden Fall deutet der enge zeitliche und räumliche Zusammenhang zwischen den feuergefährlichen Arbeiten und dem Brandausbruch typischerweise darauf hin, dass die Arbeiten den Brand verursacht haben. Der Beklagte kann diesen Anscheinsbeweis jedoch erschüttern, indem er konkrete Tatsachen vorträgt und beweist, die einen anderen Geschehensablauf ernsthaft möglich erscheinen lassen (wie hier erfolglos versucht wurde mit dem Hinweis auf Brandstiftung durch Dritte).


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Gesamtschuldner

Gesamtschuldner liegen vor, wenn mehrere Personen verpflichtet sind, dieselbe Leistung zu erbringen, der Gläubiger (hier die Versicherung) die Leistung aber insgesamt nur einmal fordern darf. Der Gläubiger kann nach seinem Belieben auswählen, von welchem Schuldner er die gesamte Leistung (hier den vollen Schadensersatz von 1,5 Mio. Euro) verlangt, wie in § 421 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) geregelt. Hat einer der Gesamtschuldner (z.B. die Handwerksfirma) die gesamte Summe bezahlt, kann er von den anderen Gesamtschuldnern (den Mitarbeitern) intern einen Ausgleich verlangen (sog. Regress nach § 426 BGB), meist entsprechend ihrer jeweiligen Verantwortungsanteile.

Beispiel: Leihen sich drei Freunde gemeinsam 300 Euro von Anna und vereinbaren Gesamthaftung, kann Anna von jedem der drei Freunde die vollen 300 Euro fordern (aber insgesamt nur 300 Euro erhalten). Zahlt Freund 1 die 300 Euro an Anna, kann er sich anschließend jeweils 100 Euro von Freund 2 und Freund 3 zurückholen.


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Sorgfaltspflicht

Die Sorgfaltspflicht bezeichnet die rechtliche Verpflichtung, sich so aufmerksam und vorsichtig zu verhalten, dass Schäden bei anderen vermieden werden. Der Maßstab ist dabei gemäß § 276 Abs. 2 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) die „im Verkehr erforderliche Sorgfalt“, also das Maß an Umsicht, das von einem durchschnittlichen, besonnenen Angehörigen des jeweiligen Verkehrskreises (z. B. Handwerker) in der konkreten Situation erwartet werden kann. Bei Tätigkeiten, die bekanntermaßen gefährlich sind, wie die hier durchgeführten feuergefährlichen Arbeiten mit einem Flüssiggasbrenner, gelten erhöhte Sorgfaltspflichten. Eine Verletzung dieser Pflichten kann zur Haftung für entstandene Schäden führen, wenn sie fahrlässig geschieht.


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Vorläufig vollstreckbar

Ein Urteil ist vorläufig vollstreckbar, wenn der Gewinner des Prozesses (Gläubiger) die Zwangsvollstreckung betreiben kann, obwohl das Urteil noch nicht rechtskräftig ist (z.B. weil noch Rechtsmittel möglich sind oder eingelegt wurden). Dies ist in der Zivilprozessordnung (ZPO), insbesondere in §§ 708 ff., geregelt. Die vorläufige Vollstreckbarkeit ermöglicht dem Gläubiger (hier der Versicherung), seine titulierten Ansprüche (z.B. Geldforderungen) durchzusetzen, etwa durch Pfändung. Der Verlierer (Schuldner, hier die Beklagten) kann diese Zwangsvollstreckung oft nur abwenden, wenn er eine Sicherheitsleistung (z.B. Geld oder Bürgschaft) hinterlegt, wie im Text erwähnt (110 % des vollstreckbaren Betrags).


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Rechtskräftig

Ein Urteil ist rechtskräftig, wenn es mit ordentlichen Rechtsmitteln (wie Berufung oder Revision) nicht mehr angefochten werden kann. Dies tritt in der Regel ein, wenn die Frist für die Einlegung eines Rechtsmittels abgelaufen ist, kein Rechtsmittel gegeben ist oder über das letzte mögliche Rechtsmittel entschieden wurde. Ein rechtskräftiges Urteil ist für die Parteien und Gerichte bindend und klärt den Streitgegenstand endgültig (materielle Rechtskraft). Im vorliegenden Fall hat das OLG die Revision nicht zugelassen, daher wird das Urteil rechtskräftig, wenn die Beklagten nicht erfolgreich eine Nichtzulassungsbeschwerde beim Bundesgerichtshof einlegen.


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Anspruch

Ein Anspruch ist das Recht, von einer anderen Person ein bestimmtes Tun oder Unterlassen zu verlangen, definiert in § 194 Abs. 1 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB). Wer einen Anspruch hat (der Gläubiger), kann diesen gerichtlich durchsetzen, wenn der Verpflichtete (der Schuldner) ihn nicht freiwillig erfüllt. Im Text hat die Klägerin (die Versicherung) einen Anspruch auf Schadensersatz gegen die Beklagten (Handwerksfirma und Mitarbeiter), weil sie der Meinung ist, dass diese den Brand und damit den Schaden schuldhaft verursacht haben. Dieser Anspruch ergibt sich aus dem Gesetz (z.B. aus § 823 BGB wegen unerlaubter Handlung).

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Wichtige Rechtsgrundlagen


  • § 823 Abs. 1 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB): Diese Norm regelt den Schadensersatzanspruch bei Verletzung von Rechtsgütern wie Eigentum durch unerlaubte Handlung. Wer widerrechtlich und schuldhaft das Eigentum eines anderen beschädigt, ist zum Ersatz des daraus entstehenden Schadens verpflichtet. | Bedeutung im vorliegenden Fall: Die Klägerin macht einen Schadensersatzanspruch geltend, da das Gebäude ihrer Versicherungsnehmerin durch ein Feuer beschädigt wurde. Es wird geprüft, ob die Beklagten durch ihr Handeln den Brand fahrlässig verursacht und somit das Eigentum der Versicherungsnehmerin widerrechtlich beschädigt haben.
  • Anscheinsbeweis: Der Anscheinsbeweis ist eine Beweiserleichterung im Zivilprozess, bei der aus einer typischen Tatsachenlage auf eine bestimmte Ursache oder einen bestimmten Geschehensablauf geschlossen wird. Wenn bestimmte Umstände typischerweise auf eine bestimmte Ursache hindeuten, kann das Gericht diese Ursache als bewiesen ansehen, sofern der Gegner den Anschein nicht erschüttert. | Bedeutung im vorliegenden Fall: Das Gericht erster Instanz prüfte, ob ein Anscheinsbeweis dafür spricht, dass die Arbeiten der Beklagten mit dem Gasbrenner den Brand verursacht haben, da die Arbeiten kurz vor Brandausbruch stattfanden. Die Frage ist, ob dieser Anschein durch andere Umstände entkräftet wurde.
  • § 831 Abs. 1 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) (Haftung für Verrichtungsgehilfen): Diese Vorschrift regelt die Haftung des Geschäftsherrn für Schäden, die ein Verrichtungsgehilfe in Ausführung der Verrichtung einem Dritten widerrechtlich zufügt. Der Geschäftsherr kann sich von der Haftung befreien, wenn er bei der Auswahl und Überwachung des Verrichtungsgehilfen die erforderliche Sorgfalt beachtet hat. | Bedeutung im vorliegenden Fall: Die Beklagte zu 1) ist als Arbeitgeberin der Beklagten zu 2) und 3) grundsätzlich für deren Handlungen im Rahmen ihrer Tätigkeit haftbar. Sollten die Beklagten zu 2) und 3) den Brand fahrlässig verursacht haben, haftet auch die Beklagte zu 1), es sei denn, sie kann sich exkulpieren.
  • Beweislast im Zivilprozess, insbesondere § 286 Zivilprozessordnung (ZPO): Im Zivilprozess trägt grundsätzlich jede Partei die Beweislast für die Tatsachen, die ihren Anspruch oder ihre Einwendungen begründen. § 286 ZPO bestimmt, dass das Gericht unter Berücksichtigung des gesamten Inhalts der Verhandlungen und des Ergebnisses einer Beweisaufnahme nach freier Überzeugung entscheiden muss, ob eine Tatsachenbehauptung für wahr zu erachten ist. | Bedeutung im vorliegenden Fall: Die Klägerin als Gebäudeversicherer, der Schadensersatzansprüche geltend macht, trägt die Beweislast dafür, dass die Beklagten den Brand verursacht haben. Das Gericht muss auf Basis der vorgelegten Beweise, wie Zeugenaussagen und Sachverständigengutachten, entscheiden, ob es von der Verursachung durch die Beklagten überzeugt ist.

Hinweise und Tipps

Praxistipps für Handwerker und Bauunternehmer bei feuergefährlichen Arbeiten auf Baustellen

Arbeiten mit offener Flamme, Schweißen, Trennschleifen oder der Einsatz von Gasbrennern gehören auf vielen Baustellen zum Alltag. Schnell ist dabei ein Funke übergesprungen oder Hitze hat brennbares Material entzündet. Die Folgen können verheerend sein, wie ein Millionenschaden nach einem Baustellenbrand zeigt, für den die verantwortlichen Handwerker haften mussten.

Hinweis: Diese Praxistipps stellen keine Rechtsberatung dar. Sie ersetzen keine individuelle Prüfung durch eine qualifizierte Kanzlei. Jeder Einzelfall kann Besonderheiten aufweisen, die eine abweichende Einschätzung erfordern.


Tipp 1: Risiken erkennen und einstufen
Identifizieren Sie alle Arbeiten, die eine Brandgefahr darstellen (z.B. Schweißen, Löten, Trennen, Flämmen, Heißkleben, Arbeiten mit Gasbrennern). Beurteilen Sie das Risiko anhand der Umgebung: Gibt es brennbare Materialien, enge Räume, Wind oder Zugluft? Unterschätzen Sie niemals die Gefahr, die von solchen „heißen Arbeiten“ ausgeht.

⚠️ ACHTUNG: Auch scheinbar harmlose Tätigkeiten wie das Erhitzen von Bitumenbahnen mit einem Flüssiggasbrenner können bei unsachgemäßer Ausführung zu Großbränden führen.


Tipp 2: Schriftliche Erlaubnis einholen (Feuererlaubnisschein)
Führen Sie feuergefährliche Arbeiten niemals ohne ausdrückliche, schriftliche Genehmigung des Auftraggebers oder des verantwortlichen Bauleiters durch. Ein sogenannter Feuererlaubnisschein (oder Heißarbeitserlaubnis) sollte die genauen Arbeiten, den Ort, die Zeit und die zwingend erforderlichen Sicherheitsmaßnahmen festlegen.


Tipp 3: Konkrete Schutzmaßnahmen treffen
Entfernen Sie alle brennbaren Gegenstände aus dem Gefahrenbereich oder decken Sie sie sorgfältig mit nicht brennbaren Materialien ab. Sorgen Sie für geeignete Löschmittel (Feuerlöscher, Wasser) in unmittelbarer Nähe. Stellen Sie eine Brandwache während der Arbeiten und für eine angemessene Zeit danach sicher. Dichten Sie Öffnungen, Fugen und Ritzen ab, durch die Funken oder Hitze auf andere Bereiche übergreifen könnten.

⚠️ ACHTUNG: Die alleinige Anwesenheit von Feuerlöschern reicht nicht. Das Personal muss in deren Bedienung eingewiesen sein und die Brandwache muss ihre Aufgabe ernst nehmen und den Bereich kontinuierlich überwachen.


Tipp 4: Ausreichenden Versicherungsschutz sicherstellen
Überprüfen Sie Ihre Betriebshaftpflichtversicherung genau. Deckt sie Schäden ab, die durch feuergefährliche Arbeiten entstehen? Sind die Deckungssummen ausreichend hoch, um auch Millionenschäden abzudecken? Klären Sie explizit, ob Tätigkeiten wie Schweißen, Flämmen etc. vom Versicherungsschutz umfasst sind.

Beispiel: Eine Standard-Betriebshaftpflicht deckt möglicherweise nur Schäden bis zu einer bestimmten Summe oder schließt bestimmte risikoreiche Tätigkeiten ganz aus, wenn sie nicht explizit vereinbart wurden.


Tipp 5: Mitarbeiter sorgfältig auswählen und unterweisen
Setzen Sie für feuergefährliche Arbeiten nur erfahrenes und speziell unterwiesenes Personal ein. Dokumentieren Sie die Unterweisungen zu den spezifischen Gefahren und den erforderlichen Schutzmaßnahmen. Überwachen Sie die Einhaltung der Sicherheitsvorschriften konsequent.


Weitere Fallstricke oder Besonderheiten?
Besondere Vorsicht ist geboten, wenn mehrere Unternehmen gleichzeitig auf der Baustelle tätig sind. Klären Sie Zuständigkeiten und Verantwortlichkeiten für Sicherheitsmaßnahmen im Vorfeld schriftlich. Beachten Sie, dass Sie als ausführendes Unternehmen auch dann haften können, wenn Mängel am Bau (z.B. undichte Stellen) die Brandausbreitung begünstigt haben. Im vorliegenden Fall hafteten die Beklagten als Gesamtschuldner, das heißt, der Geschädigte kann sich aussuchen, von wem er den gesamten Schaden fordert.

Checkliste: Feuergefährliche Arbeiten

  • Ist die geplante Arbeit als feuergefährlich einzustufen?
  • Liegt eine schriftliche Erlaubnis (Feuererlaubnisschein) des Auftraggebers/Bauleiters vor?
  • Sind alle brennbaren Materialien entfernt oder sicher abgedeckt?
  • Sind geeignete Löschmittel griffbereit und das Personal eingewiesen?
  • Ist eine Brandwache während und nach den Arbeiten organisiert?
  • Deckt die Betriebshaftpflichtversicherung solche Arbeiten mit ausreichender Summe ab?
  • Sind die ausführenden Mitarbeiter speziell unterwiesen und erfahren?

Das vorliegende Urteil


OLG München – Az.: 9 U 2443/24 Bau e – Urteil vom 04.02.2025


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