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Feuerversicherung – Schadensfall und Verstoß gegen Sicherheitsvorschriften

Oberlandesgericht Köln

Az: 9 U 155/02

Urteil vom 04.06.2003

Vorinstanz: Landgericht Aachen – Az.: 9 O 403/01


Die Berufung des Klägers gegen das am 26.07.2002 verkündete Urteil der 9. Zivilkammer des Landgerichts Aachen – 9 0 403/01 – wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Berufungsverfahrens werden dem Kläger auferlegt.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Gründe

I. Der Kläger, der ein Lebensmittelgeschäft mit Bäckerei in E betreibt, nimmt die Beklagte als Feuerversicherer auf Entschädigung in Anspruch. Er hatte bei der Beklagten eine gebündelte Geschäfts- und Betriebsversicherung abgeschlossen. Dem Versicherungsverhältnis lagen die AFB 87 zugrunde (vgl. Bl 1 ff AH).

Am 03.4.2001 kam es in den Gewerberäumen zu einem Schadenfall, als ein Kunststoffmülleimer in Brand geriet. Einzelheiten zum Hergang sind streitig. Metallmülleimer waren in den Räumlichkeiten nicht vorhanden.

Die Beklagte berief sich auf Leistungsfreiheit, weil der Kläger gegen die „Sicherheitsvorschriften für Betriebe des Gaststättengewerbes“ verstoßen habe und außerdem grob fahrlässige Herbeiführung des Versicherungsfalles vorliege. Sie kündigte die Feuerversicherung mit Schreiben vom 6.4.2001 (Bl.23 GA).

Der Kläger hat behauptet, es hätten sich Fladenbrote im Backofen befunden. Diese seien versehentlich zu lange im Ofen geblieben und angebrannt. Der Vater des Klägers, der Zeuge F, sei erst darauf aufmerksam geworden, als Qualm aus dem Ofen getreten sei. Er habe mit Handschuhen die verkohlten Fladenbrote herausgeholt, in eine Papiertüte gesteckt, diese verschlossen und auf einen im Raume stehenden Kunststoffmülleimer gelegt. Infolge der großen Hitzentwicklung habe das Papier zu brennen begonnen. Als Qualm aus der Mülltonne getreten sei, habe der Zeuge einen Feuerlöscher betätigt, um den Schwelbrand zu löschen. Seinen Schaden, insbesondere an beschädigten Waren, hat der Kläger auf 147.592,15 DM beziffert.

Die Beklagte hat vorgetragen, dass ein versicherter Brand nicht vorgelegen habe, weil es zu einem offenen Feuer nicht gekommen sei. Außerdem sei grob fahrlässig gehandelt worden, weil leicht brennbares Material in einen Plastikmülleimer entsorgt worden sei. Schließlich hätte der Abfallbehälter nicht den vertraglichen Sicherheitsvorschriften entsprochen.

Das Landgericht hat nach Beweisaufnahme die Klage abgewiesen. Es hat ausgeführt, die Beklagte sei jedenfalls von ihrer Leistungspflicht frei geworden, weil der Kläger die vereinbarten Sicherheitsvorschriften nicht eingehalten habe. Er habe für brennbare Abfälle lediglich eine Plastiktonne aufgestellt, in die auch gerade aus dem Ofen entnommene Brote gelegt worden seien.

Auf den Inhalt des angefochtenen Urteils wird ergänzend Bezug genommen.

Gegen das am 30.7.2002 zugestellte Urteil hat der Kläger mit am 30.8.2002 eingegangenem Schriftsatz Berufung eingelegt und diese nach Fristverlängerung bis 30.10.2002 mit an diesem Tage eingegangenem Schriftsatz begründet.

Er macht geltend, die „Sicherheitsvorschriften für Betriebe des Gaststättengewerbes“ würden keine Anwendung finden, weil es sich bei dem Geschäftsbetrieb des Klägers nicht um eine Gaststätte handele. Außerdem sei Fladenbrot nicht als brennbarer Abfall anzusehen. Möglicherweise sei eine Zigarettenkippe die auslösende Ursache für den Brand gewesen. Schließlich seien – so bringt der Kläger mit nicht nachgelassenem Schriftsatz vom 5.5.2003 vor – die Sicherheitsvorschriften nicht Vertragsinhalt, weil der Hinweis auf deren Vereinbarung sich erstmals aus dem Versicherungsschein ergebe.

Der Kläger beantragt, unter Abänderung des angefochtenen Urteils die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger 75.462,67 EUR nebst 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz nach § 1 DÜG seit dem 6.4.2001 zu zahlen.

Die Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen. Sie wiederholt und vertieft ihr erstinstanzliches Vorbringen und stützt sich auf die Vereinbarung der Sicherheitsvorschriften.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Parteivorbringens wird auf den Akteninhalt verwiesen. Die beigezogenen Akten 42 Js 479/01 StA Aachen sind Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen.

II. Die in formeller Hinsicht bedenkenfreie Berufung des Klägers ist unbegründet. Das Landgericht hat zu Recht die Klage abgewiesen.

1. Dem Kläger steht gegen die Beklagte ein Anspruch auf Entschädigung auf Grund der zwischen den Parteien bestehenden Versicherung nach § 1 Nr. 1 a) AFB 87 wegen des Schadenereignisses vom 3.4.2001 nicht zu.

a) Der Senat geht allerdings nach den Gesamtumständen davon aus, dass ein Brand im Sinne der Bedingungen vorgelegen hat. Brand ist ein Feuer, das ohne bestimmungsgemäßen Herd entstanden ist oder ihn verlassen hat und das sich aus eigener Kraft auszubreiten vermag (vgl. Martin, Sachversicherungsrecht, 3. Aufl., C I 2 ff; Kollhosser in Prölss/Martin, VVG, 26. Aufl., § 82, Rn 2 ff).

Der Zeuge F hat bei seiner Vernehmung vor dem Landgericht bekundet, dass Feuer aus dem Mülleimer gekommen sei. Die Tüte habe gebrannt. Der Zeuge L, der Angestellter der Beklagten ist, hat darüber hinaus bei seiner Aussage vor dem Landgericht bestätigt, dass der Zeuge F bei der Schilderung des Geschehens von Rauch und „Flammen“ gesprochen habe. Entsprechende Schäden sind auch auf dem vom Zeugen L gefertigten Farbfoto (Bl. 75 GA) zu erkennen.

b) Die Beklagte ist aber leistungsfrei, weil der Kläger gegen vertraglich vereinbarte Sicherheitsvorschriften verstoßen hat, §§ 7 Nr. 1, 2 AFB 87, 6 Abs. 1, 2 VVG.

Die „Sicherheitsvorschriften für Betriebe des Gaststättengewerbes“ (AH) sind Vertragsinhalt geworden. Ausweislich des Versicherungsscheins sind die Sicherheitsvorschriften zusätzlich vereinbart (vgl. Bl. 4 a AH). Dass es sich vorliegend bei den Räumlichkeiten um ein Lebensmittelgeschäft mit Backofen und nicht um eine Gaststätte handelt, steht der Vereinbarung nicht entgegen. Die Parteien haben die Geltung dieser Sicherheitsvorschriften für das Geschäft des Klägers, in dem wie in einer Gaststätte Publikumsverkehr herrscht, in den Versicherungsvertrag aufgenommen. Soweit der Kläger mit nicht nachgelassenem Schriftsatz vorträgt, im Versicherungsantrag vom 29.2.2000 sei ein Hinweis auf Sicherheitsvorschriften nicht enthalten gewesen, führt dies nicht zu einer anderen Beurteilung. Die Sicherheitsvorschriften sind jedenfalls nach § 5a VVG Vertragsinhalt geworden. Ausweislich des Versicherungsscheins vom 12.4.2000 (Bl 1 AH) ist der Kläger auch darüber zutreffend belehrt worden.

Eine Anwendung von § 5 Abs. 3 VVG kommt vorliegend nicht in Betracht.

Gemäß 3.6 der vereinbarten Sicherheitsvorschriften sind glutfeste Aschenbecher in ausreichender Zahl aufzustellen. Sie sind nur in doppelwandigen Metallbehältern mit selbstschließendem Metalldeckel zu entleeren. Brennbare Sammelbehälter sowie gläserne oder keramische Behälter, ferner in Schanktische eingebaute Behälter, auch wenn sie mit Blech ausgeschlagen sind, sind für das Sammeln von Glut- oder Aschenresten unzulässig.

Nach 3.7 der vereinbarten Sicherheitsvorschriften sind für die vorübergehende Aufbewahrung sonstiger brennbarer Abfälle dichtschließende, nicht brennbare Abfallbehälter aufzustellen.

Gegen diese Obliegenheiten zur Verminderung der Gefahr oder zur Verhütung einer Gefahrerhöhung (§ 6 Abs. 2 VVG) hat der Kläger verstoßen. Zur Aufbewahrung von Asche waren überhaupt keine Behälter vorhanden und zur Aufbewahrung sonstiger brennbarer Abfälle fehlte es an einem dichtschließenden, nicht brennbaren Abfallbehälter. Vielmehr befand sich nur eine grüne Mülltonne aus Kunststoff in den Räumlichkeiten. Darin ist auch das Feuer entstanden (vgl. Farbfoto Bl. 75). Damit kommt es letztlich nicht darauf an, ob das glühende Fladenbrot oder – wie im Laufe des Rechtsstreits als weitere Möglichkeit vom Kläger vorgetragen – glühende Aschenreste den Brand verursacht haben. In beiden Fällen ist von einem Verstoß gegen Sicherheitsvorschriften auszugehen. Dass es sich bei im Backofen durch zu lange Hitzeeinwirkung verbranntem Brot um einen brennbaren Abfall handelt, unterliegt ausweislich der Gesamtumstände keinem Zweifel.

Die übrigen Voraussetzungen der Leistungsfreiheit nach § 6 Abs. 1, 2 VVG liegen vor. Die Beklagte hat ihre Kündigung auf den Verstoß gegen Sicherheitsvorschriften gestützt. Die Verursachung des Brandes entweder durch glühende Asche oder durch glühenden Brotabfall wegen Fehlens eines nichtbrennbaren Behälters ist nach Lage der Dinge nicht zweifelhaft. Dass der Verstoß weder auf Vorsatz noch auf grober Fahrlässigkeit beruht ( § 7 Nr. 2 S. 3 AFB 87 ), hat der Kläger nicht dargetan und bewiesen (vgl. zur Beweislast Kollhosser in Prölss/Martin, a.a.O., § 7 AFB 87, Rn 1).

Auf die Frage, ob der Vater des Klägers als dessen Repräsentant in Form des Risiko- oder Vertragsverwalters anzusehen ist, kam es nicht an. Demnach hat die Berufung des Klägers keinen Erfolg.

3. Die Voraussetzungen der Zulassung der Revision nach § 543 ZPO n. F. lagen nicht vor. Die Rechtssache hat keine grundsätzliche Bedeutung. Auch erfordern weder die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts.

Die prozessualen Nebenentscheidungen über die Kosten und die vorläufige Vollstreckbarkeit beruhen auf §§ 97 Abs. 1, 708 Nr. 10, 711 ZPO

Streitwert für das Berufungsverfahren: 75.462.67 EUR.

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