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Verkehrsunfall und fiktive Reparaturkostenabrechnung

 

Landgericht Münster

Az: 8 S 44/06

Urteil vom 27.07.2006

Vorinstanz: AG Münster – Az.: 60 C 1444/05


In dem Rechtsstreit hat die 8. Zivilkammer des Landgerichts Münster auf die mündliche Verhandlung vom 27.07.2006 für Recht erkannt:

Auf die Berufung des Klägers wird das am 27,01.2006 verkündete Urteil des Amtsgerichts Münster (Aktenzeichen: 60 C 1444/05) abgeändert:

Die Beklagten werden verurteilt, als Gesamtschuldner an den Kläger 418,31 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 21.12.2004 zu zahlen.

Die Kosten des Rechtsstreits erster und zweiter Instanz tragen die Beklagten als Gesamtschuldner.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Gründe:

I.
Wegen des zugrunde liegenden Sachverhalts wird auf den Tatbestand der angefochtenen Entscheidung Bezug genommen.

Die Kammer hatte vorliegend noch über die Frage zu entscheiden, ob der Kläger auf der Basis einer fiktiven Reparaturkostenabrechnung die vom Sachverständigen angesetzten Stundenverrechnungssätze der Firma B oder aber nur die alternativ von der Beklagten eingewandten Stundenverrechnungssätze der kostengünstigeren Werkstatt K geltend machen kann.

Das Amtsgericht hat die Klage mit der Begründung abgewiesen, der Kläger müsse sich auf die konkret unterbreitete kostengünstigere Reparaturmöglichkeit verweisen lassen.

Hiergegen wendet sich der Kläger mit seiner Berufung und bezieht sich im wesentlichen auf seinen erstinstanzlichen Vortrag und vor allem auf die sogenannte „Porsche“-Entscheidung des Bundesgerichtshofes.

II.

Die zulässige Berufung des Klägers hat auch in der Sache Erfolg.

Dem Kläger steht auch der weitergehende Schadensersatzanspruch in Höhe von 418,31 € zu.

Zwar ist den Beklagten darin Recht zu geben, dass die hier zu entscheidende Konstellation mit dem der Entscheidung des Bundesgerichtshofes vom 29.04.2003 (vgl. NJW 2003, 2086 ff) zugrunde liegenden Sachverhalt nicht vergleichbar ist. Der Bundesgerichtshof hatte darüber zu entscheiden, ob der Geschädigte, der die Stundenverrechnungssätze einer markengebundenen Fachwerkstatt seiner fiktiven Reparaturabrechnung zugrunde legt, sich nicht auf die „abstrakte“ Möglichkeit der technisch ordnungsgemäßen Reparatur in irgendeiner kostengünstigeren Fremdwerkstatt auch unter dem Gesichtspunkt der Schadensminderungspflicht verweisen lassen muss und Grundlage der Berechnung der im konkreten Schadensfall erforderlichen Reparaturkosten nicht der abstrakte Mittelwert der Stundenverrechnungssätze aller repräsentativen Marken- und freien Fachwerkstätten einer Region sein kann, wenn der Geschädigte fiktive Reparaturkosten abrechnet.

Vorliegend geht es indes darum, .ob dem Kläger der Reparaturschaden auf der Grundlage der Stundenverrechnungssätze einer markengebundenen Fachwerkstatt auch dann zu ersetzen ist, wenn der Schädiger konkret kostengünstigere Reparaturmöglichkeiten in nicht markengebundenen bzw. fremdmarkengebundenen Fachwerkstätten nachweist. Die Konstellation ist – soweit ersichtlich – noch nicht höchstrichterlich entschieden. Der Bundesgerichtshof ist allerdings in der vorzitierten Entscheidung betreffend die zu erstattende Höhe von Stundenverrechnungssätzen von Folgendem ausgegangen:

Der Geschädigte ist im Rahmen seiner Schadensminderungspflicht grundsätzlich gehalten, im Rahmen des ihm Zumutbaren den wirtschaftlicheren Weg der Schadensbehebung zu wählen, sofern er die Höhe der für die Schadensbeseitigung erforderlichen Kosten beeinflussen kann. Dafür reicht es im allgemeinen aus, wenn er die ihm entstehenden Reparaturkosten mittels eines Sachverständigengutachtens nachweist, sofern das Gutachten hinreichend ausführlich ist und das Bemühen erkennen lässt, dem konkreten Schadensfall vom Standpunkt eines wirtschaftlich denkenden Geschädigten gerecht zu werden. Allerdings liegt § 249 Abs. 2 BGB ersichtlich der Gedanke zugrunde, dass einerseits dem Geschädigten ein möglichst vollständiger Schadensausgleich zukommen soll, andererseits die Bestimmung über das Restitutionsgeschehen grundsätzlich beim Geschädigten verbleiben soll. Der Geschädigte muss sich nur dann auf eine günstigere und gleichwertige Reparaturmöglichkeit einlassen, wenn ihm dies mühelos ohne weiteres möglich ist. Ist dies jedoch nicht der Fall, etwa weil die Stundenverrechnungssätze des Sachverständigen in den regionalen Markenwerkstätten tatsächlich anfallen – was vorliegend von den Beklagten nicht in Abrede gestellt wird – so muss er sich auf eine kostengünstigere Möglichkeit in einer Fremdwerkstatt nicht verweisen lassen (vgl. auch AG Aachen, Urteil vom 14.06.2005, AZ: 5 C 81/05 m. w. N.).

Hierauf gestützt folgt nach Auffassung der Kammer, dass der Geschädigte grundsätzlich einen Anspruch darauf hat, die Reparaturkosten ersetzt zu verlangen, die in einer markengebundenen Fachwerkstatt anfallen würden. Der Verweis auf Fachwerkstätten ohne/bzw. mit anderer Markenbindung reicht ebenfalls nicht aus. Ansonsten verbliebe nämlich das Risiko, ob diese Werkstätten ebenso wie markengebundene Werkstätten, deren Stundenverrechnungssätze der Sachverständige zugrunde gelegt hat, über dieselbe Werkstatterfahrung der entsprechenden Fahrzeugmarke verfügen. Insoweit kommt es auch nicht auf einen Qualitätsvergleich zwischen der markengebundenen Werkstatt und der nicht „Daimler“-gebunden Werkstatt an. Dieser wäre in der Praxis auch schwerlich vorzunehmen. Es genügt nach Auffassung der Kammer bereits die in Verkehrskreisen verbreitete Erwartung, in einer Markenwerkstatt werde ein Schaden wegen des täglichen Umgangs mit dem Fabrikat höherwertig beseitigt, um bei einer Verweisung auf eine sonstige Werkstatt einen Eingriff in die Dispositionsbefugnis anzunehmen. Die Reparatur in einer Markenwerkstatt kann nicht zuletzt bei einem möglichen Weiterverkauf des Fahrzeugs als Verkaufsargument dienen und spielt damit auch eine wirtschaftliche Rolle (vgl. AG Hagen vom 26.01.2006, AZ: 19 C 340/05 m. w. N.).

Zu berücksichtigen ist weiter, dass die Reparatur in einermarkengebundenen Werkstatt auch im Hinblick auf den Garantieanspruch gegenüber dem Hersteller des Fahrzeuges eine Rolle spielen kann.

Schließlich würde außer Betracht bleiben, dass der Schädiger zur vollständigen Behebung des Schadens, unabhängig von den wirtschaftlichen Dispositionen des Geschädigten verpflichtet ist (vgl. AG Aachen vom 15.06.2005,AZ: 5 C 81/05; AG Köln vom 09.01.2004, AZ: 266 C 333/03; Schaden-Praxis 2004, 375 ff; AG Aachen vom 08.06.2005, AZ: 80 C 24/05 m. w. N.).

Bei der Firma K handelt es sich unstreitig aber nicht um eine markengebundene Fachwerkstatt für Pkw der Marke „Daimler/Chrysler“. Auch weitere konkrete Einwände gegen das vom Kläger vorgelegte Gutachten haben die Beklagten nicht vorgebracht.

Entgegen der Ansicht der Beklagten kommt es auch nicht darauf an, ob der Kläger seinen Schaden auf der Basis einer fiktiven Abrechnung geltend macht oder aber auf der Grundlage einer tatsächlich in einer markengebundenen Werkstatt durchgeführten Reparatur. Die fiktive Schadensberechnung ist dem Geschädigten als dem sogenannten Herr des Restitutionsgeschehens nach § 249 BGB eingeräumt. Er kann die vom Sachverständigen nach den Preisen einer Markenwerkstatt geschätzten Reparaturkosten unabhängig davon ersetzt verlangen, ob er die Reparatur in einer „freien“ Werkstatt, selbst oder auch überhaupt nicht ausführt: Die Reform des Schadensersatzrechts im Jahre 2002 hat insoweit keine Änderung gebracht (vgl. Palandt, Kommentar zum BGB, 64. Auflage, 2005, § 249, RZ 14).

Mithin war das erstinstanzliche Urteil nach dem Antrag des Klägers abzuändern.

Der Zinsanspruch ergibt sich aus den §§ 280, 286 BGB.

III.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 Abs. 1 ZPO. Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit ergibt sich aus § 708 Ziffer 10 ZPO.

 

 

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