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Firmenwagen – unerlaubte Privatnutzung – Kündigung

Landesarbeitsgericht Köln

Az: 5 Sa 625/09

Urteil vom 02.11.2009


1. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Bonn vom 07.04.2009 – 6 Ca 2681/08 – wird kostenpflichtig zurückgewiesen.

2. Die Revision wird nicht zugelassen.

T a t b e s t a n d :
Die Parteien streiten um die Rechtmäßigkeit einer verhaltensbedingten Kündigung sowie einen von der Beklagten in der Berufungsinstanz gestellten Auflösungsantrag.

Die Beklagte ist die eingetragene Genossenschaft M -E W . Der am 28.10.1969 geborene Kläger ist bei der Beklagten seit dem 01.07.1991 als Kraftfahrer tätig (Arbeitsvertrag Bl. 23 f. d. A.). Sein Monatsverdienst betrug zuletzt ca. 2.600,00 € brutto. Zusätzlich erhielt der Kläger auf der Basis einer Fahrtkostenerklärung vom 01.01.2002 (Bl. 27 d. A.) einen monatlichen steuerfreien Fahrtkostenzuschuss in Höhe von 192,40 €. In der Erklärung hieß es u. a.:

„Ich versichere, dass mir für den Erwerb von Fahrkarten Kosten mindestens in Höhe des Arbeitgeberzuschusses entstehen. Mir ist bekannt, dass ich meinem Arbeitgeber schriftlich anzeigen muss, wenn meine Kosten für Fahrkarten geringer werden als der Zuschussbetrag.“

Der Berechnung des Betrages von 192,40 € lagen Fahrpreisbescheinigungen über ein Monatsticket vom Bahnhof B zur Niederlassung der Beklagten in B , -Straße in Höhe von 54,40 € und eine Bescheinigung über eine Monatskarte der 2. Klasse von N nach B -B in Höhe von 138,00 € (Bl. 28 und 29 d. A.) zugrunde.

Anlässlich eines Warenfehlbestandes beauftragte die Beklagte die Firma O S mit dem Einbau eines GPS-Fahrzeugüberwachungssystems in verschiedene Fahrzeuge. Auch in das vom Kläger benutzte Fahrzeug wurde ein solches System eingebaut. Die Überwachung erfolgte ab Ende Mai 2008.

Nach den Aufzeichnungen der Firma O S nutzte der Kläger den Firmen-Lkw in der Woche vom 02. bis 06.06.2008 von montagabends bis einschließlich freitagmorgens für die Fahrten nach Hause und zum Arbeitsplatz.

Ferner ist unstreitig, dass der Kläger den Firmen-Lkw auch für eine Heimfahrt am 25.06.2008 genutzt hat.

Anfang August 2008 untersagte der Niederlassungsleiter der Beklagten in Bonn, Herr H , dem Kläger definitiv die Nutzung des Firmen-Lkws für private Heimfahrten. Seither sind keine privaten Heimfahrten des Klägers mit dem Firmen-Lkw festgestellt worden.

Mit Schreiben vom 08.10.2008 (Bl. 30 d. A.) kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis ordentlich zum 30.04.2009, weil der Kläger unter Verstoß gegen Abschnitt II Ziffer 9 f) des Arbeitsvertrages, wonach Privatfahrten nur mit ausdrücklicher Genehmigung der Geschäftsleitung gestattet seien, den Firmen-Lkw für private Heimfahrten genutzt habe.

Gegen diese Kündigung hat der Kläger fristgerecht Kündigungsschutzklage erhoben und sich hinsichtlich der Nutzung des Firmen-Lkws auf die Genehmigung durch den Niederlassungsleiter H berufen. Im Übrigen hätten auch andere Arbeitnehmer regelmäßig ihre Firmenfahrzeuge für Heimfahrten genutzt.

Die Beklagte hat sich zur Rechtfertigung der Kündigung darauf berufen, es liege hinsichtlich der Privatnutzung in der Zeit vom 02. Bis 06.06.2008 ein Betrug gemäß § 263 StGB vor. Eine generelle Genehmigung zur Nutzung habe nicht vorgelegen. Im Rahmen der Sachverhaltsermittlung sei dem Vorstand der Geschäftsführung mitgeteilt worden, dass Betriebsfahrzeuge nur ausnahmsweise und in Einzelfällen von Fahrern genutzt werden durften, wenn tatsächlich einmal eine Kundenadresse am Ende der Tour in unmittelbarer Nähe der Privatanschrift des Fahrers gelegen habe (Schriftsatz der Beklagtenseite vom 06.04.2009, Seite 10/Bl. 84 d. A.).

Durch Urteil vom 07.04.2009 hat das Arbeitsgericht antragsgemäß festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis durch die ordentliche Kündigung der Beklagten vom 08.10.2008 nicht aufgelöst worden ist. Zur Begründung hat das Arbeitsgericht darauf abgestellt, dass die Beklagte nicht in Abrede gestellt habe, dass der Niederlassungsleiter H im Einzelfall die Nutzung des Firmenwagens für Heimfahrten gestattet habe. Angesichts dessen sei ein Vertragsverstoß nicht so schwerwiegend, als dass er ohne Abmahnung zu einer Beendigung des Arbeitsverhältnisses führen könne. Die Nutzung des Firmenfahrzeuges bei gleichzeitigem Bezug des Fahrtkostenzuschusses berechtige ebenfalls nicht zu einer Kündigung ohne Abmahnung. Auch insoweit sei zunächst eine Abmahnung notwendig gewesen.

Gegen dieses Urteil hat die Beklagte form- und fristgerecht Berufung einlegen und begründen lassen.

Unrichtig sei bereits die Annahme des Arbeitsgerichts, dass der Fahrtkostenzuschuss pauschal gezahlt werde und sowohl für Aufwendungen für öffentliche Verkehrsmittel als auch für Fahrten mit dem privaten PKW gelte. Der Kläger habe durch die Privatnutzung in der Zeit vom 02.06. bis 06.06.2008 einen Betrug zu Lasten der Beklagten begangen. Keineswegs habe der Niederlassungsleiter H eine generelle Erlaubnis dergestalt gegeben, dass das Firmenfahrzeug gelegentlich für Heimfahrten benutzt werden dürfe. Allerdings habe der Niederlassungsleiter H auf Befragen durch die Beklagte nicht ausschließen können, dass er in den letzten Jahren nicht das eine oder andere Mal dem Kläger im Einzelfall erlaubt hätte, das Fahrzeug privat zu nutzen. Der Kläger habe jedoch nicht von einer im Einzelfall erteilten Erlaubnis für eine private Fahrt darauf schließen können, dass er generell das Firmenfahrzeug privat nutzen dürfe und zusätzlich einen Fahrtkostenzuschuss für öffentliche Verkehrsmittel weiter beziehen dürfe.

Die Privatnutzung des Firmen-LKW für Heimfahrten habe der Kläger dadurch verschleiert, dass er an einigen Tagen sein Privatfahrzeug für Heimfahrten genutzt habe. Es habe auch keine Verpflichtung des Arbeitgebers gegeben, bei allen Mitarbeitern nachzufragen, ob ihre Erklärung (Fahrtkostenerklärung) auf Dauer richtig sei. Falsch sei desweiteren, wenn der Kläger behauptet, der Geschäftsführung und/oder Niederlassungsleitung sei nicht verborgen geblieben, wie der einzelne Arbeitnehmer die Arbeitsstätte erreiche und verlasse.

Hilfsweise sei das Arbeitsverhältnis gegen Zahlung einer Abfindung aufzulösen. Insoweit beruft sich die Beklagte auf die in ihrem Schriftsatz vom 30.10.2009 (Bl. 191 f. d. A.) aufgeführten Gründe, die sich im Wesentlichen auf das Verhalten des Klägers im Prozess stützen. So habe der Kläger in seinem Schriftsatz vom 21.08.2009 der Geschäftsführung der Beklagten einen versuchten Prozessbetrug unterstellt, Geschäftsleitung und Niederlassungsleiter als blind beschimpft und den Vortrag der Beklagten als „außerordentlich abenteuerlich“ und „reinen Humbug“ bezeichnet.

Die Beklagte beantragt,

unter Abänderung des Urteils des Arbeitsgerichts Bonn vom 07.04.2009 – 6 Ca 2681/08 –

1. die Klage abzuweisen,

2. hilfsweise das Arbeitsverhältnis zum 30.04.2009 gegen Zahlung einer angemessenen Abfindung aufzulösen, die den Betrag in Höhe von 23.389,56 € brutto nicht übersteigen solle.

Der Kläger beantragt,

die Berufung insgesamt kostenpflichtig zurückzuweisen.

Der Kläger verteidigt das erstinstanzliche Urteil. Der Fahrtkostenzuschuss sei jahrelang pauschal und ohne Nachweise gezahlt worden. Meistens hätten er wie auch andere Mitarbeiter morgens die Arbeitsstelle mit eigenem Pkw angefahren und abends mit dem eigenen PKW den Arbeitsplatz auch wieder verlassen. Davon hätten Niederlassungsleiter und auch Geschäftsleitung Kenntnis gehabt und dennoch monatlich den Fahrtkostenzuschuss ausgezahlt, obwohl die Beklagte in diesem Zusammenhang glauben machen wolle, der Fahrtkostenzuschuss sei nur gegen Vorlage des Nachweises der Kosten öffentlicher Verkehrsmittel auszuzahlen gewesen. So blind könnten weder Niederlassungsleiter noch Geschäftsleiter der Beklagten gewesen sein, wie dies nunmehr behauptet werde. Tatsächlich sei dem Kläger die Nutzung des Firmen-LKWs für Heimfahrten nicht nur durch den Niederlassungsleiter H , sondern darüber hinaus auch durch die Geschäftsleitung im Jahre 2001 anlässlich des Kaufs der Firma F A in M in der damaligen Zeit gestattet gewesen. Vor diesem Hintergrund erscheine der Vortrag der Beklagten, der Niederlassungsleiter H sei von der regelmäßigen Nutzung des Firmenfahrzeuges überrascht worden, außerordentlich abenteuerlich. Tatsächlich sei es so gewesen, dass sämtliche Fahrer der Beklagten der Niederlassung B die Firmen-LKWs mehr oder weniger regelmäßig Heimfahrten genutzt hätten. Davon habe die Beklagte auch anlässlich verschiedener besonderer Vorfälle Kenntnis erhalten, beispielsweise durch den Unfall, den der Mitarbeiter M Anfang des Jahres 2008 in der Nähe seines Wohnortes L verursacht habe sowie anlässlich des Bußgeldverfahrens gegen den Mitarbeiter D S , der den Firmen-LKW anlässlich einer privaten Heimfahrt falsch geparkt habe. Unrichtig sei der Vortrag der Beklagten, wonach keine Überstunden angefallen seien. Tatsächlich seien Überstunden angefallen und abgerechnet worden (Aufstellungen Bl. 164 ff. d. A.). Er habe mit dem Niederlassungsleiter H eine mündliche Abrede dahingehend getroffen, je nach Tour und Arbeitszeit mit dem Firmenfahrzeug nach Hause zu fahren und dafür jeweils eine halbe Stunde von seinen Überstunden abzuziehen.

Der Auflösungsantrag sei nicht begründet. Die Berufung sei vielmehr insgesamt zurückzuweisen.

Wegen weiterer Einzelheiten des Parteivorbringens wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e :

Die zulässige, insbesondere statthafte und form- und fristgerecht eingelegte und begründete Berufung ist in der Sache nicht begründet. Die ausgesprochene Kündigung ist rechtswidrig. Auch der Auflösungsantrag der Beklagten hatte keinen Erfolg, so dass die Klage insgesamt abgewiesen und die Berufung kostenpflichtig zurückgewiesen werden musste.

1. Zutreffend hat das Arbeitsgericht herausgearbeitet, dass ein ausreichender verhaltensbedingter Kündigungsgrund gemäß § 1 Abs. 2 KSchG nicht vorliegt und die Kündigung daher rechtsunwirksam ist.

Auf die diesbezüglichen Ausführungen des Arbeitsgerichts wird Bezug genommen. Ergänzend und im Hinblick auf das Vorbringen der Beklagten in der Berufungsinstanz ist folgendes festzuhalten.

a. Ein Betrug oder ein Betrugsversuch gemäß § 263 StGB, der an sich einen ausreichenden verhaltensbedingten Kündigungsgrund im Sinne des § 1 Abs. 2 KSchG darstellen würde, kann die Beklagte dem Kläger nicht vorwerfen.

Hiervon könnte nur dann ausgegangen werden, wenn der Kläger die Beklagte über die tatsächlich ihm entstandenen Fahrtkosten in einzelnen Monaten getäuscht hätte. Davon kann nicht ausgegangen werden.

aa. Nach der schriftlichen Fahrtkostenerklärung des Klägers (Bl. 27 d. A.) vom 01.01.2002 war der Fahrtkostenzuschuss bestimmt für den Erwerb von Fahrkarten für Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte mit öffentlichen Verkehrsmitteln. Diese in jener Erklärung zum Ausdruck kommende Koppelung an die Benutzung öffentlicher Verkehrsmittel ist jedoch angesichts der über 6jährigen Praxis seit 2002 nicht aufrechterhalten worden. Denn unstreitig ist, dass die im Jahre 2002 erfolgte Berechnung anhand der damaligen Monatskartenbeträge (Bl. 28 und 29 d. A.) zu keiner Zeit aktualisiert worden ist. Bereits dies spricht gegen eine verkehrsmittelabhängige Fahrtkostenbezuschussung. Denn wäre eine solche strikte Koppelung gewollt gewesen, hätte angesichts der vielfältigen Preissteigerungen im öffentlichen Personenverkehr eine regelmäßige Anpassung erfolgen müssen. Es wäre dann auch naheliegend gewesen, die Vorlage jeweils aktueller Fahrkarten zu verlangen. Demgegenüber hat die Beklagte den Fahrtkostenzuschuss auch dann bezahlt, wenn die Arbeitnehmer der Beklagten statt mit öffentlichen Verkehrsmitteln mit ihrem privaten PKW den Arbeitsplatz aufsuchten. Dementsprechend hat der Geschäftsführer der Beklagten in der mündlichen Verhandlung vor dem Landesarbeitsgericht am 02.11.2009 auch erklärt, es sei unter normalen Umständen nicht zu beanstanden gewesen, wenn Arbeitnehmer den Fahrtkostenzuschuss in Anspruch genommen hätten und an jedem Tag mit dem Privat-PKW zur Arbeit gekommen wären. Daran wird deutlich, dass der Fahrtkostenzuschuss unabhängig von der Wahl des Verkehrsmittels gezahlt worden ist und die damaligen Kosten öffentlicher Verkehrsmittel lediglich als Obergrenze für den Betrag des Fahrtkostenzuschusses verstanden worden sind.

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Dies wird auch unterstrichen durch den Vortrag der Beklagtenseite, der Kläger habe die Fahrtnutzung des Firmen-LKWs dadurch verschleiert, dass er an einigen Tagen sein Privatfahrzeug für Heimfahrten benutzt habe. Daran wird deutlich, dass der Beklagten die Nutzung des Privat-PKW für Heimfahrten durchaus bekannt war und sie dies allein nicht zum Anlass genommen hätte, den Fahrtkostenzuschuss zu streichen oder zu kürzen oder gar ein solches Verhalten als kündigungsrelevantes Verhalten zu werten.

Dass der Fahrtkostenzuschuss verkehrsmittelunabhängig und zudem pauschal gezahlt worden ist, wird schließlich daran deutlich, dass die Parteien übereinstimmend in der mündlichen Verhandlung vor dem Landesarbeitsgericht am 02.11.2009 erklärt haben, dass der Fahrtkostenzuschuss auch während Urlaubs- und Krankheitszeiten durchgezahlt worden sei.

bb. Aus der Fahrtkostenerklärung vom 01.01.2002 könnte daher nur dann ein kündigungsrelevanter Täuschungsversuch hergeleitet werden, wenn der Kläger seine Pflicht verletzt hätte, anzuzeigen, dass die Kosten geringer waren als der Zuschussbetrag. Soweit der Kläger tatsächlich Monatskarten erworben hatte, wären die Kosten aber nicht dadurch geringer geworden, dass der Kläger an einzelnen oder mehreren Tagen im Monat den Firmen-LKW für Heimfahrten genutzt hätte, denn die Kosten einer erworbenen Monatskarte reduzieren sich nicht dadurch, dass sie nur in geringerem Umfang tatsächlich in Anspruch genommen wird.

Geht man hingegen davon aus, dass der Kläger keine Fahrkarten für öffentliche Verkehrsmittel erworben hatte, könnte von niedrigeren Kosten als den Fahrtkostenzuschuss in Höhe von 192,40 € nur dann ausgegangen werden, wenn die Kosten für die Benutzung des Privat-PKW unter diesem Betrag gelegen hätten. Geht man mit der Beklagten von einer Entfernung zwischen Wohnung und Arbeitsstätte von 55 Kilometern aus und berücksichtigt als Kosten der Privatnutzung den steuerlichen Pauschalsatz von 0,30 € pro Kilometer, so ergeben sich Kosten pro Heimfahrt in Höhe von 16,50 €. Der Wert des Fahrtkostenzuschusses wird damit bereits durch die Nutzung des Privat-PKW zu Heimfahrten an 12 Tagen im Monat erreicht.

Aus dem Vortrag der Beklagten lässt sich nicht entnehmen, dass und gegebenenfalls in welchem Monat der Kläger an weniger als 12 Arbeitstagen seinen Privat-PKW benutzt hätte. Denn einerseits ist unstreitig, dass der Kläger in jedem Monat zumindest auch seinen privaten PKW zu Heimfahrten benutzt hat. Die Beklagte geht insoweit davon aus, dass dies zur Verschleierung der Nutzung des Firmen-LKW geschehen sei. Andererseits sind als konkret feststehende Tage der Privatnutzung des Firmen-LKW nur insgesamt sechs Tage im Juni 2008 unstreitig, nämlich die Zeit vom 02. Bis 06.06.2008 sowie der 25.06.2008.

Dabei kann in diesem Zusammenhang dahingestellt bleiben, ob die Erkenntnisse aus der Überwachung, die aus dem heimlichen Einbau von GPS-Geräten resultierten, überhaupt verwertbar waren, oder ob insoweit einer Verwertung datenschutzrelevante Persönlichkeitsrechte oder die Verletzung von Mitbestimmungsrechten entgegenstanden ( siehe hierzu BAG 29.6.2004 – 1 ABR 21/03, NZA 2004, 1278; BAG 26.8.2008 – 1 ABR 21/07, DB 2008, 2144; BAG 27.3.2003 – 2 AZR 51/02, NZA 2003, 1193).

Denn über die wenigen durch die Überwachung ermittelten Tage sind weitere konkrete Tage weder dezidiert vorgetragen noch ersichtlich. Zwar mag die Beklagte vermuten, dass der Kläger in der Mehrzahl der Tage den Firmen-LKW und nur in der Minderzahl der Tage den Privat-PKW zu Heimfahrten genutzt hat. Eine konkrete Tatsachengrundlage hierfür besteht jedoch nicht. Unergiebig ist in diesem Zusammenhang, wenn die Beklagte den Zeugen H als Zeugen dafür benennt, dass der Kläger jedenfalls seit Anfang 2008 das betriebseigene Fahrzeug für Heimfahrten in der Zeit von montags bis freitags benutzt habe, denn unstreitig hat der Zeuge H mit der Überwachung des Klägers erst ab Ende Mai 2008 begonnen und kann daher für die Zeit davor keine Angaben machen. Wäre hingegen ein solches Verhalten dem Niederlassungsleiter oder der stellvertretenden Niederlassungsleiterin Frau R seit Anfang des Jahres 2008 bekannt gewesen, könnte schon nicht von einer Täuschung gesprochen werden, weil dann von Duldung und Billigung ausgegangen werden müsste.

Da weder für den Monat Juni 2008 noch für einen anderen Monat konkret dargetan werden konnte, dass geringere Fahrtkosten entstanden sind als 192,40 €, scheidet eine Kündigung wegen betrügerischem Verhaltens schon aus diesem Grunde aus.

b. Zutreffend hat das Arbeitsgericht desweiteren festgestellt, dass die unerlaubte Privatnutzung ohne Abmahnung keine verhaltensbedingte Kündigung rechtfertigt. Vom Umfang her ist lediglich die unerlaubte Privatnutzung an sechs Tagen im Juni (02. bis 06.06.2008 und 25.06.2008) unstreitig. Unstreitig ist auf der anderen Seite, dass jedenfalls in einzelnen Fällen die Privatnutzung des Firmen-LKW für Heimfahrten gestattet war. Wenn auch die Beklagte vehement bestritten hat, dass es eine generelle Genehmigung gegeben habe, hat sie andererseits eingeräumt, dass der Niederlassungsleiter H nicht habe ausschließen können, dass er das eine oder andere Mal die Privatnutzung erlaubt habe (Schriftsatz der Beklagtenseite vom 21.07.2009, Seite 5/Bl. 135). Unstreitig ist zudem, dass auch andere Fahrer der Beklagten – zumindest in Einzelfällen – die Erlaubnis für private Heimfahrten erhielten. Insbesondere ist unstreitig, dass der Mitarbeiter M einen Unfall mit seinem Firmen-LKW in der Nähe seines Wohnsitzes in L hatte und der Mitarbeiter S wegen Falschparkens des Firmen-LKW in der Nähe seines Wohnortes mit einem Bußgeldverfahren belangt wurde. Diesbezüglich hat die Beklagte nicht substantiiert zu bestreiten vermocht, dass es sich hierbei jeweils um Privatfahrten der Mitarbeiter handelte. Zu einem substantiierten Bestreiten hätte gehört, dass die Beklagte anhand der Geschäftsunterlagen der dort ansässigen Kunden konkret dargelegt hätte, dass an jenen Tagen dort betriebliche Auslieferungsvorgänge stattgefunden hätten.

Entscheidend kommt schließlich hinzu, dass der Geschäftsführer der Beklagten in der mündlichen Verhandlung vor dem Landesarbeitsgericht am 02.11.2009 erklärt hat, es könne durchaus sein, dass der Niederlassungsleiter Herr H mit Einzelfallgenehmigungen bezüglich der Privatfahrten mit Firmen-LKW großzügiger gewesen sei, als dies eigentlich sinnvoll gewesen wäre. Dem entspricht es auch, dass die Beklagte vorgetragen hat, dass der Niederlassungsleiter H , nachdem die Untersuchungsergebnisse der Firma O der Geschäftsleitung bekannt wurden, auf Anweisung der Geschäftsleitung Privatfahrten untersagt hat.

Angesichts dieser Verfahrensweise der Vergangenheit, die jedenfalls durchaus im Einzelfall die Genehmigung von Privatfahrten mit dem Firmen-LKW vorsah, konnte eine übermäßige Nutzung des Firmen-LKW für Privatfahrten erst nach entsprechender und erfolgloser Abmahnung zu einer verhaltensbedingten Kündigung führen.

Denn grundsätzlich setzt eine verhaltensbedingte Kündigung eine Abmahnung voraus. Dies gilt auch im Vertrauensbereich, wenn es sich um ein steuerbares Verhalten des Arbeitsnehmers handelt und eine Wiederherstellung des Vertrauens erwartet werden kann oder der Arbeitnehmer mit vertretbaren Gründen annehmen konnte, sein Verhalten sei nicht vertragswidrig oder werde vom Arbeitgeber nicht als erhebliches, den Bestand des Arbeitsverhältnisses gefährdendes Verhalten angesehen (siehe BAG Urteil vom 04.06.1997 – 2 AZR 526/96 – NZA 1997, Seite 1281; BAG Urteil vom 09.01.1986 – NZA 1986, Seite 467).

Angesichts der zumindest in Einzelfällen erfolgten Genehmigung von privaten Heimfahrten mit dem Firmen-LKW kann jedenfalls nicht davon ausgegangen werden, dass der Kläger durch die Privatnutzung des Firmen-LKW an insgesamt sechs nachgewiesenen Tagen im Juni 2008 damit rechnen musste, allein hier durch den Bestand seines Arbeitsverhältnisses zu gefährden.

Die weitere Entwicklung seit der definitiven Untersagung der Privatnutzung durch den Niederlassungsleiter H Anfang 2008 belegt zudem, dass eine solche Abmahnung auch Erfolg gehabt hätte. Denn die Beklagte hat für die Zeit August 2008 keinen einzigen konkreten Verstoß des Klägers gegen die von ihr ausgesprochene Anweisung dartun können. Damit muss davon ausgegangen werden, dass der Kläger sich seit dieser Anweisung an das Verbot der Privatnutzung in vollem Umfang gehalten hat.

c. Aus den genannten Gründen ist die ausgesprochene verhaltensbedingte Kündigung daher rechtswidrig und konnte das Arbeitsverhältnis nicht auflösen.

2. Auch der hilfsweise gestellte Auflösungsantrag ist unbegründet.

Er ist bereits unschlüssig.

a. Nach § 9 Abs. 1 Satz 2 KSchG setzt ein Auflösungsantrag voraus, dass Gründe vorliegen, die eine den Betriebszwecken dienliche weitere Zusammenarbeit zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer nicht erwarten lassen. Diese Voraussetzung des § 9 Abs. 1 Satz 2 KSchG liegt bereits nach dem eigenen Vorbringen der Beklagten nicht vor.

b. Anders als die Beklagte meint, lassen sich dem klägerischen Vortrag insbesondere dem Schriftsatz vom 21.08.2009 keine ehrverletzenden Äußerungen entnehmen, die einen Auflösungsantrag rechtfertigen könnten. So ist es bereits unrichtig, wenn die Beklagte behauptet, der Kläger habe Geschäftsleitung und Niederlassungsleiter in seinem Schriftsatz vom 21.08.2009 auf Seite 2 als blind bezeichnet. Tatsächlich hat der Kläger vortragen lassen, dass der den Arbeitnehmern gewährte monatliche Fahrtkostenzuschuss ausgezahlt worden sei, obwohl diese mit eigenem PKW zur Arbeit erschienen seien. Im Weiteren hat der Kläger vortragen lassen, so blind könnten weder Niederlassungsleiter noch Geschäftsleiter der Beklagten gewesen sein, wie dies nunmehr vorliegend behauptet werde. Damit hat der Kläger nur pointiert vorgetragen, dass den Verantwortlichen der Beklagtenseite nicht entgangen sein konnte, dass Arbeitnehmer mit ihren privaten PKW zur Arbeitsstelle fuhren und gleichwohl Fahrtkostenzuschuss erhielten. Dass dies richtig war, hat sich im Prozessverlauf ohnehin ergeben, weil unstreitig geworden ist, dass die Beklagte den Fahrtkostenzuschuss auch denn gezahlt hat, wenn die Arbeitnehmer statt mit öffentlichen Verkehrsmitteln mit ihrem privaten PKW die Arbeitsstelle aufsuchten. Dies ist auch durch den weiteren Vortrag der Beklagtenseite bestätigt worden, wonach der Kläger durch gelegentliche Benutzung seines Privat-PKW die Benutzung des Firmen-LKW für Heimfahrten verschleiert haben soll. Daraus folgt, dass die Verantwortlichen der Beklagten sehr wohl wussten, dass die Arbeitnehmer ihre Privat-PKW zum Aufsuchen der Arbeitsstätte benutzten und dass dies der Gewährung des Fahrtkostenzuschusses nicht entgegenstand.

Nicht als Auflösungsgrund herangezogen werden kann desweiteren der Vortrag der Klägerseite, in Anbetracht der Seitens der Geschäftsleitung persönlich erteilten Genehmigung für die Nutzung des Firmen-LKW zu privaten Heimfahrten, scheine das bisherige generelle Bestreiten einer solchen Genehmigung auch unter dem Gesichtspunkt des versuchten Prozessbetrugs relevant. Aus der Formulierung „scheine…relevant zu sein“ folgt bereits, dass der Vorwurf des Prozessbetruges nicht konkret erhoben wird, sondern lediglich ein entsprechender Verdacht angedeutet wird. Angesichts des Umstandes, dass jedenfalls in Einzelfällen solche Genehmigungen zur privaten Heimfahrt erteilt wurden und die Geschäftsleitung ohnehin zu dem Ergebnis kam, dass die bisherige Genehmigungspraxis des Niederlassungsleiters H zu großzügig gewesen sein könnte, war die Andeutung eines solchen Verdachts nicht fernliegend. Entscheidend ist in diesem Zusammenhang zu berücksichtigen, dass der Vortrag der Klägerseite erfolgte, nachdem die Beklagte ihrerseits dem Kläger in ihren Schriftsätzen Betrug gemäß § 263 StGB vorgeworfen. Diese Betrugsvorwürfe hatten sich aus den oben dargestellten Gründen als unzutreffend herausgestellt. Sie haben aber eine Schärfe in die gerichtliche Auseinandersetzung im Berufungsverfahren hineingetragen, vor deren Hintergrund der Vortrag der Klägerseite nicht als unangemessen angesehen werden kann. Vor diesem Hintergrund lassen sich auch die Wertungen im Schriftsatz der Klägerseite vom 21.08.2009, der Beklagtenvortrag sei „außerordentlich abenteuerlich“ und „reiner Humbug“ nicht beanstanden.

Unrichtig ist schließlich, wenn die Beklagte dem Kläger unterstellt, er habe behauptet, die Beklagte stifte die Mitarbeiter zu Ordnungswidrigkeiten und Straftaten an, durch die Anweisung, Lenkzeiten zu überschreiten und/oder keine Pausen einzuhalten. Aus dem Schriftsatz der Klägerseite vom 21.08.2009 lässt sich nur der Vorwurf entnehmen, dass die Beklagte die Anweisung erteilt habe, den Tachographen bei Standzeiten auf Pause zu stellen, unabhängig davon, ob Beladungsvorgänge anfielen oder tatsächlich eine Pausenzeit gegeben war. Hieraus allein kann noch nicht der Vorwurf konstruiert werden, der Kläger den Vorwurf erhoben, die Beklagte habe die Anweisung erteilt, ständig die vorgeschriebenen Lenkzeiten zu überschreiten. Im Übrigen hat es die Beklagte diesbezüglich versäumt, im Einzelnen für die vom Kläger konkret benannten Fahrer zumindest beispielhaft darzutun, dass die Lenk- und Ruhezeiten unter Berücksichtigung von geschuldeten Ladetätigkeiten tatsächlich eingehalten worden sind. Insgesamt sind bereits nach dem eigenen Vorbringen der Beklagten hinreichende Auflösungsgründe gemäß § 9 Abs. 1 Satz 2 KSchG, nicht gegeben.

3. Aus den genannten Gründen ergab sich, dass das Arbeitsverhältnis weder durch die ordentliche Kündigung noch durch den gestellten Auflösungsantrag aufgelöst werden konnte, sondern ungekündigt fortbesteht.

Die Berufung der Beklagten war daher mit der Kostenfolge des § 97 Abs. 1 ZPO zurückzuweisen.

Die Revision konnte nicht zugelassen werden, da die Rechtssache keine rechtsgrundsätzliche Bedeutung hatte und auch kein Fall von Divergenz vorlag.

Rechtsmittelbelehrung

Gegen dieses Urteil ist kein weiteres Rechtsmittel gegeben. Hinsichtlich einer Nichtzulassungsbeschwerde wird auf die in § 72 a ArbGG genannten Voraussetzungen Bezug genommen.

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