BFH
Az: V R 54/02
Urteil vom 12.05.2005
I.
Die Klägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin), eine GmbH, betreibt ein Fitness-Center mit Sauna und Racketbereich. Ihre Kunden können als Tagesgäste Einzelkarten lösen oder als „Mitglieder“ Abonnements buchen. Für die Tagesgäste werden folgende Tageskarten angeboten:
1. Nutzung nur Fitnessbereich
2. Nutzung nur Sauna
3. Nutzung nur Racket
4. Nutzung Sauna und Racket
Statt Tageskarten können auch Elfer-Karten erworben werden.
Im Rahmen der „Mitgliedschaft“ werden folgende Konstellationen angeboten:
1. Nutzung nur Fitnessbereich
2. Nutzung nur Sauna
3. Nutzung nur Racket
4. Kombivertrag für Nutzung von Fitness und Sauna
5. Kombivertrag für Nutzung von Racket und Sauna
6. Kombivertrag für Nutzung von Fitness, Racket und Sauna (VIP-Vertrag)
„Mitglieder“ können daneben auch Tageskarten lösen für einen nicht von ihrem Vertrag umfassten Bereich.
Die Räume sind wie folgt gestaltet:
Im Eingangsbereich befindet sich eine Service-Theke, an der Tageskarten verkauft werden. Die Tagesgäste erhalten einen Chip in der Farbe des von ihnen gebuchten Bereichs (z.B. grün für Fitness, blau für Sauna, rot für Kombination). In dem Fach für ihren Chip wird ein Pfand, z.B. der Autoschlüssel, hinterlegt. Auf Knopfdruck werden die Tagesgäste durch eine Sperre durchgelassen.
„Mitglieder“ haben einen Chip in der Farbe des von ihnen gebuchten Bereichs ständig zur Verfügung. Ihre Daten sind in der EDV der Klägerin gespeichert, bei Dauer-„Mitgliedschaften“ mit Foto. Sie können über ein neben der Service-Theke befindliches Drehkreuz in die Räume der Klägerin gelangen.
Hinter der Sperre des Eingangsbereichs befindet sich links der Fitnessbereich, bestehend aus einem Individualbereich und Gymnastikräumen, in denen Kurse abgehalten werden. Diese Bereiche sind nicht durch eine weitere Sperre abgetrennt. Die Kontrolle der Berechtigung findet durch anwesende Trainer statt.
Im Erdgeschoss auf der rechten Seite befindet sich der Squash-Bereich.
Im Untergeschoss befanden sich im Streitjahr 2000 nur Badminton-Felder. Die Felder mussten ebenfalls gebucht werden.
Im Obergeschoss befindet sich rechts von der Treppe die Umkleidekabine für die Damen, links die Umkleidekabine der Herren. Zu den Umkleidekabinen, Garderobenspinden und Duschen gelangt man durch eine Tür ohne weitere Sperre. Zwischen Duschen und Saunabereich befindet sich dann eine Sperre (Drehkreuz), die mit dem Chip freigegeben wird.
In ihrer Umsatzsteuererklärung für das Jahr 2000 erklärte die Klägerin Umsätze zum Regelsteuersatz von 16 v.H. und zum ermäßigten Steuersatz von 7 v.H. Für die Umsätze aus dem Betrieb der Sauna wandte sie den Steuersatz von 7 v.H. an; dabei teilte sie die Umsätze aus den Kombi-Verträgen entsprechend dem Verhältnis der Einzelpreise für die Sauna und die sonstigen Bereiche auf.
Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt –FA–) folgte dieser Aufteilung nicht und unterwarf sämtliche Umsätze aus den Kombi-Verträgen dem Regelsteuersatz. Der dagegen gerichtete Einspruch blieb ohne Erfolg. Im anschließenden Klageverfahren erging ein geänderter Umsatzsteuerbescheid, in dem 60 v.H. der auf den Racket-Bereich entfallenden Umsätze entsprechend § 27 Abs. 6 des Umsatzsteuergesetzes 1999 –UStG– (Übergangsregelung für die Vermietung von Sportstätten) steuerfrei belassen wurden; dieser Bescheid wurde Gegenstand des Klageverfahrens.
Die Klage hatte Erfolg. Das Finanzgericht (FG), dessen Urteil in Entscheidungen der Finanzgerichte 2003, 652 und in Deutsches Steuerrecht/Entscheidungsdienst 2003, 559 veröffentlicht ist, war der Auffassung, bei der Überlassung der Sauna und der übrigen Anlagen handele es sich um voneinander unabhängige Leistungen, weil sie einzeln angeboten würden und organisatorisch sichergestellt sei, dass die nicht gebuchte Leistung nicht in Anspruch genommen werden könne. Die Überlassung der Sauna unterliege dem ermäßigten Steuersatz; dem stehe auch der bei Buchung eines Kombi-Abonnements gewährte Preisnachlass nicht entgegen.
Hiergegen wendet sich das FA mit der vorliegenden Revision.
Es räumt ein, dass die Sauna ein Heilbad sei und ihre Nutzung grundsätzlich dem ermäßigten Steuersatz nach § 12 Abs. 2 Nr. 9 UStG unterliege. Streitig sei lediglich die Behandlung der Kombiverträge der „Mitglieder“. Insoweit erbringe die Klägerin nach den Grundsätzen der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) eine einheitliche Leistung, die nicht begünstigt sei (Hinweis auf BFH-Urteile vom 8. September 1994 V R 88/92, BFHE 175, 471, BStBl II 1994, 959; vom 28. Januar 1999 V R 88/98, BFH/NV 1999, 992, und vom 28. September 2000 V R 14, 15/99, BFH/NV 2001, 131). Dabei ergebe sich aus dem Tatbestand des Urteils in BFH/NV 1999, 992, dass dort 30 v.H. der Verträge über eine einzelne Leistungsart abgeschlossen worden seien; der BFH habe dem Umstand, dass die Leistungen einzeln angeboten würden, im Gegensatz zum FG gerade keine Bedeutung zugemessen.
Das FA beantragt, die Vorentscheidung aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Die Klägerin ist der Revision entgegengetreten. Sie bekräftigt die Auffassung der Finanzverwaltung, dass die Sauna Heilzwecken diene und deshalb ein Heilbad sei. Daher sei auch bei den Kombiverträgen zwischen der –dem ermäßigten Steuersatz unterliegenden– Nutzung der Sauna und der –dem Regelsteuersatz unterliegenden– Nutzung der übrigen Bereiche des Fitness-Centers zu unterscheiden. Es liege keine einheitliche, insgesamt dem Regelsteuersatz unterliegende Leistung vor. Entscheidend sei, dass im Unterschied zu den bisher vom BFH entschiedenen Fällen die einzelnen Leistungen in verschiedenen, voneinander abgegrenzten Räumen erbracht worden seien. Etwas anderes ergebe sich auch nicht aus dem Urteil in BFH/NV 1999, 992; der BFH habe dort lediglich auf die Begründung seines Urteils in BFHE 175, 471, BStBl II 1994, 959 Bezug genommen.
II.
Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Abweisung der Klage. Die Klägerin hat ihren Kunden keine Heilbäder verabreicht.
1. Nach § 12 Abs. 2 Nr. 9 UStG ermäßigt sich die Steuer auf 7 v.H. für die unmittelbar mit dem Betrieb der Schwimmbäder verbundenen Umsätze sowie die Verabreichung der Heilbäder.
Die Vorschrift ist eng auszulegen (vgl. Urteil des Gerichtshofes der Europäischen Gemeinschaften –EuGH– vom 18. Januar 2001 Rs. C-83/99 –Kommission/Spanien–, Slg. 2001, I-445, Umsatzsteuer-Rundschau 2001, 210 RandNr. 19). Zudem können die ermäßigten Steuersätze nach Art. 12 Abs. 3 Buchst. a der Sechsten Richtlinie des Rates vom 17. Mai 1977 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern 77/388/EWG (Richtlinie 77/388/EWG) nur auf Lieferungen von Gegenständen und Dienstleistungen im Sinne des Anhangs H zu dieser Richtlinie angewandt werden (EuGH, a.a.O.). Zu diesen Dienstleistungen zählen nach Kategorie 16 des Anhangs H medizinische Versorgungsleistungen und zahnärztliche Leistungen sowie Thermalbehandlungen, soweit sie nicht nach Art. 13 der Richtlinie 77/388/EWG steuerbefreit sind.
Die Thermalbehandlung muss im Rahmen einer medizinischen Heilbehandlung erfolgen; sie muss Heilzwecken dienen. Das folgt aus dem Wortlaut Thermal“behandlung“ und aus deren Gleichsetzung in Kategorie 16 des Anhangs H der Richtlinie 77/388/EWG mit „medizinischen Versorgungsleistungen“ und „zahnärztlichen Leistungen“.
Dementsprechend muss die Verabreichung eines Heilbads der Behandlung einer Krankheit oder einer anderen Gesundheitsstörung und damit dem Schutz der menschlichen Gesundheit dienen. Hiervon kann aber bei einer Sauna in einem Fitnessstudio regelmäßig keine Rede sein.
2. Die grundsätzliche Anerkennung der Sauna als Heilbad durch die Finanzverwaltung geht auf eine Umsatzsteuergruppenleiter-Besprechung vom 9./10. Januar 1968 zu § 12 Abs. 2 Nr. 9 UStG 1967 zurück. In der Niederschrift dieser Besprechung heißt es:
„Sachverhalt
Sind die Umsätze aus dem Bereich einer Sauna nach § 12 Abs. 2 Nr. 9 UStG 1967 begünstigt?
Stellungnahme
In der Regel dient die Sauna vorbeugenden Zwecken. Deshalb kann sie grundsätzlich nicht als Heilbad i.S. des § 12 Abs. 2 Nr. 9 UStG 1967 angesehen werden. Im Einzelfall kann jedoch eine heilende Wirkung bezweckt sein. Nach den Erläuterungen im Großen Brockhaus (16. Auflage, 1953) sind Saunabäder als Behandlung bei chronischen Hautkrankheiten, bei chronischem Gelenk- oder Muskelrheumatismus, bei Gicht und bei chronischen Metallvergiftungen angebracht. In diesen Fällen wird man die Steuervergünstigung zuerkennen müssen, wenn die Sauna ärztlich verordnet worden ist.
Besprechungsergebnis
Saunabäder sind grundsätzlich als Heilbäder anzuerkennen (vgl. den inzwischen mitgeteilten Erlaßentwurf zu § 12 Abs. 2 Nr. 9 UStG 1967).“
Seitdem zählt die Finanzverwaltung die „Saunabäder“ grundsätzlich zu den Heilbädern (vgl. Bundesminister der Finanzen, Erlass vom 13. Februar 1968, Umsatzsteuer-Handausgabe 1970 § 12 Tz. 13; Abschn. 171 Abs. 3 der Umsatzsteuer-Richtlinien –UStR– 2005).
Es mag zwar sein, dass Saunabäder auch als Behandlung bei chronischen Hautkrankheiten, bei chronischem Gelenk- oder Muskelrheumatismus, bei Gicht und bei chronischen Metallvergiftungen angebracht sind. In der Regel dient die Benutzung der Sauna –wie auch des Fitnessstudios im Übrigen– aber lediglich dem allgemeinen Wohlbefinden.
Soweit die Finanzverwaltung die Auffassung vertreten sollte, dass ein Saunabad „seiner Art nach“ allgemeinen Heilzwecken dient, auch wenn im Einzelfall kein bestimmter Heilzweck nachgewiesen wird (vgl. Abschn. 171 Abs. 3 UStR 2005), teilt der Senat diese Auffassung nicht (dahingestellt noch im BFH-Urteil vom 28. September 2000 V R 14, 15/99, BFHE 192, 357, BStBl II 2001, 78, unter II. 2. d).
Da im Streitfall keine Anhaltspunkte dafür bestehen, dass die Sauna der Klägerin Heilzwecken diente, kann in dem Betrieb dieser Sauna bereits aus diesem Grunde keine Verabreichung von Heilbädern gesehen werden. Auf die Frage, ob der Betrieb der Sauna zusammen mit den übrigen Angeboten der Klägerin eine einheitliche Leistung darstellt, die nicht unter die Vorschrift des § 12 Abs. 2 Nr. 9 UStG fällt, kommt es demnach nicht an.
3. Der von der Klägerin angeregten Anrufung des EuGH gemäß Art. 234 des Vertrags zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft (EG) bedarf es nicht, um zu klären, ob der Begriff „Verabreichung von Heilbädern“ in § 12 Abs. 2 Nr. 9 UStG richtlinienkonform dahin auszulegen ist, dass er –ohne dass die Voraussetzungen einer medizinischen Heilbehandlung vorliegen– auch den Besuch einer Sauna umfasst. Vielmehr ist sowohl der Begriff „Verabreichung von Heilbädern“ in § 12 Abs. 2 Nr. 9 UStG als auch der Begriff „Thermalbehandlung“ in Kategorie 16 des Anhangs H der Richtlinie 77/388/EWG dahin zu verstehen, dass die im Rahmen einer medizinischen Heilbehandlung erfolgen müssen. Für den Senat bestehen insoweit keine „vernünftigen Zweifel“.