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Fitnessstudiovertrag – Kündigung wegen Schwangerschaft

AG Hannover – Az: 568 C 15608/08 – Urteil vom 28.05.2009

1. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 539,10 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus 359,20 € seit dem 2.10.2008 und aus weiteren 119,80 € seit dem 2.12.2008 und aus weiteren 59,90 € seit dem 2.1.2009 zu zahlen.

2. Die Widerklage wird abgewiesen.

3. Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.

4. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand

Von der Darstellung des Tatbestandes wird gemäß § 313 a ZPO Abs. 1 ZPO abgesehen.

Entscheidungsgründe

Die Klage ist begründet.

Der Klägerin steht gegen die Beklagte ein Anspruch auf Zahlung von 539,10 € aus dem gemeinsam geschlossenen Vertrag vom 3.1.2006 zu.

Unstreitig hat die Beklagte die vereinbarten Mitgliedsbeiträge von Mai 2008 bis Januar 2009 in Höhe von monatlich 59,90 € nicht entrichtet, so dass sie antragsgemäß zur Zahlung der Gesamtsumme in Höhe von 539,10 € zu verurteilen war.

Die Beklagte war nicht berechtigt, den gemeinsamen Vertrag aufgrund eines wichtigen Grundes im Sinne von § 314 / § 626 BGB zu kündigen. Hierbei kann dahinstehen, ob ein Fitnessvertrag als Dienstvertrag im Sinne des § 611 BGB zu qualifizieren ist.

Es lag kein wichtiger Grund vor. Ein solcher ist nur gegeben, wenn Tatsachen vorliegen, die unter Berücksichtigung aller Umstände und unter Abwägung der beiderseitigen Interessen die Fortsetzung des Vertrages für den Kündigenden unzumutbar machen (vgl. Palandt/ Grüneberg § 314 Rz. 7). Die Schwangerschaft der Beklagten, auch soweit sie eine Risikoschwangerschaft gewesen sein sollte, stellt im vorliegenden Fall keinen solchen wichtigen Grund dar, der zu einer fristlosen Kündigung des Fitnessvertrages berechtigen würde.

Bereits bei Vertragsschluss war es beiden Parteien aufgrund des Geschlechts und des Alters der Beklagten bekannt, dass es aufgrund einer möglichen Schwangerschaft der Beklagten zeitweilig verwehrt sein könnte, den Nutzen aus dem Vertrag zu ziehen und in den Räumlichkeiten der Klägerin zu trainieren. Auf diese Gefahr hin reagierten die Vertragspartner in § 2 des Vertrages, indem sie für einen solchen Fall vereinbarten, dass die Mitgliedschaft im gegenseitigen Einverständnis für einen bestimmten Zeitraum ausgesetzt werden könne.

Diese Regelung wird beiden Vertragsparteien gerecht. Zum einen schützt sie die Beklagte als Mitglied, für Zeiträume die Mitgliedsbeiträge zu entrichten, in denen sie de facto keine Möglichkeit hat, das Angebot der Klägerin zu nutzen. Zum anderen schützt die Regelung die Klägerin, indem sie eine Gewisse Planungssicherheit im Hinblick auf ihren Kundenstamm behält.

Im Rahmen dieser Wertung muss berücksichtigt werden, dass bereits bei Abschluss des Vertrages für die Beklagte – anders als bei einer unvorhergesehenen Krankheit – die Möglichkeit bestand, einmal schwanger zu werden. Soweit sie sich im Falle einer Schwangerschaft besondere Rechte hätte vorbehalten wollen, hätte sie dies im Rahmen der Vertragsverhandlungen ansprechen und durchsetzen können. Sie hätte zumindest eine kürzere Vertragslaufzeit wählen können, auch wenn sie von der Klägerin dahingehend beraten worden ist, dass es für sie wirtschaftlich am sinnvollsten sei, eine möglichst lange Vertragslaufzeit zu wählen. Unbestritten bleibt, dass zumindest die Möglichkeit bestand, den Vertrag auch kürzer laufen zu lassen.

Der Beklagten kann auch in ihrer Argumentation nicht gefolgt werden, eine Auslegung von § 2 des gemeinsamen Vertrages ergebe, dass dem Mitglied im Falle einer Schwangerschaft per se ein außerordentliches Kündigungsrecht zustünde. Nach verständiger Würdigung muss die Regelung dahingehend ausgelegt werden, dass im Rahmen der aufgeführten Gründe der Vertrag ruhend gestellt werden kann. Soweit die Voraussetzungen eines außerordentlichen Kündigungsrechtes vorliegen, kann über eine Ruhendstellung hinaus davon auch noch außerordentlich gekündigt werden.

Ferner muss berücksichtigt werden, dass es bei einer wertenden Betrachtung der Klägerin nicht zugemutet werden kann, bei der Schwangerschaft eines Mitgliedes ein automatisches außerordentliches Kündigungsrecht zu akzeptieren. Anderenfalls wären die Sportstudios der potentiellen Gefahr ausgesetzt, dass sie einen Großteil ihrer Mitglieder verlieren könnten, ohne dass sie die Möglichkeit hätten, wirtschaftlich angemessen darauf zu reagieren.

Die Regelung in § 2 des gemeinsamen Vertrages hält auch einer verfassungsrechtlichen Prüfung des Art. 6 Abs. 4 GG stand, wie sie das Bundesverfassungsgericht in seiner Entscheidung vom 24.5.2005 (NJW 2005, 2383) gefordert hat. Die Schwangere hat das Recht, für den Zeitraum der Schwangerschaft und für einen gewissen Zeitraum danach, die Mitgliedschaft ruhen zu lassen, um Schaden von sich und dem Kind abwenden zu können. Das Grundrecht aus Art. 6 Abs. 4 GG gebietet es aber nicht, Vertragsbeziehungen vollständig aufzulösen. Hierbei sind nämlich ebenfalls die Grundrechte des Vertragspartners mit einzubeziehen. Nach der Niederkunft der Mutter besteht objektiv keine Gefahr mehr, dass durch den Besuch eines Fitnessstudios die Mutter/Kind-Beziehung einen dauerhaften Schaden nehmen könnte.

Nichts anderes gilt, soweit die Schwangerschaft der Beklagten tatsächlich eine Risikoschwangerschaft gewesen sein sollte. Die Beklagte hätte die Möglichkeit gehabt, für den Zeitraum der Schwangerschaft ihren Vertrag ruhend zu stellen, um ihn nach der Entbindung wieder aufleben zu lassen.

Bei einer solchen wertenden Betrachtung im Hinblick auf die Zubilligung eines außerordentlichen Kündigungsrechts sind die persönlichen Verhältnisse der Beklagten nach der Geburt in der Weise nicht zu berücksichtigen, als dass sie pauschal vorträgt, für den Besuch des Fitnessstudios der Klägerin keine Möglichkeit mehr zu haben. Es ist gerichtsbekannt, dass die Geburt eines Kindes, gerade des ersten, einen tiefen Einschnitt im Leben der Eltern darstellt, welcher eine völlige Neuorganisation der täglichen Abläufe erforderlich macht. Gut nachvollziehbar ist es, dass die Beklagte nunmehr anderen Tätigkeiten und Beschäftigungen gegenüber dem Besuch eines Fitnessstudios den Vorrang gibt. Die Beklagte hat aber gerade nicht vorgetragen, dass der Besuch eines Fitnessstudios ihr schlechthin unmöglich geworden wäre. Allein eine solche fehlende Möglichkeit hätte im Rahmen einer außerordentlichen Kündigung Berücksichtigung finden können.

Hinzu kommt, dass für das Vorliegen eines Kündigungsgrundes immer auf den Zeitpunkt der Kündigungserklärung abzustellen ist. Im Rahmen Ihrer Kündigungserklärung hat die Beklagte aber noch keine völlige Zeitnot prognostiziert, geschweige denn der Klägerin vorgetragen.

Die vertraglichen Vereinbarungen zwischen Klägerin und Beklagten verstoßen auch nicht gegen § 309 Nr. 9 BGB. Die in dieser Norm vorgegebenen Höchstgrenzen wurden eingehalten. Die Beklagte wäre in der Lage gewesen, diese Kündigungsgrenzen hinabzusetzen, wenn sie mit einem höheren monatlichen Mitgliedsbeitrag einverstanden gewesen wäre. Dass sie sich entschieden hat, hiervor keinen Gebrauch zu machen, kann der Klägerin nicht angelastet werden.

Die ursprüngliche vertragliche Gestaltung von einer Vertragslaufzeit von 22 und 2 Monaten ist auch nicht verwirrend. So gestaltet sich diese nach unwidersprochen gebliebenen Vortrag der Klägerin dahingehend, dass die ersten zwei Vertragsmonate für die Beklagte kostenfrei gewesen sind, wonach sie die restlichen 22 Monate der Laufzeit die monatlichen Beiträge zu entrichten hatte. Das Gericht geht davon aus, dass die Beklagte keinerlei Probleme hatte, sich an diese Vertragsgestaltung zu halten und sieht auch keinen Anhaltspunkt, warum eine solche Vertragsgestaltung den Vertragspartner verwirren könnte, geschweige denn die Gefahr hervorrufen würde, ihm einen Nachteil zuzuführen.

Die Vertragsverlängerungsmöglichkeit von einem Jahr nach Ablauf der Mindestvertragslaufzeit stellt auch keinen Verstoß gegen § 307 BGB oder § 309 Nr. 9 b) BGB dar. Es ist keine unangemessene Benachteiligung der Beklagten zu erkennen. Es hätte der Beklagte frei gestanden, kürzere Kündigungszeiträume zu wählen, wenn sie dafür einen höheren monatlichen Mitgliedsbeitrag in Kauf genommen hätte. Auch übervorteilt der monatliche Beitrag die Beklagte so sehr, als dass eine Vertragsverlängerung um ein Jahr als unangemessen erscheinen würde.

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Wie die Beklagte auf eine Erstlaufzeit des Vertrages von 22 Monaten kommt, erschließt sich dem Gericht nicht. Die Laufzeit wurde auf 24 Monate bestimmt, wovon die Beklagte nur 22 bezahlen musste. Dadurch ändert sich aber die Laufzeit des Vertrages nicht. Gleiches gilt für die Vertragsdauer insgesamt. Die Vertragsdauer ändert sich nicht dadurch, dass die Vertragslaufzeit um drei Tage rückdatiert wurde. Es verbleibt auch dabei bei einer Vertragslaufzeit von 24 Monaten.

Die Beklagte hat im Rahmen ihrer Kündigungserklärung auch nicht die vorgeschriebene angemessene (§ 314 Abs. 3 BGB) oder 2-Wochen-Frist (§ 626 Abs. 2 Satz 1 BGB) eingehalten. Unstreitig hat die Beklagte bereits am 19.12.2007 von ihrer Schwangerschaft erfahren und unstreitig ist der Klägerin die Kündigung erst am 10.8.2008 zugegangen. Davon abgesehen, dass die Beklagte außer dem Umstand ihrer Schwangerschaft gar keinen Kündigungsgrund der Klägerin in ihrem Kündigungsschreiben mitgeteilt hat, bestanden die Gründe der Risikoschwangerschaft – hohes Alter einer Erstgebärenden und eine vorherige Fehlgeburt – bereits von Beginn an, so dass nicht ersichtlich ist, warum die Beklagte mit ihrer Kündigung solange zugewartet hat.

Der Beklagten kann auch während der gesamten Zeit ihrer Schwangerschaft nicht ein generelles Kündigungsrecht aus wichtigem Grund zugestanden werden. Soweit die Beklagte meint, ein wichtiger Grund läge vor, ist sie gehalten, innerhalb der ihr gesetzlich vorgegebenen Fristen die Kündigung auszusprechen. Dies ist bereits aus dem Grund heraus geboten, dass der Klägerin ein gewisses Maß an Planungssicherheit zugesprochen werden muss. Soweit die Beklagte vorträgt, sie habe in Rücksprache mit ihrem Arzt Ende Februar die Kündigung aufgrund ihrer Schwangerschaft ausgesprochen, legt sie gerade nicht dar, welche konkreten Umstände, außer dem generellen Grund der Schwangerschaft, den sie sodann auch in ihrem Kündigungsschreiben als Grund genannt hat, sie bewogen haben könnten, die Kündigung just zu diesem Zeitpunkt auszusprechen.

Der gemeinsame Vertrag lief bis Januar 2009. Unstreitig haben die beiden Parteien den Vertrag für den Monat März 2008 ruhend gestellt. Bei objektiver Auslegung heißt das für die Beklagte aber nicht, dass die Klägerin damit auf einen Monatsmitgliedsbeitrag verzichten wollte. Eine solche Ruhendstellung hat den Zweck, dass es dem Mitglied es ermöglicht werden soll, im Zeitraum der Ruhendstellung dem Angebot des Sportstudios nicht nachzukommen, ohne dadurch negative finanzielle Folgen in Kauf nehmen zu müssen. Das Sportstudio muss ebenfalls durch diese Vereinbarung ebenfalls keine negativen Folgen vergegenwärtigen, da sich der Vertragslauf um die ruhende Zeit verlängert.

Die Zinsentscheidung folgt aus §§ 286, 288 BGB.

Die Widerklage war abzuweisen, da der Beklagten kein außerordentliches Kündigungsrecht zustand und sie somit auch nicht berechtigt war, den von ihr entrichteten Mitgliedsbeitrag zurückzufordern.

Die Nebenentscheidungen finden ihre rechtliche Grundlage in §§ 91 Abs. 1, 708 Nr. 11, 711, 713 ZPO.

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