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Corona-Pandemie – Pflicht zum Tragen medizinischer Masken für Grundschüler

Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg – Az.: 11 S 103/21 – Beschluss vom 23.11.2021

Der Antrag wird zurückgewiesen.

Der Antragsteller trägt die Kosten des Verfahrens.

Der Streitwert wird auf 5.000 EUR festgesetzt.

Gründe

I.

Der sechsjährige Antragsteller lebt in Brandenburg und besucht die erste Klasse einer Grundschule sowie eine Horteinrichtung in Blankenfelde-Mahlow. Er begehrt einstweiligen Rechtsschutz gegen § 24 Abs. 5 und 6 der Verordnung über befristete Eindämmungsmaßnahmen aufgrund des SARS-CoV-2-Virus und COVID-19 im Land Brandenburg (SARS-CoV-2-Eindämmungsverordnung – SARS-CoV-2-EindV) vom 12. November 2021 (GVBl. II/21, Nr. 91), soweit dort eine Pflicht zum Tragen einer medizinischen Maske in den Innenbereichen der Schule sowie der Horteinrichtung (unter Benennung von Ausnahmen) begründet wird.

Die SARS-CoV-2-EindV ist am 15. November 2021 in Kraft getreten und tritt mit Ablauf des 5. Dezember 2021 außer Kraft (§ 31 SARS-CoV-2-EindV).

Die beanstandete Vorschrift lautet:

§ 24  Schulen, Horteinrichtungen, Kindertagesstätten und Kindertagespflegestellen

Tragepflicht Corona-Maske für Grundschüler
Tragepflicht für medizinische Corona-Masken für Grundschüler in Brandenburg – (Symbolfoto: Von Tom Wang/Shutterstock.com)

(1) – (4) […]

(5) In Schulen nach Absatz 1 besteht für folgende Personen die Pflicht zum Tragen einer medizinischen Maske:

1. in den Innenbereichen außer während des Schulsports sowie außer beim Singen und beim Spielen von Blasinstrumenten für

a. alle Schülerinnen und Schüler,

b. alle Lehrkräfte und das sonstige Schulpersonal,

2. in den Innen- und Außenbereichen für alle Besucherinnen und Besucher.

Schülerinnen und Schüler sind von der Tragepflicht bei Klausuren mit einer Dauer ab 240 Minuten befreit, wenn das Abstandsgebot eingehalten wird. Für Schülerinnen und Schüler mit sonderpädagogischem Förderbedarf kann die Schule aus pädagogischen Gründen eine weitergehende Befreiung von der Tragepflicht zulassen. Während des Stoßlüftens in den Schulräumen können Schülerinnen und Schüler sowie Lehrkräfte und das sonstige Schulpersonal die medizinische Maske vorübergehend abnehmen.

(6) In den Innenbereichen von Horteinrichtungen besteht für alle Personen ab dem vollendeten sechsten Lebensjahr die Pflicht zum Tragen einer medizinischen Maske außerhalb der Betreuungs- und Bildungsangebote, die in Gruppen-, Bewegungs- oder sonstigen pädagogischen Räumen stattfinden. Für Besucherinnen und Besucher gilt die Tragepflicht auch in den Außenbereichen von Horteinrichtungen

(7) – (9) […]

Der Deutsche Bundestag hat am 25. August 2021 festgestellt, dass die epidemische Lage von nationaler Tragweite, die der Deutsche Bundestag am 25. März 2020 mit Wirkung zum 28. März 2020 aufgrund der Ausbreitung des neuartigen Corona-Virus SARS-CoV-2 in der Bundesrepublik Deutschland festgestellt hat, und deren Fortbestehen er seither jeweils wiederum festgestellt hat, weiter fortbesteht (BGBl. I, S. 4072). Die Feststellung der epidemischen Lage von nationaler Tragweite gilt aufgrund von § 5 Absatz 1 Satz 3 IfSG mit Ablauf des 25. November 2021 als aufgehoben, da der Deutsche Bundestag bis dahin keinen Beschluss über die Fortgeltung der epidemischen Lage von nationaler Tragweite treffen wird.

Nach der am 19. November 2021 vom Bundestag mit Zustimmung des Bundesrates beschlossenen Änderung des Infektionsschutzgesetzes, die am 24. November 2021 in Kraft treten wird (BGBl. I, S. 4906), erhält § 28a IfSG auszugsweise folgende Fassung:

§ 28a Besondere Schutzmaßnahmen zur Verhinderung der Verbreitung der Coronavirus-Krankheit-2019 (COVID-19):

(1) – (6) […]

(7) Unabhängig von einer durch den Deutschen Bundestag nach § 5 Absatz 1 Satz 1 festgestellten epidemischen Lage von nationaler Tragweite können folgende Maßnahmen notwendige Schutzmaßnahmen im Sinne des § 28 Absatz 1 Satz 1 und 2 sein, soweit sie zur Verhinderung der Verbreitung der Coronavirus-Krankheit-2019 (COVID-19) erforderlich sind:

  1. die Anordnung eines Abstandsgebots im öffentlichen Raum, insbesondere in öffentlich zugänglichen Innenräumen,
  2. die Anordnung von Kontaktbeschränkungen im privaten sowie im öffentlichen Raum,
  3. die Verpflichtung zum Tragen einer Atemschutzmaske (FFP2 oder vergleichbar) oder einer medizinischen Gesichtsmaske (Mund-Nasen-Schutz),

4. – 8. […]

(8) Nach dem Ende einer durch den Deutschen Bundestag nach § 5 Absatz 1 Satz 1 festgestellten epidemischen Lage von nationaler Tragweite können die Absätze 1 bis 6 auch angewendet werden, soweit und solange die konkrete Gefahr der epidemischen Ausbreitung der Coronavirus-Krankheit-2019 (COVID-19) in einem Land besteht und das Parlament in dem betroffenen Land die Anwendbarkeit der Absätze 1 bis 6 für das Land feststellt, mit der Maßgabe, dass folgende Schutzmaßnahmen ausgeschlossen sind:

1. die Anordnung von Ausgangsbeschränkungen,

2. – 5. […]

Absatz 7 bleibt unberührt. […]

(9) Absatz 1 bleibt nach dem Ende einer durch den Deutschen Bundestag nach § 5 Absatz 1 Satz 1 festgestellten epidemischen Lage von nationaler Tragweite bis längstens zum Ablauf des 15. Dezember 2021 für Schutzmaßnahmen nach Absatz 1 in Verbindung mit § 28 Absatz 1 Satz 1 und 2 anwendbar, die bis zum 25. November 2021 in Kraft getreten sind. Satz 1 gilt für Schutzmaßnahmen nach Absatz 1 in Verbindung mit § 28 Absatz 1 Satz 1 und 2 und § 32 entsprechend, sofern das Parlament in dem betroffenen Land die Rechtsverordnungen nicht aufhebt. […]

(10) Eine auf Grund von Absatz 7 Satz 1 oder Absatz 8 Satz 1 in Verbindung mit § 28 Absatz 1 und § 32 erlassene Rechtsverordnung muss spätestens mit Ablauf des 19. März 2022 außer Kraft treten. […]

Der Antragsteller macht zur Begründung seines Antrags im Wesentlichen geltend:

Die Pflicht zum Maskentragen in der Schule und im Hort begründe einen Eingriff sowohl in die allgemeine Handlungsfreiheit (Art. 2 Abs. 1 GG) als auch in die durch Art. 2 Abs. 2 GG geschützte körperliche Unversehrtheit. Einer Studie der Universität Witten/Herdecke zufolge, die die Auswirkungen des Maskentragens auf Kinder untersucht habe, hätten 50% der 25.000 Probanden Konzentrationsschwierigkeiten entwickelt, 25% der Kinder hätten angegeben neue Ängste entwickelt zu haben.

Die angegriffene Vorschrift sei formell rechtswidrig. § 32 Satz 1 IfSG i. V. m. § 28 Abs. 1 IfSG und § 28a Abs. 1 Nr. 2 IfSG, wonach notwendige Schutzmaßnahmen, wie die Verpflichtung zum Tragen einer Mund-Nasen-Bedeckung (Maskenpflicht), für die Dauer der Feststellung einer epidemischen Lage von nationaler Tragweite angeordnet werden können, sei nach der Aufhebung dieser Feststellung mit Ablauf des 25. November 2021 keine taugliche Ermächtigungsgrundlage. Jedenfalls für den Zeitraum ab dem 26. November 2021 bis zum 5. Dezember 2021 fehle es dem brandenburgischen Gesetzgeber an einer Rechtsgrundlage für den Erlass der Landesverordnung. Aus diesem „intertemporalen Mangel der Ermächtigungsgrundlage“ folge die Teilnichtigkeit der betreffenden Vorschriften. Eine Heilung komme nicht in Betracht. Die brandenburgische Landesregierung handele rein spekulativ, wenn sie eine Verlängerung der pandemischen Lage erhoffe oder auf andere Gesetzesmechanismen baue, die durch Änderung des Infektionsschutzgesetzes eintreten könnten. Auch falls nach Antragstellung eine zeitlich ausreichende Abdeckung für den Verordnungserlass geschaffen würde, komme eine Heilung der angegriffenen Verordnung nicht in Betracht. Sämtliche für eine Verordnung maßgeblichen Rechtsgrundlagen müssten im Zeitpunkt des Erlasses gelten und auch in der Verordnung genannt sein. Davon abgesehen scheide eine Heilung auch deshalb aus, weil die zum Zeitpunkt der Antragstellung geplanten Änderungen sich systematisch von den zum Erlasszeitpunkt geltenden Regelungen unterschieden.

Auf die materiell-rechtliche Würdigung der Vorschriften komme es danach schon nicht mehr an. Davon abgesehen seien die angegriffenen Vorschriften auch nicht verhältnismäßig. Eine auch am Sitzplatz geltende Maskenpflicht gehe über die Empfehlungen des Robert-Koch-Instituts hinaus, das als Präventionsmaßnahme in Schulen das Tragen von Alltagsmasken nur dann empfohlen habe, wenn der Mindestabstand von 1,50 m nicht eingehalten werden könne. Gleiches gelte auch für die Nationale Akademie der Wissenschaften Leopoldina, die das Tragen von Mund-Nasen-Schutz nur dann empfehle, wenn Abstände und Lüftung nicht gewährleistet werden könnten.

Der Antragsteller beantragt (wörtlich), die Verordnung über befristete Eindämmungsmaßnahmen aufgrund des SARS-CoV-2-Virus und COVID-19 im Land Brandenburg (SARS-CoV-2-Eindämmungsverordnung – SARS-CoV-2-EindV) vom 12. November 2021 einstweilig außer Vollzug zu setzen, soweit sie – entgegen der zeitlichen Begrenzung aus § 5 Abs. 1 S. 1 IfSG zur Regelung der epidemischen Lage von nationaler Tragweite bis zum 25. November 2021 – gemäß § 31 S. 1 Bbg SARS-CoV-2-EindV mit Rechtskraft bis zum 5. Dezember 2021 ausgestattet ist und diese gemäß § 24 Abs. 5 Bbg SARS-CoV-2-EindV für die Innenbereiche der Schule außer während des Schulsports sowie außer beim Singen und beim Spielen von Blasinstrumenten und Hort sowie gemäß § 24 Abs. 6 Bbg SARS-CoV-2-EindV für die Innenbereiche von Horteinrichtungen außerhalb der Betreuungs- und Bildungsangebote, die in Gruppen-, Bewegungs- oder sonstigen pädagogischen Räumen stattfinden, die Pflicht zum Tragen einer medizinischen Maske auferlegt und insoweit ohne Ermächtigungsgrundlage nichtig ist.

II.

Der Antrag ist zulässig, aber unbegründet.

1. Gemäß § 47 Abs. 1 Nr. 2 VwGO i. V. m. § 4 Abs. 1 BbgVwGG entscheidet das Oberverwaltungsgericht im Rahmen seiner Gerichtsbarkeit auf Antrag über die Gültigkeit von anderen (nicht von Nr. 1 erfassten) im Rang unter dem Landesgesetz stehenden Rechtsvorschriften und damit auch über die angegriffene Vorschrift des § 24 Abs. 5 und 6 SARS-CoV-2-EindV.

Der Antragsteller ist gemäß § 47 Abs. 2 Satz 1 VwGO antragsbefugt, da es zumindest möglich erscheint, dass § 24 Abs. 5 und 6 SARS-CoV-2-EindV über die für Grundschüler und Hortkinder geltende Pflicht zum Tragen einer medizinischen Maske ihn als davon betroffenen Schüler in seinen Rechten aus Art. 2 Abs. 1 und Abs. 2 GG verletzt.

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2. Der Antrag des Antragstellers ist aber unbegründet.

Nach § 47 Abs. 6 VwGO kann das Gericht auf Antrag eine einstweilige Anordnung erlassen, wenn dies zur Abwehr schwerer Nachteile oder aus anderen wichtigen Gründen dringend geboten ist. Prüfungsmaßstab im Verfahren nach § 47 Abs. 6 VwGO sind in erster Linie die Erfolgsaussichten des in der Hauptsache anhängigen Normenkontrollantrags, soweit sich diese im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes bereits absehen lassen. Dabei erlangen die Erfolgsaussichten des Normenkontrollantrags eine umso größere Bedeutung für die Entscheidung im Eilverfahren, je kürzer die Geltungsdauer der in der Hauptsache angegriffenen Normen befristet und je geringer damit die Wahrscheinlichkeit ist, dass eine Entscheidung über den Normenkontrollantrag noch vor dem Außerkrafttreten der Normen ergehen kann.

Ergibt demnach die Prüfung der Erfolgsaussichten der Hauptsache, dass der Normenkontrollantrag voraussichtlich unzulässig oder unbegründet sein wird, ist der Erlass einer einstweiligen Anordnung nicht zur Abwehr schwerer Nachteile oder aus anderen wichtigen Gründen dringend geboten. Erweist sich dagegen, dass der Antrag zulässig und (voraussichtlich) begründet sein wird, so ist dies ein wesentliches Indiz dafür, dass der Vollzug bis zu einer Entscheidung in der Hauptsache suspendiert werden muss. In diesem Fall kann eine einstweilige Anordnung ergehen, wenn der (weitere) Vollzug vor einer Entscheidung im Hauptsacheverfahren Nachteile befürchten lässt, die unter Berücksichtigung der Belange des Antragstellers, betroffener Dritter und/oder der Allgemeinheit so gewichtig sind, dass eine vorläufige Regelung mit Blick auf die Wirksamkeit und Umsetzbarkeit einer für den Antragsteller günstigen Hauptsachenentscheidung unaufschiebbar ist.

Lassen sich die Erfolgsaussichten des Normenkontrollverfahrens im Zeitpunkt der Entscheidung über den Eilantrag nicht (hinreichend) abschätzen, ist über den Erlass einer beantragten einstweiligen Anordnung im Wege einer Folgenabwägung zu entscheiden: Gegenüberzustellen sind die Folgen, die eintreten würden, wenn eine einstweilige Anordnung nicht erginge, das Hauptsacheverfahren aber Erfolg hätte, und die Nachteile, die entstünden, wenn die begehrte einstweilige Anordnung erlassen würde, das Normenkontrollverfahren aber erfolglos bliebe. Die für den Erlass der einstweiligen Anordnung sprechenden Erwägungen müssen die gegenläufigen Interessen dabei deutlich überwiegen, mithin so schwer wiegen, dass der Erlass der einstweiligen Anordnung – trotz offener Erfolgsaussichten der Hauptsache – dringend geboten ist (vgl. zum vorstehenden insgesamt: Senatsbeschluss vom 23. April 2020 – OVG 11 S 25/20 -, Rn. 4 – 7, juris; OVG Schleswig-Holstein, Beschluss vom 09. April 2020 – 3 MR 4/20 -, Rn. 3 – 5, juris; Bayerischer Verwaltungsgerichtshof, Beschluss vom 30.03.2020 – 20 NE 20.632 -, juris Rn. 31 ff., jeweils unter Hinweis auf BVerwG, Beschluss vom 25.02.2015 – 4 VR 5.14 -, juris Rn. 12).

Davon ausgehend kann der Antrag, § 24 Abs. 5 und 6 SARS-CoV-2-EindV vorläufig auszusetzen, keinen Erfolg haben.

a. Die Erfolgsaussichten eines Normenkontrollverfahrens gegen die beanstandete Regelung sind nach der hier nur möglichen summarischen Prüfung allenfalls als offen zu bezeichnen, eine offensichtliche Rechtswidrigkeit der angegriffenen Normen drängt sich nicht auf.

(1) Die angegriffene Regelung dürfte in § 32 i. V. m. §§ 28, 28a Abs. 1 Nr. 2 IfSG eine hinreichende gesetzliche Rechtsgrundlage für die gesamte Geltungsdauer der SARS-CoV-2-EindV finden. Zweifel am Vorliegen der formellen Voraussetzungen des § 28a Abs. 5 IfSG sind weder geltend gemacht noch sonst ersichtlich.

Nach der im Zeitpunkt des Erlasses der Rechtsverordnung geltenden Rechtslage waren die Landesregierungen gemäß § 32 IfSG ermächtigt, unter den Voraussetzungen, die für Maßnahmen nach den §§ 28, 28a und §§ 29 bis 31 maßgebend sind, auch durch Rechtsverordnungen entsprechende Gebote und Verbote zur Bekämpfung übertragbarer Krankheiten zu erlassen. Nach § 28 Abs. 1 Satz 1 galt, dass wenn Kranke, Krankheitsverdächtige, Ansteckungsverdächtige oder Ausscheider festgestellt werden oder sich ergibt, dass ein Verstorbener krank, krankheitsverdächtig oder Ausscheider war, die zuständige Behörde die notwendigen Schutzmaßnahmen, insbesondere die in § 28a Absatz 1 und in den §§ 29 bis 31 genannten, trifft, soweit und solange es zur Verhinderung der Verbreitung übertragbarer Krankheiten erforderlich ist. Nach § 28a Abs. 1 IfSG galt, dass für die Dauer der vom Bundestag gemäß § 5 Abs. 1 Satz 1 IfSG festzustellenden epidemischen Lage von nationaler Tragweite zur Verhinderung der Verbreitung der Corona-Virus-Krankheit 2019 (COVID-19) insbesondere die in dessen Absatz 1 genannten Schutzmaßnahmen notwendige Schutzmaßnahmen im Sinne von § 28 Abs. 1 Satz 1 IfSG darstellen, wozu nach § 28a Abs. 1 Nr. 2 IfSG auch die Verpflichtung zum Tragen einer Mund-Nasen-Bedeckung (Maskenpflicht) zählt. Gemäß § 28a Abs. 3 Satz 1 IfSG waren Entscheidungen über Schutzmaßnahmen zur Verhinderung der Verbreitung der Coronavirus-Krankheit-2019 (COVID-19) u. a. nach Abs. 1 in Verbindung mit § 28 Abs. 1 insbesondere an dem Schutz von Leben und Gesundheit und der Funktionsfähigkeit des Gesundheitssystems auszurichten; nach § 28a Abs. 3 Satz 2 konnten zum präventiven Infektionsschutz insbesondere die in Abs. 1 Nr.1, 2, 2a, 4 und 17 genannten Schutzmaßnahmen ergriffen werden.

Weder die Tatsache, dass das Infektionsschutzgesetz während der Geltungsdauer der SARS-CoV-2-EindV mit Wirkung ab dem 24. November 2021 geändert wird, noch die Tatsache, dass die Feststellung der epidemischen Lage von nationaler Tragweite mit Ablauf des 25. November 2021 aufgehoben sein wird, dürften zur Nichtigkeit der Verordnung führen.

Gemäß Art. 80 Abs. 1 Satz 1 des Grundgesetzes können die Bundesregierung, ein Bundesminister oder die Landesregierungen durch Gesetz ermächtigt werden, Rechtsverordnungen zu erlassen. In zeitlicher Hinsicht steht fest, dass die Kompetenz zur Verordnungsgebung dem Ermächtigungsadressaten erst mit Inkrafttreten der ermächtigenden Norm zuwächst. Daher muss sich die Ermächtigungsnorm grundsätzlich zum Zeitpunkt des Verordnungserlasses in Geltung befinden. Nach ständiger höchstrichterlicher Rechtsprechung lassen sowohl das nachträgliche Erlöschen als auch die nachträgliche Änderung einer Ermächtigungsgrundlage die Wirksamkeit einer zuvor ordnungsgemäß erlassenen Rechtsverordnung prinzipiell unberührt (vgl. nur BVerfG, Beschluss vom 3. Dezember 1958 – 1 BvR 488/57 -, juris Rn. 32 [= BVerfGE 9, 3]; BVerfG, Beschluss vom 16. Mai 1961 – 2 BvF 1/60 -, juris Rn. 27 [= BVerfGE 12, 341]; BVerwG, Urteil vom 23. April 1997 – 11 C 4.96 -, juris Rn. 12 [= BVerwGE 104, 331]). Eine auf einer erloschenen oder geänderten Ermächtigungsgrundlage erlassene Rechtsverordnung bleibt daher im Grundsatz bis zu ihrer förmlichen Aufhebung gültig. Gleiches gilt für diejenige Konstellation, in der die Fortgeltung einer Verordnung bei nachträglichem Wegfall einer Ermächtigungstatbestandes inmitten steht (BVerwG, Urteil vom 12. Dezember 1979 – 8 C 2.79 -, juris Rn. 15 ff. [= BVerwGE 59, 195]).

Ausnahmsweise ist dann von einer Unwirksamkeit der Rechtsverordnung auszugehen, wenn diese im Falle der Änderung ihrer Ermächtigungsgrundlage inhaltlich nicht mehr in Einklang mit der neuen Gesetzeslage steht (vgl. BVerwG, Urteil vom 6. Oktober 1989 – 4 C 11.86 -, juris Rn. 10) oder durch die Neuregelung offensichtlich gegenstands- oder funktionslos geworden ist (BVerwG, Urteil vom 12. Dezember 1979 – 8 C 2.79 -, juris Rn. 16 [= BVerwGE 59, 195] m. w. N.).

Von letzterem ist hier nicht auszugehen. § 28a Abs. 7 Satz 1 Nr. 3 IfSG in der ab dem 24. November 2021 geltenden Fassung sieht zum einen vor, dass die Verpflichtung zum Tragen einer Atemschutzmaske (FFP2 oder vergleichbar) oder einer medizinischen Gesichtsmaske (Mund-Nasen-Schutz) unabhängig von der Feststellung einer epidemischen Lage von nationaler Tragweite durch den Bundestag (auch qua Rechtsverordnung) angeordnet werden kann, soweit die Schutzmaßnahme zur Verhinderung der Verbreitung von COVID-19 erforderlich ist. Vor allem aber sieht der neue § 28a Abs. 9 IfSG vor, dass § 28a Abs. 1, auf den die streitige, in § 24 Abs. 5 und 6 SARS-CoV-2-EindV bestimmte Maskenpflicht gestützt ist, bis zum 15. Dezember 2021 anwendbar bleibt, sofern das Parlament in dem betroffenen Land die Rechtsverordnungen nicht aufhebt. Vor diesem Hintergrund dürfte feststehen, dass die noch bis zum 5. Dezember 2021 geltende SARS-CoV-2-EindV im Hinblick auf die hier angegriffene Norm in Einklang mit der neuen Gesetzeslage steht.

Etwas anderes gilt hier auch nicht deshalb, weil zum Zeitpunkt des Erlasses der Rechtsverordnung die Möglichkeit bestand, dass – in Ermangelung einer Feststellung des Fortbestehens der epidemischen Lage von nationaler Tragweite gemäß § 5 Abs. 1 Satz 3 IfSG – der Tatbestand der Ermächtigungsgrundlage von einem bestimmten Zeitpunkt während der Geltungsdauer der SARS-CoV-2-EindV an nicht mehr erfüllt sein könnte. Aus dieser bloßen Möglichkeit ergab sich, auch im Sinne einer Konstanz geltender Regelungen, von Verfassungs wegen keine Pflicht, der Verordnung nur bis zum 25. November 2021 Geltung beizumessen, zumal nur von einer (temporären) Teilnichtigkeit der Verordnung auszugehen gewesen wäre, hätte sie nach diesem Zeitpunkt nicht mehr im Einklang mit der Gesetzeslage gestanden.

Da eine Teilnichtigkeit der Rechtsverordnung wegen eines „intertemporalen Mangels der Ermächtigungsgrundlage“ nach dem Vorgesagten voraussichtlich ausscheidet, dürfte sich die Frage einer etwaigen Heilung nicht stellen.

Dass die SARS-CoV-2-EindV das in Art. 80 Abs. 1 Satz 3 GG vorgeschriebene Zitiergebot verletzt, ist nicht ersichtlich. Die zum Zeitpunkt des Erlasses geltenden Rechtsgrundlage, auf die der Verordnungsgeber seine Befugnis zum Erlass der Verordnung gestützt hat, sind in der Verordnung angegeben.

(2) Die sich aus § 32 Satz 1 IfSG i. V. m. §§ 28 Abs. 1, 28a Abs. 1 IfSG ergebenden materiellen Voraussetzungen für die Anordnung von Schutzmaßnahmen gemäß § 28 Abs. 1 i. V. m.§ 28a IfSG im Wege der hier in Rede stehenden Verordnung waren und sind nach der hier nur möglichen summarischen Prüfung ebenfalls erfüllt.

Die Feststellung des Deutschen Bundestag über das Fortbestehen der epidemischen Lage von nationaler Tragweite gilt bis zum Ablauf des 25. November 2021. In dem ab dem 24. November 2021 geltenden § 28a Abs. 9 IfSG ist, wie bereits ausgeführt, bestimmt, dass Schutzmaßnahmen nach § 28a IfSG i. V. m. § 28 Abs. 1 Satz 1 und 2 und § 32 bis längstens zum 15. Dezember 2021 in Kraft bleiben, sofern das Parlament in dem betroffenen Land die Rechtsverordnung nicht aufhebt, was hier bislang nicht der Fall ist.

Bei der in Rede stehenden Anordnung einer Pflicht, in den Innenbereichen von Schule sowie von Horteinrichtungen eine medizinische Maske zu tragen, handelt es sich um eine in § 28a Abs. 1 Nr. 2 IfSG ausdrücklich vorgesehene besondere Schutzmaßnahme zur Verhinderung der Verbreitung von COVID-19. Als in § 28a Abs. 3 Satz 2 IfSG angeführte Maßnahme des präventiven Infektionsschutzes unterliegt die Anordnung einer Maskenpflicht in Schulen und Horteinrichtungen keinen weiteren Anforderungen nach § 28a Abs. 3 IfSG.

(3) Der Verordnungsgeber durfte die beanstandete Verpflichtung der Schüler zum Tragen einer medizinischen Maske bei summarischer Prüfung auch als gemäß § 28 Abs. 1 IfSG notwendig ansehen (i. d. S. bereits Beschlüsse des Senats vom 6. August 2021 – OVG 11 S 84/21 -, juris Rn. 35 ff., zur Pflicht zum Tragen einer medizinischen Maske für Grundschüler gem. § 22 2. SARS-CoV-2-UmgV; vom 19. Mai 2021 – OVG 11 S 64/21 -, juris Rn 44 ff, zur Pflicht zum Tragen einer medizinischen Maske für Grundschüler gem. § 17 Abs. 1 der 7. SARS-CoV-2-EindV; vom 9. November 2020 – OVG 11 S 114/20 -, juris Rn 32 ff., zur Regelung für Oberstufenschüler in § 17 Abs. 1 Nr. 1 SARS-CoV-2-EindV; allgemein zur Pflicht zum Tagen einer Mund-Nasen-Bedeckung ebenso Beschluss vom 18. November 2020 – OVG 11 S 104/20 -, juris Rn 61 ff.), und zwar auch, soweit es sich um Erstklässler handelt.

An den diesbezüglichen grundsätzlichen Erwägungen (insbesondere Beschluss vom 19. Mai 2021 – OVG 11 S 64/21 -, juris Rn. 44 ff., Beschluss vom 6. August 2021 – OVG 11 S 84/21 -, juris Rn. 35 ff.) hält der Senat auch weiterhin fest. Weder der aktuelle Stand des Infektionsgeschehens noch die Einwände des Antragstellers geben dem Senat Anlass für eine abweichende Beurteilung der Rechtmäßigkeit der für Schüler und Hortkinder geltenden Pflicht zum Tragen einer medizinischen Maske.

Soweit der Antragsteller im Hinblick auf die Angemessenheit der Anordnung darauf hinweist, dass sowohl das Robert-Koch-Institut als auch die Nationale Akademie der Wissenschaften Leopoldina eine Maskenpflicht an Schulen nur dann befürworteten, wenn der Mindestabstand von 1,50 m nicht eingehalten werden könne, verkennt er, dass die Sitzplätze von Schülern in einem Klassenraum im aktuell noch geltenden Regelbetrieb nicht so angeordnet sind (oder auch nur angeordnet werden könnten), dass zwischen den einzelnen Sitzplätzen ein solcher Abstand eingehalten werden kann.

b. Soweit die Erfolgsaussichten in der Hauptsache noch nicht abschließend beurteilt werden können, geht eine Folgenabwägung nach den eingangs dargestellten Maßstäben zulasten des Antragstellers aus. Denn die zu erwartenden Folgen einer Außervollzugsetzung der angegriffenen Norm wiegen deutlich schwerer als die Folgen ihres einstweiligen weiteren Vollzugs. Das gegenwärtige Infektionsgeschehen (vgl. dazu den letzten wöchentlichen COVID-19-Lagebericht des RKI vom 18. November 2021, abzurufen unter https://www.rki.de/DE/Content/InfAZ/N/Neuartiges_Coronavirus/Situationsberichte/Wochenbericht/Wochenbericht_2021-11-18.pdf?__blob=publicationFile) erlaubt es keinesfalls, das in der bisherigen Rechtsprechung des Senats gewonnene Abwägungsergebnis (Beschluss vom 19. Mai 2021, a. a. O., juris Rn 92, Beschluss vom 6. August 2021, a. a. O., juris Rn. 67) aktuell in Frage zu stellen.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Die Festsetzung des Verfahrenswertes ergibt sich aus § 53 Abs. 2 Nr. 2, § 52 Abs. 1 GKG.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).

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