Übersicht:
- Das Wichtigste in Kürze
- Fluggastrechte: Entschädigungsansprüche bei Flugannullierungen und Verspätungen
- Der Fall vor Gericht
- Die Schlüsselerkenntnisse
- Benötigen Sie Hilfe?
- Häufig gestellte Fragen (FAQ)
- Welche Entschädigungshöhe steht mir bei einer Flugannullierung zu?
- Welche Pflichten hat die Airline bei der Ersatzbeförderung?
- Wie lange kann ich Ansprüche nach einer Flugannullierung geltend machen?
- Wann ist eine Airline von der Zahlungspflicht befreit?
- Welche Dokumente benötige ich für die Geltendmachung meiner Ansprüche?
- Glossar – Fachbegriffe kurz erklärt
- Wichtige Rechtsgrundlagen
- Das vorliegende Urteil
Das Wichtigste in Kürze
- Gericht: LG Landshut
- Datum: 13.03.2024
- Aktenzeichen: 13 S 3582/21
- Verfahrensart: Berufungsverfahren im Zivilrecht
- Rechtsbereiche: EU-Recht, Zivilrecht, Fluggastrechte
- Beteiligte Parteien:
- Klägerin: Fordert Ausgleichsleistungen in Höhe von 1.200,00 € nebst Zinsen; beruft sich auf abgetretenes Recht gemäß Art. 5 Abs. 1 lit. c) und Art. 7 Abs. 1 lit. c) VO (EG) 261/2004 sowie § 398 BGB.
- Beklagte: Wird zur Zahlung des geforderten Betrags verurteilt; argumentierte, dass nach einer Annullierungsentscheidung ein automatisierter Umbuchungsprozess gestartet wurde, der eine Ersatzbeförderung (mit Bezug auf einen rezenten Bundesgerichtshof-Beschluss) ermöglichte, konnte jedoch nicht nachweisen, dass keine zumutbare alternative Beförderung bestand.
- Um was ging es?
- Sachverhalt: Die Klägerin machte einen Anspruch auf Ausgleichsleistungen geltend, weil ihr ein Recht auf Zahlung von 1.200,00 € aus abgetretenem Recht zusteht. Zur Begründung verweist sie u.a. auf Bestimmungen der EU-Verordnung 261/2004 und des BGB. Die Beklagte behauptete, dass infolge einer Annullierungsentscheidung ein automatisierter Umbuchungsprozess durchgeführt wurde, der eine Ersatzbeförderung ermöglichte.
- Kern des Rechtsstreits: Es ging um die Frage, ob die Beklagte sich durch den Hinweis auf den automatisierten Umbuchungsprozess exkulpieren kann beziehungsweise ob das Vorliegen einer zumutbaren Ersatzbeförderung den Anspruch der Klägerin beeinträchtigt.
- Was wurde entschieden?
- Entscheidung: Die Beklagte wird verurteilt, der Klägerin 1.200,00 € nebst Zinsen (5 Prozentpunkte über dem Basiszinssatz seit dem 26.01.2018) zu zahlen und trägt die Kosten des gesamten Rechtsstreits einschließlich der Berufungs- und Revisionsverfahren.
- Begründung: Die Beklagte konnte sich nicht gemäß Art. 5 Abs. 3 VO (EG) 261/2004 exkulpieren, da sie nicht hinreichend darlegen und beweisen konnte, dass keine zumutbare Möglichkeit einer früheren Ersatzbeförderung bestand. Die vorgetragene Umbuchungsmaßnahme reichte nicht aus, um den Ausgleichsanspruch der Klägerin zu entkräften.
- Folgen: Die Beklagte hat den festgesetzten Betrag nebst Zinsen zu zahlen sowie die Kosten des Rechtsstreits zu tragen. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar und endgültig, da keine weiteren Rechtsmittel eingelegt wurden.
Fluggastrechte: Entschädigungsansprüche bei Flugannullierungen und Verspätungen
Bei Flugannullierungen haben Passagiere dank der EU-Verordnung 261/2004 weitreichende Fluggastrechte. Die Verordnung regelt klar die Entschädigungsansprüche gegenüber Fluggesellschaften und sieht je nach Flugstrecke Ausgleichszahlungen von bis zu 600 Euro vor. Auch bei erheblichen Flugverspätungen können Reisende ihre Ansprüche auf Entschädigung geltend machen.
Das Verbraucherrecht für Flugreisen stärkt die Position der Passagiere erheblich. Allerdings müssen bei der Durchsetzung von Fluggastrechten bestimmte Fristen und Voraussetzungen beachtet werden. Wie komplex die rechtliche Bewertung solcher Fälle sein kann, zeigt folgendes Urteil des Landgerichts Landshut:
Der Fall vor Gericht
Erfolgreiche Klage auf Ausgleichszahlung nach Flugannullierung

Ein Passagier hat vor dem Landgericht Landshut erfolgreich eine Ausgleichszahlung in Höhe von 1.200 Euro gegen eine Fluggesellschaft erstritten. Das Gericht gab der Berufung der Klägerin statt und änderte damit das ursprüngliche Urteil des Amtsgerichts Erding ab.
Zentrale Frage der Ersatzbeförderung
Der Fall drehte sich um eine Flugannullierung im Januar 2018. Die Fluggesellschaft hatte den Flug am 6. Januar 2018 um 8:46 Uhr annulliert und die Passagiere auf einen Ersatzflug mit Scandinavian Airlines umgebucht. Die neue Verbindung führte über Oslo und erreichte München erst am 10. Januar 2018 – vier Tage nach der Annullierung.
Unzureichende Umbuchungsbemühungen der Airline
Die beklagte Fluggesellschaft konnte sich nicht von ihrer Zahlungspflicht befreien. Sie hatte zwar ein Automatisiertes Umbuchungssystem eingesetzt, jedoch versäumte sie es, nach der ersten Umbuchung erneut nach früheren Beförderungsmöglichkeiten zu suchen. Das Gericht kritisierte, dass die Airline die Passagiere zu einem Zeitpunkt umgebucht hatte, als andere Fluggesellschaften noch keine Fremdbuchungen zuließen. In dem dreitägigen Zeitraum zwischen Umbuchung und Ersatzbeförderung hätte die Beklagte erneut – gegebenenfalls automatisiert – prüfen müssen, ob frühere Umbuchungsmöglichkeiten verfügbar waren.
Anforderungen an Fluggesellschaften
Das Landgericht Landshut stellte in seinem Urteil klar, dass Fluggesellschaften bei der Suche nach Ersatzbeförderungen sämtliche mögliche direkte und indirekte Beförderungsmöglichkeiten prüfen müssen. Dies umfasst alle am Markt operierenden Airlines sowie mögliche Kombinationen mit anderen Verkehrsträgern wie Straßen- oder Schienenverkehr. Die Nutzung eines automatisierten Umbuchungssystems ist dabei grundsätzlich zulässig, sofern es diese umfassende Prüfung gewährleistet. Im vorliegenden Fall muss die Fluggesellschaft neben der Ausgleichszahlung auch die Kosten des gesamten Rechtsstreits tragen.
Die Schlüsselerkenntnisse
Das Urteil verdeutlicht, dass Fluggesellschaften verpflichtet sind, alle verfügbaren Optionen zu prüfen, um eine möglichst frühzeitige Ersatzbeförderung sicherzustellen. Es zeigt, dass ein automatisiertes Umbuchungssystem nicht automatisch die Erfüllung dieser Pflicht belegt, wenn dabei potenziell schnellere Alternativen unberücksichtigt bleiben. Daraus folgt, dass Passagiere einen klaren Anspruch auf finanzielle Ausgleichszahlungen haben, wenn die Maßnahmen zur Ersatzbeförderung unzureichend sind. Die Entscheidung stärkt die Rechte der Reisenden und setzt Maßstäbe für zukünftige Fälle im Fluggastrecht.
Was bedeutet das Urteil für Sie?
Wenn Ihr Flug storniert wird und Sie erst verspätet auf einen Ersatzflug umgebucht werden, können Sie einen Anspruch auf Entschädigung geltend machen. Die Fluggesellschaft muss darlegen, dass sie alle Möglichkeiten geprüft hat, um Ihnen eine frühere Beförderung anzubieten. In einer Situation, in der Ihre Reisepläne gestört sind, können Sie sich auf dieses Urteil berufen, um Ihr Recht auf finanzielle Ausgleichszahlungen durchzusetzen. Das Urteil stärkt Ihre Position gegenüber den Airlines, insbesondere wenn automatisierte Umbuchungssysteme nicht alle Optionen berücksichtigen.
Benötigen Sie Hilfe?
Flugannullierung und kein Ende in Sicht?
Eine Flugannullierung kann Ihre Reisepläne durchkreuzen und zu erheblichen Unannehmlichkeiten führen. Die Suche nach einer angemessenen Ersatzbeförderung gestaltet sich oft schwierig, und die Fluggesellschaften kommen ihrer Pflicht zur umfassenden Prüfung aller Optionen nicht immer nach.
Wir helfen Ihnen, Ihre Rechte nach einer Flugannullierung zu verstehen und eine angemessene Entschädigung zu erhalten. Dabei prüfen wir die Maßnahmen der Fluggesellschaft zur Ersatzbeförderung und unterstützen Sie bei der Durchsetzung Ihrer Ansprüche.
Kontaktieren Sie uns, um Ihre individuelle Situation zu besprechen und gemeinsam die nächsten Schritte zu planen.
Häufig gestellte Fragen (FAQ)
Welche Entschädigungshöhe steht mir bei einer Flugannullierung zu?
Die Höhe der Entschädigung bei einer Flugannullierung richtet sich nach der Flugdistanz und ist durch die EU-Fluggastrechteverordnung (EG 261/2004) geregelt. Folgende Pauschalbeträge gelten pro Passagier:
- 250 Euro für Flüge bis zu 1.500 km.
- 400 Euro für Flüge innerhalb der EU über 1.500 km oder für andere Flüge zwischen 1.500 und 3.500 km.
- 600 Euro für Flüge über 3.500 km.
Voraussetzungen für den Entschädigungsanspruch
Damit Sie Anspruch auf eine Entschädigung haben, müssen bestimmte Bedingungen erfüllt sein:
- Kurzfristige Information: Sie wurden weniger als 14 Tage vor dem geplanten Abflug über die Annullierung informiert.
- Kein Alternativflug mit akzeptablen Zeiten: Die Fluggesellschaft hat Ihnen keinen Ersatzflug angeboten, der nur geringfügig von der ursprünglichen Abflug- und Ankunftszeit abweicht. Beispielsweise:
- Bei Benachrichtigung 7 bis 13 Tage vor Abflug: Der Alternativflug darf nicht mehr als 2 Stunden früher abfliegen oder mehr als 4 Stunden später ankommen.
- Bei Benachrichtigung weniger als 7 Tage vor Abflug: Der Alternativflug darf nicht mehr als 1 Stunde früher abfliegen oder mehr als 2 Stunden später ankommen.
- Kein außergewöhnlicher Umstand: Die Annullierung darf nicht auf außergewöhnliche Umstände zurückzuführen sein, wie z. B. extreme Wetterbedingungen, politische Unruhen oder Sicherheitsrisiken.
Kürzung der Entschädigung
Die Entschädigung kann um 50 % reduziert werden, wenn Ihnen ein Alternativflug angeboten wurde, mit dem Sie das Endziel nur mit einer begrenzten Verspätung erreichen:
- Bis zu 2 Stunden bei Flügen bis 1.500 km.
- Bis zu 3 Stunden bei Flügen zwischen 1.500 und 3.500 km.
- Bis zu 4 Stunden bei Flügen über 3.500 km.
Beispiele
- Kurzstreckenflug (Berlin–München, ca. 600 km): Ihr Flug wird einen Tag vorher annulliert und kein passender Ersatzflug angeboten. Sie haben Anspruch auf 250 Euro.
- Langstreckenflug (Frankfurt–New York, ca. 6.200 km): Die Airline informiert Sie zwei Tage vor Abflug und bietet einen Ersatzflug an, der vier Stunden später ankommt. Ihre Entschädigung beträgt in diesem Fall 300 Euro (50 % von 600 Euro).
Zusätzliche Rechte
Neben der Entschädigung haben Sie Anspruch auf:
- Erstattung des Ticketpreises oder eine alternative Beförderung zum Zielort.
- Betreuungsleistungen, wie Mahlzeiten, Getränke und gegebenenfalls eine Hotelunterkunft mit Transfer, falls nötig.
Die Ansprüche gelten für Flüge, die in der EU starten oder in der EU landen, sofern die ausführende Airline ihren Sitz in der EU hat.
Welche Pflichten hat die Airline bei der Ersatzbeförderung?
Wenn ein Flug annulliert wird, ist die Fluggesellschaft gemäß der EU-Fluggastrechteverordnung 261/2004 verpflichtet, den betroffenen Passagieren eine Ersatzbeförderung anzubieten. Dabei gelten klare Vorgaben, die sicherstellen sollen, dass Passagiere schnellstmöglich und unter zumutbaren Bedingungen ihr Ziel erreichen.
Pflichten der Airline bei der Ersatzbeförderung
- Frühestmögliche Ersatzbeförderung: Die Airline muss Passagiere auf die frühestmögliche alternative Verbindung umbuchen. Dies umfasst nicht nur Flüge der eigenen Flotte, sondern auch Verbindungen anderer Fluggesellschaften, wenn diese schneller verfügbar sind. Die wirtschaftlichen Interessen der Airline dürfen dabei keine Rolle spielen.
- Prüfung aller Optionen: Die Fluggesellschaft ist verpflichtet, alle verfügbaren Alternativen zu prüfen. Dazu gehören:
- Direktflüge oder Umsteigeverbindungen.
- Beförderungsmöglichkeiten mit anderen Verkehrsmitteln wie Zug oder Bus, wenn diese eine schnellere Ankunft ermöglichen.
- Zumutbarkeit der Maßnahmen: Die Airline muss alle zumutbaren Maßnahmen ergreifen, um die negativen Folgen für Passagiere zu minimieren. Eine Ausnahme besteht nur, wenn die Bereitstellung einer Ersatzbeförderung ein „nicht tragbares Opfer“ für das Unternehmen darstellen würde.
- Kostenfreiheit für Passagiere: Die Ersatzbeförderung muss ohne zusätzliche Kosten für den Passagier erfolgen. Dies gilt unabhängig davon, ob es sich um eine Umbuchung auf einen Flug derselben oder einer anderen Airline handelt.
- Zusätzliche Betreuung: Während der Wartezeit auf die Ersatzbeförderung sind Airlines verpflichtet, Betreuungsleistungen wie Mahlzeiten, Erfrischungen und gegebenenfalls Hotelunterkünfte sowie Transfers anzubieten, falls die Wartezeit dies erfordert.
Rechtsgrundlagen und aktuelle Rechtsprechung
- EU-Fluggastrechteverordnung 261/2004: Artikel 8 legt fest, dass Passagiere das Recht auf eine alternative Beförderung zum frühestmöglichen Zeitpunkt haben.
- Urteile des Bundesgerichtshofs (BGH): Der BGH hat mehrfach klargestellt, dass Airlines auch Verbindungen anderer Anbieter aktiv prüfen und anbieten müssen. Es reicht nicht aus, nur eigene Flüge oder spätere Verbindungen vorzuschlagen.
Beispiel aus der Praxis
Stellen Sie sich vor, Ihr Flug von München nach London wird annulliert. Die Airline bietet Ihnen einen Ersatzflug am nächsten Tag an, obwohl es noch am selben Tag einen freien Platz auf einem Flug einer anderen Airline gibt. In diesem Fall ist die Airline verpflichtet, Ihnen den früheren Flug mit der anderen Airline anzubieten. Tut sie dies nicht und entstehen Ihnen dadurch Verzögerungen oder zusätzliche Kosten, könnten Sie Anspruch auf Entschädigung haben.
Wichtiger Hinweis für Passagiere
Falls die Airline ihrer Pflicht zur Ersatzbeförderung nicht nachkommt, haben Sie das Recht, selbst eine alternative Verbindung zu buchen und die Kosten von der Airline zurückzufordern. Voraussetzung ist jedoch, dass die gewählte Alternative notwendig und angemessen ist.
Wie lange kann ich Ansprüche nach einer Flugannullierung geltend machen?
Ansprüche auf Entschädigung nach einer Flugannullierung verjähren in Deutschland grundsätzlich nach drei Jahren. Diese Frist richtet sich nach der Regelverjährung des Bürgerlichen Gesetzbuchs (§ 195 BGB). Die Berechnung der Verjährungsfrist erfolgt dabei wie folgt:
- Beginn der Verjährungsfrist: Die dreijährige Frist beginnt mit dem Ende des Kalenderjahres, in dem der Flug stattgefunden hat oder annulliert wurde.
- Ende der Verjährungsfrist: Die Ansprüche können bis zum 31. Dezember des dritten Folgejahres geltend gemacht werden.
Beispiel:
Wenn Ihr Flug am 15. Juli 2022 annulliert wurde, beginnt die Verjährungsfrist am 31. Dezember 2022 und endet am 31. Dezember 2025. Bis zu diesem Datum müssen Sie Ihre Ansprüche gerichtlich geltend machen, um die Verjährung zu verhindern.
Wichtige Hinweise:
- Gerichtliche Geltendmachung erforderlich: Es reicht nicht aus, die Airline lediglich außergerichtlich anzuschreiben. Um die Verjährung zu unterbrechen, müssen Sie entweder einen Mahnbescheid beantragen oder Klage einreichen.
- Pauschalreisen: Auch bei Pauschalreisen gilt die dreijährige Verjährungsfrist für Ansprüche aus der EU-Fluggastrechte-Verordnung (Art. 7 VO (EG) Nr. 261/2004). Eine kürzere Frist von zwei Jahren, wie sie im Reisevertragsrecht (§ 651j BGB) vorgesehen ist, findet hier keine Anwendung.
Unterschiede in anderen Ländern:
Die Verjährungsfristen können je nach Land variieren. Beispielsweise beträgt die Frist in Frankreich und Spanien fünf Jahre. In Deutschland gilt jedoch stets die dreijährige Regelverjährung.
Handlungsempfehlung:
Wenn Ihr Flug annulliert wurde und Sie eine Entschädigung fordern möchten, sollten Sie nicht bis kurz vor Ablauf der Frist warten. Sammeln Sie alle relevanten Unterlagen (z. B. Buchungsbestätigung, Korrespondenz mit der Airline) und machen Sie Ihre Ansprüche frühzeitig geltend.
Wann ist eine Airline von der Zahlungspflicht befreit?
Eine Airline ist von der Pflicht zur Entschädigungszahlung gemäß der EU-Fluggastrechteverordnung (EG 261/2004) befreit, wenn sogenannte außergewöhnliche Umstände vorliegen. Diese Umstände müssen außerhalb des Verantwortungsbereichs der Fluggesellschaft liegen und auch bei Ergreifen aller zumutbaren Maßnahmen unvermeidbar sein.
Was sind außergewöhnliche Umstände?
Außergewöhnliche Umstände sind Ereignisse, die nicht zum normalen Betrieb einer Fluggesellschaft gehören und von ihr nicht kontrolliert werden können. Typische Beispiele sind:
- Extreme Wetterbedingungen: Starker Nebel, Schneestürme, Gewitter oder andere Witterungsbedingungen, die einen sicheren Flug unmöglich machen.
- Naturkatastrophen: Vulkanausbrüche, Erdbeben oder Überschwemmungen.
- Sicherheitsrisiken: Terrorwarnungen, Sperrungen des Flughafens oder Luftraums.
- Streiks: Streiks von Dritten, wie Fluglotsen oder Flughafenpersonal (nicht jedoch Streiks der eigenen Mitarbeiter der Airline).
- Vogelschlag: Schäden am Flugzeug durch Kollision mit Vögeln.
- Unvorhersehbare technische Defekte: Nur solche, die nicht auf mangelhafte Wartung zurückzuführen sind.
Bedingungen für die Befreiung
Damit eine Airline tatsächlich von der Entschädigungspflicht befreit ist, muss sie nachweisen, dass:
- Der außergewöhnliche Umstand die Ursache für die Annullierung oder Verspätung war.
- Alle zumutbaren Maßnahmen ergriffen wurden, um die Auswirkungen zu minimieren (z. B. Umbuchung auf andere Flüge oder Bereitstellung von Ersatzflugzeugen).
Was bleibt trotz außergewöhnlicher Umstände?
Selbst wenn außergewöhnliche Umstände vorliegen, haben Passagiere Anspruch auf:
- Betreuungsleistungen: Verpflegung, Getränke, Hotelübernachtungen (falls erforderlich) sowie Transport zwischen Flughafen und Unterkunft.
- Rückerstattung oder alternative Beförderung: Die Wahl zwischen Rückerstattung des Ticketpreises oder einer anderweitigen Beförderung zum Zielort.
Beispiele aus der Praxis
- Ein Flug wird wegen eines Schneesturms annulliert. Die Airline ist nicht zur Entschädigung verpflichtet, muss aber Verpflegung und ggf. eine Unterkunft bereitstellen.
- Ein Streik der Fluglotsen führt zu Verspätungen. Auch hier entfällt die Entschädigungspflicht, solange die Airline alle möglichen Alternativen geprüft hat.
Hinweis
Ob ein außergewöhnlicher Umstand tatsächlich vorliegt, wird oft im Einzelfall geprüft. Die Beweislast liegt immer bei der Fluggesellschaft.
Welche Dokumente benötige ich für die Geltendmachung meiner Ansprüche?
Um einen Entschädigungsanspruch bei einer Flugannullierung gemäß der EU-Verordnung 261/2004 geltend zu machen, müssen Sie bestimmte Dokumente vorlegen. Diese dienen als Nachweis Ihrer Ansprüche und erleichtern die Bearbeitung durch die Fluggesellschaft. Ohne diese Unterlagen kann Ihr Antrag abgelehnt oder verzögert werden.
Wichtige Dokumente
- Flugticket oder Buchungsbestätigung
- Belegt Ihre Buchung und die geplanten Flugdetails wie Abflugzeit, Abflug- und Zielort sowie Flugnummer.
- Bordkarte (falls vorhanden)
- Dient als Nachweis, dass Sie tatsächlich für den betroffenen Flug eingecheckt haben.
- Schriftliche Bestätigung der Annullierung durch die Fluggesellschaft
- Fordern Sie eine offizielle Bestätigung an, die das Datum und den Grund der Annullierung enthält.
- Nachweise über zusätzliche Ausgaben
- Falls Ihnen durch die Annullierung zusätzliche Kosten entstanden sind (z. B. Hotelübernachtungen, Mahlzeiten oder alternative Transportmittel), bewahren Sie alle Quittungen und Rechnungen auf.
- Kommunikation mit der Fluggesellschaft
- Sammeln Sie alle E-Mails, Briefe oder andere Nachrichten, in denen die Annullierung oder Ihre Forderungen thematisiert werden.
- Reisepass oder Personalausweis
- Zur Identifikation, falls dies von der Airline verlangt wird.
Zusätzliche Nachweise (falls zutreffend)
- Zeugenaussagen von Mitreisenden: Falls andere Passagiere dieselben Probleme hatten, können deren Aussagen Ihren Anspruch unterstützen.
- Luggage Tags oder Gepäckbelege: Diese können zusätzliche Beweise liefern, dass Sie für den Flug registriert waren.
- Bankauszüge oder Zahlungsnachweise: Falls Sie Ihr Ticket online bezahlt haben und keine andere Bestätigung mehr besitzen.
Handlungsschritte
- Sammeln Sie alle oben genannten Dokumente.
- Kontaktieren Sie die Fluggesellschaft schriftlich und verweisen Sie auf die EU-Verordnung 261/2004.
- Fügen Sie Kopien aller relevanten Dokumente bei.
- Setzen Sie eine Frist für die Bearbeitung Ihres Anspruchs (z. B. 14 Tage).
Hinweis zur Verjährung
In Deutschland können Ansprüche auf Entschädigung bis zu drei Jahre nach dem Vorfall geltend gemacht werden. Die Frist beginnt am Ende des Jahres, in dem der Flug annulliert wurde.
Mit diesen Dokumenten und Nachweisen erhöhen Sie Ihre Chancen auf eine erfolgreiche Durchsetzung Ihrer Ansprüche erheblich.
Bitte beachten Sie, dass die Beantwortung der FAQ Fragen keine individuelle Rechtsberatung ersetzen kann. Haben Sie konkrete Fragen oder Anliegen? Zögern Sie nicht, uns zu kontaktieren – wir beraten Sie gerne.
Glossar – Fachbegriffe kurz erklärt
Flugannullierung
Dies bezeichnet die Stornierung eines geplanten Fluges durch die Fluggesellschaft, wodurch der ursprünglich gebuchte Flug überhaupt nicht durchgeführt wird. Dabei entfallen die vereinbarten Beförderungsleistungen, was Passagiere dazu berechtigt, eine Entschädigung oder Ersatzbeförderung zu fordern. Flugannullierungen können durch technische, organisatorische oder wetterbedingte Gründe erfolgen und rechtliche Folgen gemäß der EU-Verordnung 261/2004 nach sich ziehen. Ein einfaches Beispiel: Wird ein geplanter Flug am Abflugtag gestrichen, müssen die betroffenen Passagiere alternative Reisemöglichkeiten oder eine finanzielle Entschädigung erhalten. Die Regelungen dienen dem Schutz der Verbraucher im Luftverkehr und grenzen sich von freiwilligen Annullierungen ab.
EU-Verordnung 261/2004
Diese Verordnung regelt die Rechte von Fluggästen bei Verspätungen, Annullierungen und Nichtbeförderung innerhalb der Europäischen Union. Sie legt fest, welche Ansprüche Fluggäste gegenüber Airlines geltend machen können, darunter auch feste Ausgleichszahlungen und Unterstützungsleistungen. Die Regelungen gelten verbindlich und sollen einheitliche Standards im Verbraucherschutz im Flugverkehr schaffen. Beispiel: Wird ein Flug annulliert, so sieht die Verordnung vor, dass Passagiere unter bestimmten Voraussetzungen eine Entschädigung zwischen 250 und 600 Euro erhalten können. Die Vorschrift stützt sich auf EU-Recht und ist somit direkt anwendbar in allen Mitgliedsstaaten.
Fluggastrechte
Hierbei handelt es sich um gesetzlich verankerte Rechte der Passagiere, die im Fall von Flugstörungen greifen. Diese Rechte sichern Unterstützung, Umbuchungen und finanzielle Entschädigungen, wenn Flüge verspätet, annulliert oder überbucht sind. Fluggastrechte basieren unter anderem auf der EU-Verordnung 261/2004 und dienen dem Schutz der Reisenden im internationalen Luftverkehr. Ein Beispiel: Passagiere können bei einer stundenlangen Verspätung am Flughafen Betreuung, Mahlzeiten und Unterkunft verlangen. Diese Rechte helfen, ungerechtfertigte Nachteile für die Fluggäste zu vermeiden und bieten eine verlässliche rechtliche Grundlage für Reklamationen.
Entschädigungsansprüche
Dies sind Forderungen, die Passagiere bei erheblichen Beeinträchtigungen ihrer Reise geltend machen können. Sie resultieren meist aus Flugannullierungen oder erheblichen Verspätungen und sind durch gesetzliche Bestimmungen, insbesondere der EU-Verordnung 261/2004, abgesichert. Entschädigungsansprüche fordern eine finanzielle Wiedergutmachung, wenn die vertraglich vereinbarte Beförderung nicht wie zugesichert erfolgt. Beispiel: Bei einer Annulierung eines Langstreckenfluges kann ein Anspruch auf bis zu 600 Euro entstehen. Diese Ansprüche unterscheiden sich von Rückerstattungen, da sie zusätzlich zur Erstattung des Ticketpreises als Ausgleich gezahlt werden.
Ersatzbeförderung
Dieser Begriff bezieht sich auf alternative Transportleistungen, die Fluggesellschaften anbieten, wenn der ursprünglich gebuchte Flug annulliert wurde. Ziel der Ersatzbeförderung ist es, den Passagieren eine möglichst schnelle und unbürokratische Weiterreise zu ermöglichen. Sie umfasst sowohl direkte als auch indirekte Beförderungsmöglichkeiten, wobei oft auch Kooperationen mit anderen Airlines oder Verkehrsträgern in Betracht gezogen werden. Beispiel: Wird ein Flug annulliert, kann ein Passagier auf einen späteren Flug oder eine Kombination aus Flug und Bahn umgebucht werden. Die Verpflichtung zur Ersatzbeförderung ist in der EU-Verordnung 261/2004 festgelegt und soll Reiseschäden möglichst minimieren.
Automatisiertes Umbuchungssystem
Dies ist eine computergestützte Softwarelösung, die von Fluggesellschaften eingesetzt wird, um Passagieren automatisch alternative Beförderungsmöglichkeiten anzubieten. Das automatisierte Umbuchungssystem prüft in der Regel verfügbare Flüge und andere Verkehrsträger und bucht die Passagiere ohne direkten menschlichen Eingriff um. Es soll den Umbuchungsprozess beschleunigen und standardisieren, muss aber alle möglichen Optionen berücksichtigen, um den ursprünglichen Reiseplan bestmöglich zu ersetzen. Beispiel: Nach der Annullierung eines Fluges erfolgt die Umbuchung automatisch auf einen nächsten verfügbaren Flug, wenn dies den festgelegten Kriterien entspricht. Eine fehlerhafte Anwendung kann allerdings dazu führen, dass frühere Beförderungsmöglichkeiten nicht genutzt werden, was wiederum zu rechtlichen Forderungen gegen die Airline führen kann.
Ausgleichszahlung
Dies bezeichnet die finanzielle Vergütung, die Fluggesellschaften an Passagiere zahlen müssen, wenn deren Flug annulliert oder stark verspätet wurde. Eine Ausgleichszahlung dient dazu, die Unannehmlichkeiten und eventuellen Zusatzkosten, die durch Flugstörungen entstehen, materiell auszugleichen. Die Höhe der Zahlung ist dabei abhängig von der Flugstrecke und den tatsächlichen Verzögerungszeiten und ist in der EU-Verordnung 261/2004 geregelt. Beispiel: Bei einer Flugannullierung kann ein Pauschalbetrag von bis zu 600 Euro gezahlt werden, um entgangene Reiseleistungen zu kompensieren. Diese Zahlungen können zusätzlich zu anderen Leistungen wie Erstattung des Ticketpreises beansprucht werden, wodurch sie sich deutlich von einfachen Rückerstattungen unterscheiden.
Wichtige Rechtsgrundlagen
- EU-Verordnung 261/2004, Art. 5 Abs. 1 lit. c und Art. 7 Abs. 1 lit. c:
Diese Verordnung legt die Rechte von Fluggästen bei Flugannullierungen und erheblichen Verspätungen innerhalb der EU fest. Artikel 5 Absatz 1 lit. c ermöglicht es Passagieren, bei Annullierung eine alternative Beförderung oder eine Entschädigung zu verlangen. Artikel 7 Absatz 1 lit. c bestimmt die Höhe der Ausgleichszahlungen abhängig von der Flugstrecke und der Verspätungsdauer.
Im vorliegenden Fall führte die Annullierung des Fluges dazu, dass die Klägerin gemäß diesen Artikeln Anspruch auf eine Entschädigung von 1.200 Euro hatte.
- § 398 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB):
Dieser Paragraph regelt die Abtretung von Forderungen, also die Übertragung eines Anspruchs von einem Gläubiger auf einen Dritten. Durch die Abtretung kann die neue Partei, der Zessionar, die Forderung einfordern.
In diesem Fall wurde der Anspruch der Klägerin aus der EU-Verordnung 261/2004 an eine andere Partei abgetreten, wodurch diese nun berechtigt ist, die Entschädigung von der Beklagten einzufordern.
- § 286 Zivilprozessordnung (ZPO):
Dieser Paragraph behandelt den Zahlungsverzug und die damit verbundenen Verzugszinsen. Wenn eine Partei eine Geldforderung nicht rechtzeitig erfüllt, muss sie Zinsen über dem Basiszinssatz zahlen.
Die Beklagte wurde verurteilt, neben den 1.200 Euro auch Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 26.01.2018 zu zahlen, da die Zahlung verspätet erfolgte.
- § 91 Abs. 1 Zivilprozessordnung (ZPO):
Bestimmt, dass die unterlegene Partei die Kosten des Rechtsstreits tragen muss. Dies umfasst sämtliche Verfahrenskosten, einschließlich der Kosten für Berufung und Revision.
Im Urteil wurde die Beklagte dazu verurteilt, alle Kosten des Rechtsstreits zu übernehmen, wodurch die Klägerin keine zusätzlichen finanziellen Belastungen durch das Verfahren trägt.
- §§ 48 Abs. 1, 63 Abs. 2 Gesamtprozessordnung (ZPO) in Verbindung mit §§ 3 ff. ZPO:
Diese Paragraphen regeln die Festsetzung des Streitwerts, der die Grundlage für die Berechnung der Verfahrenskosten bildet. Der Streitwert orientiert sich am wirtschaftlichen Interesse der Parteien am Ausgang des Rechtsstreits.
In diesem Fall wurde der Streitwert auf 1.200 Euro festgesetzt, entsprechend dem geltend gemachten Anspruch der Klägerin auf Ausgleichszahlung durch die Beklagte.
Das vorliegende Urteil
LG Landshut – Az.: 13 S 3582/21 – Urteil vom 13.03.2024
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