Übersicht:
- Das Wichtigste in Kürze
- Der Fall vor Gericht
- Flug gestrichen wegen Streik: Warum eine Airline trotzdem zahlen musste
- Der Streit um den Flug nach Oslo
- Der Weg durch die Gerichte: Eine Frage, zwei Antworten
- Die Kernfrage: Normales Geschäftsrisiko oder höhere Gewalt?
- Die Entscheidung des Landgerichts: Die Fluggesellschaft muss zahlen
- Die Begründung: Warum ein Streik nicht immer „außergewöhnlich“ ist
- Ein offenes Ende: Warum der Fall weitergehen könnte
- Die Schlüsselerkenntnisse
- Häufig gestellte Fragen (FAQ)
- Habe ich Anspruch auf Entschädigung, wenn mein Flug wegen eines Streiks des Airline-Personals annulliert wurde?
- Sind alle Streiks gleich zu behandeln, wenn es um meine Rechte und Entschädigungsansprüche bei Flugannullierungen geht?
- Was bedeuten Begriffe wie außergewöhnlicher Umstand oder höhere Gewalt für meine Flugentschädigung und warum nutzt die Airline diese Argumente?
- Welche Rechte habe ich generell, wenn mein Flug annulliert wird, auch wenn es keine direkte Geldentschädigung gibt?
- Was kann ich tun, wenn die Fluggesellschaft meine Entschädigungsforderung wegen eines Streiks ablehnt?
- Glossar
- Wichtige Rechtsgrundlagen
- Das vorliegende Urteil
Urteil Az.: 15 S 1420/20 | Schlüsselerkenntnis | FAQ | Glossar | Kontakt
Zum vorliegendenDas Wichtigste in Kürze
- Gericht: LG Landshut
- Datum: 21.08.2020
- Aktenzeichen: 15 S 1420/20
- Verfahrensart: Endurteil
- Rechtsbereiche: Fluggastrechte
Beteiligte Parteien:
- Kläger: Passagiere, die Ausgleichszahlungen für den annullierten Flug forderten und argumentierten, der Streik liege im Verantwortungsbereich des Luftfahrtunternehmens und sei kein Außergewöhnlicher Umstand.
- Beklagte: Das ausführende Luftfahrtunternehmen, das die Klageabweisung beantragte und den Streik des eigenen Personals als außergewöhnlichen Umstand ansah, der es von der Ausgleichspflicht entbinde.
Worum ging es in dem Fall?
- Sachverhalt: Die Kläger hatten einen Flug gebucht, der weniger als zwei Wochen vor dem geplanten Abflug annulliert wurde. Grund für die Annullierung war ein gewerkschaftlich organisierter Pilotenstreik des Luftfahrtunternehmens, ausgelöst durch gescheiterte Tarifverhandlungen über höhere Löhne und verbesserte Arbeitsbedingungen.
- Kern des Rechtsstreits: Die zentrale Frage war, ob ein solcher gewerkschaftlich organisierter Streik des eigenen Personals eines Luftfahrtunternehmens einen „außergewöhnlichen Umstand“ im Sinne der Fluggastrechteverordnung darstellt, der das Unternehmen von seiner Pflicht zur Ausgleichszahlung bei Flugannullierung entbindet.
Was wurde entschieden?
- Entscheidung: Das Landgericht Landshut änderte das erstinstanzliche Urteil ab und verurteilte das Luftfahrtunternehmen zur Zahlung von jeweils 400,00 Euro Ausgleichsleistung an die Kläger zuzüglich Zinsen. Die Revision gegen dieses Urteil wurde zugelassen.
- Begründung: Das Gericht begründete seine Entscheidung damit, dass der gewerkschaftlich organisierte Streik des eigenen Personals aufgrund von Tarifauseinandersetzungen keinen außergewöhnlichen Umstand im Sinne der Fluggastrechteverordnung darstellt. Es führte aus, dass Tarifauseinandersetzungen und die daraus resultierenden Streiks zum normalen unternehmerischen Risiko und zur Tätigkeit eines Luftfahrtunternehmens gehören.
- Folgen: Das Luftfahrtunternehmen muss die geforderte Ausgleichszahlung leisten. Die Revision wurde zugelassen, da die Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung ist und eine einheitliche Rechtsprechung erforderlich ist.
Der Fall vor Gericht
Flug gestrichen wegen Streik: Warum eine Airline trotzdem zahlen musste
Ein Flug wird kurzfristig gestrichen – eine Situation, die für Reisende nicht nur ärgerlich, sondern oft auch teuer ist. Besonders häufig passiert das, wenn das Personal einer Fluggesellschaft streikt. Doch wer trägt in einem solchen Fall die Verantwortung und die Kosten? Muss die Fluggesellschaft eine Entschädigung zahlen, oder handelt es sich um ein Ereignis, für das sie nichts kann? Genau mit dieser Frage musste sich das Landgericht Landshut in einem Urteil auseinandersetzen.
Der Streit um den Flug nach Oslo

Zwei Passagiere hatten einen Flug von München nach Oslo gebucht, der am 1. Mai 2019 stattfinden sollte. Weniger als zwei Wochen vor Abflug erhielten sie jedoch die Nachricht: Der Flug ist annulliert. Der Grund war ein großangelegter Streik der Piloten, die bei der betroffenen Fluggesellschaft angestellt waren. Dieser Streik war das Ergebnis von gescheiterten Tarifverhandlungen.
Was war genau passiert? Die Pilotengewerkschaften hatten einen bestehenden Tarifvertrag (eine schriftliche Vereinbarung zwischen Arbeitgebern und Gewerkschaften über Arbeitsbedingungen wie Löhne, Arbeitszeiten und Urlaub) vorzeitig beendet. In den anschließenden Verhandlungen forderten sie unter anderem 13 % mehr Gehalt und bessere Arbeitsbedingungen. Als die Fluggesellschaft diesen Forderungen nicht nachkam und auch ein Schlichtungsvorschlag von den Piloten abgelehnt wurde, rief die Gewerkschaft zum Streik auf. Fast anderthalbtausend Piloten legten ihre Arbeit für mehrere Tage nieder, was zur Annullierung zahlreicher Flüge führte – darunter auch der Flug der beiden Passagiere nach Oslo.
Der Weg durch die Gerichte: Eine Frage, zwei Antworten
Die Passagiere forderten von der Fluggesellschaft eine Entschädigung. Nach europäischem Recht steht Fluggästen bei einer kurzfristigen Annullierung eine sogenannte Ausgleichszahlung (eine pauschale finanzielle Entschädigung, die unabhängig von den tatsächlichen Kosten des Tickets ist) zu. In diesem Fall belief sie sich auf 400 Euro pro Person. Die Fluggesellschaft weigerte sich jedoch zu zahlen. Ihre Argumentation: Der Streik sei ein sogenannter außergewöhnlicher Umstand.
Was ist ein „außergewöhnlicher Umstand“? Man kann es sich wie höhere Gewalt vorstellen. Es handelt sich um ein Ereignis, das nicht zur normalen Tätigkeit eines Unternehmens gehört und von diesem auch nicht beherrscht werden kann. Klassische Beispiele sind ein Vulkanausbruch, extreme Wetterbedingungen oder politische Unruhen in einem Zielland. Wenn ein solcher Umstand vorliegt, ist die Fluggesellschaft von ihrer Pflicht zur Zahlung einer Entschädigung befreit.
Der Fall landete zunächst vor dem Amtsgericht Erding. Dieses erste Gericht stimmte der Fluggesellschaft zu. Es sah den von einer Gewerkschaft organisierten Streik als ein von außen kommendes, unkontrollierbares Ereignis an und wies die Klage der Passagiere ab. Doch die beiden gaben nicht auf und legten Berufung (ein Rechtsmittel, mit dem eine Partei die Überprüfung eines Urteils durch die nächsthöhere gerichtliche Instanz verlangen kann) beim Landgericht Landshut ein.
Die Kernfrage: Normales Geschäftsrisiko oder höhere Gewalt?
Das Landgericht Landshut musste nun eine entscheidende Frage klären: Ist ein Streik der eigenen Mitarbeiter, der im Rahmen von Tarifverhandlungen stattfindet, Teil des normalen Geschäftsrisikos einer Fluggesellschaft? Oder ist er ein unvorhersehbares Ereignis, das die Airline von Entschädigungszahlungen befreit?
Die Fluggesellschaft argumentierte, der Streik sei von der Gewerkschaft ausgegangen und damit „von außen“ an sie herangetragen worden. Die Forderungen der Piloten seien zudem ungewöhnlich hoch gewesen. Das Unternehmen könne daher nichts dafür. Die Passagiere hielten dagegen: Auseinandersetzungen über Löhne und Arbeitsbedingungen mit dem eigenen Personal seien ein ganz normaler Teil des Unternehmerlebens. Das Risiko eines Streiks gehöre daher zum Betrieb und sei kein außergewöhnlicher Umstand.
Die Entscheidung des Landgerichts: Die Fluggesellschaft muss zahlen
Das Landgericht Landshut kam zu einem anderen Ergebnis als die erste Instanz. Es verurteilte die Fluggesellschaft, den beiden Passagieren die geforderte Ausgleichszahlung von jeweils 400 Euro zuzüglich Zinsen zu zahlen. Die Fluggesellschaft musste zudem die gesamten Kosten des Rechtsstreits tragen. Aber warum entschied das Gericht so?
Die Begründung: Warum ein Streik nicht immer „außergewöhnlich“ ist
Ein Wandel in der Rechtsprechung
Das Gericht erklärte seine Entscheidung sehr ausführlich. Es schaute sich dazu die Fluggastrechteverordnung der Europäischen Union (eine EU-Verordnung, die die Rechte von Passagieren bei Flugproblemen wie Annullierung, Verspätung oder Nichtbeförderung regelt) und die dazugehörige Rechtsprechung genau an. Dabei stieß es auf einen entscheidenden Punkt: Die juristische Bewertung von Streiks hatte sich in den letzten Jahren gewandelt.
Früher, so das Gericht, galt nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (dem obersten deutschen Zivilgericht) ein von einer Gewerkschaft organisierter Streik tatsächlich als außergewöhnlicher Umstand. Die Logik dahinter war, dass der Streikaufruf von einer externen Organisation – der Gewerkschaft – kommt und gezielt den Betrieb stören soll. Nach dieser alten Sichtweise wäre die Fluggesellschaft im Recht gewesen.
Allerdings gab es eine neuere, wegweisende Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs (EuGH), des höchsten Gerichts der Europäischen Union. In diesem Fall ging es um einen sogenannten „wilden Streik“, also einen spontanen Streik der Belegschaft ohne offizielle Unterstützung durch eine Gewerkschaft. Der EuGH hatte damals entschieden, dass dieser „wilde Streik“ kein außergewöhnlicher Umstand war. Die Begründung des EuGH war der Schlüssel für den Fall in Landshut.
Wie das Gericht die neue Sicht auf den Pilotenstreik anwendete
Das Landgericht Landshut übertrug die Logik des EuGH auf den aktuellen Fall. Aber wie passt das zusammen? Ein spontaner, „wilder Streik“ scheint doch etwas ganz anderes zu sein als ein offiziell von einer Gewerkschaft ausgerufener Streik.
Das Gericht stellte sich eine einfache Frage: Was war der Auslöser des Streiks? Der Auslöser waren die Tarifverhandlungen über Löhne und Gehälter. Und genau hier setzte die Argumentation an. Verhandlungen mit den eigenen Mitarbeitern über deren Bezahlung sind ein fundamentaler und alltäglicher Bestandteil der Tätigkeit jedes Unternehmens. Es gehört zum normalen Geschäftsleben dazu, solche Verhandlungen zu führen.
Wenn aber die Ursache des Streiks – die Tarifverhandlungen – ein normaler Teil der unternehmerischen Tätigkeit ist, dann kann die mögliche Folge – ein Streik bei Scheitern der Verhandlungen – nicht plötzlich ein „außergewöhnlicher“ Umstand sein. Das Risiko, dass man sich mit seinen Mitarbeitern nicht einigt, ist ein kalkulierbares Geschäftsrisiko. Man kann das mit einem Handwerker vergleichen: Wenn sein Werkzeug kaputtgeht, ist das ärgerlich. Aber die Instandhaltung seiner Werkzeuge gehört zu seinem normalen Geschäftsbetrieb. Er kann sich nicht darauf berufen, der Werkzeugdefekt sei „höhere Gewalt“, und deshalb könne er seine Aufträge nicht erfüllen.
Auch das Argument der Fluggesellschaft, der Streikaufruf sei ja „von außen“ durch die Gewerkschaft gekommen, überzeugte das Gericht nicht. Denn die Gewerkschaft handelt als Vertreterin der eigenen Mitarbeiter der Fluggesellschaft. Der Kern des Konflikts war also ein interner Streit zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmern. Zudem zeigte die Tatsache, dass der Streik nach einigen Tagen durch eine Einigung beendet werden konnte, dass die Fluggesellschaft die Situation durchaus beeinflussen und beherrschen konnte. Sie war dem Ereignis nicht hilflos ausgeliefert.
Ein offenes Ende: Warum der Fall weitergehen könnte
Obwohl das Urteil des Landgerichts Landshut klar ausfiel, ist die Geschichte damit nicht zwangsläufig zu Ende. Das Gericht hat die sogenannte Revision zugelassen. Das bedeutet, es hat der Fluggesellschaft ausdrücklich erlaubt, den Fall zur endgültigen Klärung vor den Bundesgerichtshof zu bringen.
Warum hat es das getan? Weil die Frage, ob ein organisierter Streik des eigenen Personals ein außergewöhnlicher Umstand ist, von grundsätzlicher Bedeutung ist und von verschiedenen Gerichten in Deutschland unterschiedlich beantwortet wird. Mit der Zulassung der Revision hat das Gericht den Weg für eine höchstrichterliche Entscheidung geebnet, die für Klarheit in unzähligen zukünftigen Fällen sorgen könnte.
Die Schlüsselerkenntnisse
Das Landgericht Landshut hat entschieden, dass Fluggesellschaften auch bei Streiks ihrer eigenen Mitarbeiter Entschädigung zahlen müssen, wenn diese aus gescheiterten Tarifverhandlungen entstehen. Das Gericht sieht solche Arbeitsstreitigkeiten als normales Geschäftsrisiko an, nicht als unvorhersehbare höhere Gewalt, da Verhandlungen über Löhne und Arbeitsbedingungen zum alltäglichen Unternehmensalltag gehören. Für Fluggäste bedeutet dies eine Stärkung ihrer Rechte, da sie auch bei streikbedingten Flugausfällen ihre Entschädigung von 400 Euro erhalten können. Da das Gericht eine Revision zugelassen hat, könnte der Bundesgerichtshof diese wichtige Grundsatzfrage noch final klären und damit deutschlandweit einheitliche Standards schaffen.
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Häufig gestellte Fragen (FAQ)
Habe ich Anspruch auf Entschädigung, wenn mein Flug wegen eines Streiks des Airline-Personals annulliert wurde?
Ja, in vielen Fällen haben Sie Anspruch auf Entschädigung, wenn Ihr Flug wegen eines Streiks des Personals der Fluggesellschaft annulliert wurde. Die weit verbreitete Annahme, dass Streiks immer eine sogenannte „außergewöhnliche Umstand“ darstellen, für den die Fluggesellschaft nicht verantwortlich ist und somit keine Entschädigung zahlen muss, trifft auf Streiks des eigenen Airline-Personals nicht mehr pauschal zu.
Warum Streiks des eigenen Personals anders bewertet werden
Aktuelle Urteile europäischer Gerichte, insbesondere des Europäischen Gerichtshofs (EuGH), haben die Rechtslage hierzu präzisiert. Ein Streik des eigenen Personals einer Fluggesellschaft, der im Rahmen von Tarifverhandlungen oder anderen internen Arbeitskonflikten entsteht, wird zunehmend als Teil des normalen Geschäftsrisikos einer Fluggesellschaft angesehen.
Das bedeutet, ein solcher Streik gilt in der Regel nicht als „außergewöhnlicher Umstand“ im Sinne der EU-Fluggastrechte-Verordnung (EG) Nr. 261/2004. Die Gerichte argumentieren, dass die Fluggesellschaften im Rahmen ihrer Betriebsführung solche Arbeitskämpfe einkalkulieren müssen und Möglichkeiten haben, diese zu beeinflussen oder abzuwenden. Wenn eine Fluggesellschaft einen Streik des eigenen Personals nicht verhindern kann, obwohl sie alle zumutbaren Maßnahmen ergriffen hat, kann dies immer noch eine Entschädigungspflicht auslösen.
Was dies für Reisende bedeutet
Für Sie als Reisenden bedeutet diese rechtliche Entwicklung, dass bei einer Annullierung Ihres Fluges aufgrund eines Streiks des Airline-eigenen Personals in vielen Fällen ein Entschädigungsanspruch nach der EU-Fluggastrechte-Verordnung besteht. Die Höhe der Entschädigung ist dabei festgelegt und richtet sich nach der Flugdistanz, unabhängig vom Ticketpreis:
- 250 Euro für Flüge bis zu 1.500 km
- 400 Euro für Flüge zwischen 1.500 km und 3.500 km (oder alle Flüge innerhalb der EU über 1.500 km)
- 600 Euro für Flüge über 3.500 km außerhalb der EU
Wichtig ist zu beachten, dass es Ausnahmen geben kann, etwa wenn die Fluggesellschaft Ihnen einen Ersatzflug angeboten hat, der Sie mit nur geringer Verspätung an Ihr Ziel bringt, oder wenn Sie sehr frühzeitig über die Annullierung informiert wurden. Bei Streiks von externen Parteien, wie z.B. Fluglotsen oder Sicherheitspersonal am Flughafen, kann die Situation anders liegen, da diese nicht im Einflussbereich der Fluggesellschaft stehen. Bei Streiks des eigenen Airline-Personals sind die Chancen auf eine Entschädigung jedoch deutlich gestiegen.
Sind alle Streiks gleich zu behandeln, wenn es um meine Rechte und Entschädigungsansprüche bei Flugannullierungen geht?
Nein, bei Flugannullierungen aufgrund von Streiks werden nicht alle Streiks rechtlich gleich behandelt, wenn es um Ihre Entschädigungsansprüche geht. Für Ihre Rechte und mögliche Entschädigungszahlungen ist entscheidend, wer streikt und inwieweit der Streik im Verantwortungsbereich der Fluggesellschaft liegt.
Der Verantwortungsbereich der Fluggesellschaft ist entscheidend
Im Kern geht es darum, ob der Streik als sogenannter „außergewöhnlicher Umstand“ gilt. Ein solcher Umstand liegt vor, wenn das Ereignis unvorhersehbar und unvermeidbar war, selbst wenn die Fluggesellschaft alle zumutbaren Maßnahmen ergriffen hätte. Die Europäische Fluggastrechte-Verordnung sieht vor, dass Fluggesellschaften bei außergewöhnlichen Umständen von der Entschädigungspflicht befreit sind.
Streik des eigenen Personals der Fluggesellschaft
Wenn das eigene Personal der Fluggesellschaft streikt – also beispielsweise Piloten, Kabinenpersonal oder das Bodenpersonal, das direkt von der Airline angestellt ist –, wird dies in der Regel nicht als außergewöhnlicher Umstand angesehen. Diese Art von Streik liegt im Verantwortungsbereich der Fluggesellschaft. Für Sie als Passagier bedeutet das: Die Fluggesellschaft ist in solchen Fällen meist verpflichtet, eine Entschädigung zu zahlen, wenn Ihr Flug annulliert wird oder sich erheblich verspätet. Die Gerichte sehen solche Streiks als Teil des normalen unternehmerischen Risikos einer Fluggesellschaft an.
Streik externer Akteure
Ganz anders sieht es aus, wenn externe Akteure streiken, auf die die Fluggesellschaft keinen direkten Einfluss hat. Beispiele hierfür sind:
- Fluglotsenstreiks: Wenn Fluglotsen streiken, ist der Luftraum betroffen, was die Fluggesellschaft nicht beeinflussen kann.
- Streiks des Sicherheitspersonals am Flughafen: Streiks bei der Fluggastkontrolle oder der Gepäckabfertigung, wenn das Personal nicht direkt bei der Airline angestellt ist.
- Streiks des Bodenpersonals, das nicht zur Airline gehört: Dies können Mitarbeiter sein, die für externe Dienstleister am Flughafen arbeiten (z.B. Gepäckabfertiger, Enteiser).
Solche Streiks werden in der Regel als außergewöhnliche Umstände eingestuft, da sie außerhalb des Einflussbereichs der Fluggesellschaft liegen. In diesen Fällen ist die Fluggesellschaft normalerweise nicht zur Zahlung einer Entschädigung verpflichtet.
Ihre Rechte auf Betreuungsleistungen bleiben bestehen
Unabhängig von der Art des Streiks und der Frage der Entschädigungszahlung: Wenn Ihr Flug annulliert wird oder sich erheblich verspätet, hat die Fluggesellschaft stets eine Fürsorgepflicht Ihnen gegenüber. Das bedeutet, dass Ihnen in jedem Fall Betreuungsleistungen zustehen, wie zum Beispiel:
- Mahlzeiten und Erfrischungen
- Hotelunterkunft, falls eine Übernachtung notwendig wird
- Transport zwischen Flughafen und Unterkunft
- Möglichkeit zur Telefonie oder E-Mail
Auch muss Ihnen die Fluggesellschaft eine alternative Beförderung zum Zielort anbieten oder den Ticketpreis erstatten, falls Sie die Reise nicht antreten möchten.
Was bedeuten Begriffe wie außergewöhnlicher Umstand oder höhere Gewalt für meine Flugentschädigung und warum nutzt die Airline diese Argumente?
Wenn Sie eine Flugverspätung oder Annullierung erleben, berufen sich Airlines oft auf Begriffe wie „außergewöhnlicher Umstand“ oder „höhere Gewalt“. Für Sie als Reisenden ist es wichtig zu verstehen, dass dies die Argumentation der Airline ist, um sich von einer Entschädigungszahlung nach der EU-Fluggastrechte-Verordnung zu befreien. Die Airline muss in solchen Fällen keine Entschädigung zahlen, wenn sie nachweisen kann, dass die Störung des Fluges auf solche Umstände zurückzuführen ist.
Was ist ein „außergewöhnlicher Umstand“?
Ein außergewöhnlicher Umstand ist ein juristischer Begriff aus der EU-Fluggastrechte-Verordnung. Er beschreibt Ereignisse, die außerhalb der Kontrolle der Fluggesellschaft liegen und auch dann nicht hätten vermieden werden können, wenn alle zumutbaren Maßnahmen ergriffen worden wären. Stellen Sie sich vor, es passiert etwas, das die Airline nicht vorhersehen und auch nicht durch eigene Anstrengungen verhindern konnte.
Typische Beispiele, die oft als außergewöhnlicher Umstände anerkannt werden, sind:
- Extreme Wetterbedingungen: Dazu gehören schwere Stürme, Vulkanausbrüche mit Aschewolken oder dichter Nebel, der den Flugbetrieb unmöglich macht.
- Politische Instabilität oder Sicherheitsrisiken: Zum Beispiel eine plötzliche Terrorwarnung oder ein Bürgerkrieg in der Zielregion.
- Unerwartete Streiks Dritter: Dies können Streiks der Flugsicherung, des Flughafenpersonals oder des Gepäckabfertigungsdienstes sein.
- Versteckte Herstellungsfehler am Flugzeug: Ein Fehler, der auch bei regelmäßiger Wartung nicht erkennbar war.
Der Begriff „höhere Gewalt“
Der Begriff „höhere Gewalt“ ist ein allgemeinerer juristischer Ausdruck, der oft in vielen Rechtsbereichen verwendet wird. Im Zusammenhang mit Flugentschädigungen wird er umgangssprachlich oft synonym mit „außergewöhnlicher Umstand“ verwendet. Die EU-Fluggastrechte-Verordnung spricht jedoch explizit vom „außergewöhnlichen Umstand“ als dem entscheidenden Kriterium für die Befreiung von der Entschädigungspflicht.
Warum Airlines diese Argumente nutzen
Fluggesellschaften berufen sich auf „außergewöhnliche Umstände“, weil sie, wenn diese tatsächlich vorliegen, keine Ausgleichszahlungen an die Passagiere leisten müssen. Dies ist eine wichtige Ausnahme von der generellen Pflicht zur Entschädigung bei Verspätungen ab drei Stunden oder Annullierungen. Für die Airline bedeutet dies, dass sie finanzielle Forderungen der Passagiere abwehren kann.
Die Besonderheit bei Streiks des eigenen Personals
Die Frage, ob ein Streik des eigenen Airline-Personals (z.B. Piloten oder Kabinenpersonal) ein außergewöhnlicher Umstand ist, war lange Zeit ein Streitpunkt. Der Europäische Gerichtshof (EuGH) hat hierzu jedoch eine wichtige Klärung vorgenommen:
Ein Streik des eigenen Personals einer Fluggesellschaft wird grundsätzlich nicht als außergewöhnlicher Umstand angesehen. Der EuGH begründet dies damit, dass solche Streiks zum normalen Betriebsrisiko einer Airline gehören und zu einem gewissen Grad vorhersehbar und durch Verhandlungen beeinflussbar sind. Sie sind also Teil der üblichen Geschäftstätigkeit und keine von außen kommende, völlig unkontrollierbare Überraschung. Dies bedeutet für Sie, dass eine Airline sich bei einem Streik ihrer eigenen Mitarbeiter in der Regel nicht auf außergewöhnliche Umstände berufen kann, um eine Entschädigung zu verweigern.
Diese rechtliche Unterscheidung ist wichtig, um die Argumentation der Fluggesellschaften richtig einordnen zu können. Nicht jede Behauptung der Airline, es liege ein außergewöhnlicher Umstand vor, ist auch rechtlich haltbar.
Welche Rechte habe ich generell, wenn mein Flug annulliert wird, auch wenn es keine direkte Geldentschädigung gibt?
Wird Ihr Flug annulliert, haben Sie als Passagier nach der Europäischen Fluggastrechte-Verordnung (EG) Nr. 261/2004 bestimmte grundlegende Rechte, die unabhängig davon bestehen, ob Sie zusätzlich eine finanzielle Entschädigung erhalten. Diese Rechte dienen dazu, die Unannehmlichkeiten der Annullierung abzufedern und Sie an Ihr Ziel zu bringen.
Wahl zwischen alternativem Transport oder Erstattung
Sie haben die Wahl zwischen zwei Hauptoptionen, die Ihnen die Fluggesellschaft anbieten muss:
- Alternativbeförderung zum Zielort: Die Fluggesellschaft muss Ihnen einen anderen Flug oder ein anderes Transportmittel (z.B. Bahn) anbieten, um Sie so schnell wie möglich zu Ihrem Endziel zu bringen. Dies kann der nächstmögliche Flug sein oder ein Flug zu einem späteren, für Sie passenden Zeitpunkt, sofern Plätze verfügbar sind.
- Erstattung des Ticketpreises: Wenn Sie die Reise nicht antreten möchten oder die Alternativbeförderung nicht annehmen wollen, haben Sie Anspruch auf die vollständige Erstattung des Ticketpreises für den annullierten Flug. Dies gilt auch für bereits durchgeführte Teilstrecken, wenn der Flug für den Gesamtzweck der Reise nutzlos geworden ist, und, falls zutreffend, für einen Rückflug zum ersten Abflugort.
Die Entscheidung, welche dieser Optionen Sie wählen, liegt bei Ihnen.
Recht auf Betreuungsleistungen
Dieses Recht ist besonders wichtig, da es unabhängig vom Grund der Annullierung besteht, also auch dann, wenn die Fluggesellschaft die Annullierung nicht zu vertreten hat (z.B. bei extremen Wetterbedingungen oder Streiks, die als „außergewöhnliche Umstände“ gelten). Sobald Ihr Flug annulliert wurde, und Sie auf einen späteren Flug warten müssen, stehen Ihnen folgende Betreuungsleistungen zu:
- Mahlzeiten und Erfrischungen: Angemessen zur Wartezeit.
- Hotelunterkunft: Wenn eine oder mehrere Übernachtungen notwendig werden.
- Transport zwischen Flughafen und Unterkunft: Die Kosten hierfür muss die Fluggesellschaft tragen.
- Möglichkeit zur Kommunikation: In der Regel zwei Telefonate, E-Mails oder Faxnachrichten.
Die Fluggesellschaft ist verpflichtet, Ihnen diese Leistungen aktiv anzubieten. Kommt sie dieser Pflicht nicht nach, können Sie die notwendigen Ausgaben selbst tätigen und die Belege aufbewahren, um diese später bei der Fluggesellschaft einzureichen. Die Kosten müssen dabei angemessen sein.
Was kann ich tun, wenn die Fluggesellschaft meine Entschädigungsforderung wegen eines Streiks ablehnt?
Wenn eine Fluggesellschaft Ihre Forderung nach einer Ausgleichszahlung ablehnt, insbesondere im Fall eines Streiks, gibt es verschiedene allgemeine Schritte, die Sie in Betracht ziehen können, um Ihr Anliegen weiterzuverfolgen.
1. Die Ablehnung und den Streikgrund prüfen
Zunächst ist es wichtig, genau zu verstehen, warum die Fluggesellschaft Ihre Forderung abgelehnt hat. Oft wird dabei der Streik als sogenannter „außergewöhnlicher Umstand“ genannt. Dies ist ein Begriff aus der EU-Fluggastrechte-Verordnung (Verordnung (EG) Nr. 261/2004), der besagt, dass die Fluggesellschaft in solchen Fällen unter bestimmten Bedingungen keine Entschädigung zahlen muss, weil sie die Umstände nicht beeinflussen konnte.
Wichtig dabei ist die Art des Streiks:
- Handelte es sich um einen Streik des eigenen Personals der Fluggesellschaft (z.B. Piloten oder Kabinenpersonal der Airline selbst)? In der Rechtsprechung wurde mehrfach entschieden, dass solche Streiks in der Regel keine außergewöhnlichen Umstände sind, da die Fluggesellschaft für die Arbeitsbedingungen ihres Personals verantwortlich ist und den Streik somit grundsätzlich beeinflussen kann. In solchen Fällen könnte ein Anspruch auf Ausgleichszahlung bestehen.
- Betraf der Streik externes Personal, wie Fluglotsen, Sicherheitspersonal am Flughafen oder das Personal eines externen Bodenabfertigungsdienstleisters? Solche Streiks können tatsächlich als außergewöhnlicher Umstand gelten. Allerdings muss die Fluggesellschaft trotzdem nachweisen, dass sie alle zumutbaren Maßnahmen ergriffen hat, um die Auswirkungen des Streiks zu vermeiden. Wenn dies nicht der Fall war, könnte trotz des externen Streiks ein Anspruch bestehen.
Prüfen Sie also genau, welche Art von Streik vorlag und welche Begründung die Fluggesellschaft liefert.
2. Eine erneute schriftliche Forderung senden
Wenn Sie die Begründung der Fluggesellschaft für nicht zutreffend halten, kann ein nächster Schritt darin bestehen, die Fluggesellschaft erneut schriftlich zur Zahlung aufzufordern. Formulieren Sie dabei klar, warum Sie die Ablehnung nicht akzeptieren. Hier können Sie auf die oben genannte Unterscheidung bei Streiks hinweisen. Fügen Sie alle relevanten Dokumente bei (Flugtickets, Buchungsbestätigung, Ablehnungsschreiben der Airline). Setzen Sie eine klare Frist für die Zahlung.
3. Schlichtungsstellen und alternative Streitbeilegung nutzen
Sollte die Fluggesellschaft weiterhin die Zahlung verweigern oder nicht auf Ihr erneutes Schreiben reagieren, gibt es oft spezielle Schlichtungs- oder Schlichtungsstellen für Flugstreitigkeiten. In Deutschland ist dies beispielsweise die Schlichtungsstelle für den öffentlichen Personenverkehr (SÖP). Solche Stellen bieten eine kostenlose oder kostengünstige Möglichkeit, einen Streit außergerichtlich beizulegen. Sie prüfen den Fall neutral und vermitteln zwischen Ihnen und der Fluggesellschaft. Die Teilnahme an solchen Verfahren ist für Verbraucher oft sinnvoll, da sie eine niedrigschwellige Alternative zu einem Gerichtsverfahren darstellen. Informationen zu diesen Stellen finden Sie in der Regel auf deren Websites oder auf den Seiten der zuständigen Behörden.
Auf europäischer Ebene gibt es zudem die Online-Streitbeilegungsplattform der Europäischen Kommission, die bei grenzüberschreitenden Streitigkeiten helfen kann, eine passende Schlichtungsstelle zu finden.
4. Die Möglichkeit eines gerichtlichen Vorgehens
Wenn alle vorherigen Schritte zu keiner Lösung führen und Sie weiterhin der Auffassung sind, einen Anspruch zu haben, bleibt als letzter Weg die Möglichkeit einer gerichtlichen Klage. Ein Gerichtsverfahren ist mit Kosten und Risiken verbunden und sollte sorgfältig abgewogen werden. Die Erfolgsaussichten hängen stark von den genauen Umständen des Einzelfalls ab, insbesondere von der Art des Streiks und der Frage, ob die Fluggesellschaft alle zumutbaren Maßnahmen zur Schadensbegrenzung ergriffen hat.
Für Sie bedeutet das, dass Sie bei einer Ablehnung Ihrer Forderung nicht machtlos sind. Es gibt definierte Wege und Stellen, die Ihnen helfen können, Ihr Anliegen weiterzuverfolgen und die Rechtslage zu klären.
Hinweis: Bitte beachten Sie, dass die Beantwortung der FAQ Fragen keine individuelle Rechtsberatung darstellt und ersetzen kann. Alle Angaben im gesamten Artikel sind ohne Gewähr. Haben Sie einen ähnlichen Fall und konkrete Fragen oder Anliegen? Zögern Sie nicht, uns zu kontaktieren. Wir klären Ihre individuelle Situation und die aktuelle Rechtslage.
Glossar
Juristische Fachbegriffe kurz erklärt
Tarifvertrag
Ein Tarifvertrag ist eine schriftliche Vereinbarung zwischen Arbeitgebern oder ihren Verbänden und Gewerkschaften, die die Arbeitsbedingungen für eine bestimmte Gruppe von Beschäftigten regelt. Er enthält beispielsweise Vereinbarungen zu Löhnen, Arbeitszeiten, Urlaub und anderen arbeitsrechtlichen Fragen. Tarifverträge haben für die Arbeitsverhältnisse der betroffenen Arbeitnehmer eine verbindliche Wirkung und sind Teil des kollektiven Arbeitsrechts (§§ Tarifvertragsgesetz). Beispiel: Wenn Piloten einer Fluggesellschaft einen Tarifvertrag haben, regelt dieser, wie viel sie verdienen und unter welchen Bedingungen sie arbeiten.
Ausgleichszahlung
Eine Ausgleichszahlung ist eine festgelegte pauschale Entschädigung, die Fluggästen bei Flugannullierungen oder längeren Verspätungen gemäß der EU-Fluggastrechte-Verordnung (EG) Nr. 261/2004 zusteht. Sie ist unabhängig von den tatsächlichen Kosten des Tickets und soll die Unannehmlichkeiten ausgleichen. Die Höhe richtet sich nach der Flugdistanz, beispielsweise 400 Euro für Flüge zwischen 1.500 und 3.500 Kilometern. Beispiel: Bei einem Streik und daraus folgender Flugstornierung kann ein Passagier eine Ausgleichszahlung verlangen, wenn kein „außergewöhnlicher Umstand“ vorliegt.
Außergewöhnlicher Umstand
Ein außergewöhnlicher Umstand ist ein Ereignis, das außerhalb der Kontrolle der Fluggesellschaft liegt und weder vorhersehbar noch vermeidbar ist, selbst wenn alle zumutbaren Maßnahmen ergriffen wurden (Art. 5 Abs. 3 EU-Fluggastrechte-Verordnung). Klassische Beispiele sind Naturkatastrophen, politische Unruhen oder Streiks von Dritten wie Fluglotsen. Wenn ein außergewöhnlicher Umstand vorliegt, muss die Airline keine Ausgleichszahlung leisten. Beispiel: Ein Vulkanausbruch, der den Flugbetrieb unmöglich macht, gilt als außergewöhnlicher Umstand.
Berufung
Die Berufung ist ein gerichtliches Rechtsmittel, mit dem eine Partei die Überprüfung und mögliche Aufhebung oder Änderung eines erstinstanzlichen Urteils durch ein höheres Gericht erreichen kann (§§ 511 ff. Zivilprozessordnung). Sie ermöglicht eine zweite rechtliche Prüfung, insbesondere bei Fehlern in der Anwendung von Recht oder Tatsachenfeststellungen. Im beschriebenen Fall legten die Passagiere nach einer negativen Entscheidung im Amtsgericht Berufung beim Landgericht Landshut ein, um ihre Ansprüche erneut prüfen zu lassen.
Revision
Die Revision ist ein weiteres Rechtsmittel, das eine Überprüfung eines Urteils einer Berufungsinstanz durch den Bundesgerichtshof ermöglicht (§§ 543 ff. ZPO). Sie dient ausschließlich der Kontrolle der Rechtmäßigkeit des Urteils, nicht der Tatsachenfeststellung. Die Zulassung der Revision erfolgt nur bei grundsätzlichen Rechtsfragen von Bedeutung. Hier hat das Landgericht Landshut die Revision zugelassen, damit der Bundesgerichtshof klärt, ob ein Streik des eigenen Personals ein außergewöhnlicher Umstand sein kann, was weitreichende Folgen für Flugentschädigungsansprüche hätte.
Wichtige Rechtsgrundlagen
- Verordnung (EG) Nr. 261/2004 (EU-Fluggastrechteverordnung): Diese EU-Verordnung legt EU-weit einheitliche Rechte für Flugreisende fest, wenn Flüge annulliert werden, sich stark verspäten oder Passagiere nicht befördert werden. Sie soll Reisende schützen und ihnen bei schwerwiegenden Beeinträchtigungen eine pauschale finanzielle Ausgleichszahlung ermöglichen, die unabhängig vom Ticketpreis ist. Die Höhe der Zahlung hängt dabei von der Flugstrecke ab. Sie verpflichtet Fluggesellschaften unter bestimmten Umständen zu Ausgleichszahlungen, es sei denn, außergewöhnliche Umstände liegen vor. → Bedeutung im vorliegenden Fall: Die Passagiere forderten ihre Entschädigung von 400 Euro pro Person direkt aufgrund der in dieser Verordnung festgelegten Regeln für annullierte Flüge.
- Der Rechtsbegriff „außergewöhnliche Umstände“ in Art. 5 Abs. 3 der Verordnung (EG) Nr. 261/2004: Diese Regelung befreit Fluggesellschaften von der Pflicht zur Ausgleichszahlung, wenn die Annullierung oder Verspätung auf „außergewöhnliche Umstände“ zurückgeht, die sich auch bei Ergreifung aller zumutbaren Maßnahmen nicht hätten vermeiden lassen. Es handelt sich um Ereignisse, die außerhalb der normalen Tätigkeit und Beherrschbarkeit der Fluggesellschaft liegen. Klassische Beispiele hierfür sind Naturkatastrophen, politische Instabilität oder Terroranschläge. Diese Ausnahme dient dazu, Airlines vor Ereignissen zu schützen, auf die sie keinen Einfluss haben. → Bedeutung im vorliegenden Fall: Die Kernfrage des Rechtsstreits war, ob der Streik der eigenen Piloten als ein solcher außergewöhnlicher Umstand einzustufen ist, um die Airline von der Zahlungspflicht zu befreien.
- Arbeitskampfrecht (insbesondere Streikrecht und Tarifautonomie): Das Arbeitskampfrecht regelt die rechtlichen Rahmenbedingungen für Konflikte zwischen Arbeitgebern und Arbeitnehmern oder ihren Gewerkschaften, wie Streiks und Aussperrungen. Die Tarifautonomie ist ein verfassungsrechtlich geschütztes Recht, das Gewerkschaften und Arbeitgeberverbänden erlaubt, Arbeitsbedingungen und Löhne eigenverantwortlich in Tarifverträgen auszuhandeln. Ein Streik ist dabei ein legitimes Mittel der Arbeitnehmer, um ihre Forderungen in Tarifverhandlungen durchzusetzen. → Bedeutung im vorliegenden Fall: Die juristische Einordnung des Streiks als Teil des normalen Geschäftsbetriebs oder als außergewöhnlicher Umstand hing entscheidend von der Bewertung dieses Streiks im Rahmen des Arbeitskampfrechts ab.
- Die Rolle der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs (EuGH): Der EuGH ist das höchste Gericht der Europäischen Union und hat die Aufgabe, das EU-Recht einheitlich auszulegen und weiterzuentwickeln. Seine Urteile sind für alle nationalen Gerichte der Mitgliedstaaten bindend, wenn diese EU-Recht anwenden müssen. Dadurch sorgt der EuGH für eine konsistente Rechtsanwendung und Rechtsklarheit innerhalb der gesamten Union. Er klärt grundlegende Fragen zur Auslegung von EU-Verordnungen und -Richtlinien. → Bedeutung im vorliegenden Fall: Das Landgericht Landshut stützte seine Entscheidung maßgeblich auf eine wegweisende EuGH-Rechtsprechung zu Streiks, deren Logik es auf den organisierten Pilotenstreik übertrug und damit einen Wandel in der Auslegung vollzog.
Das vorliegende Urteil
LG Landshut – Az.: 15 S 1420/20 – Endurteil vom 21.08.2020
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Ich bin seit meiner Zulassung als Rechtsanwalt im Jahr 2003 Teil der Kanzlei der Rechtsanwälte Kotz in Kreuztal bei Siegen. Als Fachanwalt für Verkehrsrecht und Fachanwalt für Versicherungsrecht, sowie als Notar setze ich mich erfolgreich für meine Mandanten ein. Weitere Tätigkeitsschwerpunkte sind Mietrecht, Strafrecht, Verbraucherrecht, Reiserecht, Medizinrecht, Internetrecht, Verwaltungsrecht und Erbrecht. Ferner bin ich Mitglied im Deutschen Anwaltverein und in verschiedenen Arbeitsgemeinschaften. Als Rechtsanwalt bin ich bundesweit in allen Rechtsgebieten tätig und engagiere mich unter anderem als Vertragsanwalt für […] mehr über Dr. Christian Gerd Kotz