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Flugannullierung: Haftungsausschluss bei gravierender Reduzierung des Flugpersonals

AG Frankfurt, Az.: 29 C 3361/16 (40), Urteil vom 03.05.2017

Die Klage wird abgewiesen.

Die Kosten des Rechtstreits haben die Kläger zu tragen.

Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Kläger können die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des auf Grund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

Tatbestand

Die Kläger begehren aus eigenem und abgetretenem Recht Ausgleichszahlungen nach der Verordnung (EG) Nr. 261/2004.

Die Kläger und zwei weitere Mitreisende verfügten über eine bestätigte Buchung für den Flug der Beklagten … am 07.10.2016 von Frankfurt nach Heraklion. Der Flug wurde annulliert. Am 30.09.2016 wurde von dem Aufsichtsratsvorsitzenden der … GmbH ein Management-Letter an die … Belegschaft gerichtet, welcher die Eingliederung mit anderen Unternehmen in einen Verband in Erwägung zog, um die Wettbewerbsfähigkeit der … GmbH zu verbessern.

Die Kläger sind der Auffassung, ihnen stünden Ansprüche aus Art. 7 Abs. 1 b) VO(EG) 261/2004 zu.

Die Kläger beantragen,

1. Die Beklagte wird verurteilt 1.284,00 € nebst Zinsen i. H. v. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 02.11.2016 an die Klägerin zu 1. Und 400,- € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 02.11.2016 an den Kläger zu 2. Zu zahlen.

2. Die Beklagte wird verurteilt, die Kläger von vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten in Höhe von 309,40 € aus der Inanspruchnahme ihres Prozessbevollmächtigten freizustellen.

Flugannullierung: Haftungsausschluss bei gravierender Reduzierung des Flugpersonals
Symbolfoto: adrian825/Bigstock

Die Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.

Die Beklagte behauptet, dass der Flug aufgrund außergewöhnlicher Umstände annulliert worden sei. Aufgrund des Management-Letters habe es eine Welle von Krankmeldungen gegeben, welcher die Aufrechterhaltung des normalen Flugbetriebs unmöglich gemacht habe. Sie behauptet ferner, sie habe etliche Flüge mit Hilfe von zugekauften Subchartern durchführen können, Passagiere auf Linienflüge umbuchen lassen und zusätzliches Personal rekrutiert.

Wegen des weiteren Sach- und Streitstandes wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst ihren Anlagen verwiesen.

Das Gericht hat Beweis erhoben durch Vernehmung der Zeugin. Hinsichtlich des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf das Sitzungsprotokoll vom 12.04.2017 (Bl. 123-129 d. A.) Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

Die zulässige Klage ist unbegründet.

Den Klägern steht unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt ein Anspruch auf Zahlung von 1.284,00 € bzw. 400,00 € gegen die Beklagte zu, auch nicht aus der VO (EG) 261/2004.

Die Beklagte kann sich mit Erfolg auf das Vorliegen außergewöhnlicher Umstände gemäß Art. 5 Abs. 3 VO (EG) Nr. 261/2004 berufen. Nach dieser Vorschrift ist ein ausführendes Luftfahrtunternehmen nicht verpflichtet, Ausgleichszahlungen gemäß Art. 7 VO (EG) 261/2004 zu leisten, wenn die Annullierung (oder erhebliche Verspätung) auf außergewöhnliche Umstände zurückgeht, die sich auch dann nicht hätten vermeiden lassen, wenn alle zumutbaren Maßnahmen ergriffen worden wären.

I. Außergewöhnliche Umstände

Der Begriff des „außergewöhnlichen Umstands“ selbst wird nicht in der Verordnung definiert, sodass nach einer Wortlautauslegung die Umstände „nicht dem gewöhnlichen Lauf der Dinge entsprechen, sondern außerhalb dessen liegen, was üblicherweise mit dem Ablauf der Personenbeförderung im Luftverkehr verbunden ist oder verbunden sein kann“ (BGH Urt. v. 21.8.2012 – X ZR 146/11 Rn. 11). Bei der Beurteilung eines bestimmten Ereignisses ist zu berücksichtigen, dass die Verordnung ein hohes Schutzniveau für Fluggäste sicherstellen und den Erfordernissen des Verbraucherschutzes im Allgemeinen Rechnung tragen soll, da die Annullierung eines Fluges den Fluggästen große Unannehmlichkeiten bereitet. Der Gesetzgeber wollte nicht jedes unvermeidbare Ereignis genügen lassen, sondern nur solche, die aus den üblichen und erwartbaren Abläufen des Luftverkehrs herausragen. Für die Qualifizierung der Umstände als außergewöhnlich ist somit maßgeblich, dass sie sich von denjenigen Ereignissen unterscheiden, mit denen typischerweise bei der Durchführung eines einzelnen Flugs gerechnet werden. Dies bedeutet, dass einem Luftfahrtunternehmen auch die unvermeidbaren Hindernisse für die planmäßige Durchführung eines Fluges seiner Risikosphäre zugewiesen werden, die nicht aus den üblichen und erwartbaren Abläufen des Luftverkehrs herausragen und somit bestenfalls ungewöhnlich, aber nicht außergewöhnlich sind.

Der BGH führt in seinem Urteil X ZR 146/11 darüberhinaus aus:

Erwägungsgrund 14 der Verordnung bestätigt und bekräftigt dieses sich aus Wortlaut und Zweck der Norm ergebende Verständnis. Danach können außergewöhnliche Umstände insbesondere bei politischer Instabilität, mit der Durchführung des betreffenden Fluges nicht zu vereinbarenden Wetterbedingungen, Sicherheitsrisiken, unerwarteten Flugsicherheitsmängeln und den Betrieb eines ausführenden Luftverkehrsunternehmens beeinträchtigenden Streiks eintreten. Nach Erwägungsgrund 15 „sollte“ sogar vom Vorliegen außergewöhnlicher Umstände ausgegangen werden, wenn eine Entscheidung des Flugverkehrsmanagements zu einem einzelnen Flugzeug an einem bestimmten Tag zur Folge hat, dass es, obgleich alle zumutbaren Maßnahmen zur Vermeidung dieser Folge ergriffen wurden, bei einem oder mehreren Flügen des betreffenden Flugzeugs zu einer großen Verspätung, einer Verspätung bis zum nächsten Tag oder zu einer Annullierung kommt. Beide Erwägungsgründe zeigen, dass für die Qualifikation der Umstände als außergewöhnlich weder ihre – möglicherweise vielfältigen – Ursachen noch ihre Herkunft aus dem Verantwortungsbereich des Luftverkehrsunternehmens oder eines Dritten oder ihre generelle Unbeeinflussbarkeit entscheidend sind, sondern vielmehr der Umstand, dass sie sich von denjenigen Ereignissen unterscheiden, mit denen typischerweise bei der Durchführung eines einzelnen Fluges gerechnet werden muss.

Nach Durchführung der Beweisaufnahme steht es zur Überzeugung des Gerichts fest, dass sich zwischen dem 03.10.2016 und dem 10.10.2016, und gerade auch am 07.10.2016, eine erhebliche Zahl der Beschäftigten der Beklagten im Bereich Cockpit und Kabine für die Beklagte völlig unerwartet fluguntauglich gemeldet haben. Der Vortrag der Beklagten, ihr habe diesen Tagen nur 1/3 bis nur die Hälfte des diensthabenden Personals für Cockpit und Kabine zur Durchführung ihrer Flüge zur Verfügung gestanden, wurde durch die glaubwürdigen Angaben der Zeugin Weber in der mündlichen Verhandlung bestätigt. Die Zeugin hat ruhig und ohne erkennbare Entlastungstendenz die von ihr selbst aus den Computersystemen der Beklagten entnommenen Daten referiert. Zwar hat sie diese Daten nicht selbst eingegeben und auch keine Krankmeldungen persönlich im Empfang genommen, jedoch aus eigener Wahrnehmung Kenntnis von dem Eingang einer Vielzahl von Krankmeldungen erlangt, ebenso wie von den Bemühungen des Crewkontaktes dienstfreies Personal zu akquirieren. Das Gericht hat daher keine Zweifel daran, dass es im Zeitraum vom 03.10.2016 bis 10.10.2016 zu den von der Beklagten behaupteten Ausfällen ihres Personals gekommen war. Eine solch gravierende Reduzierung des benötigten Personals ist als absolut unerwartbar und untypisch zu Qualifizieren. Soweit dem Gericht bekannt hat es ein solches Vorkommnis – außer im Rahmen eines Streiks – noch nicht gegeben.

Es kann nach der Auffassung des Gerichts auch dahinstehen bleiben, ob es sich bei der Meldung derart erheblichen Teilen des Personals als fluguntauglich um einen „wilden Streik“ oder eine tatsächliche massenhafte Fluguntauglichkeit des Personals handelt, da beides einen außergewöhnlichen Umstand darstellt.

Der BGH hat in seinem Urteil X ZR 146/11 weiter ausgeführt (Hervorhebungen durch Unterzeichnerin):

Der Streikaufruf wirkt – auch soweit er zu einem Ausstand der eigenen Beschäftigten führt – „von außen“ auf das Luftverkehrsunternehmen ein und ist nicht Teil der normalen Ausübung seiner Tätigkeit. Denn er zielt gerade darauf, als Kampfmittel der Auseinandersetzung um einen neuen oder anderen Tarifvertrag die „normale Ausübung der Tätigkeit“ zu beeinträchtigen und wenn möglich vollständig lahmzulegen. Er betrifft demgemäß in aller Regel auch nicht nur einen einzelnen oder einzelne Flüge, sondern typischerweise die gesamte oder zumindest wesentliche Teile der gesamten Tätigkeit des Luftverkehrsunternehmens. Der Zweck der Verordnung, die Fluggäste – auch durch die Pflicht zu Ausgleichszahlungen – vor dem „Ärgernis“ (EuGH, IATA und ELFAA Rn. 69; Wallentin-Hermann/Alitalia Rn. 18) – grundsätzlich – vermeidbarer Annullierungen zu schützen, kommt bei einem solchen Streik ebenso wenig zum Tragen wie in denjenigen Fällen, in denen ein externer Arbeitskampf oder ein sonstiges Ereignis dazu führt, dass die normale Betriebstätigkeit eines Luftverkehrsunternehmens ganz oder zu wesentlichen Teilen zum Erliegen kommt. Im Übrigen können, wie ein vom West London County Court entschiedener Fall belegt, in dem Mitarbeiter eines Luftverkehrsunternehmens in einen wilden Streik traten, weil der Flughafenbetreiber die Betrauung des Luftverkehrsunternehmens mit der Gepäck-Bodenbeförderung nicht fortsetzen wollte (zitiert nach Galan, www.mondaq.com/article.asp?articleid=82136), beide Konstellationen ineinander übergehen.

Dieser Rechtsauffassung schließt sich das erkennende Gericht an. Es kann vorliegend dahinstehen bleiben, ob die Beklagte auf Grund eines „ordentlichen“ Streiks, eines „wilde“ Streiks oder aus sonstigen Gründen, etwa der massenhaften Fluguntauglichkeit ihres Personals, nicht in der Lage war, ihre Verpflichtungen gegenüber ihren Passagieren zu erfüllen, da alle diese Ereignisse die gleichen Auswirkungen auf die Beklagte hätten. Möglicherweise müsste man sogar annehmen, dass bei einem „wilden“ – also unangekündigten – Streik und bei einer massenhaften – ebenfalls nicht vorhersehbaren – Fluguntauglichkeit der Mitarbeiter die Umstände noch außergewöhnlicher sein können.

Auch die bisherige Rechtsprechung zur Erkrankung von Mitarbeitern steht dieser Einschätzung nicht entgegen, denn dort betraf die Erkrankung immer nur einige wenige Mitarbeiter.

Der BGH führt in seinen Urteile dazu aus (Hervorhebung durch Unterzeichnerin):

X ZR 138/11:

Im Streitfall musste die Bekl. damit rechnen, dass die überwiegende Zahl ihrer angestellten Piloten dem Streikaufruf nachkommen würde. Es ging also nicht darum, einen etwa durch Krankheit eingetretenen Ausfall einer geringen Anzahl von Mitarbeitern zu kompensieren, sondern auf einen drohenden Ausfall zumindest eines erheblichen Teils des Pilotenpersonals zu reagieren.

X ZR 146/11:

Die Beklagte musste damit rechnen, dass die überwiegende Zahl der angesprochenen Mitarbeiter dem Streikaufruf nachkommen würde. Es ging also nicht darum, einen etwa durch Krankheit eingetretenen Ausfall einer geringen Anzahl von Mitarbeitern zu kompensieren, sondern auf einen drohenden Ausfall zumindest eines erheblichen Teils des Pilotenpersonals zu reagieren.

Ebenso ist das Gericht nach Durchführung der Beweisaufnahme davon überzeugt, dass in dem Zeitraum 03.10.2016 bis 10.10.2016 alle von der Beklagten annullierten oder mit großer Verspätung durchgeführten Flüge nur auf Grund der fehlenden Mitarbeiter nicht wie geplant durchgeführt werden konnten.

II. Beherrschbarkeit

Eine Berufung auf außergewöhnliche Umstände scheidet auch nicht deswegen aus, weil die Situation für die Beklagte beherrschbar gewesen wäre.

Zwar geht die Beklagte selbst davon aus, dass der „wilde“ Streik, bzw. die massenhafte Fluguntauglichkeit ihrer Mitarbeiter durch die Veröffentlichung des Management-Letters verursacht wurde. Es kann jedoch keinem Betrieb zugemutet werden, es zu unterlassen Überlegungen zur strategischen und wirtschaftlichen zukünftige Ausrichtung des eigenen Unternehmens mit seinen Mitarbeitern zu kommunizieren. Etliche historische Beispiele großer Firmenumstrukturierungen, -verkäufe und -insolvenzen haben auch gezeigt, dass mit einem solchen Verhalten der Mitarbeiter nicht gerechnet werden muss, ja dies sogar im nicht juristischen Wortsinne als höchst außergewöhnlich zu bezeichnen ist.

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Das Gericht geht auch davon aus, dass den Mitarbeitern der Beklagten klar geworden ist, dass – sollten sich tatsächlich Crewmitglieder entgegen den EASA-Bestimmung fluguntauglich gemeldet haben – ein solches Verhalten im Hinblick auf den Erhalt der Arbeitsplätze nicht zielführend ist. Den Mitarbeitern der Beklagten muss bewusst geworden sein, dass sich die wirtschaftliche Situation der Beklagten durch die Flugausfälle, die Schadensersatzzahlungen an die Reiseveranstalter, die Kosten durch die Subcharter und die nun anhängigen Rechtstreite erheblich verschlechtert haben dürfte. Da die Beklagte bereits vor diesem Ereignis aus wirtschaftlichen Gründen Umstrukturierungen hatte ins Auge fassen müssen, ist deren Notwendigkeit in wirtschaftlicher Hinsicht sicherlich nicht entfallen. Ebenfalls können solche Ereignisse das zwischen Arbeitgebern und Arbeitnehmern notwendige Vertrauensverhältnis zerstören, was ebenfalls zu einer Kündigung führen könnte.

III. Zumutbare Maßnahmen

Die Beklagte hat auch alle ihr zumutbaren Maßnahmen ergriffen, um die Folgen des außergewöhnlichen Umstandes für ihre Passagiere so gering wie möglich zu halten, insbesondere durfte sie den Betriebsablauf reorganisieren.

Zunächst führt der BGH in seinem Urteil X ZR 146/11 aus:

Welche Maßnahmen einem ausführenden Luftverkehrsunternehmen zuzumuten sind, also in persönlicher, technischer und wirtschaftlicher Hinsicht erwartet werden können, um zu vermeiden, dass außergewöhnliche Umstände zur Annullierung eines bestimmten Fluges führen, bestimmt sich nach den Umständen des Einzelfalls zu diesem Zeitpunkt (EuGH, Wallentin-Hermann/Alitalia Rn. 42; Urteil vom 12. Mai 2011 – Rs. C-294/10, NJW 2011, 2865 = RRa 2011, 125 Rn. 25, 29 f. – EglTtis und Ratnieks). Der Gerichtshof geht von einem flexiblen und vom Einzelfall abhängigen Begriff der zumutbaren Maßnahme aus, wobei es Sache des nationalen Gerichts ist zu beurteilen, ob in dem ihm vorliegenden Fall angenommen werden kann, dass das Luftverkehrsunternehmen die der Situation angemessenen Maßnahmen getroffen hat (EuGH, EglTtis und Ratnieks, Rn. 30). Auch bei einer streikbedingten Beeinträchtigung des Flugplans sind demgemäß die konkreten Umstände des Einzelfalls maßgeblich.

Lassen außergewöhnliche Umstände besorgen, dass dem Luftverkehrsunternehmen demnächst ein erheblicher Teil seiner Piloten nicht zur Verfügung stehen wird, können an die Darlegung der Gründe, warum ein bestimmter Flug annulliert worden ist, keine hohen Anforderungen gestellt werden.

In einer solchen Situation steht das Luftverkehrsunternehmen vor der Aufgabe, den Betriebsablauf möglichst schon im Vorfeld entsprechend zu reorganisieren. Hierbei hat es wie bereits dargelegt vor allem darauf hinzuwirken, dass die Beeinträchtigung für die Gesamtheit der Fluggäste möglichst gering ausfällt und dass nach dem Wegfall der Beeinträchtigungen möglichst schnell wieder der Normalbetrieb aufgenommen werden kann. Schöpft das Luftverkehrsunternehmen unter Einhaltung dieser Anforderungen die ihm zur Verfügung stehenden Ressourcen in dem gebotenen Umfang aus, kann die Nichtdurchführung eines einzelnen Fluges in der Regel nicht allein deshalb als vermeidbar angesehen werden, weil stattdessen ein anderer Flug hätte annulliert werden können. In Anbetracht der komplexen Entscheidungssituation, bei der eine Vielzahl von Flügen sowie deren Verknüpfung untereinander zu berücksichtigen sind, ist dem Luftverkehrsunternehmen vielmehr der erforderliche Spielraum bei der Beurteilung der zweckmäßigen Maßnahmen zuzubilligen. Eine Verkürzung der Verbraucherrechte ist hierdurch nicht zu besorgen, da es nicht zuletzt im eigenen wirtschaftlichen Interesse des Luftverkehrsunternehmens liegt, die Auswirkungen des Streiks und die streikbedingten Beeinträchtigungen der Fluggäste so gering wie möglich zu halten.

Soweit es um die Möglichkeit geht, Aushilfspersonal einzusetzen, wird das Luftverkehrsunternehmen in der Regel nur dann Anlass zu detaillierterem Vortrag haben, wenn sich aus dem unstreitigen Sachverhalt oder aus dem Vortrag der Gegenseite konkrete Anhaltspunkte dafür ergeben, dass die kurzfristige Verpflichtung von Aushilfspiloten möglich und zumutbar war.

Dieser zutreffenden rechtlichen Auffassung schließt sich das erkennende Gericht an.

Nach Durchführung der Beweisaufnahme steht es für das Gericht fest, dass die Beklagte für normale Betriebsabläufe und auch für darüber hinausgehende unübliche Fluguntauglichkeitsmeldungen ausreichende Kapazitäten an Personal für Cockpit und Kabine vorgehalten hat.

Darüberhinaus hat die Beklagte insgesamt 49 fremde Flugzeuge inkl. Personal als Subcharter eingekauft und mit diesen insgesamt 180 Flüge durchgeführt. Ebenfalls wurden zusätzlich 104 Flugzeuge leer in die Urlaubsorte geflogen, um die dort auf ihren Rückflug wartenden Passagiere nach Hause zu fliegen. Die grundsätzliche Entscheidung, vornehmlich Passagiere aus dem Urlaub zurück zu holen, ist nicht zu beanstanden, da die Beklagte nicht wussten, wie lang sie auf erhebliche Teile ihres Personals würde verzichten müssen.

Die Zeugin … hat darüberhinaus angegeben, dass die Beklagte Subcharter aus ganz Europa angefragt und eingekauft hat, zusätzliches Personal damit betraut hat, Subcharter und Broker anzufragen und Crewkontakt angewiesen hat, jeden nicht als fluguntauglich gemeldeten Mitarbeiter anzurufen und zum Dienst zu bitten. Die Mitarbeiter des Crewkontakts waren an allen Tagen 24 Stunden beschäftigt und es wurde ein zweites Büro mit drei Mitarbeitern eröffnet, welche ebenfalls 24 Stunden besetzt, um die Subcharteranfragen durchführen zu können. Weiterhin hat die Beklagte auch Subcharterflüge eingekauft, welche wesentlich größere Passagierkapazitäten hatten, als die Beklagte auf den einzelnen Flügen gebuchte Passagiere.

Desweiteren ist das Gericht davon überzeugt, dass es keine zumutbare Maßnahme der Beklagten gewesen wäre, arbeitsrechtliche Schritte einzuleiten oder Arbeitgeberzweifel anzumelden, um so die auf Überprüfung von Flugtauglichkeit spezialisierten Ärzte mit der Überprüfung der Flugtauglichkeit der Mitarbeiter zu beauftragen. Dazu muss zum einen bedacht werden, dass Fluguntauglichkeit in den EASA-Bestimmungen so definiert wird, dass sich jedes einzelne Crewmitglied selbst die Frage stellen muss, ob es sich dazu in der Lage fühlt, einen Flug durchzuführen und wenn es diese Frage für sich verneint, sich als fluguntauglich zu melden soll. Gerade nach dem Absturz des Germanwings Fluges wird hier sicherlich Zurückhaltung geboten sein. Es ist nicht auszuschließen, dass ein erheblicher Teil der als fluguntauglich gemeldeten Crew sich tatsächlich psychisch nicht in der Lage fühlte, einen Flug durchzuführen, da sie geistig mit den Auswirkungen der geplanten Umstrukturierung beschäftigt waren, damit aber den EASA-Bestimmungen nach tatsächlich fluguntauglich waren. Zum anderen ist nicht ersichtlich, wie es der Beklagten gelingen sollte herauszufinden, bei welchem Mitarbeiter von einer vorgespiegelten Fluguntauglichkeit auszugehen ist, da ja auch im regelhaften Geschäftsbetrieb ca. 30 Personen Cockpit und ca. 100 Personen Kabine fluguntauglich gemeldet sind. Darüberhinaus ist eine in jedem Einzelfall notwendige Begründung eines Arbeitgeberzweifels bzw. eines arbeitsgerichtlichen Vorgehens in zeitlicher und personeller Hinsicht enorm aufwendig.

Die Nebenforderung teilt das Schicksal der Hauptforderung.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 ZPO, die zur vorläufigen Vollstreckbarkeit aus §§ 708 Nr. 1, 709 S. 2, 711 ZPO.

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