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Flugannullierung – Schadensersatzanspruch gegen Fluggesellschaft

Oberlandesgericht Koblenz

Az: 10 U 385/07

Urteil vom 11.01.2008


Der 10. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Koblenz hat auf die mündliche Verhandlung vom 14. Dezember 2007 für R e c h t erkannt:

Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Amtsgerichts Simmern vom 7. März 2007 wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Berufungsverfahrens hat die Klägerin zu tragen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

G r ü n d e :

I.
Mit ihrer Klage wegen eines stornierten Urlaubsrückflugs macht die Klägerin Schadensersatz sowie eine Ausgleichszahlung gemäß Art. 7 EGV 261/2004 aus eigenem sowie aus abgetretenem Recht (Ehemann) geltend.

Die Klägerin und ihr Ehemann buchten Flüge bei der beklagten Fluggesellschaft, die ihren allgemeinen Gerichtsstand außerhalb der Bundesrepublik Deutschland hat, von Frankfurt-Hahn nach Jerez (Spanien). Der Hinflug am 18. März 2006 fand problemlos statt. Der für den 1. April 2006 um 9.35 Uhr vorgesehene Rückflug von Jerez nach Hahn wurde wegen Nebels annulliert. Der Flughafen war nicht anfliegbar. Die Klägerin und ihr Ehemann wurden von der Beklagten auf eine Maschine für den 3. April 2006, 10.10 Uhr, umgebucht, mit der sie zum Flughafen Hahn zurückkehrten.

Die Klägerin hat vorgetragen,
der Flughafen in Jerez sei nur für kurze Zeit wegen Nebels gesperrt gewesen. Die Annullierung sei nicht durch außergewöhnliche Umstände begründet gewesen. Morgendlicher Nebel sei in Jerez nichts Außergewöhnliches. Die Beklagte schulde Schadensersatz für fehlende Betreuungsleistungen und Ausgleichszahlungen für die Annullierung.

Die Klägerin hat beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, an sie 1.095,80 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 29. September 2006 zu zahlen.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie hat vorgetragen,
im Hinblick auf den wegen Nebels ausgefallenen Flug am 1. April 2006 seien keine Ausgleichszahlungen zu erbringen. Die Annullierung sei auf das Wetter und damit auf außergewöhnliche Umstände zurückzuführen. Zudem habe die Beklagte Betreuungsleistungen erbracht.

Das Amtsgericht hat der Klägerin Schadensersatz in Höhe von 295,80 € zugesprochen, da die Beklagte ihren schuldrechtlichen Verpflichtungen auf Betreuungsleistungen nicht angemessen nachgekommen sei. Einen Anspruch auf Ausgleichszahlungen hat das Amtsgericht abgelehnt, da die Annullierung auf außergewöhnliche Umstände zurückzuführen gewesen sei.

Hiergegen richtet sich die Berufung der Klägerin. Sie trägt vor, das Amtsgericht hätte nicht genügend gewürdigt, dass außergewöhnliche Umstände für eine Annullierung nicht vorgelegen hätten. Der Nebel sei allenfalls ein Grund für eine Verzögerung, nicht aber für eine Annullierung des Fluges gewesen. Die Beklagte hätte die Pflicht gehabt, zumutbare Maßnahmen zu ergreifen, um nach der Annullierung die Klägerin schneller nach Hause zu bringen.

Die Klägerin beantragt,

unter Abänderung des angefochtenen Urteils die Beklagte zur Zahlung weiterer 800 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 29. September 2006 zu verurteilen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie ist der Auffassung, es habe keine zumutbaren Maßnahmen gegeben, um auf den am Morgen des 1. April 2006 plötzlich auftretenden Nebel zu reagieren. Insbesondere habe es keine Ausweichmöglichkeiten zu benachbarten Flughäfen gegeben.

Wegen aller weiteren Einzelheiten des Vorbringens der Parteien wird auf die zu den Akten gereichten Schriftsätze nebst Anlagen verwiesen.

II.
Die gemäß § 119 Abs. 1 Nr. 1 lit. b GVG zulässige Berufung gegen das Urteil des Amtsgerichts zum Oberlandesgericht hat in der Sache keinen Erfolg.

Die Zuständigkeit der deutschen Gerichtsbarkeit und die örtliche Zuständigkeit des Amtsgerichts Simmern ergeben sich aus Art. 5 sowie aus Art. 24 der EG-Verordnung Nr. 44/2001 vom 22. Dezember 2000, wobei der Erfüllungsort der Beförderungspflicht auch im Transport zum Flughafen Hahn und in der dortigen Abfertigung zu sehen ist (vgl. OLG Koblenz, 1. Zivilsenat, Urteil vom 29. März 2006 in OLGR Koblenz 2006, S. 485 ff.).

Materiell-rechtlich leitet sich die Anwendbarkeit des Bürgerlichen Gesetzbuches mit den darin enthaltenen Regelungen zur Leistungsstörung unter anderem aus Art. 28 EGBGB für den hier zu beurteilenden Fall ab, denn für den Senat weist der vorliegende Vertrag engere Verbindungen im Sinne von Art. 28 Abs. 5 EGBGB zur Bundesrepublik Deutschland auf (OLG Koblenz, 1. Zivilsenat, a.a.0., m. w. N.). Dies ergibt sich aus dem Wohnort der Klägerin, sowie aus dem Abflugs- und Ankunftsort mit den zahlreichen dort von der Beklagten zu erbringenden Dienstleistungen.

Die Klägerin hat keinen Anspruch aus Art. 7 der EG-Verordnung Nr. 261/2004 gegen die Beklagte, da diese gemäß Art. 5 Abs. 3 dieser Verordnung von der Verpflichtung frei ist, Ausgleichszahlungen zu erbringen. Die Annullierung war auf außergewöhnliche Umstände zurückzuführen.

Der für den 1. April 2006 für 9.35 Uhr vorgesehene Rückflug wurde annulliert. Dies ist zwischen den Parteien unstreitig. Der Abgrenzung zu einer Verspätung bedarf es daher nicht (vgl. Schmid, Die Bewährung der neuen Fluggastrechte in der Praxis – ausgewählte Probleme bei der Anwendung der Verordnung (EG) Nr. 261/2004 in NJW 2006, S. 1841 ff.).

Grundsätzlich haben gemäß Art. 7 i. V. m. Art. 5 der EG-Verordnung Nr. 261/2004 die nicht transportierten Fluggäste einen Anspruch auf Ausgleichszahlung. Dies gilt allerdings, wie im vorliegenden Fall, nicht, wenn die Fluggesellschaft nachweisen kann, dass die Annullierung auf außergewöhnliche Umstände zurückgeht. Im vorliegenden Fall ist es zwischen den Parteien unstreitig, dass der Flughafen Jerez im unmmittelbaren zeitlichen Umfeld um die Abflugszeit nicht anfliegbar war, da dichter Nebel herrschte. Der für 9.35 Uhr vorgesehene Rückflug war der Beklagten deshalb unmöglich, so dass sie gemäß § 275 BGB von dieser Verpflichtung frei geworden ist. Damit lag auch ein außergewöhnlicher Umstand gemäß der Erwägungen der EG-Verordnung 261/2004 vor. Wie sich aus den Nummern 12 und 14 ergibt, ist Sinn der Verordnung, die Luftfahrtunternehmen zu veranlassen, Fluggäste zu befördern, sofern dies möglich ist. Lediglich außergewöhnliche Umstände sollen die Annullierung rechtfertigen. Als Beispiel für außergewöhnliche Umstände werden in den Erwägungen auch mit der Durchführung des betreffenden Fluges nicht zu vereinbarende Wetterbedingungen (14) genannt. Diese lagen hier zum Abflugszeitpunkt unstreitig vor.

Die Beklagte hatte keine Möglichkeit, auf das Wetter oder die Sichtverhältnisse Einfluss zu nehmen. Die Ursache lag außerhalb ihres Verantwortungsbereichs. Daran ändert auch die Tatsache nichts, dass morgendlicher Nebel in Jerez nach den Behauptungen der Klägerin kein seltenes Phänomen ist.

War daher die Annullierung durch außergewöhnliche Umstände gerechtfertigt, kommt es nach Auffassung des Senats nicht darauf an, ob die Fluggesellschaft nachfolgend Möglichkeiten gehabt hätte, anschließend an die Annullierung diese in eine bloße Verspätung des Fluges umzuwandeln. Die Klägerin hat insofern vorgetragen, es wäre möglicherweise durchführbar gewesen, das anderweitig zwischengelandete Flugzeug nach Jerez umzuleiten oder eine andere Maschine nach Jerez zu fliegen, um die dortigen Passagiere des annullierten Fluges, wenn auch mit massiver Verspätung, noch am selben Tag zum Hahn zurückzubefördern.

Da ein Luftbeförderungsvertrag ein Fixgeschäft ist (vgl. für viele: BGH, NJW 1973, 318), wurde die Erbringung der geschuldeten Leistung mit der unstreitig erfolgten Annullierung des Fluges unmöglich. Damit wurde die Beklagte von ihrer Leistungspflicht frei, die Kläger mit diesem konkreten Rückflug zu transportieren. Die Schuldbefreiung tritt gemäß § 275 BGB kraft Gesetzes ein (vgl. Heinrichs in Palandt, Bürgerliches Gesetzbuch, 67. Aufl., Rdnr. 31 zu § 275 BGB).

Da die Beklagte zu dieser konkreten Leistung nicht mehr verpflichtet war, ist es irrelevant, ob es zu einem späteren Zeitpunkt die Möglichkeit gegeben hätte, sei es durch das ursprünglich avisierte oder ein eigens herbeigeschafftes Flugzeug, einen weiteren, zusätzlichen, anderen Rückflug zeitnäher, als dies tatsächlich geschehen ist, anzubieten. Die Beklagte war vielmehr berechtigt, die Gäste mit deren Einverständnis auf andere Rückflüge umzubuchen.

Aus den gleichen Gründen ist es ohne Belang, wie schnell sich die Wetterverhältnisse in Jerez wieder verbessert haben. Da die Beklagte wegen Unmöglichkeit von ihrer konkreten Leistungspflicht frei geworden ist, gab es für sie keinen Grund, abzuwarten, ob in angemessener Zeit ein Start- oder Landevorgang wieder möglich geworden wäre. Ein solches Abwarten wäre auch den Passagieren nicht zumutbar gewesen.
Das Ansinnen der Klägerin hätte bedeutet, dass die Beklagte alle Passagiere im Flughafen, möglicherweise über Stunden, hätte festhalten müssen. Weiter hätte die Beklagte sodann ein zusätzliches Flugzeug (woher?) zu einer ungeplanten Landung in Jerez organisieren müssen.
Dies stellt eine überobligatorische Belastung der Beklagten dar.

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Etwas anderes würde nur dann gelten, wenn, und dies behauptet auch die Klägerin nicht, von Anfang an absehbar gewesen wäre, dass der Nebel nur relativ kurz den Flugbetrieb lahm legen würde.

(Nicht in Widerspruch hierzu hat das Amtsgericht zutreffend entschieden, dass der Klägerin Betreuungsleistungen hätten erbracht werden müssen. Auf diese hat sie auch dann Anspruch, wenn die Annullierung auf außergewöhnliche Umstände zurückgeht, da eine Art. 5 Abs. 3 entsprechende Klausel bezüglich der Leistungen nach Art. 9 der EG-Verordnung Nr. 261/2004 fehlt.)

Der nicht nachgelassene Schriftsatz der Klägerin vom 27. Dezember 2007 gibt zu einer abweichenden Beurteilung oder Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung keine Veranlassung.

Die Nebenentscheidungen beruhen auf den §§ 97, 708 Nr. 10, 711 ZPO.

Die Revision gegen dieses Urteil ist nicht zuzulassen, da die in § 543 Abs. 2 ZPO genannten Gründe hier nicht gegeben sind. Es handelt sich um eine Entscheidung im und für den konkret gegebenen Einzelfall mit seinen nicht verallgemeinerungsfähigen Besonderheiten.

Der Streitwert des Berufungsverfahrens wird auf 800 € festgesetzt.

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