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Flugbeförderungsvertrag – Fixgeschäft/Flugverspätung

BUNDESGERICHTSHOF

Az.: Xa ZR 113/08

Urteil vom 28.05.2009


In dem Rechtsstreit hat der Xa-Zivilsenat des Bundesgerichtshofs auf die mündliche Verhandlung vom 28. Mai 2009 für Recht erkannt:

Die Revision gegen das am 19. August 2008 verkündete Urteil der 11. Zivilkammer des Landgerichts Köln wird auf Kosten des Klägers zurückgewiesen.

Von Rechts wegen

Tatbestand:

Der Kläger buchte bei der Beklagten für sich, seine Ehefrau und seine beiden Kinder einen Flug von Frankfurt am Main nach Phoenix (Arizona) über Washington D.C. und zurück. Der Flug von Washington D.C. nach Phoenix sollte nicht von der Beklagten, sondern von United Airlines durchgeführt werden. Der Hinflug wurde für den 7. Oktober 2006 um 13.25 Uhr von Frankfurt am Main mit Ankunft in Washington D.C. um 16.40 Uhr Ortszeit bestätigt. Tatsächlich erfolgte der Abflug erst gegen 17.00 Uhr, so dass der Kläger und seine Familie den Anschlussflug nicht erreichten. Die Reisenden verbrachten die Nacht auf Kosten der Beklagten in einem Hotel. Der Weiterflug nach Phoenix startete am 8. Oktober 2006 um 7.00 Uhr. Die Reisenden erreichten Phoenix ca. 14,5 Stunden später als geplant; ihr Gepäck kam auf dem Flug nach Phoenix abhanden und konnte ihnen erst mit viertägiger Verspätung ausgeliefert werden.

Die Ehefrau und die Kinder des Klägers haben diesem ihre Ansprüche abgetreten. Der Kläger verlangt eine Ausgleichszahlung gemäß Art. 7 Abs. 1 Buchst. c i.V. mit Art. 4 Abs. 3 der Verordnung (EG) Nr. 261/2004 des Parlaments und des Rates über eine gemeinsame Regelung für Ausgleichs- und Unterstützungsleistungen für Fluggäste im Fall der Nichtbeförderung und bei Annullierung oder großer Verspätung von Flügen und zur Aufhebung der Verordnung (EWG) Nr. 295/1991 vom 11. Februar 2004 (ABl. EG L 46 v. 17.2.2004, S. 1; im Folgenden: Verordnung) in Höhe von viermal 600 € sowie 416,65 € als Minderung des Flugpreises und die Erstattung von Anwaltskosten in Höhe von 446,13 €. Die Anwaltskosten sind für die Geltendmachung der vorgenannten Ansprüche sowie von Ersatzansprüchen wegen des Gepäckverlustes und Erstattung von Taxikosten in Washington über einen Betrag von zusammen 1.246,30 € entstanden; den letztgenannten Betrag hat die Beklagte ausgeglichen.

Das Amtsgericht hat die Klage abgewiesen. Die Berufung ist ohne Erfolg geblieben. Mit seiner vom Berufungsgericht zugelassenen Revision, der die Beklagte entgegentritt, verfolgt der Kläger sein Klagebegehren weiter.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Revision ist nicht begründet.

I.

Das Berufungsgericht hat angenommen, dem Kläger stehe ein Anspruch auf Ausgleichszahlung gemäß Art. 4 Abs. 3 i.V. mit Art. 7 Abs. 1 Buchst. c der Verordnung nicht zu. Hinsichtlich des Teilflugs von Washington nach Phoenix liege keine Nichtbeförderung i.S. des Art. 4 der Verordnung vor. Diese setze die Weigerung voraus, Fluggäste zu befördern, obwohl sie sich unter den in Art. 3 Abs. 2 der Verordnung genannten Bedingungen am Flugsteig eingefunden haben. Die rein faktische Nichtweiterbeförderung wegen Verspätung des Zubringerflugs reiche nicht aus. Dem Kläger stehe auch kein Anspruch aus §§ 634 Nr. 3, 638 BGB wegen Minderung des Flugpreises zu. Bei dem Flugbeförderungsvertrag handele sich nicht um ein absolutes Fixgeschäft. Auch durch die verspätete Leistung werde der Vertragszweck noch erreicht. Die Flugbeförderung sei auch nicht mangelhaft i.S. von § 633 Abs. 2 Satz 1 BGB, wenn sie verspätet erfolge. Die verspätete Leistung führe vielmehr zu Ansprüchen aus §§ 286, 280 BGB sowie aus der Verordnung; ein unangemessener Nachteil für den Fluggast entstehe hierdurch nicht. Dem Kläger stünden schließlich keine Ansprüche auf Zahlung der von ihm begehrten vorgerichtlich entstandenen Rechtsanwaltskosten zu. Er habe weder dargelegt, dass sich die Beklagte in Verzug befunden habe, noch, dass die Inanspruchnahme eines Rechtsanwalts erforderlich gewesen sei. Dies sei in einfach gelagerten Fällen nur dann anzunehmen, wenn der Geschädigte geschäftlich ungewandt sei oder die Schadensregulierung verzögert werde; diese Voraussetzungen habe der Kläger nicht dargelegt.

II.

Dies hält den Angriffen der Revision stand:

1.

Das Berufungsgericht hat zu Recht einen Anspruch der Reisenden aus Art. 4 Abs. 3 der Verordnung verneint.

a) Auf den Flug von Washington nach Phoenix ist die Verordnung nicht anwendbar. Nach Art. 3 Abs. 1 gilt die Verordnung für Fluggäste, die entweder einen Flug auf einem Flughafen im Gebiet eines Mitgliedstaats antreten, oder – sofern ausführendes Luftfahrtunternehmen ein Luftfahrtunternehmen der Gemeinschaft ist – für Fluggäste, die von einem Flughafen in einem Drittstaat einen Flug zu einem Flughafen in einem Mitgliedstaat antreten. Da es sich bei dem Flug von Washington nach Phoenix um einen inneramerikanischen Flug mit einem amerikanischen Luftfahrtunternehmen gehandelt hat, liegen diese Voraussetzungen nicht vor. Daran ändert es auch nichts, dass der Kläger und seine Familie eine Flugreise von Frankfurt nach Phoenix gebucht haben. Denn der Flug i.S. der Verordnung ist nicht mit der Flugreise gleichzusetzen, die die Fluggäste unternehmen (EuGH, Urt. v. 10.7.2008 – C-173/07, RRa 2008, 237 Tz. 32 – Emirates Airlines/Schenkel). Flug ist vielmehr, wie auch Art. 2 Buchst. h der Verordnung zeigt, auch bei einem einheitlichen Beförderungsvertrag die einzelne „Einheit“ an der Luftbeförderung, die von einem Luftfahrtunternehmen durchgeführt wird, das die entsprechende Flugroute festlegt (EuGH, aaO Tz. 40). Dass der Fluggast eine einheitliche Buchung vornimmt, wirkt sich hierauf nicht aus (EuGH, aaO Tz. 51).

b) Der Anspruch aus Art. 4 Abs. 3 der Verordnung richtet sich zudem gegen das ausführende Luftfahrtunternehmen. Dies ist nach Art. 2 Buchst. b der Verordnung das Luftfahrtunternehmen, das im Rahmen eines Vertrags mit einem Fluggast oder im Namen einer anderen Person, die mit dem betreffenden Fluggast in einer Vertragsbeziehung steht, einen Flug durchführt oder durchzuführen beabsichtigt. Luftfahrtunternehmen in diesem Sinne war für den Flug von Washington nach Phoenix nicht die Beklagte, sondern United Airlines. Denn nach der Legaldefinition des Art. 2 Buchst. b der Verordnung ist allein entscheidend, welches Luftfahrtunternehmen den Flug tatsächlich durchführt, nicht hingegen, mit welchem Luftfahrtunternehmen der Vertrag über die Flugreise geschlossen worden ist.

c) Schließlich hat der Senat entschieden, dass einem Fluggast, der einen Flug wegen eines verspäteten Zubringerflugs nicht erreicht, kein Anspruch auf eine Ausgleichsleistung nach Art. 4 Abs. 3, Art. 7 der Verordnung zusteht, und zwar auch dann nicht, wenn beide Flüge gemeinsam gebucht sind und von demselben Luftfahrtunternehmen durchgeführt werden (Sen.Urt. v. 30.4.2009 – Xa ZR 78/08, zur Veröffentlichung bestimmt).

2.

Das Berufungsgericht hat weiter zu Recht einen Anspruch des Klägers auf Minderung des Flugpreises verneint.

a) Bei dem Flugbeförderungsvertrag handelt es sich entgegen der Auffassung der Revision (ebenso OLG Düsseldorf NJW-RR 1997, 930; OLG Frankfurt am Main NJW-RR 1997, 1136; AG Bad Homburg v.d.H. RRa 2001, 13; AG Düsseldorf RRa 1997, 183; AG Simmern RRa 2005, 279; Tonner in Gebauer/Wiedmann, Zivilrecht unter europäischem Einfluss, Kap. 13a Rdn. 61) in der Regel nicht um ein absolutes Fixgeschäft, bei dem sich die Ansprüche des Fluggastes nach §§ 275, 283, 326 BGB richten. Beim absoluten Fixgeschäft begründet die Nichteinhaltung der Leistungszeit Unmöglichkeit der Leistung (BGHZ 60, 14, 16). Die Qualifikation eines Rechtsgeschäfts als absolutes Fixgeschäft erfordert daher, dass der Leistungszeitpunkt nach Sinn und Zweck des Vertrags und nach der Interessenlage der Parteien so wesentlich ist, dass eine verspätete Leistung keine Erfüllung mehr darstellt. Diese Voraussetzung trifft auf die verspätet durchgeführte Beförderungsleistung jedoch nicht zu. Das Interesse des Fluggastes, sein Ziel möglichst schnell zu erreichen, entfällt bei einer Verspätung des Fluges regelmäßig nicht. Der Vertragszweck kann vielmehr auch durch eine verspätete Beförderung noch erreicht werden. Der Wegfall der primären Leistungspflicht des Luftfahrtunternehmens nach § 275 Abs. 1 BGB, der bedeutete, dass der Fluggast seinen Anspruch auf Beförderung jedenfalls bei einer mehr als nur geringfügigen Verspätung verlöre, entspricht mithin regelmäßig nicht der Interessenlage des Gläubigers (so auch A. Staudinger, RRa 2005, 249, 251; Führich, Sonderbeilage MDR 7/2007, S. 8). Dies gilt auch, wenn die verspätete Beförderung dazu führt, dass der Anschlussflug nicht mehr erreicht wird. Auch in diesem Fall besteht die Interessenlage des Gläubigers regelmäßig darin, gleichwohl so schnell wie möglich an das Reiseziel befördert zu werden. Dieser Beurteilung steht es nicht entgegen, dass der Bundesgerichtshof einen Luftbeförderungsvertrag in einem besonders gelagerten Einzelfall als Fixgeschäft qualifiziert hat (BGH, Urt. v. 28.9.1978 – VII ZR 116/77, NJW 1979, 495).

Auch im Streitfall ist nichts dafür ersichtlich, dass der zwischen den Parteien geschlossene Beförderungsvertrag ausnahmsweise als absolutes Fixgeschäft gewollt gewesen wäre, bei dem bei einer Verspätung des Erstfluges die Beförderungsverpflichtung der Beklagten wegfallen sollte.

b) Die Flugverspätung stellt auch keinen Mangel der Beförderungsleistung dar.

Allerdings wird in der amts- und landgerichtlichen Rechtsprechung (LG Frankfurt am Main NJW-RR 1993, 1270, 1271; AG Frankfurt am Main NJW-RR 1996, 238; AG Bad Homburg v.d.H. RRa 2002, 88; AG Rüsselsheim RRa 2006, 136) und in der Literatur (Führich, Reiserecht, 5. Aufl. Rdn. 1059; Sonderbeilage MDR 7/2007, S. 11; R. Schmid, RRa 2005, 151, 156; Wagner, RRa 2004, 102, 105) die Flugverspätung häufig als Mangel der Beförderungsleistung qualifiziert. Sofern hierfür überhaupt eine Begründung gegeben wird, wird sie darin gesehen, dass die Einhaltung der Pünktlichkeit eines Flugs zu den wesentlichen Leistungspflichten des Luftfahrtunternehmens gehöre und den Luftbeförderungsvertrag geradezu präge (Führich, aaO).

Damit kann jedoch die Annahme eines Werkmangels nicht begründet werden. Bei jeder Werkleistung, die nicht zu dem geschuldeten Zeitpunkt erbracht wird, verletzt der Werkunternehmer seine vertragliche Leistungspflicht. Dies ändert jedoch nichts daran, dass der Verzug des Werkunternehmers nicht ohne weiteres einen Mangel des schließlich erstellten Werks begründet, sondern vom Gesetz eigenständig geregelt ist. Für eine verspätete Leistungserbringung hat der Schuldner nach den Regeln der §§ 286, 280 BGB einzustehen. Diese eigenständige Regelung schließt zwar nicht aus, dass für die Eignung des Werks zum üblichen oder vereinbarten Gebrauch auch der Leistungszeitpunkt eine Rolle spielen kann (in diesem Sinne Staudinger/Peters, BGB, Bearb. 2003, § 633 Rdn. 175). Ein Mangel setzt jedoch voraus, dass das Werk selbst infolge der Zeitverzögerung nicht die geschuldete Beschaffenheit aufweist.

Bei einer Flugreise oder einer sonstigen Beförderungsleistung ist dies regelmäßig nicht der Fall (ebenso A. Staudinger, RRa 2005, 249, 255). Die Beförderungsleistung wird nicht dadurch schlechter, dass sie erst zu einem späteren Zeitpunkt erbracht wird. Ob dem Fluggast durch eine Verspätung ein Nachteil entsteht und welcher Art dieser ist, hängt vielmehr ganz von seinen persönlichen Verhältnissen ab. Ihm kann ein Geschäft entgehen; für ihn kann die Verspätung eine bloße Unbequemlichkeit darstellen; sie kann ihm sogar willkommen sein, etwa weil er selbst verspätet am Flughafen erscheint. Dies macht deutlich, dass es einen objektiven Minderwert einer verspäteten Beförderungsleistung nicht geben kann. Er lässt sich auch nicht aus den Dispositionen des Fluggastes ableiten, weil diese weder Bestandteil des Beförderungsvertrags noch auch nur dessen Geschäftsgrundlage sind. Anderes gilt auch nicht deshalb, weil der verspätete Zubringerflug das Erreichen des Anschlussflugs verhindert hat. Auch damit wird nicht die Beförderungsleistung schlechter, vielmehr kann sich im Einzelfall durch die Verzögerung ein Schaden einstellen, den das Gesetz durch die Regeln über den Verzug erfasst.

3.

Dem Kläger steht schließlich auch kein Anspruch auf Ersatz der vorgerichtlich entstandenen Anwaltskosten zu. Hinsichtlich der vorstehenden Hauptansprüche folgt dies bereits daraus, dass diese nicht begründet sind. Hinsichtlich der übrigen, von der Beklagten ausgeglichenen Ansprüche hat das Berufungsgericht rechtsfehlerfrei die Notwendigkeit der Inanspruchnahme anwaltlicher Hilfe verneint.

4.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.

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