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Flugbegleiterin – Schadensersatzpflicht des Arbeitgebers bei Luftzwischenfall

Arbeitsgericht Frankfurt am Main

Aktenzeichen 15 Ca 588/01

Verkündet am 26.03.2001


In dem Rechtsstreit hat das Arbeitsgericht Frankfurt am Main Kammer 15 auf die mündliche Verhandlung vom 26.03.2001 für Recht erkannt:

Die Klage wird abgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits und der Nebenintervention trägt die Klägerin.

Der Wert des Streitgegenstandes wird auf DM 96.000,- festgesetzt.

Die Berufung ist gemäß § 64 Abs. 2 b) ArbGG statthaft. Eine weitergehende Zulassung der Berufung erfolgt nicht.

TATBESTAND

Die Parteien streiten um Schadensersatz- und Schmerzensgeldansprüche wegen eines am 21. Juni 1996 erlittenen Unfalles.

Die Klägerin ist bei der Beklagten aufgrund Arbeitsvertragvom 30. September 1992 (BI. 27 d. A.) und Ergänzungsvertrages vom 16. Mai 1995 (BI. 26 d. A.) seit 01. Oktober 1992 als Flugbegleiterin beschäftigt. Im Rahmen ihrer beruflichen Tätigkeit nahm sie am 21. Juni 1996 an dem Flug LH 436 teil, unter anderem auch auf der Strecke von Dallas nach Houston. Kapitän und Copilot dieses Fluges waren die Streithelfer der Beklagten. Kurz nach dem Start in Dallas – die Maschine befand sich noch in der Beschleunigungsphase des Steigfluges, die Anschnallzeichen waren bereits erloschen und die Klägerin befand sich im hinteren Küchenbereich, um den Service vorzubereiten – ereignete sich ein Luftzwischenfall. Wegen der Kollisionsgefahr mit einem anderen Flugzeug führten die Streithelfer der Beklagten ein Ausweichmanöver durch. Hierdurch traten insbesondere im hinteren Flugzeugbereich starke Erschütterungen auf. Hierbei wurde die Klägerin mehrfach an die Kabinendecke und wieder zurück auf den Boden geschleudert und erlitt Verletzungen. Nach der Landung in Houston wurde sie zunächst in ein Krankenhaus aufgenommen und war in der Folgezeit bis 22. Januar 1997 arbeitsunfähig. Am 18. Januar 1997 wurde bei ihr eine Schwangerschaft festgestellt, so dass sie nicht mehr als Flugbegleiterin eingesetzt wurde. Nach der Geburt ihres Kindes am 02. September 1997 nahm sie Erziehungsurlaub in Anspruch. Am 13. November 2000 (BI. 71 d. A.) wurde ihr nach vorangegangenen Untersuchungen Flugdienstuntauglichkeit attestiert. Außerdem teilte ihr die Beklagte mit Schreiben vom 13. November 2000 (BI. 72 d. A.) mit, aufgrund festgestellter dauerhafter Flugdienstuntauglichkeit ende das Arbeitsverhältnis in Folge tarifvertraglicher Regelung am 31. März 2001.

Die Klägerin vertritt die Auffassung, die Beklagte sei ihr wegen der durch den Luftzwischenfall vom 21. Juni 1996 erlittenen Verletzungen schadensersatzpflichtig. Wegen der von der Klägerin vorgetragenen Unfallfolgen, Verletzungen, Untersuchungen und Diagnosen wird verwiesen auf die Ausführungen auf Seiten 5 – 19 der Klageschrift (BI. 5 f. d. A.).

Sie trägt vor, die Streithelfer der Beklagten hätten bei dem Ausweichmanöver in das elektronische Steuersystem durch jeweils gegengesteuerte Maßnahmen eingegriffen, so dass es zu den Turbulenzen gekommen sei. Wegen der Einzelheiten wird verwiesen auf dieAusführungen auf Seite 4 und auf Seiten 24 f der Klageschrift (BI. 4, 24 f d. A.).

Sie vertritt die Auffassung, die Haftung der Beklagten sei nicht gemäß den am 21. Juni 1996 noch geltenden §§ 636 Abs. 1, 637 Abs. 1 RVO ausgeschlossen, denn der Unfall sei bei Teilnahme am allgemeinen Verkehr eingetreten. Wegen ihrer Argumentation hierzu wird auf die Ausführungen auf Seiten 23 f. der Klageschrift (BI. 23 f d. A.) und auf Seiten 3 f. des Schriftsatzes vom 15. März 2001 (BI. 95 f d. A.) verwiesen.

Die Klägerin beantragt,

1. die Beklagte zu verurteilen, an sie ein angemessenes Schmerzensgeld zu zahlen, dessen Höhe in das Ermessen des Gerichts gestellt wird, mindestens jedoch DM 70.000,00 sowie 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz seit 01. Februar 2001;

2. die Beklagte zu verurteilen, an sie wegen der bei dem Luftunfall vom 21. Juni 1996 erlittenen Verletzungen und andauernden Beeinträchtigungen eine monatliche Rente in Höhe von DM 500,00 zu zahlen;

3. festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin allen künftigen materiellen und immateriellen Schaden, einschließlich eines eventuell entstehenden Verdienstausfallschadens, zu ersetzen, soweit dieser auf den Flugunfall vom 21. Juni 1996 und die hierbei erlittenen Verletzungen und Schädigungen zurückzuführen ist und soweit diese Ansprüche nicht auf Sozialversicherungsträger oder sonstige Dritte übergegangen sind.

Die Beklagte und ihre Streithelfer beantragen, die Klage abzuweisen.

Zur Ergänzung des Sach- und Streitstandes wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze und deren Anlagen verwiesen.

Die Klägerin hatte gleichzeitig mit Klageerhebung auch den Streithelfern den Streit verkündet. Diese sind dem Rechtsstreit auf Seiten der Beklagten beigetreten.

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE

Die Klage ist unbegründet.

Die Beklagte haftet der Klägerin weder vertraglich noch deliktisch auf Ersatz des anlässlich des Unfallereignisses vom 21. Juni 1996 erlittenen Personenschadens. Die Haftung der Beklagten ist gemäß §§ 636 Abs. 1, 637 Abs. 1 RVO ausgeschlossenen. Diese Vorschriften waren im Zeitpunkt des Unfallereignisses noch in Kraft.

Eine Rückausnahme vom Haftungsausschluss besteht nicht. Vorsatz liegt nicht vor. Der Unfall hat sich entgegen der Auffassung der Klägerin auch nicht bei der Teilnahme am allgemeinen Verkehr ereignet.

Bei der Beurteilung, ob ein Unfall bei der Teilnahme am allgemeinen Verkehr eingetreten ist, ist nach gefestigter Rechtsprechung in erster Linie darauf abzustellen, ob der betroffene Arbeitnehmer den Unfall als normaler Verkehrsteilnehmer oder als Betriebsangehöriger erlitten hat. Maßgebend ist, ob sich der Unfall für den Betroffenen in einem Bereich ereignet hat, der sich im Verhältnis zum Schädiger als innerbetrieblicher Vorgang darstellt, oder ob insoweit zu dem Betrieb kein oder nur ein loser Zusammenhang besteht (BGH, Urteil vom 08. Mai 1973, VI ZR 148/72, NJW 1973, 1326). Von wesentlicher Bedeutung ist, ob der Verunglückte den Unfall gerade als Verkehrsteilnehmer oder aber als Betriebsangehöriger erlitten hat (Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 23. September 1969, 1 AZR.493/68, AP Nr. 3 zu § 636 RVO). Entgegen der Auffassung der Klägerin ist der Begriff der Teilnahme am allgemeinen Verkehr nicht nur räumlich, sondern funktionell zu verstehen. Dies entspricht dem Sinn und Zweck der Regelung. Die Haftungsbefreiungen, die die §§ 636, 637 RVO an das betriebsbezogene Verhältnis zwischen dem versicherten Verletzten und dem Schädiger knüpfen, sollen für einen Bereich entfallen, in dem der Versicherte jedem anderen Verkehrsteilnehmer gleichsteht und es daher unbillig wäre, ihn insoweit gegenüber anderen Verkehrsteilnehmern zu benachteiligen. Dagegen soll die Befreiung von dem Haftungsausschluss nicht vor anderen versicherten Arbeitnehmern diejenigen bevorzugen, die ihre betrieblichen Aufgaben gerade im Bereich des öffentlichen Verkehrs zu erfüllen haben. Es sollen nur die Fälle erfasst werden, in denen der Versicherte den Gefahrenbereich, in dem er durch die Zugehörigkeit zu seinem Betrieb betroffen ist, verlässt und sich als normaler Verkehrsteilnehmer in den Gefahrenbereich des allgemeinen Verkehrs begibt (BGH, Urteil vom 08. Mai 1973, a.a.O.; Urteil vom 02. November 1989, III ZR 133/88, AP Nr. 18 zu § 636 RVO).

Soweit der Haftungsausschluss greift, führt dies in der Tat dazu, dass die Klägerin, wie sie befürchtet, überhaupt keine Schmerzensgeldzahlungen erhalten wird (vgl. hierzu Bundesverfassungsgericht, Beschluss vom 08. Februar 1995, 1 BvR 753/94, AP Nr. 21 zu § 636 RVO). Reine Billigkeitserwägungen wiederum rechtfertigen kein Abweichen von einer gefestigten Rechtsprechung, die insbesondere auch dem System der gesetzlichen Unfallversicherung Rechnung trägt; der Arbeitgeber allein trägt die Beiträge für die Unfallversicherung und soll deshalb grundsätzlich für die Folgen eines Arbeitsunfalles nicht haften (vgl. hierzu Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 23. September 1969, a.a.O.).

Die Klägerin hat, wie sie selbst auch hervorhebt, den Unfall als Bedienstete innerhalb eines öffentlichen Verkehrsmittels erlitten. Sie hat an dem Flug als Arbeitnehmerin teilgenommen, um die vertraglich geschuldete Arbeitsleistung zu erbringen, nicht als Passagierin. Sie hat somit den betrieblichen Risikobereich nicht verlassen, für sie hat sich gerade das im Zusammenhang mit ihrer beruflichen Tätigkeit stehende betriebliche Risiko realisiert. Die von der Klägerin erlittenen Personenschäden unterliegen somit ausschließlich dem Unfallversicherungsrecht.

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 91 Abs. 1, 101 Abs. 1 ZPO; die Festsetzung des Gegenstandswertes auf § 3 ZPO.

Die Statthaftigkeit der Berufung ergibt sich aus § 64 Abs. 2 b ArbGG. Es besteht kein Grund für eine weitergehende Zulassung der Berufung, die das Rechtsmittel auch für einen unter DM 1.200,01 liegenden Beschwerdewert ermöglichen würde.

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