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Fluggastrechte bei großer Verspätung – Vogelschlags auf einem Vorflug

AG Frankfurt, Az.: 29 C 814/14 (44), Urteil vom 26.05.2014

Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerinnen jeweils 400,- € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 19.12.2013 zu zahlen.

Die Kosten des Rechtsstreits hat die Beklagte zu tragen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte kann die Vollstreckung gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aus dem Urteil vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Klägerinnen vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leisten.

Tatbestand

Fluggastrechte bei großer Verspätung - Vogelschlags auf einem Vorflug
Symbolfoto: Von muratart /Shutterstock.com

Die Parteien streiten um Ausgleichsansprüche nach der Verordnung (EG) Nr. 261/2004 (im Folgenden VO) nach einer Flugverspätung.

Die Klägerinnen buchten den Flug mit der … . Der Flug sollte von der Beklagten durchgeführt werden und planmäßig am 17.08.2013 um 05:00 Uhr abfliegen und am 17.08.2013 um 09:30 Uhr … landen.

Tatsächlich verspätete sich der Flug derart, dass die Klägerinnen erst am 17.08.2013 um 17:00 Uhr … landeten.

Die Flugentfernung zwischen … beträgt mehr als 1.500 Kilometer.

Mit anwaltlichem Mahnschreiben v. 11.12.2013 wurde die Beklagte vorgerichtlich unter Fristsetzung zum 23.12.2013 erfolglos zur Zahlung aufgefordert.

Die Klägerinnen beantragen, die Beklagte wird verurteilt, an die Kläger zu 1) und zu 2) je 400,- € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz ab dem 19.12.2013 zu zahlen.

Die Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.

Die Beklagte ist der Auffassung, nach Art. 5 Abs. 3 der VO leistungsfrei zu sein aufgrund Vogelschlags an der für den Umlauf vorgesehenen Flugmaschine. Hinsichtlich der Einzelheiten wird auf die Klageerwiderungsschrift, Bl. 27-29 d.A., Bezug genommen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen verwiesen.

Entscheidungsgründe

Die zulässige Klage ist begründet.

Die Kläger haben einen Anspruch auf Leistung von Ausgleichszahlungen in der geltend gemachten Höhe aus Art. 7 Abs. 1 lit. b) VO.

Unstreitig hatte der von der Beklagten durchgeführte Flug … eine Ankunftsverspätung von mehr als 3 Stunden. Zwar steht der Ausgleichsanspruch nach Art. 7 i. V. m. Art. 4 und 5 der VO nur denjenigen Passagieren zu, die nichtbefördert oder deren Flug annulliert wurde. Nach einer Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) vom 19.11.2009 soll Art. 7 der VO aber auch dann anwendbar sein, wenn Passagiere – wie hier – wegen eines verspäteten Fluges einen Zeitverlust von drei Stunden oder mehr erleiden (vgl. EuGH NJW 2010, 43), so dass die Klägerinnen von der Beklagten unter Berücksichtigung der Entfernung zwischen … von mehr als 1.500 km die Zahlung eines Ausgleichsanspruchs in Höhe von jeweils 400,– Euro verlangen können.

Dieser Anspruch ist nicht entsprechend Art. 5 Abs. 3 VO ausgeschlossen.

Zwar können grundsätzlich unter bestimmten Voraussetzungen auch den Vorflug betreffende außergewöhnliche Umstände, welche zu einer Verspätung auf dem darauf folgenden Flug führen, zu einer Leistungsfreiheit der Beklagten führen. Als außergewöhnlicher Umstand kommt ein sog. Vogelschlag grundsätzlich in Betracht. Im vorliegenden Fall scheitert die Enthaftung der Beklagten indes, weil die Beklagte nicht ausreichend zur Frage der Vermeidbarkeit der Verspätung vorgetragen hat:

Ein ausführendes Luftfahrtunternehmen ist nur dann nicht verpflichtet, Ausgleichszahlungen gemäß Artikel 7 zu leisten, wenn es nachweisen kann, dass die Annullierung auf außergewöhnliche Umstände zurückgeht, die sich auch dann nicht hätten vermeiden lassen, wenn alle zumutbaren Maßnahmen ergriffen worden wären. Welche Maßnahmen einem ausführenden Luftfahrtunternehmen zuzumuten sind, um zu vermeiden, dass außergewöhnliche Umstände zu einer erheblichen Verspätung eines Flugs führen oder Anlass zu seiner Annullierung geben, bestimmt sich nach den Umständen des Einzelfalls. Das Luftfahrtunternehmen hat darzulegen und gegebenenfalls zu beweisen, dass sich die Annullierung oder erhebliche Verspätung jedenfalls nicht durch der Situation angepasste Maßnahmen hätte vermeiden lassen, d.h. solche, die zu dem Zeitpunkt, zu dem die außergewöhnlichen Umstände auftreten, für das betroffene Luftfahrtunternehmen insbesondere in persönlicher, technischer und wirtschaftlicher Hinsicht tragbar sind (EuGH – Wallentin-Hermann/Alitalia Rn. 40, 42; Urteil vom 12. Mai 2011 – C-294/10, NJW 2011, 2865). Der Gerichtshof der Europäischen Union geht dabei von einem flexiblen und vom Einzelfall abhängigen Begriff der zumutbaren Maßnahme aus. Danach hat das Luftfahrtunternehmen darzutun, dass es auf Störungen seines Flugplans, die als Folge eines außergewöhnlichen Ereignisses oder aus anderen Gründen, insbesondere wegen auftretender technischer Defekte, eintreten können, angemessen vorbereitet ist und die im Personenluftverkehr üblichen Vorkehrungen getroffen hat, um auf solche Störungen reagieren und die Annullierung oder erhebliche Verspätung eines hiervon betroffenen Flugs wenn möglich vermeiden zu können.

Zu diesen Voraussetzungen hat die diesbezüglich darlegungs- und beweisbelastete Beklagte – trotz Hinweises der Klägerinnen im Schriftsatz v. 29.04.2014 – nicht ausreichend substantiiert vorgetragen. Es hätte der Beklagten oblegen, zumindest zunächst die Flugzeiten des Vorfluges mitzuteilen, weiterhin vorzutragen, wann die „Delle“ an dem Fluggerät festgestellt worden sein soll, schließlich – unter Angabe von Uhrzeiten – welche Maßnahmen daraufhin durchgeführt worden sein sollen, um das Fluggerät möglichst schnell wieder instand zusetzen. Da bereits der zeitliche Bezug zum Vorflug nicht dargestellt ist, kann das Gericht nicht prüfen, ob die Beklagte den ihr zur Verfügung stehenden Zeitraum genutzt hat, um durch zumutbare Maßnahmen die erhebliche Verspätung zu vermeiden.

Der Zinsanspruch ist als Verzugsschaden begründet, §§ 286, 288 BGB.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO; die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708Nr. 11, 711,709 ZPO.

 

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