➔ Zum vorliegenden Urteil Az.: 149 C 606/23 | Schlüsselerkenntnis | FAQ | Hilfe anfordern
Übersicht:
- ✔ Der Fall: Kurz und knapp
- Ausgleichsansprüche bei annulliertem Anschlussflug – Auf Abflugzeit am Startflughafen kommt es an
- ✔ Der Fall vor dem Amtsgericht Köln
- ✔ Die Schlüsselerkenntnisse in diesem Fall
- ✔ FAQ – Häufige Fragen
- Welche Ansprüche haben Fluggäste bei annullierten Flügen laut EU-Fluggastrechte-Verordnung?
- Wann können sich Fluggesellschaften auf den Anspruchsausschluss nach Art. 5 Abs. 1 lit. c) iii) der Fluggastrechte-Verordnung berufen?
- Was gilt bei Flugverbindungen mit Anschlussflügen – wird die Flugstrecke als Ganzes oder in Teilstrecken betrachtet?
- Worauf kommt es bei der Prüfung der Ausgleichsansprüche an – Abflugzeit am Start- oder Umsteigeflughafen?
- Wann liegt eine „erhebliche Vorverlegung“ des Fluges vor, die Ausgleichsansprüche auslöst?
- § Relevante Rechtsgrundlagen des Urteils
- ⇓ Das vorliegende Urteil vom Amtsgericht Köln
✔ Der Fall: Kurz und knapp
- Das Amtsgericht Köln entschied über die Ausgleichsansprüche von Fluggästen aufgrund einer Flugannullierung.
- Die Klägerin forderte eine Entschädigung, weil der Anschlussflug annulliert und eine frühere Ersatzbeförderung angeboten wurde.
- Das Gericht stellte klar, dass bei der Prüfung der Flugverlegung die planmäßige Abflugszeit am Ausgangs-Flughafen maßgeblich ist.
- Die Klage wurde abgewiesen, da die Fluggäste weniger als zwei Stunden verspätet am Endziel ankamen.
- Die Beklagte hatte die Fluggäste rechtzeitig über die Annullierung informiert und eine zumutbare Ersatzbeförderung angeboten.
- Der Hauptgrund für die Entscheidung war, dass die Vorverlegung des Ersatzfluges keine unzumutbaren Unannehmlichkeiten für die Fluggäste verursachte.
- Das Gericht betonte, dass die Fluggäste keine Schwierigkeiten hatten, den Anschlussflug zu erreichen, da der Zubringerflug pünktlich war.
- Die Kosten des Verfahrens wurden der Klägerin auferlegt.
- Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar und eine Sicherheitsleistung wurde festgesetzt.
- Diese Entscheidung verdeutlicht die Bedeutung der rechtzeitigen Information und zumutbaren Ersatzbeförderung bei Flugannullierungen.
Ausgleichsansprüche bei annulliertem Anschlussflug – Auf Abflugzeit am Startflughafen kommt es an
Flugreisen gehören für viele Menschen zum Alltag. Ob für Geschäftsreisen oder den Urlaub – der Flugverkehr ermöglicht es uns, schnell und bequem an unsere Ziele zu kommen. Doch was passiert, wenn der Flug nicht nach Plan läuft?
Um Fluggäste in solchen Situationen zu schützen, gibt es die Fluggastrechte-Verordnung der Europäischen Union. Sie regelt, welche Ansprüche Reisende haben, wenn ihr Flug verspätet, annulliert oder überlaufen ist. Egal ob Privatreisender oder Geschäftsmann – die Verordnung sieht für alle Fluggäste gleiche Rechte vor.
In den folgenden Beiträgen analysieren wir ein konkretes Gerichtsurteil, das die Auslegung dieser Verordnung in der Praxis beleuchtet. Dabei wird deutlich, wie die Gerichte die Bestimmungen zum Ausgleichsanspruch bei Flugannullierungen auslegen und welche Folgen das für Fluggäste hat.
Ihre Rechte bei Flugausfällen und -verspätungen: Jetzt kostenlose Ersteinschätzung sichern!
Wenn Ihr Flug verspätet oder annulliert wurde und Sie unsicher sind, welche Ansprüche Ihnen zustehen, sind wir für Sie da. Wir verstehen, wie belastend und kompliziert solche Situationen sein können. Unsere Experten für Fluggastrechte bieten Ihnen eine umfassende Beratung und klären Sie über Ihre Ausgleichsansprüche auf. Nutzen Sie jetzt die Chance auf eine unverbindliche Ersteinschätzung und lassen Sie uns gemeinsam Ihre rechtlichen Möglichkeiten prüfen.
✔ Der Fall vor dem Amtsgericht Köln
Annullierung des Anschlussflugs führt zu Streit über Ausgleichsansprüche

In dem vorliegenden Fall streiten die Parteien über Ausgleichsansprüche nach der EU-Fluggastrechte-Verordnung aus abgetretenem Recht. Die Fluggäste waren für den 00.00.0000 auf eine Flugverbindung der Beklagten von Q. nach J. mit Umstieg in P. gebucht. Der Flug N01 von Q. nach P. wurde pünktlich durchgeführt, aber der Anschlussflug N02 von P. nach J. wurde von der Beklagten annulliert. Den Fluggästen wurde eine Ersatzbeförderung angeboten, mit der sie am selben Tag ab P. über K. nach J. reisten. Die Entfernung zwischen Q. und J. beträgt 1.374 km.
Die Klägerin forderte von der Beklagten erfolglos Ausgleichszahlungen und ist der Ansicht, dass sich die Beklagte aufgrund des früheren Abflugs in P. um 16:40 Uhr statt 18:15 Uhr nicht auf den Anspruchsausschluss nach Art. 5 Abs. 1 lit. c) iii) der Fluggastrechte-Verordnung berufen könne. Die Beklagte vertritt die gegenteilige Ansicht, da die Fluggäste weniger als 2 Stunden verspätet in J. angekommen seien.
Gericht stellt bei Prüfung des Zeitkorridors auf planmäßige Abflugszeit am Ausgangsflughafen ab
Das Gericht wies die Klage als unbegründet ab. Bei der Prüfung, ob die Beklagte sich auf den Anspruchsausschluss nach Art. 5 Abs. 1 lit. c) iii) der Fluggastrechte-Verordnung berufen kann, ist auf die planmäßige Abflugszeit am Ausgangsflughafen Q. abzustellen, nicht auf diejenige am Umsteigeflughafen P.
Mehrere Argumente sprechen laut Gericht für diese Auslegung:
- Bei der Frage der Anwendbarkeit der Fluggastrechte-Verordnung bei einheitlicher Buchung wird auf die gesamte Flugverbindung abgestellt und nicht nach Teilflügen aufgespalten.
- Wenn man auf die „Verfrühung“ am Umsteigeflughafen abstellen würde, müsste dem Fluggast auch der volle Ausgleich zustehen, wenn der Zubringerflug annulliert wird, der Fluggast aber den späteren Anschlussflug noch erreicht. Dies ist aber durch den Begriff „Endziel“ in der Vorschrift ausgeschlossen.
- Der Zweck der Vorschrift ist es, Fluggäste vor Unannehmlichkeiten durch erhebliche Vorverlegungen der Abflugzeit am Ausgangsflughafen zu schützen. Eine solche Unannehmlichkeit besteht aber nicht bei einer Umbuchung am Umsteigeflughafen, wenn der Zubringerflug pünktlich war.
Beklagte hat Fluggäste rechtzeitig ersatzbefördert
Da die Fluggäste mit weniger als 2 Stunden Verspätung am Endziel J. angekommen sind und auch die planmäßige Abflugzeit am Ausgangsflughafen Q. eingehalten wurde, hat die Beklagte die Fluggäste rechtzeitig im Sinne von Art. 5 Abs. 1 lit. c) iii) der Fluggastrechte-Verordnung ersatzbefördert. Sie kann sich daher auf den Ausschluss der Ausgleichsansprüche berufen.
Klage wird abgewiesen – Kosten trägt die Klägerin
Mangels Ansprüchen der Fluggäste wurde die Klage abgewiesen. Die Kosten des Rechtsstreits muss die Klägerin tragen. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar, wobei der Klägerin die Möglichkeit eingeräumt wird, die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung abzuwenden.
✔ Die Schlüsselerkenntnisse in diesem Fall
Das Urteil stellt klar, dass bei der Prüfung von Ausgleichsansprüchen nach der Fluggastrechte-Verordnung im Fall von annullierten Anschlussflügen auf die planmäßige Abflugszeit am Ausgangsflughafen abzustellen ist. Entscheidend ist eine Gesamtbetrachtung der Flugverbindung, um Fluggäste vor erheblichen Vorverlegungen der ursprünglichen Abflugzeit zu schützen. Das Gericht legt den Zweck der Verordnung teleologisch aus und schafft damit Rechtssicherheit für Fluggesellschaften und Passagiere bei komplexen Flugverbindungen mit Anschlussflügen.
✔ FAQ – Häufige Fragen
Thema: Fluggastrechte-Verordnung
Welche Ansprüche haben Fluggäste bei annullierten Flügen laut EU-Fluggastrechte-Verordnung?
Fluggäste haben bei annullierten Flügen gemäß der EU-Fluggastrechte-Verordnung 261/2004 verschiedene Ansprüche gegenüber der ausführenden Fluggesellschaft.
Als wichtigster Anspruch steht betroffenen Passagieren eine Ausgleichszahlung in Höhe von 250 bis 600 Euro zu, abhängig von der Flugdistanz. Voraussetzung dafür ist, dass der Flug weniger als 14 Tage vor Abflug annulliert wurde und keine außergewöhnlichen Umstände vorliegen.
Daneben haben Fluggäste einen Anspruch auf Betreuungsleistungen wie Mahlzeiten, Getränke, Telefonate und gegebenenfalls eine Hotelübernachtung inklusive Transfer. Diese Leistungen müssen unabhängig vom Grund der Annullierung erbracht werden.
Ein weiterer wichtiger Anspruch ist das Recht auf anderweitige Beförderung zum Endziel unter vergleichbaren Reisebedingungen zum frühestmöglichen Zeitpunkt. Die Airline muss sich aktiv um eine schnellstmögliche Ersatzbeförderung bemühen, auch mit Flügen anderer Gesellschaften. Alternativ können Passagiere die vollständige Erstattung des Flugpreises innerhalb von 7 Tagen verlangen.
Fluggäste sollten jedoch beachten, dass die Ansprüche entfallen können, wenn außergewöhnliche Umstände wie Unwetter, politische Instabilität, Sicherheitsrisiken oder Streiks vorliegen und die Fluggesellschaft alle zumutbaren Maßnahmen ergriffen hat. Technische Probleme zählen in der Regel nicht dazu.
Um ihre Rechte geltend zu machen, müssen sich Flugreisende aktiv an die Fluggesellschaft wenden. Die Ansprüche verjähren je nach nationalem Recht nach zwei bis sechs Jahren. Bei Schwierigkeiten kann die Einschaltung eines spezialisierten Fluggastrechteportals oder Anwalts sinnvoll sein.
Wann können sich Fluggesellschaften auf den Anspruchsausschluss nach Art. 5 Abs. 1 lit. c) iii) der Fluggastrechte-Verordnung berufen?
Die Fluggesellschaften können sich auf den Anspruchsausschluss nach Art. 5 Abs. 1 lit. c) iii) der Fluggastrechte-Verordnung berufen, wenn
zwei Voraussetzungen erfüllt sind:
Erstens müssen die Fluggäste mindestens zwei Wochen vor der planmäßigen Abflugszeit am Ausgangs-Flughafen über die Annullierung informiert worden sein. Die rechtzeitige Information ist entscheidend, damit die Fluggäste genügend Zeit haben, ihre Reisepläne anzupassen.
Zweitens muss den Fluggästen eine anderweitige Beförderung zum Endziel unter vergleichbaren Reisebedingungen zu einem späteren Zeitpunkt nach Wunsch des Fluggastes angeboten werden. Dabei ist zu beachten, dass die Ersatzbeförderung nur innerhalb des Zeitrahmens erfolgen muss, in dem ausreichend Plätze verfügbar sind. Die Fluggesellschaft ist nicht verpflichtet, zusätzliche Kapazitäten bereitzustellen.
Ein Beispiel wäre folgender Fall: Ihr Flug von Frankfurt nach Mallorca wird drei Wochen vor dem geplanten Abflugtermin annulliert. Die Fluggesellschaft informiert Sie umgehend und bietet Ihnen einen Ersatzflug zwei Tage später an. Da Sie rechtzeitig informiert wurden und Ihnen eine zumutbare Alternative innerhalb eines engen Zeitrahmens angeboten wird, können Sie keine Ausgleichszahlung verlangen. Die Fluggesellschaft ist von der Ausgleichspflicht befreit.
Werden jedoch die Voraussetzungen nicht erfüllt, beispielsweise weil Sie erst eine Woche vor dem Abflug über die Annullierung informiert wurden oder Ihnen kein akzeptabler Ersatzflug angeboten wird, haben Sie Anspruch auf die vorgesehenen Ausgleichszahlungen. Die Fluggesellschaft kann sich dann nicht auf den Anspruchsausschluss berufen.
Was gilt bei Flugverbindungen mit Anschlussflügen – wird die Flugstrecke als Ganzes oder in Teilstrecken betrachtet?
Bei Flugverbindungen mit Anschlussflügen wird grundsätzlich die gesamte gebuchte Flugstrecke als Ganzes betrachtet und nicht die einzelnen Teilstrecken isoliert. Das bedeutet, die Entschädigungshöhe nach der Fluggastrechte-Verordnung richtet sich nach der Gesamtentfernung der Flugverbindung vom ursprünglichen Abflugort bis zum endgültigen Zielort.
Beispiel: Sie buchen einen Flug von Frankfurt nach Los Angeles mit Zwischenstopp in New York. Die Gesamtentfernung beträgt 9.000 km. Ihr Flug von Frankfurt nach New York kommt pünktlich an, der Anschlussflug von New York nach Los Angeles hat jedoch eine Verspätung von über 3 Stunden. In diesem Fall wäre die Entschädigungssumme von 600 Euro für Langstreckenflüge über 3.500 km zu zahlen. Es wird nicht die kürzere Teilstrecke New York – Los Angeles isoliert betrachtet.
Die Voraussetzung ist allerdings, dass es sich um eine einheitliche Buchung handelt und die Flüge auf einem Flugschein zusammengefasst sind. Nur dann wird die Gesamtreise als zusammenhängende Leistung gesehen. Bei komplett getrennten Buchungen würden die Teilstrecken einzeln beurteilt. Die Betrachtung der Gesamtstrecke dient dem Verbraucherschutz, da Fluggäste bei der Buchung von der einheitlichen Leistung ausgehen.
Worauf kommt es bei der Prüfung der Ausgleichsansprüche an – Abflugzeit am Start- oder Umsteigeflughafen?
Bei der Prüfung von Ausgleichsansprüchen nach der Fluggastrechte-Verordnung ist die planmäßige Abflugzeit am Ausgangsflughafen maßgeblich, nicht die Abflugzeit an etwaigen Umsteigeflughäfen. Das Amtsgericht Köln hat in einem aktuellen Urteil vom 10.04.2024 diese Rechtsauffassung bestätigt.
Das Gericht argumentiert, dass im Fall von Flugverbindungen mit Umsteigeflügen für die Prüfung des in Artikel 5 Absatz 1 Buchstabe c) Ziffer iii) der Verordnung genannten Zeitkorridors auf die planmäßige Abflugszeit am Ausgangs-Flughafen abzustellen ist. Die Verspätung bemisst sich folglich nicht nach der Abflugzeit am Umsteigeflughafen, sondern nach der ursprünglich geplanten Abflugzeit zu Beginn der Reise.
Diese Auslegung entspricht Sinn und Zweck der Vorschrift. Die Fluggastrechte-Verordnung soll Reisenden bei erheblichen Verspätungen Ausgleichsansprüche gewähren. Maßgeblich ist daher die Gesamtverspätung im Verhältnis zur ursprünglich gebuchten Reisezeit. Verzögerungen an Umsteigeflughäfen sind darin eingepreist. Andernfalls könnte die Fluggesellschaft die Ansprüche durch geschickte Routenplanung mit Umstiegen umgehen, was dem Schutzzweck der Verordnung zuwiderliefe.
Wann liegt eine „erhebliche Vorverlegung“ des Fluges vor, die Ausgleichsansprüche auslöst?
Nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) liegt eine erhebliche Vorverlegung eines Fluges vor, die Ausgleichsansprüche nach der EU-Fluggastrechte-Verordnung auslöst, wenn der Flug mehr als eine Stunde vor der ursprünglich geplanten Abflugzeit am Ausgangsflughafen startet.
Der EuGH begründet dies damit, dass eine Vorverlegung um mehr als eine Stunde für Fluggäste ebenso schwerwiegende Unannehmlichkeiten verursachen kann wie eine Verspätung. Den Reisenden wird die Möglichkeit genommen, frei über ihre Zeit zu verfügen und ihre Reise nach den ursprünglichen Planungen anzutreten.
Als Beispiel wäre eine Vorverlegung von mehr als einer Stunde erheblich, wenn ein Flug von Frankfurt nach New York ursprünglich für 14:00 Uhr geplant war, die Airline den Abflug jedoch auf 12:30 Uhr vorverlegt. In diesem Fall müssten die Fluggäste deutlich früher am Flughafen sein und hätten Anspruch auf die pauschale Ausgleichszahlung von 600 Euro pro Person gemäß der Verordnung.
Wichtig ist, dass die Vorverlegung mehr als eine Stunde vor der planmäßigen Abflugzeit am Ausgangsflughafen erfolgt. Lediglich eine Änderung der Ankunftszeit am Zielort ohne Vorverlegung des Abflugs löst keinen Ausgleichsanspruch aus.
§ Relevante Rechtsgrundlagen des Urteils
- Verordnung (EG) Nr. 261/2004 (Fluggastrechte-Verordnung): Diese EU-Verordnung regelt die Rechte von Fluggästen bei Nichtbeförderung, Annullierung und großer Verspätung von Flügen. Im vorliegenden Fall streiten die Parteien über Ausgleichsansprüche gemäß dieser Verordnung.
- Art. 5 Abs. 1 lit. c) iii) Fluggastrechte-VO: Dieser Artikel beschreibt die Bedingungen, unter denen Fluggäste keinen Anspruch auf Ausgleichsleistungen haben, wenn sie rechtzeitig über die Annullierung informiert werden und eine alternative Beförderung erhalten. Im Fall wurde die planmäßige Abflugszeit am Ausgangsflughafen als entscheidend angesehen.
- Art. 7 Abs. 1 lit. a) Fluggastrechte-VO: Dieser Artikel legt die Höhe der Ausgleichszahlungen fest, die Fluggästen zustehen, wenn ihre Flüge annulliert werden. Die Klägerin forderte eine Entschädigung gemäß diesem Artikel.
- § 398 BGB (Abtretung): Dieser Paragraph des deutschen Bürgerlichen Gesetzbuches regelt die Abtretung von Forderungen. Im Fall hatten die Fluggäste ihre Ausgleichsansprüche an die Klägerin abgetreten.
- EuGH-Urteil C-451/20: Das Urteil des Europäischen Gerichtshofs klärt die Anwendbarkeit der Fluggastrechte-Verordnung bei einheitlicher Buchung einer Flugverbindung. Im Fall wird auf dieses Urteil verwiesen, um die Argumentation zu stützen.
- § 91 Abs. 1 ZPO: Dieser Paragraph der Zivilprozessordnung regelt die Kostenverteilung im Zivilprozess. Im Fall trägt die Klägerin die Kosten des Rechtsstreits.
- § 708 Nr. 11 ZPO: Dieser Paragraph regelt die vorläufige Vollstreckbarkeit von Urteilen. Im Fall ist das Urteil vorläufig vollstreckbar.
- § 711 ZPO: Dieser Paragraph bietet der Klägerin die Möglichkeit, die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung abzuwenden. Im Fall wird diese Regelung angewendet.
⇓ Das vorliegende Urteil vom Amtsgericht Köln
Amtsgericht Köln – Az.: 149 C 606/23 – Urteil vom 10.04.2024
Leitsätze:
Im Falle von Flugverbindungen ist bei der Prüfung des Zeitkorridors des Art. 5 Abs. 1 lit. c) iii) der Fluggastrechte-Verordnung auf die planmäßige Abflugszeit am Ausgangs-Flughafen, nicht auf diejenige am Umstiege-Flughafen abzustellen.
Die Klage wird abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Klägerin.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Klägerin wird nachgelassen, die Vollstreckung durch die Beklagte gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 Prozent des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrags abzuwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 Prozent des jeweils zu vollstreckenden Betrags leistet.
Tatbestand:
Die Parteien streiten über Ausgleichsansprüche nach der Verordnung (EG) Nr. 261/2004 (i.F.: Fluggastrechte-VO) aus abgetretenem Recht.
Herr W. G., Herr A. G., Herr Z. G., Herr N. O., Herr D. H., Herr L. T., Herr V. U. und Herr C. Y. (i.F.: die Fluggäste) waren für den 00.00.0000 auf die von der Beklagten auszuführende Flugverbindung N01 (Q. (i.F.: M.) – P. (i.F.: R.), planmäßig 16:00 Uhr – 16:15 Uhr, jeweils Lokalzeit) und N02 (R. – J. (i.F.: X.), planmäßig 18:15 Uhr – 19:50 Uhr, jeweils Lokalzeit) gebucht. N01 wurde pünktlich durchgeführt. N02 wurde von der Beklagten annulliert. Den Fluggästen wurde von der Beklagten eine Ersatzbeförderung angeboten, mit der sie wie folgt (ab R.) am 00.00.0000 reisten: N03 (R. – K. (i.F.: I.), 16:40 Uhr – 18:00 Uhr, jeweils Lokalzeit) und N04 (I. – X., 20:20 Uhr – 21:30 Uhr, jeweils Lokalzeit). Die Entfernung zwischen M. und X. beträgt, berechnet nach der Großkreismethode, 1.374 Kilometer.
Die Klägerin forderte die Beklagte mit Schreiben vom 30.05.2023 unter Fristsetzung bis zum 13.06.2023 erfolglos zur Zahlung der streitgegenständlichen Ausgleichsleistungen auf.
Die Klägerin behauptet, die Fluggäste hätten die streitgegenständlichen Ausgleichsansprüche an sie abgetreten. Sie ist ferner der Ansicht, aufgrund des Abflugs in R. um 16:40 Uhr – statt um 18:15 Uhr – könne sich die Beklagte nicht auf den Anspruchs-Ausschluss nach Art. 5 Abs. 1 lit. c) iii) der Fluggastrechte-VO berufen.
Die Klägerin beantragt, die Beklagte zu verurteilen, an sie € 2.000,00 zuzüglich Zinsen in Höhe von 5,00%-Punkten über dem jeweiligen Basiszinssatz ab dem 14.06.2023 zu bezahlen.
Die Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.
Sie behauptet, N02 habe aufgrund Blitzschlags annulliert werden müssen und frühere Beförderungs-Möglichkeiten als die vorgenommene Ersatzbeförderung habe es nicht gegeben. Sie ist ferner der Ansicht, aufgrund der Ankunft in X. um 21:30 Uhr könne sie sich auf den Anspruchs-Ausschluss nach Art. 5 Abs. 1 lit. c) iii) der Fluggastrechte-VO berufen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie den Inhalt der Gerichtsakte ergänzend Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Klage ist unbegründet.
I. 1. Die Klägerin hat gegen die Beklagte keinen Anspruch in Höhe von 2.000,00 EUR aus Art. 7 Abs. 1 lit. a), Art. 5 Abs. 1 c) Fluggastrechte-VO i.V.m. § 398 BGB aufgrund der Annullierung des Anschlussflugs N02 betreffend die Fluggäste. Denn die Beklagte hat die Fluggäste rechtzeitig i.S.v. Art. 5 Abs. 1 lit. c) iii) der Fluggastrechte-VO ersatzbefördert.
a) Gemäß Art. 5 Abs. 1 lit. c) iii) der Fluggastrechte-VO wird den betroffenen Fluggästen bei Annullierung eines Fluges vom ausführenden Luftfahrtunternehmen ein Anspruch auf Ausgleichsleistungen gemäß Art. 7 der Fluggastrechte-VO eingeräumt, es sei denn, sie werden über die Annullierung weniger als sieben Tage vor der planmäßigen Abflugzeit unterrichtet und erhalten ein Angebot zur anderweitigen Beförderung, das es ihnen ermöglicht, nicht mehr als eine Stunde vor der planmäßigen Abflugzeit abzufliegen und ihr Endziel höchstens zwei Stunden nach der planmäßigen Ankunftszeit zu erreichen. Mit Art. 5 Abs. 1 lit. c) ii) und iii) der Fluggastrechte-VO hat der Unionsgesetzgeber die dem Fluggast zumutbare Verlängerung der Flugzeit bei einer „anderweitigen Beförderung“ (Ersatzbeförderung) auf sechs bzw. drei Stunden begrenzt, jeweils aufgeteilt auf einen bestimmten Zeitraum vor der ursprünglichen Abflugzeit und einen bestimmten Zeitraum nach der ursprünglichen Ankunftszeit (BeckOK Fluggastrechte-VO/Schmid, 30. Edition, Stand: 01.04.2024, Art. 5 Fluggastrechte-VO Rn. 40).
b) Hieran gemessen hat die Beklagte die Fluggäste rechtzeitig ersatzbefördert. Was die Ankunftszeit am Endziel angeht, ist dies unzweifelhaft der Fall. Denn die Fluggäste sollten X. planmäßig um 19:50 Uhr erreichen und kamen dort um 21:30 Uhr – mithin mit einer Verspätung von weniger als zwei Stunden – an. Aber auch hinsichtlich der Abflugzeit sind die Voraussetzungen von Art. 5 Abs. 1 lit. c) iii) der Fluggastrechte-VO eingehalten. Denn es kommt im Falle des annullierten Anschlussflugs nicht auf eine „Verfrühung“ am Umsteige-Flughafen, sondern auf eine „Verfrühung“ am Ausgangs-Flughafen an. Für eine solche Betrachtung spricht bereits, dass auch bei der Frage der Anwendbarkeit der Fluggastrechte-VO bei einheitlicher Buchung auf die gesamte Flug-Verbindung abgestellt wird und gerade keine Aufspaltung nach einzelnen Teilflügen stattfindet (EuGH, Urt. v. 24.02.2022 – C-451/20 – NJW-RR 2022, 563). Auch die Systematik der Vorschrift spricht gegen ein Abstellen auf die „Verfrühung“ am Umsteige-Flughafen. Denn in der Konsequenz müsste dem Fluggast dann auch im umgekehrten Fall der volle Ausgleichs-Anspruch zustehen, wenn also das ausführende Luftfahrtunternehmen den Zubringer-Flug annulliert, der Fluggast aber den deutlich später stattfindenden Anschlussflug noch erreicht, weil der „Ersatz-Zubringerflug“ früher – indes über zwei Stunden nach der planmäßigen Landung des ursprünglichen Zubringerflugs – den Umsteige-Flughafen erreicht als der planmäßig durchgeführte Anschlussflug dort startet. Dies ist allerdings durch das Wort „Endziel“ in der vorgenannten Vorschrift gerade ausgeschlossen. Insbesondere aber sprechen Sinn und Zweck der Vorschrift gegen eine Auslegung, wie sie die Klägerseite vertritt. Denn wie sich auch aus der von der Klägerseite selbst im Schriftsatz vom 05.03.2024 (Bl. 110 d.A.) angeführten Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs ergibt, geht es bei der streitgegenständlichen Vorschrift gerade darum, dass eine erhebliche Vorverlegung eines Fluges in gleicher Weise wie dessen Verspätung für die Fluggäste zu schwerwiegenden Unannehmlichkeiten führen kann, da eine solche Vorverlegung ihnen die Möglichkeit nimmt, frei über ihre Zeit zu verfügen und ihre Reise oder ihren Aufenthalt nach Maßgabe ihrer Erwartungen zu gestalten. Dies ist hiernach insbesondere dann der Fall, wenn ein Fluggast, der alle erforderlichen Vorkehrungen getroffen hat, aufgrund der Vorverlegung des von ihm gebuchten Fluges das Flugzeug nicht nehmen kann. Es ist auch dann der Fall, wenn die neue Abflugzeit den Fluggast zwingt, erhebliche Anstrengungen zu unternehmen, um seinen Flug zu erreichen (EuGH, Urt. v. 21.12.2021 – C-146/20 u.a. – NJW-RR 2022, 193 Rn. 76 ff.). Eine solche Unannehmlichkeit besteht aber gerade nicht, wenn es lediglich am Umsteige-Flughafen zu einer Vorverlegung in Form einer Umbuchung kommt. Denn in diesem Fall konnte der Fluggast durch die Vorverlegung keinerlei Schwierigkeiten haben, seinen Flug zu erreichen, denn der Zubringer-Flug ist ja – wie im vorliegenden Fall – gerade pünktlich – und nicht etwa verfrüht – durchgeführt worden. Im Gegenteil verringern sich die Unannehmlichkeiten für den Fluggast durch die „Verfrühung“ des Anschlussflugs sogar, indem er weniger Zeit am Umsteige-Flughafen verbringen muss.
2. Der Zinsanspruch teilt das Schicksal der unbegründeten Hauptforderung.
II. Die prozessualen Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 91 Abs. 1, 708 Nr. 11, 711 ZPO
Der Streitwert wird auf 2.000,00 EUR festgesetzt.