LG Frankfurt – Az.: 2-24 S 143/18 – Urteil vom 21.02.2019
Die Berufung der Kläger gegen das Urteil des Amtsgerichts Frankfurt am Main vom 23.4.2018 (Az. 32 C 3027/17 (48)) wird zurückgewiesen.
Die Kosten der Berufung einschließlich der durch die Nebenintervention verursachten Kosten haben die Kläger zu tragen.
Dieses Urteil sowie das angefochtene Urteil sind ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Gründe
I.
Anstelle eines Tatbestandes wird auf die tatsächlichen Feststellungen im angefochtenen Urteil Bezug genommen, §§ 540 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2, 313 a Abs. 1 S. 1 ZPO.
II.
Die zulässige, insbesondere fristgemäß eingelegte Berufung ist unbegründet.
Zutreffend hat das Amtsgericht entschieden, dass die Beklagte hinsichtlich des geltend gemachten Ausgleichsanspruchs nicht passivlegitimiert ist.
Anerkannt ist, dass Anspruchsgegner des Ausgleichsanspruchs gem. Art. 7 der EG Verordnung Nr. 261/2004 (im Folgenden VO)ausschließlich das sog. ausführende Luftfahrtunternehmen ist (vgl. nur BGH NJW 08, 2119; BGH NJW 09, 2740). Nach der Legaldefinition in Art. 2 Buchst. b der VO ist ausführendes Luftfahrtunternehmen das Luftfahrtunternehmen, das im Rahmen eines Vertrags mit einem Fluggast oder im Namen einer anderen Person, die mit dem Fluggast in einer Vertragsbeziehung steht, einen Flug durchführt oder durchzuführen beabsichtigt.
Insoweit ist unbeachtlich, mit welchem Luftfahrtunternehmen der Beförderungsvertrag geschlossen wurde (vgl. BGH, NJW 10, 1522).
Nach dem Erwägungsgrund Nr. 7 der VO ist ferner unbeachtlich, ob der Flug mit einem eigenen Fluggerät oder mit einem (mit oder ohne Besatzung) angemieteten Fluggerät durchgeführt wurde.
Ebenso wenig führt ein Hinweis in der Buchungsbestätigung oder auf der Bordkarte, dass der Flug von einem bestimmten Luftfahrtunternehmen „durchgeführt“ werde („operated by“), dazu, dass dieses Luftfahrtunternehmen zwingend auch als „ausführendes“ Luftfahrtunternehmen i.S.d. VO anzusehen wäre. Diese Angabe beruht allein auf einer Verpflichtung einer weiteren Verordnung (Nr. 2111/2005), die ein anderes Ziel verfolgt als die Fluggastrechteverordnung. Die Fluggesellschaft, die den Flug „durchgeführt“ hat im Sinne der Verordnung Nr. 2111/2005, ist nicht zugleich das ausführende Luftfahrtunternehmen im Sinne der Fluggastrechteverordnung (vgl. EuGH, Urteil 4.7.2018, Az. C-532/17, NJW 18, 2381, Rn. 25; BGH, Urteil 12.9.17, Az. X ZR 102/16; NJW 18, 1251).
Neben diesen negativen Abgrenzungsmerkmalen hat der – alleine zur Auslegung der VO berufene EuGH – unlängst erstmals mit Urteil vom 4.7.2018 (Az. C-532/17; NJW 18, 2381) positiv definiert, unter welchen Bedingungen ein Luftfahrtunternehmen einen Flug durchführt bzw. durchzuführen beabsichtigt, und damit zum „ausführenden“ Luftfahrtunternehmen i.S.d. VO wird. Das Luftfahrtunternehmen ist als ausführendes Luftfahrtunternehmen anzusehen, das die Entscheidung trifft, einen bestimmten Flug durchzuführen und die Flugroute festlegt, und dadurch ein an Interessierte gerichtetes Angebot für den Luftverkehr schafft (EuGH, Urteil vom 4.7.2018, Rn. 20). Unbeachtlich ist eine etwaige Vereinbarung zwischen dem Luftfahrtunternehmen, das entschieden hat, den betreffenden Flug durchzuführen, und einem anderen Luftfahrtunternehmen, um diesen Flug konkret sicherzustellen (EuGH, Urteil vom 4.7.2018, Rn. 21); d.h. das Luftfahrtunternehmen, das erstmals die Entscheidung getroffen hat, den betreffenden Flug durchzuführen und die Flugroute festgelegt hat, verliert seinen Status als „ausführendes“ Luftfahrtunternehmen nicht dadurch, dass es ein anderes Luftfahrtunternehmen mit der reinen Durchführung des bereits geplanten und angebotenen Flugs beauftragt. Mithin kommt es entscheidend darauf an, welches Luftfahrtunternehmen die Flugplanung übernommen, und den Flug zum Zwecke der Buchung angeboten hat (vom EuGH auch „operationelle Verantwortung“ genannt; EuGH, Urteil vom 4.7.2018, Rn. 26).
Danach hat das Amtsgericht zutreffend entschieden, dass die darlegungsbelasteten Kläger nicht dargelegt haben, dass der streitgegenständliche Flug von der Beklagte geplant, die Flugroute festgelegt, und zur Buchung angeboten worden sei. Die Kläger beschränken sich auf die pauschale Behauptung, die Beklagte sei das ausführende Luftfahrtunternehmen des streitgegenständlichen Fluges gewesen, mithin auf die Behauptung eines Rechtsbegriffes. Auch auf die Erörterung der vom EuGH im Urteil vom 4.7.2018 aufgestellten Kriterien in der mündlichen Verhandlung vor der Kammer am 29.1.2019 hin erfolgte kein konkreter Sachvortrag seitens der Kläger.
Ebenso zutreffend hat das Amtsgericht befunden, dass die Beklagte ihrer sekundären Darlegungslast nachgekommen sei.
In Fällen wie dem vorliegenden, in dem das in Anspruch genommene Luftfahrtunternehmen in der Buchungsbestätigung bzw. der Bordkarte als das Luftfahrtunternehmen ausgewiesen wird, welches den Flug angeblich „durchführt“ („operated by“) – wie vorliegend die Beklagte -, trifft dieses Luftfahrtunternehmen eine so genannte sekundäre Darlegungslast (obgleich dieser Hinweis – wie dargelegt – nicht zwingend zur Annahme führt, dass dieses Luftfahrtunternehmen das „ausführende“ Luftfahrtunternehmen im Sinne der VO ist). Gleiches gilt, wenn das Fluggerät, mit dem der streitgegenständliche Flug durchgeführt wurde – wie vorliegend -, im Eigentum des in Anspruch genommenen Luftfahrtunternehmens steht. In diesen Fällen genügt es nicht, einfach zu bestreiten, das ausführende Luftfahrtunternehmen gewesen zu sein. Vielmehr hat das Luftfahrtunternehmen vorzutragen, welches Luftfahrtunternehmen stattdessen die Entscheidung getroffen haben soll, den Flug durchzuführen, und die Flugroute festgelegt haben soll.
Dieser sekundären Darlegungslast kam die Beklagte vorliegend nach. Sie hat vorgetragen, das streitgegenständliche Fluggerät mitsamt der Besatzung der Streithelferin (im Folgenden nur …) im Wege einer sog. „wet-lease“ Vereinbarung überlassen zu haben, und damit keine operationelle Verantwortung über Planung und Durchführung der mit diesem Fluggerät durchgeführten Flüge gehabt zu haben. Vielmehr sei es die … gewesen, die den streitgegenständlichen Flug geplant und vermarktet habe. Mangels Kenntnis der mit dem vermieteten Fluggerät geplanten und durchgeführten Flüge kann von der Beklagten auch kein näherer Vortrag verlangt werden.
Entgegen der Auffassung der Kläger brauchte die Beklagten auch nicht den von ihr behaupteten Leasingvertrag vorzulegen. Für die Frage, welches Luftfahrtunternehmen das „ausführende“ i.S.d. VO ist, ist die Frage, ob das eingesetzte Fluggerät vom Eigentümer vermietet wurde, unbeachtlich. Wenn das in Anspruch genommene Luftfahrtunternehmen das Fluggerät samt Besatzung an ein anderes Luftfahrtunternehmen vermietet hat („wet lease“), ist es nicht per se, sondern nur dann nicht das ausführende Luftfahrtunternehmen, wenn es zusätzlich nicht die operationelle Verantwortung für den Flug trägt, d.h. nicht den Flug geplant, die Flugroute festgelegt, und den Flug zur Buchung angeboten hat (EuGH, Urteil vom 4.7.2018, Rn. 26). Dies bedeutet zum einen, dass es unabhängig von einer Leasingvereinbarung im Wesentlichen darauf ankommt, welches Luftfahrtunternehmen den Flug geplant hat. Zum anderen würde im vorliegenden Fall eine – als wahr unterstellte – Vermietung des Fluggerätes an die … lediglich dazu führen, dass feststünde, dass die Beklagte nicht das ausführende Luftfahrtunternehmen ist. Allerdings hat nicht die Beklagte darzulegen und zu beweisen, nicht passivlegitimiert zu sein. Die Darlegungs- und Beweislast dafür, dass die Beklagte das ausführende Luftfahrtunternehmen gewesen sei, tragen die Kläger.
Danach hätte es den Klägern oblegen, konkret vorzutragen, dass nicht die …, sondern die Beklagte den streitgegenständlichen Flug geplant, die Flugroute festgelegt, und den Flug zur Buchung angeboten habe. Dem kamen sie bis zuletzt nicht nach.
Nach Auffassung der Kammer führen – entgegen der Auffassung der Kläger – etwaige Darlegungs- und Beweisschwierigkeiten nicht zu einer Umkehr der Beweislast.
Zum einen haben die Kläger – wie dargelegt – bereits nicht die Anspruchsvoraussetzungen substantiiert dargelegt, sodass sich die nachgeschaltete Frage der Beweislast erst gar nicht stellt.
Zum anderen setzt eine echte Umkehr der Beweislast eine durch Rechtfortbildung geschaffene Norm voraus. Eine Umkehr der Beweislast kommt nur ganz ausnahmsweise dort im Betracht, wo die normale Beweislastverteilung zu evident ungerechten Ergebnissen führt, etwa in den vom BGH im Produkthaftungs-, Arzthaftungs- oder Umwelthaftungsrecht entwickelten Fallgruppen. Dagegen genügen bloße Billigkeitserwägungen des Einzelfalles oder die Frage, wem ein Beweis eher möglich oder zumutbar ist, nicht (vgl. MüKo/Prütting, 5. Aufl., § 286, Rn. 119, 123; Zöller/Greger, 32. Aufl., Vor § 284, Rn. 22, 27). Ein solcher, von der Rechtsprechung durch Rechtfortbildung abstrakt-generell geschaffener Ausnahmefall ist vorliegend nicht gegeben. Alleine die Tatsache, dass der Flugreisende Schwierigkeiten hat, in Erfahrung zu bringen, welches Luftfahrtunternehmen einen bestimmten Flug geplant hat, rechtfertigt nicht die Annahme einer echten Beweislastumkehr. Die Auferlegung einer sekundären Darlegungslast ist ausreichend.
Darüber hinaus hat der Fluggast die Möglichkeit, anhand der Flugnummer das den Flug ausführende Luftfahrtunternehmen in Erfahrung zu bringen, und damit zum Tatbestandsmerkmal des ausführenden Luftfahrtunternehmens hinreichend vorzutragen. Zu berücksichtigen ist, dass regelmäßig dasjenige Luftfahrtunternehmen, dessen IATA-Code die Flugnummer enthält (jede Flugnummer setzt sich aus dem IATA-Code eines Luftfahrtunternehmens und einer Nummer zusammen), den streitgegenständlichen Flug auch beantragt und genehmigt erhalten hat. Es ist davon auszugehen, dass die Luftfahrtbehörde, die einen beantragten Flug genehmigt, diesem Flug eine Flugnummer zuweist, die den IATA-Code desjenigen Luftfahrtunternehmens enthält, das die Genehmigung beantragt hat, welches regelmäßig auch das Luftfahrtunternehmen ist, das den Flug geplant hat.
Mithin genügt ein Kläger nach Dafürhalten der Kammer seiner Darlegungslast, wenn er vorträgt, dass der betroffene Flug unter einer Flugnummer geführt wird, die dem in Anspruch genommenen Luftfahrtunternehmen aufgrund der Verwendung dessen IATA-Codes zuzuordnen ist. Dann wäre es Sache des in Anspruch genommenen Luftfahrtunternehmens, im Wege der gesteigerten sekundären Darlegungslast konkret vorzutragen, den Flug nicht angemeldet und genehmigt bekommen zu haben.
Vorliegend wurde der streitgegenständliche Flug unter der Flugnummer „…“ geführt, d.h. unter dem IATA-Code der … („…“). Allgemein bekannt ist, dass der IATA-Code der Beklagten „…“ lautet. Die Kläger haben nicht vorgetragen, dass der Flug – auch – unter einer der Beklagten zuzuordnenden Flugnummer geführt worden sei.
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 97 Abs. 1, 101 ZPO.
Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr. 10, 713 ZPO.
Die Revision war nicht zuzulassen, da die Rechtssache weder grundsätzliche Bedeutung hat noch die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts erfordert, § 543 Abs. 2 ZPO.