AG Nürnberg – Az.: 35 C 4177/21 – Urteil vom 01.12.2021
1. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 747,40 € sowie weitere 147,56 € an vorgerichtlichen Rechtsanwaltsgebühren jeweils zuzüglich Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 12.08.2020 zu zahlen.
2. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
3. Die Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
4. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
5. Die Berufung des Klägers wird zugelassen.
Beschluss
Der Streitwert wird auf 791,19 € festgesetzt.
Tatbestand
Die Parteien streiten über die Rückzahlung im Rahmen eines gebuchten Fluges.
Der Kläger buchte am 17.01.2020 für sich und zwei weitere Reisende bei der Beklagten einen Flug von Nürnberg nach Athen und wieder zurück über das Buchungsportal … . Der Hinflug sollte planmäßig am 15.08.2020 erfolgen und der Rückflug am 22.08.2020, wobei der Flugpreis durch den Kläger bezahlt wurde. Die Mitreisenden traten ihren Anspruch auf Flugpreisrückerstattung an den Kläger ab. Am 29.05.2020 wurde der Flug durch die Beklagte ohne Gründe storniert. Es wurde kein Ersatzflug angeboten. Des Weiteren liefen die Flüge aus München ungestört weiter. Der Kläger zahlte insgesamt 791,19 €, was sich wie folgt zusammensetzt:
- Steuern und Gebühren 194,24 €
- Steuern und Gebühren für Mitreisenden 194,25 €
- Steuer und Gebühren für Mitreisenden 194,25 €
- Gepäckstück 88,00 €
- Flexibles Ticket 76,65 €
- Reiserücktrittsversicherung 43,80 €
- Gesamt 791,19 €
Mit Schriftsatz vom 21 10. 2021 erkannte die Beklagte die Hauptforderung in Höhe von 747,40 € nebst Zinsen sowie die vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten nebst Zinsen an. Offen ist weiterhin den auf die Reiserücktrittsversicherung entfallende Betrag in Höhe von 43,80 €.
Der Kläger ist der Ansicht, dass die Reiserücktrittsversicherung Kosten für den Flugschein im weiteren Sinne seien, da diese Aufwendungen frustriert seien. Des Weiteren sei das Vorbringen der Beklagten präkludiert.
Der Kläger beantragt daher zuletzt:
Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 791,19 € sowie weitere 147,56 € vorgerichtliche Rechtsanwaltsgebühren jeweils zuzüglich Zinsen von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 12.08.2020 zu bezahlen unter Berücksichtigung des erklärten Anerkenntnisses.
Die Beklagte beantragt daher zuletzt:
Die Klage wird abgewiesen unter Berücksichtigung des erklärten Anerkenntnisses.
Auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 29.10.2021 wird Bezug genommen.
Zur Ergänzung des Tatbestandes wird gem. § 313 Abs. 2 ZPO auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie die erteilten Hinweise verwiesen.
Entscheidungsgründe
Die zulässige Klage ist bzgl. des nicht anerkannten Teils unbegründet.
I.
Der Kläger hat gegen die Beklagte keinen Anspruch auf Rückzahlung über den bereits anerkannten Teil hinaus gem. Art. 8 Abs. 1 lit. A) Spiegelstrich 1 Fluggastrechte-Verordnung in Höhe von 43,80 €.
1.
Die Klage wurde mit Schriftsatz vom 21.10.2021 bezüglich der Hauptforderung in Höhe von 747,40 € nebst Zinsen sowie die vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten nebst Zinsen anerkannt.
2.
Der Kläger hat keinen Anspruch auf Rückzahlung der Reiserücktrittsversicherung in Höhe von 43,80 €.
a)
Ein Anspruch ergibt sich nicht aus Art. 8 Abs. 1 lit. A) Spiegelstrich 1 Fluggastrechte-Verordnung.
Zwar hat der Fluggast gemäß der genannten Norm einen Anspruch auf Rückerstattung der vollständigen Flugscheinkosten, jedoch fallen die Gebühren für eine Reiserücktrittsversicherung nicht darunter.
Flugscheinkosten werden in Art. 2 lit. f Fluggastrechte-Verordnung definiert. Dabei wird unter dem Begriff der Flugscheinkosten neben den erhobenen Steuern und Gebühren auch etwaige Buchungspauschalen verstanden.
Des Weiteren sind hiervon auch die Kosten, die für die Leistungen, welche mit der Durchführung des Fluges eng verbunden sind, wie Sitzplatzreservierungen, vorgebuchten Speisen o. ä. erfasst. Solche eng verbundenen Leistungen unterfallen ebenfalls dem Erstattungsanspruch (BeckOGK/Steinrötter, 1.8.2021, Fluggastrechte-VO Art. 8 Rn. 14).
Die Kosten für die Reiserücktrittsversicherung sind jedoch nicht eng mit der Durchführung des Fluges verbunden. Bereits aufgrund dessen, dass die Reiserücktrittsversicherung für den Fall abgeschlossen wird, dass die Reise durch den Versicherungsnehmer (= Fluggast) nicht angetreten werden kann, ergibt sich, dass diese Leistung nicht im Zusammenhang mit der Durchführung des Fluges verbunden ist, sondern für den Fall abgeschlossen wird, dass der Kläger an dieser nicht teilnehmen kann.
Hierbei ist insbesondere zu unterscheiden, dass die Reiserücktrittsversicherung eine fakultative Leistung ist, welche der Fluggast zusätzlich abgeschlossen hat. Diese Leistung wird jedoch nicht von der Beklagten, sprich dem Flugunternehmen angeboten, sondern von dem Versicherer. Insofern es insbesondere zu berücksichtigen, dass die Beklagte kein Versicherungsunternehmen ist, sondern eine Fluggesellschaft. Die Beklagte hat keinen Einfluss auf die Höhe der Kosten, welche für die Reiserücktrittsversicherung anfallen. Hierbei ist auch die Wertung der EuGH-Entscheidung vom 23.04.2020 heranzuziehen. In diesem Fall ging es um die Check-in-Gebühren, welche der Beklagten dem Flugunternehmen bekannt sind und dementsprechend als Teil der Flugscheinkosten auszuweisen sind (EuGH (7. Kammer), Urteil vom 23.4.2020 – C-28/19, NJW 2020, 1793). Im Unterschied zu den Check-in-Gebühren, welche dem Flugunternehmen bekannt sind, ist diese Kenntnis nicht bzgl. der Versicherung anzunehmen.
Zudem ist in diesem Fall zu berücksichtigen, dass für den Zeitraum zwischen der Buchung (17.01.2020) und der Stornierung durch die Beklagte am 29.05.2020 zudem Versicherungsschutz bestanden hat. Wäre der Kläger in diesem Zeitraum entsprechend der für den Versicherungsbedingungen erkrankt, hätte die Reiserücktrittsversicherung entsprechend erstatten müssen. Auch wenn ein Umbuchen seitens der Beklagten auf einen Flug aus München hätte erfolgen können, führt dies nicht dazu, dass die Aufwendungen für die Kosten der Reiserücktrittsversicherung gänzlich frustriert sind.
b)
Auch ergibt sich kein Anspruch aus § 812 Abs. 1 S. 1 BGB.
Die Buchung erfolgte unstreitig über das Portal … . Da die Beklagte unstreitig keine Versicherung ist, hat sie den Betrag für die Reiserücktrittsversicherung nicht erhalten.
c)
Das Vorbringen der Beklagten ist insoweit auch nicht rekrutiert, da es nicht zu einer Verzögerung des Rechtsstreits gekommen ist, § 96 Abs. 1 ZPO.
II.
Die Kostenentscheidung richtet sich nach § 92 Abs. 2 Nr. 1 ZPO. Die zu viel Forderung der Klagepartei führt als verhältnismäßig geringfügig betrachtet, weshalb die Beklagte die gesamten Prozesskosten auferlegt werden.
Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nummer 11, 711 ZPO.
Die Berufung war gemäß § 511 Abs. 4 Nummer 1 ZPO zuzulassen, da bezüglich der rechtlichen Auslegung der Flugscheinkosten eine Rechtssache grundsätzlicher Bedeutung vorliegt.
Die Festsetzung des Streitwerts ergibt sich aus § 3 ZPO.